Ludwig Freiherr von Flotow
Ludwig Freiherr von Flotow
(*
17. November
1867
in
Wien
; †
6. April
1948
in
Gmunden
; ab 3. April 1919
Ludwig Flotow
[1]
) war Diplomat in
Osterreich-Ungarn
und ab November 1918 letzter, liquidierender
Außenminister
der damals nicht mehr bestehenden Doppelmonarchie.
Ludwig von Flotow entstammt der seit 1241 urkundlich nachgewiesenen Familie
Flotow
. Seine Eltern waren der koniglich bayerische Kammerer und Obrist Ludwig von Flotow (1821?1876) und dessen Frau Maria (1840?1921) aus der bohmischen Grafenfamilie
Bubna
und Lititz. Sein Großvater Georg Friedrich von Flotow (1786?1876) war koniglich bayerischer Kammerer und General und wurde am 4. Janner 1829 in den bayerischen Freiherrenstand erhoben.
Von Flotow war verheiratet mit Maximiliane (1896?1937), geborene Grafin von
Matuschka
, Freiin von Greiffenclau zu
Vollrads
(Schloss im hessischen Rheingau), Freiin von
Toppolczan
(Burgruine in der Westslowakei, zuvor
Konigreich Ungarn
) und Spaetgen. Das Paar hatte zwei Sohne, Ludwig-Alexander (* 1928) und Gereon-Paul (* 1930).
Flotow studierte
Rechtswissenschaften
und wurde am 14. August 1894 in Graz zum
Dr. jur.
promoviert
. Im Mai 1895 legte er die Diplomatenprufung ab und schlug die Diplomatenlaufbahn ein. Nach einer Reihe von unterschiedlichen Verwendungen wurde er 1906 zum
Legationsrat
II. Klasse ernannt. 1909 erfolgte die Ernennung zum Legationsrat I. Klasse.
Am 13. November 1913 wurde er zum außerordentlichen Gesandten und bevollmachtigten Minister ernannt und in das Außenministerium nach
Wien
versetzt. Er war dort Leiter des 1. Referats der politischen Sektion des Ministeriums, spater Erster Sektionschef.
Vom 4. Janner 1917 bis 21. Juni 1918 war er Stellvertreter des Außenministers. Vom 2. bis 11. November 1918 war er auf Vorschlag seines Vorgangers
Gyula Andrassy der Jungere
von Kaiser
Karl I.
zum (
liquidierenden
) Außenminister
Osterreich-Ungarns
berufen. Da Ungarn die
Realunion
mit Osterreich per 31. Oktober 1918 aufgekundigt hatte, bestand Flotows Aufgabe nur mehr in der Liquidation der Botschaften, Gesandtschaften und Konsulate im Ausland und des Ministeriums in Wien.
Deutschosterreich
hatte am 30. Oktober 1918
Viktor Adler
zum ersten ?Außenminister“ (Funktionsbezeichnung:
Staatssekretar des Außern
) berufen.
Das Ministerium trug den offiziellen Namen
Ministerium des kaiserlichen und koniglichen Hauses und des Außern.
Fur die Dynastie der
Habsburg-Lothringer
konnte Flotow jedoch nichts mehr tun: Ungarn hatte sich vollig selbststandig gemacht; in Osterreich beriet Ministerprasident
Heinrich Lammasch
den Kaiser in den letzten Tagen seiner Regierung.
Am Tag nach dem Regierungsverzicht Karls I. beschloss die deutschosterreichische
Provisorische Nationalversammlung
am 12. November 1918 durch Gesetz die Auflosung der
k.u.k.
und der
k.k.
Ministerien. Zu diesem Zeitpunkt waren dem Ministerium vier Botschaften (
Berlin
,
Konstantinopel
,
Madrid
,
Vatikan
), elf Gesandtschaften und zahlreiche Konsulate im Ausland unterstellt.
Flotow arbeitete nun mit Zustimmung der (deutsch)osterreichischen Regierung unter der Funktionsbezeichnung
Leiter des Liquidierenden Ministeriums des Außern
bis November 1920 weiter, um die bisherige Organisation aufzulosen, hatte aber keine politischen Agenden mehr wahrzunehmen. Er war auch fur Beforderungen und Pensionierungen des verbliebenen Personals (anfangs allein 25 Beamten in Wien) zustandig, was von der Regierung am 13. Mai 1919 zustimmend zur Kenntnis genommen wurde.
Dabei unterstand er dem
(deutsch)osterreichischen
Staatsamt des Außern
und hatte bis Ende 1919 mit der so genannten ?zwischenstaatlichen Liquidierungsorganisation“, bestehend aus Vertretern der Nachfolgestaaten der Doppelmonarchie, zusammenzuarbeiten. Der (Friedens-)
Vertrag von Saint-Germain
, der im September 1919 von Osterreich und den Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs unterzeichnet wurde, machte Osterreich aber weitestgehend allein fur die Aufgabe verantwortlich. Daher wurde Flotow am 18. Dezember 1919 angewiesen, die Liquidierungsvorgange von nun an als ?innerosterreichische Angelegenheit“ zu betreiben.
[2]
Die Kostenaufteilung der Liquidierung auf die Nachfolgestaaten war nun bilateralen Verhandlungen vorbehalten.
Parallel zu Flotows Tatigkeit hatten die Nachfolgestaaten im November 1918 mit dem Aufbau eigener Außenamtsstrukturen begonnen und ubernahmen hierbei etwa die Halfte der Mitarbeiter aus dem k.u.k. diplomatischen Dienst, in welchem im November 1918 428 Konzeptsbeamte beschaftigt waren. 108 wurden in den osterreichischen, 75 in den ungarischen, 16 in den polnischen, 10 in den tschechoslowakischen, zwei in den rumanischen und einer in den italienischen Dienst ubernommen, der
SHS-Staat
ubernahm keinen.
Das liquidierende Außenministerium vertrat die Interessen jedes Nachfolgestaats der Donaumonarchie, und zwar jeweils so lang, bis der betreffende Staat eigene Vertretungen errichtet hatte. Jedoch gab es eine Reihe von Staaten, zu denen die Nachfolgestaaten noch keine offiziellen Beziehungen aufgenommen hatten ? oder umgekehrt. Dort amtierten die osterreichisch-ungarische Vertretungen noch einige Zeit weiter, in den meisten Fallen bis spatestens Ende November 1918. Die letzten ehemaligen k.u.k. Vertretungen waren die beim Heiligen Stuhl bis 31. Janner 1920, in
Brasilien
bis 27. Mai 1920. In der
Schweiz
amtierte die Vertretung zuletzt bis 31. Oktober 1920 nur mehr fur Ungarn, da die Schweiz zwar bereits am 9. Janner 1920 die
Republik Osterreich
,
Ungarn
aber erst am 9. Oktober 1920 anerkannt hatte.
Am 8. November 1920 war die Liquidierung des Außenministeriums abgeschlossen und Ludwig Flotow
[1]
richtete an
Michael Mayr
, Außenminister der Republik Osterreich, sein Rucktrittsschreiben. Am 8. April 1922 wurde Flotow offiziell in den Bundesdienst der Republik ubernommen und im gleichen Monat pensioniert.
- November 1918 auf dem Ballhausplatz. Erinnerungen von Ludwig Freiherr von Flotow, des letzten Chefs des osterr.-ungarischen Auswartigen Dienstes 1895?1920.
Bearbeitung und Hrsg. Erwin Matsch. Bohlau, Graz 1982,
ISBN 3-205-07190-5
. (
Auszug bei Google Books
).
- ↑
a
b
Siehe
Adelsaufhebungsgesetz
vom 3. April 1919.
- ↑
Erwin Matsch:
Der Auswartige Dienst von Osterreich(-Ungarn) 1720?1920.
1986,
ISBN 3-205-07269-3
, S. 169.