Lucie Adelsberger
(geboren am
12. April
1895
in
Nurnberg
; gestorben am
2. November
1971
in
New York
) war eine deutsche Facharztin fur
Kinderheilkunde
sowie
Innere Medizin
mit dem Forschungsschwerpunkt
Allergologie
und Uberlebende des
Holocaust
. Sie wurde aufgrund ihrer
judischen
Herkunft in das
KZ Auschwitz
deportiert
, wo sie als
Haftlingsarztin
im
KZ Auschwitz-Birkenau
tatig war.
Stolperstein
am Haus, Bleibtreustraße 17, in
Berlin-Charlottenburg
Lucie Adelsberger war die Tochter des Nurnberger Weinhandlers Isidor Adelsberger und dessen Ehefrau Rosa, geborene Lehmann, und hatte eine jungere Schwester sowie einen jungeren Bruder. Sie besuchte neun Jahre lang die
Hohere Tochterschule
der Stadt und danach fur vier Jahre das ?Privat-Real-Gymnasium Dr. Uhlemayr“. Ab 1914 begann sie ein
Studium der Medizin
an der
Universitat Erlangen
, welches sie 1919 abschloss. Anschließend arbeitete sie als Assistenzarztin im Cnopf’schen Kinderspital (heute
Cnopfsche Kinderklinik
) in Nurnberg, wo sie auch fur ihre
Dissertation
forschte. Sie erhielt ihre
Approbation
als Arztin 1920 und wurde 1923 in Erlangen mit ihrer Dissertation
Die Verdauungsleukocytose beim Saugling
zum
Dr. med.
promoviert
.
[1]
Von 1921 bis 1923 arbeitete sie in der Kinderabteilung des stadtischen Krankenhauses in
Berlin-Friedrichshain
, von 1924 und 1925 im Berliner Kinder- und Waisenasyl und von 1926 bis 1927 als
Konsiliaria
bei der Kinder- und Sauglingswohlfahrt in
Berlin-Wedding
. Ab Mai 1925 fungierte sie als niedergelassene Arztin und schloss erfolgreich ihre Ausbildung zur Internistin (1925) sowie
Padiaterin
(1926) ab.
[2]
Zudem war Adelsberger als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner
Robert Koch-Institut
(RKI) ab November 1927 tatig, wo sie gemeinsam mit dem
Serologen
Hans Munter
ihren Forschungsschwerpunkt auf die Allergologie in der ?Beobachtungsstelle fur Uberempfindlichkeitsreaktionen“ legte. Bis Dezember 1930 hatte sie im Rahmen ihrer Allergieforschung im RKI und eigener Praxis etwa 1.000 Patienten untersucht.
[3]
Sie war Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen, Mitglied der Deutschen Gesellschaft fur Kinderheilkunde und aktive Teilnehmerin mehrerer medizinischer Kongresse.
[2]
Nach der
Machtergreifung
durch die
Nationalsozialisten
endete aufgrund ihrer judischen Herkunft bereits am 31. Marz 1933 ihr Beschaftigungsverhaltnis am
Robert Koch-Institut
. Um einem Ausschluss zuvorzukommen, trat sie aus den medizinischen Fachgesellschaften, in denen sie Mitglied war, aus; so z. B. aus dem Bund Deutscher Arztinnen, der Vorlauferorganisation des
Deutschen Arztinnenbunds
sowie der Deutschen Gesellschaft fur Kinderheilkunde, der heutigen
Deutschen Gesellschaft fur Kinder- und Jugendmedizin
. Bis 1938 arbeitete sie als niedergelassene Arztin in eigener Praxis, die sie jedoch Ende September 1938 schließen musste. Anschließend zog sie mehrmals innerhalb Berlins um, versuchte erfolglos, erneut eine Praxis zu offnen, und war dann schließlich als
Krankenbehandlerin
in Charlottenburg tatig.
[2]
Nach einem zehntagigen Auslandsaufenthalt in den
USA
an der
Harvard University
zu wissenschaftlichen Zwecken kehrte sie jedoch im November 1938 nach Berlin zuruck. Sie versuchte 1939 erfolglos, mit ihrer pflegebedurftigen Mutter in die USA zu
emigrieren
. Am 6. Mai 1943, ihre Mutter war wenige Monate zuvor verstorben, wurde Adelsberger verhaftet und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße eingewiesen. Von dort wurde sie am 17. Mai 1943 mit dem 38. Osttransport in das KZ Auschwitz deportiert, wo sie am 19. Mai 1943 ankam. Adelsberger erhielt in Auschwitz die Haftlingsnummer 45.171 und war im KZ Auschwitz-Birkenau im Zigeuner- und Frauenlager als Haftlingsarztin eingesetzt.
[4]
Sie berichtete spater auch uber die Lebensumstande der Kinder im
Zigeunerlager
:
?Die Kinder waren wie die Erwachsenen nur noch Haut und Knochen ohne Muskeln und Fett, und dunne pergamentartige Haut scheuerte sich uber den harten Kanten des Skeletts uberall durch (…). Aber die Not dieser Wurmer schnitt noch mehr ins Herz. Vielleicht, weil die Gesichter alles Kindliche eingebußt hatten und mit greisenhaften Zugen aus hohlen Augen guckten (…).
Kratze
bedeckte den unterernahrten Korper von oben bis unten und entzog ihm die letzte Kraft. Der Mund war von
Noma
-Geschwuren zerfressen, die sich in die Tiefe bohrten, die Kiefer aushohlten und krebsartig die Wangen durchlocherten (…). Vor Hunger und Durst, Kalte und Schmerzen kamen die Kinder auch nachts nicht zur Ruhe. Ihr Stohnen schwoll orkanartig an und hallte im ganzen Block wider.“
[5]
Nach der Raumung des KZ Auschwitz gelangte sie auf einem
Todesmarsch
uber mehrere Stationen in das
KZ Ravensbruck
. Nach Verlegung in das Außenlager
Neustadt-Glewe
wurde sie dort am 2. Mai 1945 durch US-amerikanische Truppen
befreit
.
[6]
?Durch einen irregeleiteten Fanatismus sind aus zivilisierten Menschen Bestien geworden, die nicht nur getotet, sondern mit Lust und Freude gequalt und gemordet haben. Ein bißchen Salonantisemitismus, etwas politische und religiose Gegnerschaft, Ablehnung des politisch Andersdenkenden, an sich ein harmloses Gemengsel, bis ein Wahnsinniger kommt und daraus Dynamit fabriziert. Man kann diese Synthese begreifen, wenn Dinge, wie sie in Auschwitz geschehen sind, in Zukunft verhutet werden sollen. Wenn Haß und Verleumdung leise keimen, dann, schon dann heißt es wach und bereit sein. Das ist das Vermachtnis derer von Auschwitz.“
?
Auschwitz: Ein Tatsachenbericht
[7]
Adelsberger gelangte uber das
Britische Rote Kreuz
als
Displaced Person
nach
Amsterdam
, wo sie jedoch als Staatenlose keine Arbeitserlaubnis erhielt. Sie verfasste zwischen 1945 und 1946 das Skript
Auschwitz. Ein Tatsachenbericht
, der 1956 in uberarbeiteter Fassung erstmals publiziert wurde.
[8]
In
The Lancet
publizierte sie im Marz 1946 einen Beitrag uber die medizinischen Bedingungen im KZ Auschwitz.
[9]
Im Oktober 1946 emigrierte sie aus den
Niederlanden
nach New York. Dort war sie von 1947 bis 1949 am Montefiore Hospital, Country Sanatorium, Bedford Hills tatig, erhielt 1949 ihre
Medical License
(vergleichbar der deutschen Approbation) und war ab August 1949 am Montefiore Hospital wieder wissenschaftlich tatig. Zudem publizierte sie wieder im Bereich Medizin und fuhrte zur Finanzierung ihrer Forschungsaktivitaten eine auf Allergologie spezialisierte Privatpraxis.
[2]
Adelsberger hatte 1952 einen schwerwiegenden
Herzanfall
, zudem litt sie unter
Depressionen
. Im Juni 1964 wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Am 2. November 1971 verstarb sie an
Brustkrebs
.
[10]
Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Sharon Gardens, dem judischen Teil des Kensico Cemetery, rund 40 Kilometer nordlich des Zentrums von New York City.
[11]
Die Gesellschaft fur Padiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. halt seit 2015 die Erinnerung an Lucie Adelsberger und ihre Leistungen auf dem Gebiet der Allergieforschung wach, indem sie alljahrlich eine nach ihr benannte Ehrenmedaille an Wissenschaftler verleiht, ?die sich um die Forschung und Lehre, den Wissenstransfer von der Klinik in die Praxis und die Verbesserung der Situation allergiekranker Kinder und Jugendlicher verdient gemacht haben“.
[12]
Am 6. Mai 2022 wurde in der Bleibtreustr. 17, im Berliner Bezirk Charlottenburg, ein
Stolperstein
fur Lucie Adelsberger verlegt. In dem Haus, in dem sie die letzten anderthalb Jahre vor ihrer Deportation nach Auschwitz im Mai 1943 wohnte, hat heute u. a. der Landesverband Berlin-Brandenburg des Arzteverbands
Marburger Bund
seinen Sitz.
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- Die Verdauungsleukocytose des Sauglings
. In:
Zeitschrift fur Kinderheilkunde
.
Nr.
29
, 1921.
(Zum Thema siehe
Verdauungsleukozytose
.)
[13]
- Herpes zoster und Varizellen
. In:
Munchner medizinische Wochenschrift
.
Nr.
4
, 24. Januar 1924.
(Zum Thema siehe
Herpes Zoster
sowie
Windpocken
.)
[14]
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, (Theoret. Tl) Aus d. Inst. ?Robert Koch“ (Serolog. Abt.: Geh. R. Otto), Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin Wien, 1929
- Alimentare Allergie
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Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß
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und entferne dann diesen Hinweis.
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