Lothar Kreiser

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Lothar Werner Kreiser (* 19. Juni 1934 in Arnsdorf ; † 15. August 2023 [1] ) war ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer .

L. Kreiser, 2. Sohn einer Fabrikarbeiterin und eines Schweizers , besuchte von 1940 bis 1948 die Volks- bzw. Grundschule in Arnsdorf, erlernte von 1949 bis 1952 den Beruf des Werkzeugmachers im VEB Leuchtenbau Arnsdorf, erwarb 1954 das Abitur an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultat der Universitat Leipzig und studierte dort bis 1959 Philosophie mit Nebenfach Mathematik. Nach dem Staatsexamen war er Aspirant an der Humboldt-Universitat zu Berlin und schloss die Aspirantur 1962 mit dem Erwerb des akademischen Titels des Dr. phil. ab. Von 1962 bis 1968 war er Assistent bzw. Oberassistent am Institut fur Philosophie der Karl-Marx-Universitat Leipzig. 1967 habilitierte er sich und wurde 1968 zum ordentlichen Dozenten fur Logik an dieser Universitat ernannt. 1972 wurde er zum ordentlichen Professor fur Logik berufen. Im Studienjahr 1980/81 war er Inhaber des Internationalen Frege-Lehrstuhls an der Friedrich-Schiller-Universitat Jena. Lehrauftrage fur Logik hatte er uber Jahre an der Padagogischen Hochschule Dresden und an der Martin-Luther-Universitat. 1992 erfolgte seine Neuberufung als ordentlicher Professor fur Logik, klassische Logik und Semantik. Von 1989 bis 1994 war er Dekan der Fakultat fur Philosophie und Geschichtswissenschaften der Universitat Leipzig und als solcher Mitglied des Senats dieser Universitat. Von 1990 bis 1992 vertrat er die Fakultat fur Philosophie und Geschichtswissenschaften im Philosophischen Fakultatentag. Anschließend war er von 1992 bis 1998 Mitglied des Wissenschaftsrates bei der Bundesregierung Deutschland und wirkte dort in einer Reihe zeitweiliger bzw. standiger Kommissionen mit. Daneben war er in dieser Zeit noch in anderen nationalen Wissenschaftsorganisationen tatig. Von 1992 bis 2000 war er Mitglied des Forschungsbeirates beim Sachsischen Staatsministerium fur Wissenschaft und Kunst. Ab 1995 war er ordentliches Mitglied der Sachsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und gehorte der Philologisch-Historischen Klasse an, deren Sekretar er von 2001 bis 2003 war.

L. Kreiser vertrat die Ansicht, dass die Logik eine nicht-philosophische Strukturwissenschaft und deshalb wie eine solche zu betreiben sei. Diese, auch von anderen vertretene Position, wurde 1987 von den zustandigen staatlichen Instanzen der DDR akzeptiert, insbesondere auch von der Abteilung Wissenschaften im ZK der SED. Die Logik war damit in der DDR auch offiziell kein Bestandteil der marxistisch-leninistischen Philosophie (Ideologie). In der DDR war er Mitglied von wissenschaftlichen Beiraten des Hochschul- und des Volksbildungsministeriums. 1986 wurde er vom Minister fur das Hoch- und Fachschulwesen der DDR zum Leiter einer Kommission berufen, die eine Entwicklungskonzeption der Logik an den Universitaten und Hochschulen der DDR bis 1990 und Strategien fur die Zeit danach erarbeiten sollte. Schon in ihrer 1. Vorlage wurde die Konzeption 1987 angenommen und sie brachte auch den Durchbruch in seinem langjahrigen Bestreben, den Logikunterricht an den Erweiterten Oberschulen einzufuhren. Im gleichen Jahr noch wurde mit der praktischen Erprobung eines Lehrplans fur den fakultativen Logikunterricht an ausgewahlten Erweiterten Oberschulen im sachsischen Raum begonnen. Gleichzeitig wurden Vorbereitungen fur die voraufgehende Qualifizierung von Lehrkraften an den Schulen und an Padagogischen Hochschulen getroffen. L. Kreiser gehorte in der Zeit des Bestehens des Forschungs- und Rechenzentrums Dresden dessen wissenschaftlichem Beirat an und unterstutzte auch mit eigenen Beitragen die bildungstheoretischen, elektronisch gestutzten Untersuchungen unter Leitung von Horst Kreschnak . Gegenstand der Logik sind Kreisers Ansicht nach Folgerungsbeziehungen zwischen semantisch zu bestimmenden Werten ihrer jeweiligen Tragermenge. Eine Reihe solcher Folgerungsbeziehungen untersucht er in seinem 2008 erschienenen Buch ?Die Vielfalt des Logischen“. In ihre Erforschung und ihre systematische Entwicklung als nicht-klassische logische Theorie, deren originaren Anwendungsbereiche Gesellschaftswissenschaften sind, bezog er die logische Methodologie, deren Bearbeitung er in seinem Lehrstuhl durch den von einem Mitarbeiter geleiteten Aufbau einer Lehr- und Forschungsgruppe forderte, als Untersuchungsmittel mit ein. Er regte seine Mitarbeiter zur Bearbeitung nichtklassischer logischer Theorien an, deren Ergebnisse u. a. in dem 1986 in erster und 1990 in zweiter Auflage erschienenen Buch ?Nichtklassische Logik. Eine Einfuhrung“ vorgestellt wurden. Die Geschichte der Logik, vor allem der formalen Logik, stellte ein weiteres Forschungs- und auch Lehrgebiet von ihm dar. Die Werke z. B. von B. Bolzano, W. Wundt oder H. Lotze enthalten seiner Meinung nach noch immer Ideen, die Erkennen auslosende Impulse fur die heutige Forschung geben konnen, analog dem logisch-semantischen Schaffens Freges, das ebenfalls ein Untersuchungsgebiet von ihm ist. Ein Ergebnis seiner jahrzehntelangen Nachforschungen uber das Leben und Wirken von Gottlob Frege ist die erste umfassende Biographie Freges (erschienen 2001). Er wirkte mit an dem von dem tschechischen Logiker Karel Berka konzipierten Sammelband Logik-Texte. Kommentierte(n) Texte zur Geschichte der modernen Logik , der 1971 im Akademie-Verlag unter beider Namen erschien und eine sehr erfolgreiche Publikation war, die mehrere Auflagen erlebte. An Freges Sinnvariation zur Entscheidung der Frage, ob eine gegebene Aussage aus einer Menge von Aussagen von dieser logisch unabhangig ist oder nicht, anschließend entwickelte L. Kreiser ein Verfahren zum Verstehen eines mit Geltungsanspruch verbundenen Textes uber seine logischen Komponenten. Er stellte den heuristischen Wert dieses Verfahrens u. a. an einem aussagenlogischen Modell fur die Aussagen im Kapitel 1 (?Uber Gott“) der ?Ethik“ von Baruch de Spinoza sowie einem Abschnitt aus der ? Wissenschaftslehre “ von Johann Gottlieb Fichte vor. Textverstehen uber logische Modelle ist ihm zufolge Gegenstand der logischen Hermeneutik. L. Kreiser war Wissenschaftler, Wissenschaftsorganisator, Wissenschaftspolitiker und Bildungstheoretiker.

Veroffentlichungen

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Er veroffentlichte rund 200 wissenschaftliche Arbeiten zu Themen seines Berufungsgebietes, darunter vier eigene Bucher

  • Deutung und Bedeutung. Zur logischen Semantik philosophischer Terminologie. Akademie-Verlag, Berlin 1986, 136 S.
  • Gottlob Frege. Leben ? Werk ? Zeit (2001)
  • Die Vielfalt des Logischen (2008)
  • Logik und Logiker in der DDR (2009)

drei Bucher als Koautor

  • (Hrsg. mit Karel Berka): Logik-Texte, Kommentierte Textauswahl zur Geschichte der modernen Logik . Akademie-Verlag, Berlin 1971. Mehrere auch erweiterte Auflagen.
  • Nichtklassische Logik (1986)
  • Traditionelle und nichtklassische Logik (2004)

und ist Herausgeber von zwei Buchern

  • G. Frege: Schriften zur Logik (1973)
  • L. Borkowski: Formale Logik (1976)

Internationale Anerkennung fanden seine Arbeiten uber Gottlob Frege, dem Begrunder der modernen Logik, seine logisch semantischen Arbeiten und seine Untersuchungen zur logischen Hermeneutik.

  • N.I. Kondakow: Worterbuch der Logik , Herausgeber der deutschen Ausgabe: Erhard Albrecht, Gunter Asser, Leipzig 1983
  • Wer war wer in der DDR. Ein biographisches Lexikon , Berlin 2003
  • Burgerportraits Stadt Leipzig , Delitzsch 2005
  • H. Riedel: Stadtlexikon Leipzig von A bis Z , Leipzig 2005
  • Ingolf Max (Hrsg.): Traditionelle und moderne Logik. Lothar Kreiser gewidmet . Leipzig 2003

Einzelnachweise

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  1. Nachruf der Universitat Leipzig, in: Leipziger Volkszeitung vom 22. September 2023.