Lohengrin

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Werkdaten
Originaltitel: Lohengrin

August von Heckels Gemalde auf Schloss Neuschwanstein , im Auftrag von Ludwig II. , 1886

Form: durchkomponiert
Originalsprache: Deutsch
Musik: Richard Wagner
Libretto : Richard Wagner
Literarische Vorlage: Parzival von Wolfram von Eschenbach
Urauffuhrung: 28. August 1850
Ort der Urauffuhrung: Weimar , Großherzogliches Hoftheater
Spieldauer: ca. 3 ½ Std.
  • 1. Akt: ca. 1:05 Std.
  • 2. Akt: ca. 1:20 Std.
  • 3. Akt: ca. 1:05 Std.
Ort und Zeit der Handlung: Antwerpen , Anfang des 10. Jahrhunderts
Personen

Lohengrin ist eine romantische Oper in drei Akten des deutschen Komponisten Richard Wagner . Sie spielt vor einem historischen Hintergrund ( Brabant in der ersten Halfte des 10. Jahrhunderts ). Die Urauffuhrung fand am 28. August 1850 im Großherzoglichen Hoftheater in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt statt, die Titelpartie sang Karl Beck . [1] [2] [3] Das vom Komponisten verfasste Libretto basiert auf dem Sagenkreis um Lohengrin und Elsa , der in verschiedenen Fassungen uberliefert ist. Die meisten Ubereinstimmungen bestehen zur 536. der Deutschen Sagen der Bruder Grimm ( Lohengrin zu Brabant ) [4] sowie zur Prosa-Nacherzahlung in C.T.L. Lucas Ueber den Krieg von Wartburg (1838). [5] [6]

Literarische Vorlagen

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Die literarische Figur des Loherangrin taucht im letzten Kapitel des mittelalterlichen Versepos Parzival Wolframs von Eschenbach als Seitenfigur auf. Der Gralsritter Loherangrin, Sohn des Gralskonigs Parzival, wird auf einem Schwan der Herzogin von Brabant als Helfer und Beschutzer gesandt. Als Bedingung fur seine Hilfe darf sie ihn niemals nach seinem Namen fragen. Als sie sein Verbot bricht, muss er sie verlassen. [7] Wagner griff die Figur auf und baute das Frageverbot zum Kern einer Geschichte aus, die das Verhaltnis zwischen gottlicher Sphare und irdischem Jammertal und zwischen fruhmittelalterlichem Christentum und germanischer Gotterwelt darstellt. Gleichzeitig versuchte Wagner, Elemente der griechischen Tragodie in die Handlung einzuflechten. Er schrieb dazu in den Mitteilungen an meine Freunde uber seinen Lohengrin-Plan:

Wer kennt nicht ? Zeus und Semele “? Der Gott liebt ein menschliches Weib und naht sich ihr in menschlicher Gestalt. Die Liebende erfahrt aber, daß sie den Geliebten nicht nach seiner Wirklichkeit erkenne, und verlangt nun, der Gatte solle sich ihr, in der vollen sinnlichen Erscheinung seines Wesens, kundgeben. Zeus weiß, daß sein wirklicher Anblick sie vernichten muß. Er selber leidet unter diesem Bewußtsein, unter dem Zwange, das Verlangen der Liebenden erfullen zu mussen und sie damit zu verderben. Er vollzieht sein eigenes Todesurteil, wenn der Glanz seiner gottlichen Erscheinung die Geliebte vernichtet. Ist der Mensch, der nach dem Gott sich sehnt, nicht vernichtet?

Mit Lohengrin schuf Wagner die neue Opernform des durchkomponierten Musikdramas. Die Komposition ist nicht in einzelne Nummern aufgeteilt, sondern wird ohne Unterbrechung aktweise durchgespielt. Wagner setzt sich damit von der herkommlichen Struktur der Nummernoper mit Arien , Rezitativen und Chorpartien ab. Trotzdem sind auch in Lohengrin noch große arien- oder ensembleartige Fragmente erhalten, so zum Beispiel Elsas Traumerzahlung und Lohengrins Gralserzahlung , die immer noch an die Form der klassischen Soloarie erinnern.

Um das Seelenleben der Buhnenfiguren in eindeutig lesbare musikalische Motive umsetzen zu konnen, wandte Wagner in Lohengrin Leitmotive an (z. B. das Grals- und das Frageverbot-Motiv).

Vorspiel und Erster Aufzug

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Das Vorspiel stellt die Aura des Grals dar. Die Musik beginnt mit leisen, hohen, spharischen Streicherklangen, schwillt bis zu einem machtigen Hohepunkt an und verschwindet wieder in spharischem pianissimo. Friedrich Nietzsche schrieb: ?Im Lohengrin giebt es viele blaue Musik. Wagner kennt die opiatischen und narkotischen Wirkungen und braucht sie gegen die ihm gut bewußte nervose Zerfahrenheit seiner musikalischen Erfindungskraft.“ [8]

Zu Beginn des ersten Aufzugs sitzt Heinrich der Vogler auf einer Aue am Ufer der Schelde unter einer Gerichtseiche , um Heerschau und Gerichtstag im Furstentum Brabant zu halten. Er teilt seine Absicht mit, fur einen Krieg gegen die Ungarn ein Heer zu sammeln, an dem sich auch Brabant mit Soldaten beteiligen soll.

?Ob Ost, ob West, das gelte allen gleich.
Was deutsches Land ist, stelle Kampfesscharen.
Dann schmaht wohl niemand mehr das deutsche Reich.“

Außerdem habe er erfahren, dass ein Streit um die Erbfolge im Herrscherhaus entbrannt sei. Er ruft daher Friedrich von Telramund zur Aussage vor Gericht. Dieser ist der Erzieher Elsas und Gottfrieds , der Kinder des verstorbenen Herzogs von Brabant. Telramund sagt aus, Gottfried sei auf einem Spaziergang mit seiner Schwester im Wald verschwunden. Er klage sie daher des Brudermordes an, obwohl sie ihm eigentlich als Braut versprochen war. Er selbst habe Ortrud , die letzte Nachfahrin des Friesenfursten Radbod , geheiratet. Daher beanspruche er zusatzlich die Furstenwurde von Brabant:

?Dies Land doch sprech’ ich fur mich an mit Recht,
da ich der Nachste von des Herzogs Blut.
Mein Weib dazu aus dem Geschlecht,
das einst auch diesen Landen seine Fursten gab.“

Lohengrin
Oper Oslo 2015

Vom Konig zur Tat befragt, sagt Elsa nur ?Mein armer Bruder“ . Sie erklart, dass ihr im Traum ein Ritter erschienen sei, der sie schutzen und verteidigen werde (Elsas Traumerzahlung: ?Einsam in truben Tagen“ ).

Konig Heinrich ordnet einen Gerichtskampf als Gottesurteil an. Die Situation Elsas verscharft sich, indem die brabantischen Ritter sich weigern, gegen Telramund zu kampfen (?Wir streiten nur fur dich“) . Auf die Frage, wer sie im Kampf vertreten soll, sagt Elsa, ihr werde der gottgesandte Streiter zur Seite stehen, den sie im Traum gesehen habe.

Auf den koniglichen Aufruf der Streiter meldet sich zunachst kein Kampfer fur Elsa. Erst als sie selbst betet, erscheint ein Boot, das von einem Schwan gezogen wird. Darauf steht ein fremder Ritter in heller Rustung. Dieser will nicht nur fur Elsa streiten, sondern halt zugleich um ihre Hand an. Beides ist jedoch mit einer Bedingung verknupft:

?Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam’ und Art.“

Den Versammelten verkundet der Ritter, dass Elsa von Brabant schuldlos sei. Es kommt zum Zweikampf , in dem der Unbekannte den Grafen von Telramund besiegt. Der Fremde verzichtet darauf, Telramund zu toten (?Durch Gottes Sieg ist jetzt dein Leben mein ? ich schenk’ es dir, mogst du der Reu’ es weih’n“) . Unter allgemeinem Jubel sinkt Elsa ihrem Retter in die Arme.

Es dammert der Tag nach dem Zweikampf. Vor dem Palast beklagt Graf Friedrich von Telramund den Verlust seiner Ehre und bezichtigt seine Gattin, ihn zur Falschaussage gegen Elsa verfuhrt zu haben. Ortrud zeiht ihn der Feigheit gegenuber dem fremden Ritter, in dem sie keineswegs einen von Gott gesandten Helden erblickt, sondern ein Wesen, ?das durch Zauber stark“ . Den widerstrebenden Telramund (?Du wilde Seherin, wie willst du doch geheimnisvoll den Geist mir neu berucken“) uberzeugt Ortrud davon, dass ihm Unrecht getan wurde und der Fremde den Zweikampf nur mit Hilfe eines Zaubers habe gewinnen konnen. Die beiden beschließen, Elsa zu verleiten, ihrem Helden die verbotene Frage nach ?Nam’ und Art“ zu stellen. Fur den Fall, dass dies missglucke, rat Ortrud zur Anwendung von Gewalt gegenuber dem fremden Helden (?Jed’ Wesen, das durch Zauber stark, wird ihm des Leibes kleinstes Glied entrissen nur, muss sich alsbald ohnmachtig zeigen, wie es ist!“) .

Kurz darauf erblicken sie Elsa auf dem Balkon ihrer Kemenate . Telramund zieht sich auf Drangen seiner Gattin zuruck. Ortrud gibt sich scheinbar reuevoll gegenuber Elsa, die kurz vor ihrer Hochzeit steht, und schafft es, Elsas Mitleid zu erregen und in den Palast eingelassen zu werden. Triumphierend ruft sie die ?entweihten Gotter“ Wodan und Freia um ihren Beistand an. Arglos ist Elsa nur zu gern bereit, allen und auch Ortrud zu verzeihen. In einem vertraulichen Gesprach vor der Pforte deutet Ortrud an, es konne ein dunkles Geschick sein, aus dem heraus der Fremde gezwungen sei, seinen Namen zu verbergen. Elsa weist allen Zweifel von sich und nimmt Ortrud zu sich in den Palast.

Ein musikalisches Zwischenspiel leitet uber zum Tagesanbruch. Von den Turmen ertonen Trompetensignale. Der Heerrufer des Konigs ruft die Brabanter zusammen und verkundet, dass Telramund, wie es die Gesetze erfordern, ?weil untreu er den Gotteskampf gewagt“ , in Acht und Bann gefallen sei. Der ?fremde, gottgesandte Mann“ aber soll mit dem Herzogtum Brabant belehnt werden: ?Doch will der Held nicht Herzog sein genannt; ihr sollt ihn heißen ?Schutzer von Brabant‘ “ . Der Heerrufer kundigt an, dass der Fremde sich noch am selben Tage mit Elsa vermahlen werde, um am nachsten Tag die Brabanter anzufuhren und Konig Heinrich auf dem Kriegszug zu folgen.

Am Rande der Szene außern vier brabantische Edle ihren Missmut uber die Beteiligung an Heinrichs Feldzug gegen eine weit entfernte Bedrohung. Telramund taucht auf und teilt mit, dass er den Fremden am Feldzug hindern konne und dass dieser das Gottesgericht durch einen Zauber verfalscht habe. Die vier Edlen ziehen Telramund in die Kirche.

Aus der Burg bewegt sich der Brautzug mit Elsa auf das Munster zu. Er hat gerade die Stufen vor dem Portal erreicht, da vertritt Ortrud Elsa den Weg und verlangt den Vortritt fur sich mit der Begrundung, dass sie einem geachteten Geschlecht entstamme, wahrend Elsa noch nicht einmal in der Lage sei, den Namen ihres Gatten zu nennen. Elsa weist sie unter Hinweis auf die Reichsacht, der ihr Gatte verfallen sei, zuruck. Konig Heinrich erscheint mit dem Fremden, und Ortrud muss vor diesem zuruckweichen.

Der Hochzeitszug ordnet sich erneut; da erscheint der geachtete Telramund und klagt den Fremden des Zaubers an, aber die Klage wird abgewiesen. Der Geachtete redet auf Elsa ein, die verbotene Frage zu stellen, doch Elsa ringt sich zu einem erneuten Vertrauensbeweis gegenuber ihrem Helden durch. Der Hochzeitszug zieht mit dem Fremden und der verunsicherten Elsa ins Munster ein.

Das frischvermahlte Paar zieht unter Gesang in das Brautgemach ein (Brautmarsch ? Treulich gefuhrt ). Es kommt zum ersten vertraulichen Gesprach der beiden. Elsa sagt, dass sie auch dann zum unbekannten Gatten halten wurde, wenn Ortruds Verdacht zutrafe. Dieser mochte sie beruhigen und weist auf seine hohe Herkunft hin, die er fur sie aufgab ( ?Das einz’ge, was mein Opfer lohne, muss ich in Deiner Lieb’ ersehn“ und ?aus Glanz und Wonne komm’ ich her“ ), was Elsa erst recht befurchten lasst, ihm nicht zu genugen und ihn eines Tages zu verlieren. Und so fragt sie den Ritter nach seinem Namen. In diesem Moment dringt Telramund in das Gemach ein. Es kommt zu einem Kampf, in dessen Verlauf Telramund vom Fremden erschlagen wird.

In der letzten Szene ist das Volk versammelt, um das versammelte Heer und Konig Heinrich zu verabschieden. Die vier Edlen bringen den Leichnam Telramunds vor den Konig. Der Fremde klagt Telramund des Hinterhaltes und Elsa der Untreue an. Sie habe ihm die verbotene Frage nach seinem Namen und seiner Herkunft gestellt, und er musse sie nun beantworten. Er konne daher weder als Gatte noch als Heerfuhrer in Brabant bleiben. Dann schildert er seine Herkunft. Er erzahlt vom Gralspalast Montsalvat und der gottlichen Kraft, die den Hutern des Grals gegeben werde, solange sie unerkannt fur das Recht kampften. Wenn sie aber erkannt wurden, mussten sie die von ihnen Beschutzten verlassen. Er selbst sei der Sohn des Gralskonigs Parzival, und sein Name sei Lohengrin:

?In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
liegt eine Burg, die Monsalvat genannt;
ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
so kostbar als auf Erden nichts bekannt;

drin ein Gefaß von wundertat’gem Segen
wird dort als hochstes Heiligtum bewacht.
Es ward, dass sein der Menschen reinste pflegen,
herab von einer Engelschar gebracht.

Alljahrlich naht vom Himmel eine Taube,
um neu zu starken seine Wunderkraft:
Es heißt der Gral , und selig reinster Glaube
erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.

Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rustet er mit uberirdischer Macht;
an dem ist jedes Bosen Trug verloren,
wenn ihn er sieht, weicht dem des Todes Nacht;

selbst wer von ihm in ferne Land entsendet,
zum Streiter fur der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heil’ge Kraft entwendet,
bleibt als sein Ritter dort er unerkannt.

So hehrer Art doch ist des Grales Segen,
enthullt muss er des Laien Auge fliehn;
des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
erkennt ihr ihn ? dann muss er von euch ziehn.

Nun hort, wie ich verbot’ner Frage lohne:
Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
Mein Vater Parzival tragt seine Krone,
Sein Ritter ich ? bin Lohengrin genannt.“

Der Konig werde aber auch ohne ihn die Ungarn besiegen.

?Doch, großer Konig, lass mich Dir weissagen: Dir Reinem ist ein großer Sieg verliehn.“

An Elsa gewandt berichtet Lohengrin weiter, dass es nur eines Jahrs bedurft hatte, und Gottfried ware nach Brabant zuruckgekehrt.

Trotz Elsas Flehen und des Konigs Drangen kann Lohengrin nicht bleiben. Der Schwan mit dem Boot kehrt zuruck und nimmt Lohengrin mit sich. In schrecklichem Triumph ruft Ortrud aus, sie habe den Schwan wohl als den verschwundenen Gottfried erkannt, den sie selbst verzaubert habe.

?Am Kettlein, das ich um ihn wand, ersah ich wohl, wer jener Schwan: es ist der Erbe von Brabant!“

Auf Lohengrins Gebet wird Gottfried bereits jetzt, noch vor Ablauf der Jahresfrist, erlost. Der Kahn, in dem Lohengrin unendlich traurig (Regieanweisung) scheidet, entfernt sich. Ortrud sinkt bei Gottfrieds Anblick mit einem Schrei zu Boden. Elsa sinkt entseelt in Gottfrieds Armen ebenfalls zu Boden, das Volk (Chor) gibt sein Entsetzen ?Weh! Ach!“ kund.

Das Lohengrinhaus in Graupa
Denkmal im Liebethaler Grund

Die erste Idee zur Oper kam Wagner 1842 in Paris : Durch eine Abhandlung von C.T.L. Lucas uber den Sangerkrieg auf der Wartburg wurde er auch auf das Lohengrin-Epos und die damit verbundene Parzival-Dichtung Wolframs von Eschenbach aufmerksam. Einzelne Zuge des Werks entnahm Wagner auch anderen Quellen. So ist der Konflikt zwischen Elsa und Ortrud vor dem Munster dem Streit der beiden Koniginnen im Nibelungenlied nachgebildet und das Frageverbot der griechischen Mythologie entliehen (Zeus, Semele). Im Sommer 1845, wahrend eines Kuraufenthalts in Marienbad , schrieb Wagner den Entwurf zur Oper nieder und begann sofort mit der Ausarbeitung des Textbuchs. Im Mai 1846 ging er an die musikalische Arbeit, die Kompositionsskizze war bereits Ende Juli beendet, die vollstandige Partitur des Werks wurde am 28. April 1848 abgeschlossen. Um Ruhe fur die Komposition zu haben, zog sich Wagner, der damals noch Hofkapellmeister in Dresden war, zwischenzeitlich fur einige Wochen in das Schafer’sche Gut , ein typisch sachsisches Großbauernhaus dieser Zeit, in Graupa nahe der Stadt Pirna zuruck. Wahrend unbeschwerter Wanderungen in der Natur, u. a. ins nahe Liebethal , fand er Ruhe und Ablenkung von seinen materiellen Sorgen.

Maria Theresia Low , zu der er in seiner Jugend eine schwarmerische Zuneigung entwickelt hatte und die er bei ihren Gesangsstudien am Klavier begleitete, vermittelte die Prager Erstauffuhrung des Lohengrin 1856 im Standetheater , wo 1854 auch schon die des Tannhauser stattgefunden hatte. [9] [10] Im Schafer’schen Gut wurde schon 1907 ein Wagner-Museen eingerichtet und ein weiteres 2011 im nahe gelegenen Jagdschloss . Im Liebethaler Grund wurde 1932/33 nach einem Entwurf von Richard Guhr das großte Wagner-Denkmal errichtet.

Historischer Hintergrund und Deutungshinweise

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Lohengrin ist das letzte Werk Wagners, das die Gattungsbezeichnung ? Romantische Oper“ tragt, und nur in ihm kollidieren Geschichte und Mythos unmittelbar miteinander. Das mythische Geschehen ist in eine historische Rahmenhandlung eingebettet und genau auf das Jahr 933 datierbar, in dem Konig Heinrich I. bei Ritteburg an der Unstrut die Ungarn besiegte. Heinrichs Ansprache im 1. Akt bezieht sich auf die von Widukind von Corvey uberlieferte Rede des Konigs an das sachsische Volk. Wagner hat sie nach Antwerpen verlegt, um das historische Geschehen mit der Legende vom Schwanenritter verbinden zu konnen, deren Ursprung im Niederrheinischen liegt. Ein Herzogtum Brabant hat es damals noch nicht gegeben, wohl aber eine gleichnamige Gaugrafschaft. Da Heinrich I. bei diesem Feldzug alle zerstrittenen ostfrankischen Stamme einigen konnte, wurde er zu Wagners Zeit von der liberal-demokratischen Nationalbewegung als Wegbereiter eines geeinten Deutschen Reichs verehrt und gegen die reaktionare Politik Metternichs in Stellung gebracht. [11]

Da Wagner auf radikal-demokratischer Seite 1848/49 an der Revolution in Dresden teilnahm, ist dieser Zusammenhang ein Schlussel zur Deutung der Oper, ebenso wie Wagners theoretische Schriften, die zeitgleich mit dem Lohengrin entstanden sind. So findet sich die Vermischung von Mythos und Geschichte schon in der Schrift ? Die Wibelungen . Weltgeschichte aus der Sage“ (1848), in welcher Wagner die damals aktuelle indogermanische Sprachforschung rezipierte . In den ?Wibelungen“ dienen mythische Uberlieferungen nicht als Ausgangspunkt fur die Rekonstruktion historischer Ereignisse, sondern die historischen Ereignisse sind umgekehrt nur das Rohmaterial, mit dessen Hilfe Wagner zum uberzeitlichen, mythischen Kern des ?Reinmenschlichen“ durchdringen will. Außerdem versucht er dort einen paradoxen, namlich ?kosmopolitischen“ Nationalismus bei den Deutschen nachzuweisen: in den Deutschen habe sich das Ubernationale, das ?Reinmenschliche“ am reinsten erhalten, weshalb Wagner sich gerade von den Deutschen im Vorfeld der Revolution die Regeneration Europas versprach. [12]

Des Weiteren gehort Wagners Dramenentwurf Jesus von Nazareth in das gedankliche Umfeld des Lohengrin, denn hier wird der ?historische Jesus vom ?Christus des Glaubens“ getrennt und erhalt einen revolutionaren Anstrich. Ludwig Feuerbachs materialistische Schrift Das Wesen des Christentums und David Friedrich Strauß Das Leben Jesu waren hier seine Stichwortgeber. Aus dieser Perspektive muss die christliche Symbolik des Lohengrin gesehen werden: Wagner stellt die christlichen Symbole (z. B. den Gral) den heidnischen Mythen gleichwertig an die Seite, sie sind wie bei Feuerbach von der Sehnsucht projizierte Urbilder der gesamten Menschheit. 1853 erlauterte Wagner das Lohengrin-Vorspiel und die Entstehung des Gralsmythos dementsprechend als Projektionsflache menschlicher Sehnsuchte ?aus der oden Sorge fur Gewinn und Besitz, der einzigen Anordnerin alles Weltverkehrs...“ [13]

Wagner vermischt die romantische Indologie , die materialistische Religionskritik Feuerbachs, die angebliche Sonderrolle des deutschen ?Urvolks“ (so hieß es schon bei Fichte und ?Turnvater“ Jahn ) und die Kapitalismuskritik des Vormarz ( Wilhelm Weitling , Karl Marx und Friedrich Engels ): Der Kapitalismus , egoistisches Machtstaatsdenken und das von der historischen Entwicklung angeblich deformierte Christentum haben in den Schriften Wagners aus dieser Zeit zu dem Zustand gefuhrt, dessen Entsprechung im Lohengrin die politische Krise ist, die der Zuschauer zu Beginn der Oper in dem fuhrungslos gewordenen Herzogtum Brabant vorfindet. Sie macht das politische Eingreifen Heinrichs I. und das mythische Eingreifen des Schwanenritters notig. Letzterer ist bei ihm keine rundum positive Figur und scheitert an einer von Ortrud eingefadelten Intrige ? ahnlich wie vor ihm schon der Volksheld Rienzi. Das lasst auf den politischen Pessimismus des zukunftigen Revolutionars Wagner schließen. Ortrud mag mit ihrem archaischen Gotterglauben ein Sinnbild der politischen Reaktion im Vormarz darstellen, Elsas bzw. Lohengrins Scheitern nimmt das Scheitern der politischen Utopien von 1848/49 voraus.

Spieldauer (am Beispiel der Bayreuther Festspiele)

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Bei den Bayreuther Festspielen war es ublich, die Lange der einzelnen Aufzuge zu dokumentieren, jedoch wurden dort nicht alle Jahre erfasst. [14] Einfluss auf die Dauer hatten auch die Art der Stimme und das Temperament der Sanger. [15] Die hier genannten Zeiten umfassen nur Auffuhrungen, fur die alle drei Akte dokumentiert wurden.

Ubersicht (1891 bis 1973)
Lohengrin 1. Akt 2. Akt 3. Akt Gesamtdauer
Std. Dirigent Std. Dirigent Std. Dirigent Std. Dirigent
Kurzeste Dauer 0:58 Alberto Erede
Silvio Varviso
1:13 Wolfgang Sawallisch 0:55 Alberto Erede 3:07 Alberto Erede
Langste Dauer 1:16 Felix Mottl 1:29 Heinz Tietjen 1:12 Felix Mottl
Heinz Tietjen
3:52 Heinz Tietjen
Spannweite * 0:18 (31 %) 0:16 (22 %) 0:17 (31 %) 0:45 (24 %)

* Wegen Inszenierung unterschiedlicher Fassungen nicht immer reprasentativ. Prozentangaben beziehen sich auf die kurzeste Dauer.

Amalie Materna als Ortrud, Wien um 1885
Spieldauer bei einzelnen Dirigenten der Bayreuther Festspiele (in Std.)
Jahr Dirigent 1. Akt 2. Akt 3. Akt Gesamtdauer
1894 Felix Mottl 1:10 1:22 1:09 3:41
1:08 1:25 1:12 3:45
1:11 1:23 1:06 3:40
1908 Siegfried Wagner 1:09 1:23 1:08 3:40
1:07 1:20 1:05 3:32
1936 Wilhelm Furtwangler 1:01 1:19 1:05 3:25
1937 Heinz Tietjen 1:11 1:29 1:12 3:52
1953 Joseph Keilberth 1:06 1:22 1:07 3:35
1954 Eugen Jochum 1:04 1:21 1:05 3:30
1:02 1:20 1:03 3:25
1958 Andre Cluytens 1:02 1:15 1:00 3:17
1959 Lovro von Mata?i? 1:04 1:21 1:03 3:28
Heinz Tietjen 1:03 1:21 1:03 3:27
1960 Ferdinand Leitner 1:03 1:15 1:03 3:21
Lorin Maazel 1:02 1:17 1:01 3:20
1962 Wolfgang Sawallisch 0:59 1:13 0:58 3:10
1967 Rudolf Kempe 1:02 1:23 1:00 3:25
Berislav Klobu?ar 1:00 1:20 0:59 3:19
1968 Alberto Erede 0:58 1:14 0:55 3:07
1971 Silvio Varviso 0:58 1:19 1:01 3:18

Einspielungen (Auswahl)

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Ferner wurden die bekanntesten Auszuge von namhaften Dirigenten wie Wilhelm Furtwangler , Hans Knappertsbusch , Herbert von Karajan oder Karl Muck eingespielt.

Johann Nestroy schrieb die Parodie Lohengrin , die am 31. Marz 1859 im Wiener Carltheater Premiere hatte. Diese Parodie enttauschte Publikum und zeitgenossische Kritik, auch neuzeitliche Interpretationen sehen sie eher als eines der schwachsten Werke Nestroys an.

Schloss Neuschwanstein : Innenhof mit Kemenate, Palas und Ritterhaus nach den Regieanweisungen Wagners zum Zweiten Aufzug

Als Konig Ludwig II. von Bayern 1869 das Schloss Neuschwanstein von Buhnenbildnern als ?Freundschaftstempel fur Wagner“ entwerfen ließ, gruppierten sie die Gebaude nach den Regieanweisungen Wagners fur die Kulisse der Burg zu Antwerpen zu Beginn des Zweiten Aufzugs: links die Kemenate (mit einem uberdachten Balkon fur Elsa), mittig der Palas und rechts das Ritterhaus sowie davor die (nie erbaute) Schlosskapelle (anstelle der Kathedrale) um einen engen, rechtwinkligen Hof. Der dritte Aufzug spielt in der Burg, wobei auch im Inneren von Neuschwanstein entsprechende Zitate zu finden sind, und anschließend mit der Volksversammlung wieder davor. So vergegenwartigte die Architektur des Schlosses kulissenhaft die Lohengrin -Aufzuge. [16]

Wenige Buhnenbild-Fragmente der ersten Lohengrin-Inszenierung der Bayreuther Festspiele im Jahr 1894, geschaffen vom Atelier Max Bruckner , haben sich im Bestand der Bayerischen Schlosserverwaltung erhalten. Ein Hintersetzer des 2. Aufzugs (Burg von Antwerpen) ist im Markgraflichen Opernhaus: Welterbe & Museum ausgestellt. [17] [18]

Eine satirische und von Wagner-Gegnern gerne zitierte Beschreibung einer Auffuhrung der Oper im Nationaltheater Mannheim ? ?How Wagner Operas Bang Along“ ? stammt von Mark Twain aus seinem 1880 erschienenen Reisebericht Bummel durch Europa . [19]

Die Rezeption der Oper durch ein deutsch-nationales Publikum im spaten 19. Jahrhundert hat Heinrich Mann im funften Kapitel seines Romans Der Untertan (1918) persifliert. ?[…] tiefer ist nie die Popularitat Wagners enthullt worden als hier an einer ?Lohengrin‘- Auffuhrung, die voll witziger Beziehungen zur deutschen Politik strotzt“, schrieb Kurt Tucholsky am 20. Marz 1919 in der Weltbuhne (Nr. 13, S. 317).

Charlie Chaplin verwendet das Vorspiel von Wagners Lohengrin als Untermalung von zwei beruhmten Szenen in seinem Film Der große Diktator (1940): wenn der Diktator Hynkel mit der Weltkugel tanzt, und bei der Schlussansprache des (ebenfalls von Chaplin verkorperten) Friseurs. Beim Tanz mit der Weltkugel bricht die Ouverture unvermittelt vor dem Hohepunkt ab, und der Weltkugel-Ballon zerplatzt. Bei der Schlussansprache hingegen erreicht die Ouverture ihren Hohepunkt und kommt zu einem musikalisch befriedigenden Abschluss.

Lohengrin (Schokolade)

Die Oper ist Namensgeber eines in Norwegen sehr bekannten Schokoriegels . Der Riegel gehort zu den am langsten vertriebenen Sußwaren Norwegens und wurde 2009 zu einem nationalen Kulturgut erklart. 1911 hatte die Firma Freia , deren Name auf eine Gestalt aus der Oper Das Rheingold zuruckgeht, anlasslich einer Produktion der Oper am Osloer Nationaltheatret einen Exklusivvertrag mit dem Theater vereinbart. Die Schokolade wurde den Zuschauern der norwegischen Premiere am 7. Dezember 1911 angeboten und als Requisit auf der Buhne verwendet. [20] Bis 1914 wurde die Sußigkeit vertragsgemaß ausschließlich am Nationaltheater verkauft und gelangte erst danach in den allgemeinen Handel. [21]

Commons : Lohengrin  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Lohengrin im Digitalen Archiv der Thuringischen Staatsarchive
  2. Das Auffuhrungsmaterial der Urauffuhrung befindet sich heute im Hochschularchiv/Thuringischen Landesmusikarchiv Weimar (Deposital-Bestand: Deutsches Nationaltheater, DNT 359)
  3. Ludwig Eisenberg : Großes biographisches Lexikon der Deutschen Buhne im XIX. Jahrhundert . Verlag von Paul List , Leipzig 1903, S. 70.
  4. Lohengrin zu Brabant ? Wikisource. Abgerufen am 27. Januar 2021 .
  5. Ludwig Lucas: Ueber den Krieg von Wartburg . Konigsberg 1838, S. 217?222.
  6. Eine vollstandige Liste aller Quellen Wagners bei Martin Lade: Erlosende Widerspruche. Mythische Vernunft und kosmopolitischer Nationalismus des jungen Wagner. Publikation der Oper Koln zu Richard Wagners ?Lohengrin“ in der Regie von Klaus Maria Brandauer. Oper Koln 2006, S. 14.
  7. Digitaltext von Wolfram von Eschenbach: Parzival , Buch XVI
  8. Fragmente http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/NF-1881,11 [251]; https://www.projekt-gutenberg.org/nietzsch/fragmen3/chap011.html
  9. Augsburger Abendblatt , Nr. 47, Freitag den 16. Februar 1883, S. 5, als Digitalisat . Abgerufen am 2. April 2023. Maria Theresia Low wird hier als ?Marie Lehmann“ bezeichnet, es handelt sich aber nicht um ihre Tochter Marie Lehmann.
  10. Friedrich Goedeking: Prag. Die Wagnerstadt , in: Prager Zeitung , 6. Februar 2013. Abgerufen am 2. April 2023.
  11. Martin Lade, ebenda, Oper Koln 2006, S. 7ff.
  12. Martin Lade, ebenda, Oper Koln 2006, S. 37?45.
  13. Zitiert nach Martin Lade, ebenda, Oper Koln 2006, S. 11.
  14. Egon Voss: Die Dirigenten der Bayreuther Festspiele, 1976, Gustav Bosse Verlag, Regensburg; Dokumentation zu Tannhauser. S. 101.
  15. So begrundet bei Egon Voss (Ebenda)
  16. Michael Petzet : Gebaute Traume. Die Schlosser Ludwigs II. von Bayern , Munchen 1995, S. 46?123
  17. Cordula Mauß: Vom Grunen Hugel ins Markgrafliche Opernhaus: Kulissen des ersten Lohengrins der Bayreuther Festspiele von 1894. In: Blog der Bayerischen Schlosserverwaltung. 13. Juli 2023, abgerufen am 17. August 2023 (deutsch).
  18. Maria Blenk, Tanja Kohwagner-Nikolai, Cordula Mauß, Florian Schroter: Barocke Theaterwelten: Markgrafliches Opernhaus Bayreuth: Welterbe & Museum . 1. Auflage. Bayerische Schlosserverwaltung, Munchen 2023, ISBN 978-3-941637-81-8 .
  19. Hanser-Ausgabe Band 6, S. 58 ff.; englische Fassung online hier, Chapter X .
  20. Lohengrin er mer enn utseendet ( Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive ). Adresseavisen, 16. Marz 2009.
  21. Lohengrin ? sjokolade. In: Store norske leksikon. Abgerufen am 23. Marz 2015 (norwegisch).