Louis de Jong
(*
24. April
1914
in
Amsterdam
; †
15. Marz
2005
ebenda) war einer der bekanntesten niederlandischen
Historiker
und
Journalisten
.
Loe (ausgesprochen:
Lu
[
lu
]) de Jong ist vor allem bekannt geworden durch sein vierzehnteiliges Werk
Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog
(?Das
Konigreich
der
Niederlande
im
Zweiten Weltkrieg
“), das bis auf den letzten Band von ihm allein verfasst wurde und als Standardwerk uber die Zeit des Zweiten Weltkrieges in den Niederlanden und
Niederlandisch-Indien
, dem heutigen
Indonesien
, gilt.
Loe de Jong wurde in eine judische Familie geboren, sein Vater betrieb ein Lebensmittelgeschaft. Von 1926 bis 1932 besuchte er das
Vossius Gymnasium
seiner Heimatstadt.
[1]
Dort beeindruckte und beeinflusste ihn sein junger Geschichtslehrer
Jacques Presser
.
[2]
Von 1932 bis 1937 studierte De Jong
Geschichte
und im Nebenfach
Sozialgeographie
an der
Universitat von Amsterdam
.
[3]
Von 1938 bis 1940 arbeitete er als Journalist und Auslandsredakteur fur das linksorientierte Wochenblatt
De Groene Amsterdammer
(Der grune Amsterdamer).
Nach dem deutschen
Uberfall auf die Niederlande
am 10. Mai 1940 wurde ihm bewusst, dass er als
Jude
und als linksorientierter Journalist in großer Gefahr war. Er plante unverzuglich die Flucht ins sichere Ausland, die ihm wenige Tage spater, am 15. Mai 1940, dem Tag der Kapitulation der Niederlande, mit seiner Frau nach
London
gelang. Dort wurde er sowohl Berichterstatter als auch Direktor von
Radio Oranje
, dem Radiosender des niederlandischen
Verzet
(?Widerstandes“), der von
Großbritannien
aus ins besetzte Vaterland sendete.
Durch die
nationalsozialistische Verfolgung
im Zweiten Weltkrieg verlor De Jong viele Familienmitglieder, darunter seine Eltern, seinen Zwillingsbruder Sally und seine Tante, die Kommunalpolitikerin und Gewerkschafterin
Alida de Jong
. Dieser tragische Verlust wie auch die Judenverfolgung im Allgemeinen pragte den Rest seines Lebens. Er
fuhlte sich schuldig
, den Krieg uberlebt zu haben.
1944 konnte er Minister
Gerrit Bolkestein
vom Ministerium fur Unterricht, Kultur und Wissenschaft dazu bewegen, nach dem Krieg ein Reichsinstitut zu grunden, das sich mit der Chronologie und dem Sammeln von Augenzeugenberichten wahrend des Zweiten Weltkrieges in den Niederlanden beschaftigen sollte.
So wurde am 15. September 1945 das
Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie
(RIOD, Reichsinstitut fur Kriegsdokumentation), das heutige
Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie
(NIOD, Niederlandisches Institut fur Kriegsdokumentation), gegrundet und Loe de Jong als Direktor die Leitung des Institutes anvertraut. Diese Position hatte er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1979 inne. Nach seiner Pensionierung beschaftigte sich De Jong mit der Vollendung seines Werkes uber die Kriegszeit in den Niederlanden.
Von 1960 bis 1965 prasentierte er im niederlandischen Fernsehen die Dokumentationsreihe
De Bezetting
(Die Okkupation), die er auch moderierte. Da die Ereignisse der Jahre 1940 bis 1945 in der Zeit des Wiederaufbaus verdrangt worden waren, gerieten sie durch die Fernsehserie wieder in die offentliche Diskussion.
Sein großes Werk uber den Zweiten Weltkrieg wurde nicht unwidersprochen hingenommen. Ein Punkt der Kritik war, dass sich De Jong zu viel von den subjektiven Begriffen ?gut“ und ?bose“ hatte leiten lassen. Dies fuhrte einerseits dazu, dass er die Rolle
niederlandischer Widerstandskampfer
verklarte, andererseits jedoch der Rolle niederlandischer
Kollaborateure
wenig Beachtung schenkte. Auch seine Beschreibungen der Kriegsgeschehnisse in Niederlandisch-Indien entfachten Kritik.
In der Berliner Ausstellung
Verbrechen und Aufklarung. Die erste Generation der Holocaustforschung
, die von der Gedenk- und Bildungsstatte
Haus der Wannsee-Konferenz
und vom
Touro College Berlin
erarbeitet wurde und im Januar / Februar 2019 im
Haus am Werderschen Markt
gezeigt wird, wird Loe de Jong als einer von 20 Pionieren der Holocaustforschung vorgestellt.
[4]
- Die Deutsche Funfte Kolonne im Zweiten Weltkrieg.
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1959 (deutsche Ubersetzung seiner Doktorarbeit
De Duitse Vijfde Colonne in de Tweede Wereldoorlog
, 1953 (
online
)).
- Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog
, 14 Bande. SDU-Verlag, Den Haag 1969?1991 (
online
).
- De Bezetting.
drei Bande, SDU-Verlag, Den Haag 1990,
ISBN 90-12-06335-3
,
ISBN 90-12-06336-1
und
ISBN 90-12-06337-X
.
- Heeft Fewlix Kersten het Nederlandse volk gered ?
(1972). Deutsche Ubersetzung 1974:
Felix Kersten
und die Niederlande.
In: Hans-Heinrich Wilhelm, Louis de Jong:
Zwei Legenden aus dem Dritten Reich. Quellenkritische Studien.
Deutsche Verlags-Anstalt, 1974 (=
Schriftenreihe der
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte
, Bd. 28), S. 77?138,
ISBN 3-421-01680-1
.
[5]
- Paul Doolan:
Collective Memory and the Dutch East Indies. Unremembering Decolonization
. Amsterdam University Press, Amsterdam 2021,
ISBN 978-94-6372-874-4
, S. 199?232:
Loe de Jong Controversy
.
- ↑
Shirley Haasnoot, Johannes Houwink ten Cate, Eva Rensman:
Loe de Jong
. In:
Historisch Nieuwsblad
, Jg. 2001, Heft 1 (niederlandisch).
- ↑
Wim Berkelaar, Jos Palm:
?Ik wil wekken en waarschuwen“. Gespreken over Nederlandse historici en hun eeuw
. Aksant, Amsterdam 2008,
ISBN 978-90-5260-208-0
, S. 88.
- ↑
Conny Kristel:
Geschiedschrijving als opdracht. Abel Herzberg, Jacques Presser en Loe de Jong over de jodenvervolging
. Meulenhoff, Amsterdam 1998,
ISBN 90-290-5498-0
, S. 68.
- ↑
Verbrechen und Aufklarung. Die erste Generation der Holocaustforschung
, auf der Webseite des
Auswartigen Amtes
, abgerufen am 30. Januar 2019.
- ↑
teilweise
online
(google books)