Unter
Loden
werden grobe, widerstandsfahige Wollstoffe verstanden. Der Begriff Loden als Sammelbezeichnung wird fur dichte Streichgarngewebe (selten
Kammgarngewebe
) ? vorwiegend aus Wolle ? mit einer mehr oder weniger glatten Oberflache verwendet.
Loden bezeichnete ursprunglich derbe, nicht
gewalkte
Wollstoffe
aus
Streichgarnen
. Spatestens seit dem
Hochmittelalter
wurde Loden
gewalkt
(vgl.
Walkstoffe
), um anschließend als ?Wolltuch“ (englisch
broadcloth
, schwedisch
vadmal
) verarbeitet zu werden. Der Begriff
Loden
bezeichnete zu jener Zeit immer nur das unfertige Rohgewebe vor dem Walkprozess. Umgangssprachlich wird Loden haufig mit Walkloden gleichgesetzt, obwohl sowohl gewalkte als auch nicht gewalkte Stoffe unter diese Bezeichnung fallen. Die klassischen Farben sind olivgrun, graubraun, schwarzmeliert oder rotbraun. Moderne Lodengewebe sind meist in
Koper-
, koperahnlichen oder
Leinwandbindungen
gewebt.
Der nachweislich alteste bestehende Hersteller von Loden ist die
Lodenwalke
in der
Ramsau am Dachstein
. Ein bedeutendes Unternehmen in Tirol war
Franz Baur’s Sohne
.
Der Begriff geht uber das
mittelhochdeutsche
lode
,Mantel‘ auf das seit dem 10. Jahrhundert belegte
althochdeutsche
lodo, ludo
?grobes Wollzeug‘ zuruck.
[1]
[2]
[3]
Parallelen bestehen im
altsachsischen
loðo
,
altenglischen
loþa
,Mantel, Decke‘ und dem
altnordischen
loði
,grobes Tuch, zottiger Mantel‘. Aus dem Altnordischen sind weitere Worter bekannt, die von einem Grundbegriff
loð
,
Zotte
‘ ausgehen lassen.
[1]
Im Deutschen sind wohl
lottern
,schlaff sein, schlaff herabhangen, schlendern, bummeln‘ und
schlottern
,zittern, lose sich bewegen, lose hangen, hin und her schwanken‘ zur selben indogermanischen Wurzel
*(s)leu-, *(s)l?-
,schlaff herabhangen, schlaff‘ zu stellen.
[2]
Nicht zutreffend ist jedenfalls eine im Raum Dresden verbreitete Anekdote, der zufolge ein gewisser August Loden in seinem Geschaft in
Dresden
(damals noch
Lobtau
) im 19. Jahrhundert den nach ihm benannten Lodenmantel entwickelt haben soll. Diese im Internet verbreitete Geschichte
[4]
wurde 2008 von der
Sachsischen Zeitung
aufgegriffen,
[5]
jedoch 2013 in den
Dresdner Neuesten Nachrichten
widerlegt: Sowohl Lodenstoffe wie die Bezeichnung dafur sind wesentlich alter.
[6]
Loden war traditionell der widerstandsfahige Kleidungsstoff der bauerlichen Bevolkerung Europas, der in der gewalkten Form wegen seiner Wind- und Regendichtigkeit geschatzt wurde.
Gewalkter
Loden
spielt noch in
Trachten
der
Ostalpen
und auch in den historischen und modernen Trachten der
Samen
Lapplands eine wichtige Rolle.
Die Grundlage fur die Existenz der Lodenwalke waren die Bauern der Umgebung, von deren Hochgebirgsschafen die Wolle stammte. Ursprunglich wurde die Wolle von den Bauern mit zwei mit Nageln beschlagenen Brettern aufgelockert und mit dem Spinnrad von den Bauerinnen und ihren Magden an den langen Winterabenden zu festen Faden gesponnen. Ein gelernter Weber wanderte von Hof zu Hof und webte auf einem Webstuhl das lockere Gewebe. Dieses rohe Lodengewebe brachten die Bauern zum Lodenwalker. Dort wurde es in warmem Wasser mit schweren Holzhammern, die durch Wasserkraft betrieben waren, energisch gewalkt und gestampft. So schrumpft das Gewebe zusammen, die einzelnen Haare
verfilzen
untereinander, bis der wasser- und winddichte
Walkloden
entsteht.
Gewalkt wird zum Teil noch nach dem Urverfahren, ahnlich wie vor 500 Jahren. Trotz des enormen technischen Fortschrittes ließ sich diese Methode nicht verdrangen. Fur die Erzeugung sind zahlreiche Arbeitsgange notwendig:
[7]
- Wolfen
: Darunter wird das Vermischen von verschiedenen Rohwollsorten und Farben verstanden, abgestimmt auf die weitere Verwendung. Die Mischung der Rohwolle kommt in die Maschine und wird von mit Zahnen bestuckten Walzen gerissen und vermischt.
- Kardieren
: Auf der Kardiermaschine befinden sich viele mit Nadeln bestuckte Walzen, die die Wolle zu einem feinen
Vlies
kammen. Dieses wird zum ersten Vorgarn (ungedrehter Faden) geteilt.
- Ringspinnerei
: Hier wird das erste Vorgarn zu einem festen Faden versponnen. Je nach Verwendungsart werden die Faden in verschiedenen Starken gesponnen.
- Zwirnerei und Spulerei
: Die gesponnenen Faden werden zu verschiedenen
Zwirnen
verarbeitet. Dabei werden mehrere Garne miteinander verzwirnt um mehr Festigkeit zu erlangen. Mit dem Einsatz von unterschiedlichen Geschwindigkeiten beim Drehen werden verschiedene Effekte (beispielsweise Noppen) erhalten.
- Weberei
: In der Weberei werden die fertigen Garne und Zwirne zu verschiedenen Wolltuchern verwoben. Je nach Verwendungszweck werden verschiedene Webtechniken (z. B.
Leinwand
,
Koper
, Double) eingesetzt.
- Walken
: Das Walken in der
Walkmuhle
ist eine alte und einfache Arbeitstechnik. Das Wolltuch wird in handwarmem Wasser (30?40 °C) unter Zugabe von
Kernseife
durch Druck und Reibung gewalkt. Dabei verfilzt die Wolle, wird dichter und ca. 40 % kleiner.
- Appretur
:
- Nach einem kurzen Schleudergang wird das Werkstuck
gefarbt
.
- Um die Stoffe so schonend wie moglich zu behandeln, werden sie nach alter Tradition an der frischen Luft
getrocknet
. Dadurch kann der Loden die beim Walken oder Farben aufgenommene Feuchtigkeit langsam abgeben.
- Das
Rauen
erfolgt nach wie vor mit
Karden
, um eine elektrostatische Aufladung zu verhindern.
- Auf der
Scharmaschine
werden abstehende Fasern abgeschnitten, um eine glatte und feine Oberflache zu erhalten.
- Nach dem Walken wird der Loden nass
gebugelt
und nach dem Trocknen
geblattlt
. Blattln heißt der Vorgang, wenn der fertige Loden endgultig geplattet wird.
- Durch eine
Dekatiermaschine
wird der Glanz, den der Loden beim Blattln erhalten hat, verfeinert.
Je nach Verwendungszweck werden folgende Lodenarten unterschieden:
[8]
- Walkloden (Meltonloden, Anzug- oder Joppenloden, Bozener Loden, Tuchloden)
- Gewalkter (
meltonisierter
) und impragnierter Loden fur Hosen, Rocke, Anzuge, Mantel und Kostume.
- Trachtenloden
- Ein Walkloden (s. o.), der haufig in Kreuzkoperbindung gewebt ist, die die Verfilzung der Oberflache begunstigt.
- Strickloden
- Ein moderner Walkloden (s. o.), der (maschinell)
gestrickt
statt gewebt ist. Strickloden ist wesentlich preiswerter als Webloden und passt sich durch seine flexible Maschenstruktur besser den Korperrundungen an.
- Trikotloden
- In
Trikotbindung
gewirkt
.
- Waschloden
- Moderne Lodenvariante mit gewalkter Oberflache, die jedoch nicht gelegt wird, sodass eine unruhige Optik entsteht.
- Strichloden (auch Mantelloden, Strichflausch, Strichtuch)
- Ungewalkter Loden. Erkennbar durch den langen, in Strich gelegten Rauflor, der das Abperlen von Regenwasser begunstigen soll.
- Thomas Meyer zur Capellen:
Lexikon der Gewebe
. 2., erweiterte Auflage, Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2001 (Erstausgabe 1996),
ISBN 3-87150-725-3
(3., vollstandig aktualisiert Auflage als CD-ROM 2006,
ISBN 978-3-87150-981-0
).
- Armin Torggler:
Von grauem Loden und farbigen Tuchen. Uberlegungen zu Tuchhandel und Textilverarbeitung in Tirol
, in:
Verona-Tirol. Kunst und Wirtschaft am Brennerweg bis 1516
(= Runkelsteiner Schriften zu Kulturgeschichte 7). Athesia-Verlag, Bozen 2015, S. 199?245,
ISBN 978-88-6839-093-8
.
- Tuch
. In:
Merck’s Warenlexikon
. 3. Aufl. 1884 ff., S. 590 f.
- ↑
a
b
Jacob und Wilhelm Grimm:
Deutsches Worterbuch
. Leipzig 1854?1961, Band 12, Sp. 1116.
- ↑
a
b
Wolfgang Pfeifer et al. (Hrsg.):
Etymologisches Worterbuch des Deutschen
. dtv, Munchen 1997, S. 808.
- ↑
Meyers großes Taschenlexikon in 25 Banden
. B. I. Taschenbuchverlag, 2001,
ISBN 3-411-11007-4
, s. v. Artikel ?Loden“.
- ↑
Loden als Anekdote in der Damenmodegeschichte - Werbetext einer Modeboutique
(
Memento
vom 27. September 2013 im
Internet Archive
)
- ↑
Thomas Krohner:
Kleine Fibel der Dresdner Erfindungen.
Sachsische Zeitung, 16. Oktober 2008.
- ↑
Stefan Schramm, in: Dresdner Neueste Nachrichten, 28. August 2013.
August Loden und der Lodenmantel ? eine angebliche Erfindung aus Dresden.
(
Memento
vom 17. September 2016 im
Internet Archive
)
- ↑
Lodenerzeugung gemaß der Lodenwalke Ramsau.
In:
Lodenwalker Ramsau am Dachstein.
Abgerufen am 3. April 2020
(deutsch).
- ↑
Lexikon der Gewebe
, siehe Literatur