Little Richard
(*
5. Dezember
1932
in
Macon
,
Georgia
, als
Richard Wayne Penniman;
†
9. Mai
2020
in
Tullahoma
,
Tennessee
) war ein
amerikanischer
Rock-’n’-Roll
-Sanger, -Pianist und -
Songwriter
. Wahrend der erfolgreichsten Phase seiner Karriere bei
Specialty Records
Mitte der 1950er Jahre kombinierte der
afroamerikanische
Musiker Stilelemente aus
Blues
,
Gospel
sowie
Rhythm and Blues
unter der neuen
Genrebezeichnung
?Rock ’n’ Roll“ und uberfuhrte sie damit in den musikalischen
Mainstream
. Nach hohen Platzierungen in den von schwarzen Interpreten dominierten Rhythm-and-Blues-
Charts
gelang ihm das
Crossover
in den genreunabhangigen amerikanischen
Popmarkt
. Sein schnelles und kraftvolles Pianospiel, sein lauter und uberdrehter Gesang sowie seine energiereichen Konzerte inspirierten viele namhafte Musiker.
Nach einem mehrjahrigen Ruckzug fur religiose Studien begann Little Richard in den 1960er Jahren ein
Comeback
, fur das er seinen
Sound
in Richtung
Soul
und
Funk
weiterentwickelte. Ohne an fruhere Verkaufserfolge anknupfen zu konnen, steigerte er die Extravaganz seiner Buhnenauftritte durch Selbstinszenierung und Elemente der
Travestie
. Seit den 1980ern stand Little Richard nur noch sporadisch im Aufnahmestudio oder auf der Buhne. Aufgrund seiner genrepragenden und
vielgecoverten
Songs und deren Charterfolge gehort Little Richard zu den Wegbereitern und Hauptvertretern des Rock ’n’ Roll, weshalb er 1986 als einer der ersten Musiker in die
Rock and Roll Hall of Fame
aufgenommen wurde.
Richard Wayne Penniman wurde am 5. Dezember 1932 in
Macon
im
US-Bundesstaat
Georgia
als drittes Kind von Leava Mae und Charles ?Bud“ Penniman geboren. Er wuchs zusammen mit sieben Brudern und funf Schwestern auf.
[1]
In der Familie erhielt er aufgrund seiner damaligen Korpergroße den Spitznamen ?Little“ (?kleiner“) Richard.
[2]
Bud Penniman sorgte als Klubbesitzer unter anderem durch den Handel mit schwarzgebranntem Schnaps fur ein bescheidenes Auskommen der Familie. Als haufiger Besucher von Gottesdiensten der ortlichen
Pfingstkirche
sowie der
baptistischen
und
methodistischen
Gemeinden entwickelte Little Richard eine Vorliebe fur
Gospelmusik
, die er als Mitglied der Gruppe The Tiny Tots bei Auftritten in den Kirchen und in den Straßen von Macon und Umgebung auffuhrte. Dabei entstand sein Wunsch,
Priester
zu werden. Bei einem Konzert von
Sister Rosetta Tharpe
im Macon City Auditorium hatte der junge Sanger einen Gastauftritt, der vom Publikum wohlwollend aufgenommen wurde.
[1]
Bereits als Heranwachsender verspurte Little Richard
homosexuelle
Neigungen, die in seinem familiaren Umfeld auf Spott und bei seinem Vater auf Ablehnung stießen.
[1]
Da er sein Elternhaus als beengend empfand, verließ er mit 14 Jahren die
Highschool
und schloss sich mehreren
Vaudeville-
und
Medicine-Shows
an, bei denen er seine Erfahrungen als Sanger vertiefen und an seiner Buhnenprasenz arbeiten konnte. So trug er seine Haare als machtige
Pompadour-Frisur
und nahm seinen Spitznamen ?Little Richard“ als
Kunstlernamen
an. Schließlich erhielt er um 1951 in
Atlanta
, einem Zentrum der damaligen Rhythm-and-Blues-Szene, ein Engagement beim
Jump-Blues
-Sanger
Billy Wright
, aus dessen Show er
Travestie
-Elemente wie Frauenkostume und
Make-up
ubernahm. Wright vermittelte ihm auch einen Studiotermin fur erste
Blues
-Aufnahmen bei
RCA Records
.
[3]
Wieder in Macon, freundete sich Little Richard mit dem Rhythm-and-Blues-Musiker
Esquerita
an, der ihm das besonders ?wilde“ Klavierspielen beibrachte.
[3]
Mit der RCA-Single
Every Hour
hatte Little Richard 1952 einen ersten regionalen Radiohit. Das versohnte ihn mit seinem Vater, der kurz darauf bei einer Schießerei vor dessen Klub ums Leben kam. Little Richard nahm daraufhin eine Arbeit als Tellerwascher im Restaurant der ortlichen
Greyhound
-Busstation an, um die Familie zu unterstutzen. Die unbefriedigende und gering bezahlte Arbeit veranlasste ihn, sich professionell der Musik zu widmen und kommerziellen Erfolg anzustreben.
Mit der neu formierten Band The Tempo Toppers spielte Little Richard in Klubs der
Sudstaaten
und erlernte in
New Orleans
von
Earl King
den typischen
kreolischen
Bluesstil. 1953 entdeckte der Produzent
Johnny Otis
in
Houston
die Gruppe und deren Frontmann, der sich als ?King and Queen“ (?Konig und Konigin“) des Blues vermarktete, und ermoglichte die nachsten Aufnahmen bei
Peacock Records
. Die Zusammenarbeit, aus der neben
Directly from My Heart to You
nur noch wenige Blues- und Gospel-Nummern hervorgingen, war nicht frei von Konflikten. So schlug sich Little Richard im Streit um
Tantiemen
mit dem Besitzer des Labels
Don Robey
.
[4]
Nach einiger Zeit als Solokunstler stellte Little Richard aus dem Schlagzeuger
Charles ?Chuck“ Connor
und dem Saxophonisten
Wilbert ?Lee Diamond“ Smith
den Kern seiner zukunftigen Liveband
The Upsetters
zusammen. Die anschließenden Tourneen durch
Kentucky
, Georgia und
Tennessee
kamen mit einem gegenuber den Tempo Toppers deutlich harteren Rhythm-and-Blues-Programm, darunter auch einer fruhen Version von Little Richards Komposition
Tutti Frutti
,
beim Publikum ausgesprochen gut an.
[5]
Auf Anraten des Sangers
Lloyd Price
sandte Little Richard im Fruhjahr 1955 ein
Demotape
an
Art Rupe
, den Chef des kalifornischen Independent-Labels
Specialty Records
in
Los Angeles
. Dessen
A&R-Manager
und
Produzent
Bumps Blackwell
ließ sich durch Little Richards hartnackige telefonische Nachfragen zu einer ersten Aufnahmesession im J&M Recording Studio von
Cosimo Matassa
in New Orleans uberreden. Er buchte hierfur mit
Earl Palmer
am Schlagzeug,
Lee Allen
und
Alvin ?Red“ Tyler
an den Saxophonen sowie
Frank Fields
am Bass dessen renommierte
Studioband
. In dieser Konstellation und mit wechselnden Gitarristen entstanden in den kommenden zwei Jahren in funf Studiosessions Little Richards großte Hits und Verkaufserfolge, darunter
Tutti Frutti,
Long Tall Sally
,
Ready Teddy
, Rip It Up, Good Golly Miss Molly, Jenny Jenny
und
The Girl Can’t Help It.
Fur drei Aufnahmetermine ging Little Richard in Kalifornien ins Studio, wobei er einmal von
Guitar Slims
Band unter der Leitung von
Lloyd Lambert
und zweimal von den Upsetters begleitet wurde. Seine Liveband ist auch auf Einspielungen aus Washington zu horen, die wahrend einer Konzertreise entstanden.
[6]
Fur Specialty nahm Little Richard von 1955 bis 1957 Material fur knapp 20
Singles
, sechs
EPs
sowie die drei
Alben
Here’s Little Richard
,
Little Richard
und
The Fabulous Little Richard
auf.
[7]
Er erarbeitete sich seinen Erfolg, indem er mit den Upsetters auf ausgedehnte Konzertreisen ging und seine Lieder bei Kurzauftritten in Musikfilmen promoten ließ. Mit dem Vertrag bei Specialty Records war Little Richard unzufrieden, da durch die Vermarktung der Musikstucke durch den labeleigenen
Musikverlag
Venice Music der Großteil der Einnahmen bei Art Rupe verblieb. Diese Ubervorteilung forderte den baldigen Bruch der Zusammenarbeit mit Specialty Records.
[8]
Ende September 1957 flog Little Richard an der Seite
Eddie Cochrans
und
Gene Vincents
fur eine vierzehntagige Tournee nach Australien. Wahrend des Fluges interpretierte er die
Propellertriebwerke
, die wegen der Hitze an den Tragflachen vor dem Nachthimmel leuchteten, als Engel. Bei einem Konzerttermin in
Sydney
beobachtete er am 4. Oktober den gerade gestarteten Satelliten
Sputnik 1
, den er auf seinem Weg in den
Orbit
als Feuerball wahrnahm. Diese Erlebnisse verstand er als Warnungen Gottes, und er beschloss, sein unstetes Leben als Rock-’n’-Roll-Musiker zu beenden und Priester zu werden. Gegenuber seinem Umfeld und seinen Anhangern, die mit Unverstandnis reagierten, begrundete Little Richard seinen Ruckzug mit seinem bisherigen lasterhaften und ausschweifenden Lebensstil, der sich nicht mit seiner religiosen Uberzeugung vertruge.
[8]
Little Richard begann in verschiedenen Kirchen der
Erweckungsbewegung
zu predigen und trat im Herbst 1958 eine dreieinhalbjahrige theologische Ausbildung bei den
Siebenten-Tags-Adventisten
im Oakwood Bible College in
Huntsville
, Alabama an. Die Kirchenleitung schatzte die Popularitat Little Richards sowie seine Fahigkeit, andere zu begeistern, und tolerierte das Aufsehen, das er durch sein extrovertiertes Erscheinen auf dem Campus verursachte, genauso wie die haufigen Verstoße gegen die Schulordnung.
[9]
Die im Juli 1959 geschlossene Ehe mit der Sekretarin Ernestine Campbell aus
Washington, D.C.
wurde 1964 geschieden. Zum einen storte sich seine Frau an der Offentlichkeit, die Little Richards Prominenz mit sich brachte, zum anderen raumte er im Ruckblick ein, dass er sich aufgrund seiner homosexuellen Orientierung nicht ausreichend um die Ehe bemuht habe.
[9]
Little Richard vollzog diese Wende in seiner Karriere auch musikalisch, indem er sich nun vornehmlich dem Gospelstil widmete. Fur
George Goldners
Plattenlabel End Records nahm Richard Mitte 1959 mehrere Gospelsongs auf, die im Albenformat als
Pray Along With Little Richard Vol. 1
und
Vol. 2
bei der assoziierten Plattenfirma Golddisc Records erschienen. Bumps Blackwell, der zwischenzeitlich zu
Mercury Records
gewechselt war, konnte Richard 1961 fur einige Studiotermine gewinnen. Die Aufnahmen entstanden unter der Orchesterleitung von
Quincy Jones
und wurden als LP
It’s Real
und spater als
Little Richard. King of Gospel Singers
veroffentlicht. Wahrend weitere Einspielungen von religiosen Liedern fur
Atlantic Records
wenig erfolgreich blieben, vermarktete Specialty Records nach und nach alle Aufnahmen von Little Richard aus den eigenen Archiven, darunter die seinerzeit fur zu schwach befundenen fruhen Bluesnummern, und konnte so bis 1960 regelmaßig Platten mit Originalmaterial veroffentlichen.
[7]
Der englische
Musikpromoter
Don Arden
lud Little Richard zu einer
England
-Tournee mit dessen ehemaligem Specialty-Kollegen
Sam Cooke
ein, der inzwischen im Pop-Genre sehr erfolgreich war. Arden verschwieg einerseits gegenuber Little Richard, dass das europaische Publikum dessen Gospel-Platten weitgehend ignorierte, andererseits machte er die britischen Fans glauben, der Musiker sei fur eine Rock-’n’-Roll-Tour gebucht. Als dieser zu seiner ersten Show im Oktober 1962 mit Unterstutzung des jungen Organisten
Billy Preston
begann, spirituelle Lieder wie
I Believe
und
Peace in the Valley
zu spielen, reagierte das Publikum enttauscht und unwillig. Daher organisierte Little Richard mit den Begleitmusikern ein spontanes Rock-’n’-Roll-
Comeback
, das so enthusiastisch gefeiert wurde, dass er die folgende Tour ganz im alten Genre und in altbekannter Inszenierung durchzog.
Brian Epstein
, der damalige Manager der Band
The Beatles
, vereinbarte daraufhin mit der Band und Little Richard einige gemeinsame Konzerte in Nordengland, darunter im Oktober 1962
New Brighton, Merseyside
, wo bei der
NEMS-Enterprises
-Veranstaltung auch
The Big Three (britische Band)
.
The Coasters
,
Billy J. Kramer & the Dakotas
,
Lee Curtis and the All-Stars
,
The Merseybeats
,
Rory Storm & the Hurricanes
und
The Undertakers
auftraten,
[10]
sowie eine anschließende Tour durch
Hamburger
Clubs.
[11]
Bei einer zweiten England-Tournee Mitte 1963, zu der Don Arden neben Little Richard die
Everly Brothers
und
Bo Diddley
buchte, standen die noch nahezu unbekannten
Rolling Stones
auf derselben Buhne. In der amerikanischen Heimat blieb seine Abkehr von der Musik und der Lebensfuhrung eines Geistlichen zunachst unbemerkt. Die Sehnsucht nach dem Leben als Rock-’n’-Roll-Star und die Verdienstmoglichkeiten, die ihm durch die aufkommenden Erfolge der Beatles in Amerika vor Augen gefuhrt wurden, besiegelten seinen Entschluss, zur Rockmusik zuruckzukehren.
[11]
Mit
Bama Lama Bama Loo
startete Little Richard sein Studio-Comeback bei seinem alten Label Specialty Records, das speziell zu diesem Anlass wiedereroffnet wurde. Er versuchte dabei, seinen ursprunglich von Blasern dominierten Rock-’n’-Roll-Sound zugunsten eines modernen Gitarren-Arrangements zu modifizieren. Die Single erreichte in den
Billboard-Charts
den 82. Platz.
[11]
Die Entscheidung, sich auch in den USA wieder der Offentlichkeit als ?King of Rock ’n’ Roll“ zu prasentieren, kam offenbar zu einem ungunstigen Zeitpunkt, da sich der Musikgeschmack Mitte der 1960er Jahre bereits geandert hatte: Der Rock ’n’ Roll des vergangenen Jahrzehnts war im Begriff, von der
British Invasion
verdrangt zu werden, deren Hauptvertreter stark von Little Richards Werk und Stil beeinflusst worden waren.
[12]
Little Richard betrieb daher einigen Aufwand, um an die alten Erfolge anzuknupfen. Er engagierte seinen ehemaligen Mentor Bumps Blackwell als
Manager
, erweiterte seine Liveband The Upsetters um Statisten fur eine aufwandige Buhnenshow, die als
Crown Jewels and the Royal Guard
firmierte, und tourte intensiv in den USA. Seine Konzerte waren in der Phase seines Comebacks hinsichtlich der Showeinlagen und des Spiels mit Rollen und Klischees unterschiedlicher sexueller Ausrichtungen von einer bis ins Groteske reichenden Opulenz und Selbstdarstellung gekennzeichnet.
[13]
Die zweite Station seines Comebacks war nach Specialty Records das Blues-Label
Vee-Jay Records
. Auf den beiden offiziellen Alben
Little Richard is Back
und
Little Richard’s Greatest Hits
zeigte sich eine Weiterentwicklung des Sounds in Richtung
Soul
: Prominente Blaser, neben den Saxophonen nun auch eine aus
Blechblasern
bestehende
Horn
-Sektion und die
elektronische Orgel
passten seine Neueinspielungen alter Specialty-Hits sowie einige neue Titel den Publikumserwartungen der 1960er Jahre an.
[14]
Zwischen September 1964 und Juni 1965 gehorte der noch wenig bekannte
Jimi Hendrix
als Helfer und Gitarrist zum Tross, wurde aber aufgrund seiner Unzuverlassigkeit
[13]
und Little Richards Dominanz
[15]
nicht lange geduldet.
Ab Ende 1965 war Little Richard fur wenige, jedoch sehr ergiebige Monate bei
Modern Records
unter Vertrag. Wieder fand sich neben neuem Material eine Auswahl an Neueinspielungen alter Hits. Das erste Album
Little Richard Sings His Greatest Hits ? Recorded Live!
sollte durch eingespielten Applaus eine temporeiche Live-Atmosphare suggerieren und wagte sich mit
Do You Feel It
in den
Funk-Sound
. Das zweite Album
The Wild and Frantic Little Richard
vereinte entspanntere Aufnahmen einer Livesession mit solchen aus dem Studio.
[16]
Zusammen mit einer namentlich nicht bekannten Sangerin nahm er mit dem
Jimmy-Reed
-Klassiker
Baby What You Want Me to Do
erstmals ein
Duett
auf, dem bis in die 2000er Jahre hinein weitere folgten.
Zu Beginn des Jahres 1966 wechselte Little Richard zu
Okeh Records
in New York. Sein zweijahriger Vertrag sah weder Mitsprache in der Auswahl der Stucke noch im Arrangement vor. Als Produzent wurde sein ehemaliger Specialty-Kollege
Larry Williams
engagiert, fur die Gitarre konnte
Johnny Guitar Watson
gewonnen werden. An den Kompositionen des ersten Albums
The Explosive Little Richard
war Little Richard nicht beteiligt.
[13]
Durch einen dominanten Einsatz von Trompeten und einer funkigen Rhythmusgruppe wurde die musikalische Strategie entlang dem aktuellen schwarzen Mainstream beibehalten. Fur das zweite Album
Little Richard’s Greatest Hits ? Recorded Live!
wurde ein kleines, begeistertes Publikum in das zum virtuellen Club Okeh umfunktionierte Studio des Okeh-Mutterlabels
CBS Records
in Los Angeles eingeladen. Der Sound der Neuaufnahmen alter Hits entsprach dem des Vorgangeralbums, hinzu kamen ein durchgehendes Rhythmus-Arrangement sowie egozentrische und euphorische Zwischenansagen des Sangers.
[17]
Wegen des ausbleibenden Erfolgs, fur den Little Richard Larry Williams’
Motown
-Sound verantwortlich machte,
[13]
nahm er um den Jahreswechsel 1967/1968 nur noch drei Singles fur
Brunswick Records
auf und ließ seinen Vertrag mit Okeh auslaufen.
[18]
Beginnend mit seinem Auftritt beim
Toronto-Rock-and-Roll-Revival
-Festival am 13. September 1969 feierte Little Richard in den Jahren 1970 bis 1972 bei
Reprise Records
im Zuge des
Rock-’n’-Roll-Revivals
den Hohepunkt seines Comebacks. Erneut mit Bumps Blackwell als Manager und Co-Produzenten neben namhaftem Personal wie
Jerry Wexler
,
Tom Dowd
,
H. B. Barnum
und Quincy Jones an den Studio-Mischpulten wollte er mit neuen Songs zuruck zum alten Sound der 1950er Jahre. So gelangen einige kleinere Charterfolge mit Singleauskopplungen der drei programmatisch betitelten Alben
The Rill Thing
(?Die wahre Sache“),
King of Rock And Roll
(?Konig des Rock ’n’ Rolls“) und
The Second Comin
(?Die zweite Ankunft“). Da Little Richard seinen Vertrag im August 1972 nicht verlangerte, konnte das mit
Country-Musik
-Elementen angereicherte vierte Album
Southern Child
zunachst nicht erscheinen und wurde erst im Jahr 2005 veroffentlicht.
[19]
Obwohl keine der Veroffentlichungen dieser Zeit die innovative Kraft und Popularitat seines Hauptwerks aus den 1950er Jahren erreichte,
[20]
fanden sie auch in Form vieler
Wiederveroffentlichungen
,
Kompilationen
und
Bootlegs
eine weltweite Kauferschaft. Chart-Platzierungen in den wichtigen Musikmarkten beiderseits des Atlantiks blieben jedoch die Ausnahme. Allerdings war Little Richard weiterhin ein Garant fur ausverkaufte Konzerthallen. Er zeigte sich durch die Jahre fast taglich dem amerikanischen und europaischen Publikum, haufig in beruhmten Konzerthallen oder auf Festivals an der Seite
Chuck Berrys
,
Jerry Lee Lewis
’ und
Bo Diddleys
. Er spielte aber auch auf denselben Buhnen mit aktuellen Großen wie
Janis Joplin
,
John Lennon
und
Yoko Ono
, denen er nicht selten die Schau stahl. Zur Promotion seiner Konzerte und Veroffentlichungen war Richard auch ein haufiger Gast in Fernsehshows unter anderem bei den Gastgebern
Merv Griffin
,
Mike Douglas
,
Johnny Carson
,
Steve Allen
und
Dick Clark
.
[13]
Reprise war das letzte Plattenlabel, bei dem Little Richard fur eine langere Zeit unter Vertrag stand. Es folgten einzelne Aufnahmen fur die kleinen Firmen ALA Records, Greene Mountain, Manticore Records, Mainstream Records und Creole Records. Alleine eine eintagige Session fur
Kent Records
im Januar 1973 erbrachte genug Material fur das Album
Right Now,
das bei Kents Schwesterlabel United Records erschien und als traditionelle Reaktion auf das letzte, sich schlecht verkaufende, etwas progressivere Reprise-Album
The Second Coming
gelten konnte.
[21]
Zudem kamen neue Live-Aufnahmen seiner großten Hits fur S. J. Productions in Form der Konzertdokumentation
Let the Good Times Roll
auf den Markt. Ab 1970 tauchte Little Richard immer wieder als Gastmusiker bei anderen Kunstlern auf, darunter
Jefferson Starship
,
Delaney & Bonnie
, die
James Gang
,
Canned Heat
und
Bachman Turner Overdrive
.
Bereits im August 1972 hatte Little Richard nach einem technisch desastrosen Auftritt im Londoner
Wembley-Stadion
harte Kritiken von der britischen Presse bekommen. Da zudem das Rock-’n’-Roll-Revival abflaute, spielte Little Richard bei einer weiteren Tour durch England vor halbleeren Hausern. Schon die Plattenverkaufe und Chartnotizen hatten wahrend der Zeit seines Comebacks nicht seinen Erwartungen entsprochen, sodass die Misserfolge bei den Live-Auftritten Little Richards kunstlerisches Konzept und dessen wirtschaftliche Planung zusatzlich in Bedrangnis brachten. Auch gesundheitlich machten ihm die anstrengenden Konzertreisen und sein Drogenkonsum zu schaffen, sodass er mehrmals stationar behandelt werden musste. Mit dem erneuten Weggang seines langjahrigen Mentors Bumps Blackwell 1974 weiteten sich die Probleme zu einer personlichen Krise des Musikers aus.
[22]
Am 1. Januar 1977 gab das neue Management bekannt, dass Little Richard zum zweiten Mal der Rockmusik entsagen und seine Tatigkeit als Prediger wiederaufnehmen wolle. Die Grunde, die Little Richard bei diesem Ruckzug angab, ahnelten denen aus dem Jahr 1957: Sowohl seine sexuelle Orientierung als auch das Leben als Rock-’n’-Roll-Musiker seien unvereinbar mit seinen religiosen Uberzeugungen.
[23]
Im Nachhineinen begrundete er seine Entscheidung auch mit verschiedenen Todesfallen, darunter dem
Herzinfarkt
seines Bruders Horace ?Tony“ Penniman und
Elvis Presleys
Tod im August 1977.
[24]
Im Marz 1979 veroffentlichte World Records in einer sehr kleinen Auflage
[25]
das Gospel-Album
God’s Beautiful City.
Die weiterhin regelmaßigen Auftritte in Fernsehshows nutzte Richard fur Predigten und Gebete mit dem Publikum, meist musikalisch ausgestaltet durch ein oder zwei seiner Gospel-Songs. Zu Beginn der 1980er Jahre arbeitete er gemeinsam mit Bumps Blackwell und Charles ?Dr. Rock“ White an seiner Biografie
The Quasar of Rock,
in der er sehr offen uber seine personlichen Einstellungen unter anderem zum Rock ’n’ Roll, zur Homosexualitat und zum
Rassismus
spricht.
[26]
Das Buch erschien am 1. Oktober 1985 und sorgte fur Interesse an Leben und Werk des Kunstlers, in dessen Folge Little Richard haufig im Fernsehen, unter anderem wieder bei Merv Griffin und Johnny Carson, aber auch bei
David Letterman
,
Pat Robertson
und
Phil Donahue
zu sehen war.
[24]
Im Sommer 1985 begann Little Richard, seine schauspielerische Karriere auszubauen, die im Vergleich zu seinem musikalischen Werk wenig Aufmerksamkeit erhielt. Mit
Lifetime Friend
veroffentlichte er ein neues Gospel-Album bei
Warner Brothers
. Der Sound entspricht dem Pop-Jahrzehnt seiner Entstehung. Die Singleauskopplung
Great Gosh A’Mighty
konnte sich in den amerikanischen
[27]
und britischen
[28]
Charts platzieren. Dies war ein Erfolg seines neuen Managements, das versuchte, sein Anliegen der christlichen Botschaft mit seinen Pop-Ambitionen zu verbinden. Sein nachstes Album
Shake It All About
mit Rock-’n’-Roll-Versionen von popularen Kinderliedern erschien 1992 beim Musiklabel der
Walt Disney Company
und erreichte
Platinstatus
.
[29]
Aus einer Zusammenarbeit mit dem japanischen Rock-Gitarristen Masayoshi Takanaka folgte das Album
Little Richard Meets Takanaka.
Die beginnende Aufbereitung seines Werkes in den 1990er Jahren in Form von aufwandigen
CD-Ausgaben
, die jeweils die kompletten Aufnahmesessions bei einem Label zusammenstellen, sowie die haufigen, guten Platzierungen in den Bestenlisten zum Jahrhundertwechsel weckten das Interesse der Offentlichkeit an Little Richards fruhem Werk. Durch die Beteiligung an der TV-Dokumentation
Little Richard
im Jahr 2000, in welcher der Schauspieler
Leon Robinson
Szenen seines Lebens nachspielt, gab Little Richard weitere Einblicke in seine lebhafte Geschichte. In den 1990er und 2000er Jahren ging er immer wieder in Amerika und Europa auf Tournee, oft an der Seite der alten Weggefahrten
Jerry Lee Lewis
und
Chuck Berry
, die sich mit entsprechendem Programm gemeinsam als ?Lebende Legenden des Rock ’n’ Rolls“ prasentierten. Zudem war Little Richard zeitweilig als Gastmusiker zu horen; fur
Kompilationen
und
Soundtracks
spielte er auch neue Titel ein. Ende 2009 unterzog er sich einer Huftoperation.
[30]
Nach mehrmaliger Ankundigung seines Ausscheidens aus dem Musikgeschaft erklarte 2013 der inzwischen Achtzigjahrige in einem Interview dem
Rolling Stone
seinen endgultigen Abschied mit den Worten: ?I am done!“ (?Ich bin fertig!“).
[31]
Nach dem Ende seiner Karriere widmete er sich wieder mehr der Religion.
[32]
Little Richard starb am 9. Mai 2020 im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer
Knochenkrebserkrankung
in seinem Haus in
Tennessee
.
[33]
Am 20. Mai wurde Little Richard auf dem
Oakwood University Memorial Gardens Cemetery
, dem Friedhof seiner ehemaligen theologischen Universitat in
Huntsville
,
Alabama
, in privatem Kreis beigesetzt.
[34]
Die erfolgreichen Rock-’n’-Roll-Stucke Little Richards ahneln sich in Bezug auf Aufbau, Instrumentierung und Inhalt in markanter Weise.
[35]
Als Grundlage der Kompositionen dient zumeist ein
12-Takt-Blues
, der in drei Akkorden die
Hauptfunktionen
der Harmonielehre variiert. In der
Rhythmik
dominiert der 4/4-Takt, der im Blues und im
Swing
verbreitet ist und sich durch einen deutlichen
Backbeat
von den Stucken der konkurrierenden Popbranche der 1950er Jahre absetzt. Diese rhythmische Betonung auf dem zweiten und vierten Schlag des Taktes ist bereits im Rhythm and Blues etabliert.
[36]
Diesen ?Rockbeat“
[35]
betont die gesamte Rhythmusgruppe notwendigerweise, um gegen Little Richards Lautstarke am Mikrofon und an den Tasten bestehen zu konnen. Earl Palmer koppelte bei den Aufnahmen in New Orleans am Schlagzeug den Backbeat mit einem swingenden
Shuffle
, das heißt einer Verschiebung der Achtel hin zur nachsten Viertel.
Der Schlagzeuger Charles Connor entwickelt bei den Studioaufnahmen Little Richards mit den Upsetters in Los Angeles den ?Choo-Choo-Train“-Stil, bei dem die Achtel durchgehend zwischen den durch den Backbeat akzentuierten Vierteln geschlagen werden, was dem Stampfen eines Zuges ahneln soll. Ein Beispiel hierfur ist das
Intro
von
Keep A Knockin’
vom Januar 1957.
[37]
Bei einigen langsameren Blues-Balladen wie
I’m Just a Lonely Guy
,
Send Me Some Lovin’
oder
Can’t Believe You Wanna Leave
kommt ein entspannter 12/8-Takt zum Einsatz, der typisch fur viele Pianisten aus New Orleans ist. Im Shuffle spielt auch der Rock-’n’-Roll-
Bass
fur gewohnlich eine rollende Acht-Ton-Figuration, die dem
Boogie-Woogie
entnommen ist und aufgrund ihrer konsequenten harmonischen Zuordnung zum Akkordschema die Lieder zusammenhalt, gerade dann, wenn zusatzliche Songstrukturen des Gospels oder der Popmusik das Bluesschema variieren.
[36]
Wahrend im Rock ’n’ Roll haufig die elektrische Gitarre fur den neuartigen, aggressiv larmenden akkordischen Grundklang sorgt,
[38]
trat diese bei Little Richard in den Hintergrund, sodass deren Aufgabe durch ein intensives und dominantes Pianospiel ubernommen wurde. Die Instrumentierung von Little Richards Hits verwies durch eine prominente
Holzblasersektion
einmal mehr auf die zu dieser Zeit ausklingende Swing-Ara. So sind auf den Aufnahmen aus dem J&M-Studio mit Lee Allen und Alvin ?Red“ Tyler zumindest zwei Saxophonisten zu horen, die den Gesangsphrasen antwortende, mehrstimmige
Riffs
einwerfen. Lee Allens Tenorsaxophonsoli wurden aufgrund des treibenden,
glissandierenden
und rohrenden Stils zu einem wichtigen Markenzeichen von Little Richards Specialty-Aufnahmen.
[39]
Die Upsetters traten bei Konzerten und Aufnahmen mit bis zu vier Saxophonisten auf.
[7]
Die im Rhythm and Blues haufig eingesetzte Vokalharmonik fehlte weitgehend, lediglich auf
The Girl Can’t Help It
wird Little Richard durch eine mannliche Gesangsgruppe unterstutzt. Das dritte Album
The Fabulous Little Richard
von 1959 prasentierte zudem Blues-Aufnahmen, die von Specialty Records zur nachtraglichen Veroffentlichung wahrend Little Richards theologischer Ausbildung mit einem weiblichen Hintergrundchor mittels
Overdub
-Technik versehen wurden.
Little Richards Klavierspiel war durch den Boogie-Woogie- und Rhythm-and-Blues-Stil aus New Orleans gepragt, den er besonders hart und schnell darbot. Entweder imitierte er dabei mit der linken Hand den Basslauf in der Funktion eines
Basso ostinato
[5]
oder variierte in punktierten Akkorden Formen des Boogie-Woogie. Mit der rechten Hand hammerte Richard hingegen meist hohe, enorm schnelle Akkorde in durchlaufenden Achteln (Eight-to-the-Bar-Boogie) oder in Triolen.
[40]
Besonders bei
Soli
traktierte Little Richard die hohen Oktaven seines Pianos, eine Spielweise, die den Vergleich mit Maschinengewehrsalven provoziert.
[41]
Sein Produzent Blackwell erinnerte sich an einige Situationen, als Basssaiten unter Little Richards Einhammern auf die Klaviertastatur rissen.
[42]
Das dichte Instrumentalarrangement sorgte ? auch aufgrund der bescheidenen Studiotechnik des
Toningenieurs
Matassa ? fur eine gleichbleibend hohe Lautstarke der Aufnahmen. Eine musikalische
Dynamik
fand kaum statt. Bei den typischen
Stop-Times
handelt es sich um
Breaks
, bei denen die Instrumente nur den ersten Schlag eines Taktes betonen und ansonsten schweigen, wobei der Sanger im rhythmischen
Staccato
den Text eher spricht oder ruft als singt ? so zu horen beispielsweise in
Rip It Up,
She’s Got It
oder
Good Golly Miss Molly.
[40]
Stimmlich orientierte sich Little Richard zuerst an
Roy Brown
und anderen Blues-
Shoutern
des Jump-Blues, die wegen ihres harteren Gesangstils als
Belters
von den
Crooners
,
den ?Schnulzensangern“ der Popmusik, unterschieden werden. Innerhalb des
Beltings
zeichnete er sich zudem durch einen sehr emotionalen und inspirierten Stil aus, weshalb Arnold Shaw ihn eher zu den
Emoters
denn zu den reinen
Screamers
zahlt.
[43]
Eines seiner Markenzeichen war das hohe
falsetthafte
?Whoooo!“, das er sich von der Gospel-Sangerin
Marion Williams
abgehort hatte.
[1]
Der Musikjournalist
Nik Cohn
beschreibt Little Richards Gesang wie folgt: ?Er kreischte und kreischte. Seine Stimme war freakish, unermudlich, hysterisch und absolut nicht unterzukriegen. Nie war sein Gesang leiser als das Brullen eines wutenden Stieres. Jede Phrase garnierte er mit Wimmern, Schnarren oder Sirenentonen. Seine Vitalitat und sein Drive waren grenzenlos.“
[44]
Uber diese Qualitaten als Rock-’n’-Roll-Sanger hinaus bescheinigt ihm Robert Chambers eine weite stilistische Bandbreite: ?Vom konventionellen
Tenor
uber Gospel und
Delta Blues
bis zur eleganten und beherrschten Reminiszenz an
Nat King Cole
; Little Richard kann alles singen.“
[42]
Insbesondere in der Phase seines Comebacks erganzte Little Richard sein Staccato um lang anhaltende, textlose
Melismen
als Songintros oder Zwischenrufe.
Die Texte der Stucke geben klassische Themen des Rock ’n’ Roll vor: Sex und Spaß. Wahrend Little Richards Eigenkompositionen oft zu derber Schlupfrigkeit neigten und fur die Plattenaufnahmen durch versierte Texter entscharft werden mussten,
[5]
spielen andere Komponisten seiner Hits gerne mit den Zweideutigkeiten, die der Begriffsvorrat der Rock-’n’-Roll-Sprache zur Verfugung stellt. So formuliert die Songwriterin
Dorothy La Bostrie
die erste Strophe von
Tutti Frutti
:
[45]
I got a girl, named Sue
She knows just what to do.
She rocks to the east, she rocks to the west
But she’s the girl that I love best.
|
Ich habe ein Madchen namens Sue,
die genau weiß, was zu tun ist.
Sie rockt mal hier und rockt mal dort,
trotzdem ist sie das Madchen, das ich am meisten liebe.
|
Dabei umspannt die mogliche Bedeutung des englischen Pradikats
to rock
ein rhythmisches Bewegen vom Tanz bis zum Geschlechtsakt.
[46]
Neben dieser Liebeslyrik geht es auch um das Bedurfnis der jugendlichen Horerschaft nach Spaß und Unterhaltung. So textet der Songwriter
John Marascalco
1956 in
Rip It Up
:
[5]
Well, it’s Saturday night and I just got paid,
Fool about my money, don’t try to save.
My heart says, go go,
Have a time
’Cause it’s Saturday night, and I’m feelin’ fine.
|
Nun, es ist Samstagabend und ich bekam gerade meinen Lohn,
Ich verschleudere mein Geld und versuche nicht, es zu sparen.
Mein Herz sagt mir, auf geht’s,
Viel Spaß!
Denn es ist Samstagabend und ich fuhle mich gut.
|
Alben
Little Richard nahm seit 1951 fur mindestens 30 verschiedene Plattenlabels auf. Es existieren eine Vielzahl von
Kompilationen
,
Wiederveroffentlichungen
und
Bootlegs
. Die folgende Albenliste fuhrt daher nur die offiziellen Albenausgaben, die wahrend der Vertragslaufzeiten mit den Plattenfirmen entstanden und die das Werk Little Richards weitgehend abdecken. Kompilationen fehlen.
- 1957:
Here’s Little Richard
, Specialty LP-100 beziehungsweise 2100
- 1958:
Little Richard
, Specialty LP-2103
- 1959:
The Fabulous Little Richard
, Specialty LP-2104
- 1960:
Pray Along with Little Richard, Vol. 1
, Golddisc LP-4001
- 1960:
Pray Along with Little Richard, Vol. 2
, Golddisc LP-4002
- 1961:
It’s Real
, Mercury MG-20656
- 1964:
Little Richard Is Back
, Vee-Jay LP-1107
- 1964:
Little Richard’s Greatest Hits
, Vee-Jay LP-1124
- 1966:
Little Richard Sings His Greatest Hits ? Recorded Live!
, Modern-LP 1000
- 1967:
The Wild and Frantic Little Richard
, Modern LP-1003
- 1967:
The Explosive Little Richard
, Okeh LP-14117
- 1967:
Little Richard’s Greatest Hits ? Recorded Live!
, Okeh LP-14121
- 1970:
The Rill Thing
, Reprise LP-6406
- 1971:
The King of Rock ’n’ Roll
, Reprise LP-6462
- 1972:
The Second Coming
, Reprise LP-2017
- 1972:
Southern Child
, (bis 2005 unveroffentlichte Reprise-Aufnahmen),
Rhino Records
- 1974:
Right Now!
, United LP-7791
- 1976:
Little Richard Live!
, K-Tel LP-462
- 1979:
God’s Beautiful City
, World LP-1001
- 1986:
Lifetime Friend
, Warner Bros. 4-22529
- 1992:
Shake It All About
, Disney 60849
- 1992:
Little Richard Meets Takanaka
, TOCT 6619
Little Richard stand zeit seiner Karriere verschiedentlich vor der Kamera. So trat er 1956 im Film
The Girl Can’t Help It
auf, zu dem er auch den Titelsong beisteuerte, und in
Don’t Knock the Rock
sowie 1957 in
Mister Rock and Roll
als Musiker in Erscheinung. Sind diese Auftritte der 1950er Jahre noch mit der damaligen Popularitat seiner Musik zu begrunden, begann er zu seinem zweiten Comeback ab 1985 Rollen zu ubernehmen. Er mimte 1986 den Orvis Goodnight in
Zoff in Beverly Hills
,
1988 den Burgermeister in
Purple People Eater
und den Alphonso in
Goddess of Love.
1990 war er als Old King Cole in
Mother Goose Rock ’n’ Rhyme,
1991 als Brandon in
Sunset Heat,
1992 als Airborne Mustard Lover in
The Naked Truth
und 1993 in der Rolle des Prasidenten in
The Pickle
zu sehen. In weiteren Filmen und Fernsehserien spielte er sich selbst oder Rockmusiker in Form kleiner
Cameo-Auftritte
, namentlich 1991 in der
Columbo
-Folge
Todliche Liebe
und 1993 in
Last Action Hero
.
Ebenso haufig trat er in Nebenrollen von Fernsehserien auf, darunter in
Miami Vice
,
Baywatch
,
Full House
(Staffel 7, Episode 23)
und
Night Man.
Zudem stand er als Interviewpartner fur filmische Dokumentationen uber Rockmusiker zur Verfugung oder spielte sich selbst in Realdokumentationen, darunter 1973 in einem Film uber Jimi Hendrix und 1998 in
Why Do Fools Fall in Love
uber
Frankie Lymon
. 1980 stand er fur die
dokumentarische
Umsetzung seiner bisherigen Karriere in der
Little Richard Story
vor der Kamera. Im Jahr 2003 synchronisierte er eine Zeichentrickfigur seiner selbst in der Folge
Special Edna
der Fernsehserie
Die Simpsons
.
[47]
Little Richards Chartplatzierungen konzentrieren sich auf den US-amerikanischen und britischen Markt. Er errang mit seinen uber eine Million Mal verkauften Singles
Tutti Frutti, Long Tall Sally / Slippin’ And Slidin’, Rip It Up / Ready Teddy, Lucille / Send Me Some Lovin, Jenny Jenny / Miss Ann, Keep A Knockin’
und
Good Golly Miss Molly
Goldstatus.
[48]
Zwischen 1955 und 1958 hatte Little Richard
18 Charthits
aufzuweisen. Neben den Charterfolgen und daraus resultierenden Auszeichnungen der Plattenindustrie wurde Little Richard fur sein Werk durch namhafte Institutionen und Medien der Musikbranche pramiert. So war er unter den ersten zehn Kunstlern, die 1986 in die gerade gegrundete
Rock and Roll Hall of Fame
gewahlt wurden,
[49]
seine Aufnahme in die
Songwriters Hall of Fame
folgte 2003,
[50]
jene in die
Blues Hall of Fame
im Jahr 2015.
[51]
Bereits 1990 wurde ihm zu Ehren ein Stern am
Hollywood Walk of Fame
verlegt.
[52]
Das Musikmagazin
Rolling Stone
fuhrt in seiner popularen
Liste der 500 besten Songs aller Zeiten
Little Richard mit
Tutti Frutti, Long Tall Sally, Good Golly Miss Molly, The Girl Can’t Help It
und
Keep A Knockin’
funfmal.
Sein Debutalbum auf Specialty Records
Here’s Little Richard
schaffte es in der
Liste der 500 besten Alben aller Zeiten
auf den 50. Platz.
[54]
In der Wahl der 365
Songs of the Century
platzierte sich
Tutti Frutti
auf Rang 130.
[55]
Daruber hinaus listete der
Rolling Stone
Little Richard auf Rang acht der
100 großten Musiker
sowie auf Rang zwolf der
100 großten Sanger aller Zeiten
.
[56]
[57]
Der amerikanische Literaturwissenschaftler
David Kirby
beklagt in seinem Buch von 2010
Little Richard. The Birth of Rock ’n’ Roll,
die geringe Prasenz Little Richards im Musikjournalismus entsprache nicht dessen tatsachlicher musikalischer und kultureller Bedeutung. Zwar habe Little Richard ein extrovertiertes Buhnenimage gepflegt, sich aber kaum fur ein professionelles
Selbstmarketing
interessiert, sodass er in der offentlichen Wertschatzung schwer zu fassen sei. Andere Musiker ließen hingegen keinen Zweifel am großen Einfluss Little Richards auf ihr Schaffen.
[58]
Das Musikmagazin
Rolling Stone
fuhrt Little Richard in seiner ?Liste der 100 großten Kunstler aller Zeiten“ aus dem Jahr 2004 auf dem achten Platz. Wenigstens sechs der besser platzierten Musiker bestatigen den starken Einfluss, den Little Richard und seine Musik auf ihr Werk und somit auf die Entwicklung der
Rockmusik
insgesamt hatte.
[59]
War Little Richard in seiner fruhen Werksphase bei RCA und Peacock selbst noch Imitator der im schwarzen Musikmarkt popularen Rhythm-and-Blues-Shouter, entwickelte er bereits mit
Tutti Frutti
zur ersten Aufnahmesession fur Specialty Records einen eigenen Stil, der kennzeichnend fur das junge Genre
Rock ’n’ Roll
wurde.
Das erste wichtige Kennzeichen ist die Schlichtheit der Lieder, die sich in ihrer gewollten Einfachheit der musiktheoretischen Analyse aufgrund Unergiebigkeit weitgehend entziehen.
[60]
So macht Nik Cohn in Little Richards Repertoire ?totale Nicht-Songs, […] ohne Melodie, ohne Text“
[44]
aus und spitzt seine These so weit zu, dass er das
Scat
-Intro von
Tutti Frutti
?AWopBopALooBopALopBamBoom“ als ?Nenner der Popmusik“ im Jahr 1956 identifiziert.
[61]
Prominente Musiker wahlten 2007 im Musikmagazin
Mojo
Tutti Frutti
dennoch zur Platte, die die Welt am meisten verandert hat.
[62]
Kann Little Richards Erfolg aber nicht mit einem originellen und komplexen Songwriting begrundet werden, so muss als Kern des kunstlerischen Ausdrucks die Darbietung selbst gelten, das heißt der auf Tontragern und bei Auftritten prasentierte ?Sound“ als zweites wichtiges Kennzeichen seiner Musik.
[60]
Hierbei tritt insbesondere Little Richards originarer Gesangsstil hervor, den viele seiner Nachfolger aus Rock ’n’ Roll und Rockmusik lobten oder sich zu eigen machen suchten:
John Lennon
und
Paul McCartney
, der bei der gemeinsamen Tour 1963 Richards ?Woooh!“ ubernahm,
[11]
so auch im Lied
I’m Down
,
[63]
weiter
Ian Gillan
,
Mitch Ryder
,
Screaming Lord Sutch
,
Neil Young
,
Ry Cooder
und viele mehr. Sogar Instrumentalisten eiferten Little Richards Stimme nach, wie zum Beispiel Jimi Hendrix mit seiner Gitarre.
[64]
Auch
Lemmy Kilmister
(
Motorhead
) und
Dave Grohl
(
Nirvana
,
Foo Fighters
) nennen Little Richard als wesentlichen musikalischen Einfluss ihres Schaffens.
[65]
Mit dem stetigen Wechsel zwischen Rock ’n’ Roll und Gospel ist als drittes Merkmal der Musik Little Richards die Emotionalitat und religiose Inbrunst des Ausdrucks zu nennen. Zwar war religiose Musik durch Gospel- und
Spiritual
-Gruppen weit verbreitet, die Popularisierung und die Verknupfung mit den
sakularen
Inhalten und den Stilmitteln der Rockmusik wurde aber Ende der 1950er Jahre durch wenige Musiker wie
Ray Charles
gerade erstmals vollzogen. Wahrend Arnold Shaw in diesem Zusammenhang in der Retrospektive von ?Gospel-Blues“ spricht,
[66]
attestierte Quincy Jones als Arrangeur der Mercury-Aufnahmen Little Richards diesem einen ?Rock ’n’ Soul“ und zeichnet damit eine Entwicklung der schwarzen Popmusik nach, die sich parallel zum Rock ’n’ Roll des Mainstreams als
Soul
und spater
Funk
etablierte.
[9]
Einige der wichtigen Vertreter des Soul wie
James Brown
,
Otis Redding
oder
Sam Cooke
stellen sich in die direkte Nachfolge Little Richards und profitierten von der Zusammenarbeit mit ihm zu Beginn ihrer Karriere.
[64]
Der ursprungliche Soul als Verknupfung von Rock und Gospel lasst sich in Little Richards Biografie bestens nachzeichnen.
[67]
Allerdings blieb er in seiner eigenen musikalischen Entwicklung wahrend seines Comebacks bezuglich der Innovationskraft und des kommerziellen Erfolgs hinter seinen ehemaligen Nacheiferern zuruck. Davon unberuhrt bleibt seine von religioser Uberzeugung getriebene Eigenwahrnehmung: ?Ich nenne es die Musik, die heilt. […] Die Musik, die Blinde sehen macht, die Lahmen, die Tauben und die Stummen gehen, horen und sprechen! Die Musik der Freude, die Musik, die deine Seele hochfliegen lasst. Ja, ja, denn ich bin die lebendige Flamme, und Little Richard ist mein Name …“
[66]
Mitte der 1950er Jahre war der amerikanische Musikmarkt durch die Popmusik der
Tin Pan Alley
dominiert, in der Komponisten und
Verleger
ihre professionell arrangierten Songs mit moglichst vielen etablierten Entertainern fur die burgerliche weiße Kauferschaft produzierten. Daneben existierten Spartenmarkte fur
Country-Musik
und den schwarzen
Rhythm and Blues
, der vormals auch als
Race Music
bezeichnet wurde, mit jeweils eigenen
Musiklabels
,
Charts
, Plattenladen, Radiostationen und Publikum. Hatte ein Titel in einem Spartengenre Erfolg, wurde haufig eine entscharfte
Coverversion
im Pop-Sound von einem etablierten
Crooner
eingespielt, seltener auch umgekehrt.
[68]
Little Richards Aufnahmen fur Specialty Records erregten schnell die Aufmerksamkeit der im Popmarkt agierenden
Major-Labels
. Vor allem
Pat Boone
coverte 1955 zeitnah
Tutti Frutti
und konnte mit den großeren Vermarktungsmoglichkeiten des Popmarktes erheblich mehr Platten verkaufen. Mit dem Nachfolge-Cover
Long Tall Sally
gelang dies 1957 nicht mehr, was eine Verschiebung innerhalb der segregierten Musikmarkte andeutet.
[69]
Little Richard war das
Crossover
in den Popmarkt gelungen.
Zwischenzeitlich hatte sich der Rock ’n’ Roll als Musik der jungen Generation etabliert, die in den jugendkonformen Inhalten und tanzbaren Rhythmen eine geeignete Ausdrucksform ihres Lebensgefuhls erkannte. Neue technische Produktions- und Marketingmethoden sowie die Entwicklung der Massenmedien Kino, Fernsehen und tragbare Radioapparate arbeiteten dieser Entwicklung zu.
[70]
Das schwarze Original erschien auch fur den weißen Teenager attraktiver als das langweilige Cover-Arrangement der Pop-Interpreten. Diese Entwicklung wurde durch Radio-
DJs
wie
Alan Freed
befordert, der zudem die Bezeichnung des neuen rassenubergreifenden Genres ?Rock ’n’ Roll“ mitpragte und popular machte.
[71]
Little Richard selbst außerte sich stets zwiegespalten zum rassengetrennten Musikmarkt. Einerseits begrußte er die Begeisterung seiner weißen Fans und negierte die Bedeutung der Hautfarbe fur die Musik, andererseits beschwerte er sich mit deutlichen Worten sowohl uber immer noch latent rassistische Strukturen in der Popbranche als auch uber deren schwarze Gegenbewegung im Umfeld der Soul-Musik, als sein Comeback in den 1960er und 1970er Jahren im Hinblick auf ausbleibende Charterfolge misslang.
[22]
Die Debatte uber das Crossover ? Gewinn von okonomischer und musikalischer Freiheit auf der einen und Verlust von Identitat und latente Ausbeutung auf der anderen Seite ? wird dabei in Little Richards Werk und Biografie besonders deutlich.
[72]
Bei einer Anhorung vor dem
Kongress der Vereinigten Staaten
am 20. September 1984, die die Ausbeutung
afroamerikanischer
Kunstler durch die Musikbranche klaren sollte, nahm Little Richard fur sich in Anspruch, in den 1950er Jahren ebendiese Rassenschranken uberwunden zu haben.
[24]
Vor allem in seiner fruhen Rock-’n’-Roll-Werksphase leistete Little Richard einen entscheidenden Beitrag zur Annaherung der verschiedenen Musikmarkte,
[72]
nicht nur durch seine eigene Aufnahmen, sondern auch durch die Vielzahl von Coverversionen: Vor allem die jungen englischen Beatgruppen der British Invasion fullten ihre Repertoires in den 1960er Jahren mit Little-Richard-Songs.
[12]
Auch viele Rock- und
Hardrockmusiker
der spateren Dekaden spielten Little Richards Standards neu ein.
[73]
Im amerikanischen Musikmarkt der 1950er und 1960er Jahre sahen sich afroamerikanische Musiker wie
James Brown
[74]
und
Nat King Cole
mit sexuell aufgeladenen Performances rassistischen Anfeindungen des weißen Publikums ausgesetzt. Little Richard und sein fruhes Management entwickelten daher bewusst das ubertrieben verruckte Image eines
Freaks
und ?King of Rock ’n’ Roll“.
[75]
Auf den anderen popularen ?King“
Elvis Presley
angesprochen, wich Richard gerne auf den Titel der ?Queen of Rock ’n’ Roll“ aus und eroffnete sich und seiner Buhnenprasenz Elemente der
Travestie
, die er im Zuge eigener homosexueller Erfahrungen bereits seit fruher Jugend ausgebaut und kultiviert hatte. So furchtete das mannliche, weiße Publikum durch ihn keine Nebenbuhlerschaft.
[76]
Zu diesen Verrucktheiten gehorte die Wildheit seiner Auftritte, darunter energiegeladene und artistische Einlagen am und auf dem Klavier, dazu
Striptease
und intensiver Publikumskontakt, aber auch außergewohnliche Buhnenoutfits wie Konigsroben, Spiegelanzuge und feminine Kostume.
[75]
Waren seine personlichen und allgemeinen Aussagen und Bewertungen zur Homosexualitat auch stets
ambivalent
,
[23]
so war seine diesbezugliche Pionierarbeit fur spatere Kunstler der Rockmusik, insbesondere jene des
Glam-Rock
, von großer Bedeutung: So stellen sich
Sylvester James
[77]
sowie
Elton John
und
David Bowie
selbst in Little Richards Nachfolge.
[64]
Wahrend
Mick Jagger
,
Marc Bolan
oder
Freddie Mercury
noch auf gesellschaftliche Vorbehalte stießen, als sie sich in den 1970er Jahren eine
androgyne
Extrovertiertheit nach Little Richards Vorbild aneigneten,
[78]
fiel ein entsprechendes Auftreten anderen afroamerikanischen Musikern wie
Prince
und
Michael Jackson
in den 1980er Jahren bereits leichter. Der Musikjournalist
Olaf Karnik
sieht einen Grund dafur in der
Minstrel
-Tradition, die den schwarzen Unterhaltungskunstler zum komodiantischen Schauobjekt verharmloste.
[79]
Dieses ?
gender
-
bending
“
[77]
(etwa
Dehnen des sozialen Geschlechts
), das in der Tradition des
Dandytums
und der
Camp
-Asthetik liegt, ist mittlerweile fester Bestandteil der Ausdrucksmoglichkeiten in der musikalischen Show geworden und wurde in den 2000er Jahren von Kunstlern wie
Andre 3000
verkorpert.
[80]
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(Erstausgabe: 1984, Viele Veroffentlichungen nennen auch 1935 als Geburtsdatum. In Little Richards Biografie wird seine Mutter Leava Mae Penniman mit dem 5. Dezember 1932 zitiert.).
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