Linzer Programm (Sozialdemokratie)

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Das Linzer Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschosterreichs galt vom 3. November 1926 bis zum Verbot der Partei am 12. Februar 1934 . Es beinhaltet marxistische und klassenkampferische Zuge und bietet die theoretische Grundlage fur die politischen Auseinandersetzungen mit der Christlichsozialen Partei und den Heimwehren , die sich zu dem Zeitpunkt zunehmend klerikal-faschistisch ausrichteten.

Die Errungenschaften der Ersten Republik werden im Linzer Programm ausdrucklich anerkannt, da durch sie politische Privilegien abgeschafft und der Arbeiterklasse ?politische Gleichberechtigung und Bewegungsfreiheit“ gegeben wurde, jedoch wird kritisiert, dass die Bourgeoisie durch wirtschaftliche Macht und Tradition noch die Herrschaft uber gesellschaftliche Institutionen habe. Eine eventuelle Kooperation mit der Bourgeoisie wird als hochstens temporarer Zustand bezeichnet, da die Klassengegensatze unaufhebbar seien ? in diesem Punkt wird der zu den Ideen eines Standestaats kontrare Standpunkt am deutlichsten, der von der Aufhebung der Klassengegensatze durch die Unterteilung der Gesellschaft in Berufsstande ausgeht.

Die Demokratie sollte nach der im Linzer Programm angestrebten ?Eroberung der Herrschaft in der demokratischen Republik“ nicht aufgehoben, sondern in den ?Dienst der Arbeiterschaft“ gestellt werden, um Großkapital und Großgrundbesitz zu enteignen und die Produktions- und Tauschmittel in den ?Gemeinbesitz des ganzen Volkes zu uberfuhren“.

Da die Sozialdemokraten eine monarchistische oder faschistische Gegenrevolution erwarteten, hielten sie es fur notwendig, die Arbeiterklasse in ?standiger organisierter geistiger und physischer Bereitschaft zur Verteidigung der Republik“ zu halten, um mit den Mitteln der Demokratie die ?Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu brechen“. Sie behielten sich jedoch ausdrucklich die Moglichkeit eines Burgerkriegs offen, sollte es der Bourgeoisie gelingen, in einer Gegenrevolution die Demokratie zu zerstoren.

Des Weiteren enthielt das Linzer Programm eine Reihe tagesaktueller, teilweise basisdemokratischer aber auch liberaler praxisorientierter Ideen, so zum Beispiel:

  • Abschaffung des Bundesstaates zu Gunsten einer demokratischen Lokalverwaltung
  • Wahl von Richtern durch das Volk
  • Asylrecht fur politische Fluchtlinge
  • eine Aufhebung internationaler Schutzzolle
  • Beseitigung burokratischer Hindernisse
  • Ausbau des Mieterschutzes
  • Verstarkung staatlicher Einflusse zur Bekampfung von Monopolen
  • Gemeinnutziger Wohnungsbau
  • Abbau von Verbrauchsteuern, Schaffung steuerfreier Minima, dagegen Ausbau eines progressiven Steuersystems
  • Betriebliche Mitbestimmungsrechte
  • Ausbau der sozialen Sicherungssysteme
  • Gleichberechtigung der Frauen
  • Aufklarung uber und Bereitstellung von Verhutungsmethoden durch die Krankenkassen
  • Schutz von Schwangeren
  • Unentgeltlichkeit und Demokratisierung des Schulwesens
  • Ausdehnung der Schulpflicht, Schulerhochstzahlen
  • Forderung Begabter aller Klassen beim Besuch hoherer Schulen
  • Religionsfreiheit (Betrachtung von Religion als Privatsache)
  • aber: Bekampfung autoritarer religioser Institutionen
  • Vollige Trennung von Kirche und Staat
  • Forderung von Volkssport und Volksbildung

Das Linzer Programm bekennt sich eindeutig zum Marxismus , besonders zum im Kommunistischen Manifest vertretenen Geschichtsdeterminismus . Dieser besagt, dass der Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus (und spater zum Kommunismus ) eine geschichtliche Notwendigkeit sei. Sowohl Konservative als auch Deutschnationale pflegten daher vor einem Austrobolschewismus zu warnen. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass ein solcher Ubergang nur im Zusammenhang mit ahnlichen Entwicklungen in anderen Landern vonstattengehen kann ? eine These, die im Ubrigen auch Leo Trotzki vertrat.

Sozialistische Internationale

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Des Weiteren bekannte man sich zur sozialistischen Internationale , zum Selbstbestimmungsrecht der Volker und zum Anschluss Osterreichs an das damals republikanische Deutsche Reich, die Weimarer Republik (der Passus zum Anschluss wurde 1933, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Deutschen Reich , gestrichen [1] ). Außerdem sprach man sich gegen jede Form von kriegerischen Handlungen und die Einmischung von auslandischem Großkapital aus.

Der Volkerbund wird als ?Kampfboden des Klassenkampfes“ bezeichnet; Tendenzen, die ihn zum ?Werkzeug der Verteidigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung“ werden lassen, werden kritisiert und eine Demokratisierung sowie der Eintritt aller Volker gefordert.

Wirkung auf politische Gegner

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Das Linzer Programm wirkte als Fanal . Aufgrund der revolutionaren Formulierungen wurde es als Aufruf zum Klassenkampf verstanden und von den politischen Gegnern auch dahingehend propagandistisch ausgeschlachtet. Vor allem den Heimwehren gelang es, daraus Profit zu schlagen, da sich diese infolge des Linzer Programms regen Zustroms aus der Bevolkerung erfreuten.

  • Helmut Feichter: Das Linzer Programm (1926) der osterreichischen Sozialdemokratie. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1973/74. Linz 1974, S. 233?339 ( ooegeschichte.at [PDF]).
  • Norbert Leser : Zwischen Reformismus und Bolschewismus. Der Austromarxismus als Theorie und Praxis . Europa-Verlag, Wien u. a. 1968.
  • Siegmund Kaff : Der Austrobolschewismus als Huter der ?Gesetzlichkeit“. Ein Kapitel aus der innerpolitischen Krankheitsgeschichte Osterreichs . Amalthea-Verlag, Wien u. a. 1930.
  • Gustav Otruba: Linzer Programme 1882?1923?1926. Meilensteine in der Parteiengeschichte Osterreichs. In: Oberosterreichische Heimatblatter . Jahrgang 45, Heft 2, 1991, S. 142?150 ( ooegeschichte.at [PDF]).

Einzelnachweise

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  1. Osterreich-Lexikon (aeiou) : Stichwort Anschluss