Li (Konfuzianismus)

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Li (禮, Pinyin : l?) ist ein Schlusselbegriff der konfuzianischen und post-konfuzianistischen chinesischen Philosophie . Das Wort stammt aus der hochchinesischen Sprache und bezeichnet die abstrakte Idee der Gesamtheit aller Umgangs- und Verhaltensformen, die einen guten Menschen und eine intakte gesellschaftliche Ordnung ausmachen. In westlichen Ausgaben des konfuzianischen Schrifttums wird Li meist als ? Ritus “ ubersetzt, etwa bei Burton Watson , wobei diese Wortwahl suggeriert, dass es sich um religiose Brauche handle, was jedoch nicht der Fall ist. Neben streng zeremoniellen Ritualen umfassen die konfuzianischen Riten namlich auch kleine, alltagliche Muster des personlichen Verhaltens. [1] Henry Rosemont und Roger Ames sprechen von ritual propriety (?ritueller Anstand “). Andere mogliche Ubersetzungen sind ? Brauchtum “, ? Sitte “ ? Etikette “, ? Moral “ und ?Regeln des richtigen Verhaltens“.

Das konfuzianische Li (禮) darf nicht verwechselt werden mit dem neokonfuzianischen Li (理), das mit Zhu Xis Integration des Buddhismus in den Konfuzianismus entstand und eine ganz andere Bedeutung hat. Es handelt sich um zwei verschiedene Worter, die im Hochchinesischen gleichlautend geworden sind (Im Sudchinesischen (Kantonesisch) jedoch sehr wohl unterscheidbar: 禮 lai5 und 理 lei5. Ebenso in der vietnamesischen Aussprache der Zeichen: L? und Li).

Begriffsbestimmung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In der westlichen Welt versteht man unter einem ?Ritus“ einen religiosen Brauch. Der Begriff der konfuzianischen Riten ist sehr viel weiter gefasst und umfasst das gesamte Spektrum der Interaktion mit anderen Menschen, mit der Natur und selbst mit unbelebten Dingen. Konfuzius schließt in seine Erlauterungen des Begriffs Li so unterschiedliche Themen wie das Lernen , das Teetrinken , Titel , das Trauern und die Staatsfuhrung ein. Der Philosoph Xunzi nennt als grundlegende Gesichtspunkte der Riten: ?Lieder und Lachen, Weinen und Klagen… Reis , Nudeln und Hirse, Fisch und Fleisch… das Tragen ritueller Kopfbedeckungen, bestickter Gewander, gemusterter Seidenstoffe, oder von Fastengewandern oder Trauerkleidung… weitlaufige Raume und abgesonderte Flure, weiche Matten, Couchen und Banke“ . [2] Die konfuzianische Lehre unterscheidet zwischen zwei Typen von Riten: erstens Yili (儀禮, yi l?), zeremonielle Riten, und zweitens Quli (曲禮, q? l?), Augenblicksrituale, die in gewohnliche, alltagliche menschliche Handlungen eingebettet sind. Chinesen fuhlen sich, wie der chinesische Medizinwissenschaftler und Philosoph Ruiping Fan aufgewiesen hat, bis in die Gegenwart solchen Augenblicksritualen stark verpflichtet und sind einer offenen und improvisierten Ausgestaltung ihres Sozialverhaltens und ihrer sozialen Beziehungen eher abgeneigt. [1]

Das Konzept chinesischer Riten ist gelegentlich mit dem westlichen Konzept der Kultur verglichen worden.

Die Riten umfassen die Normen des richtigen sozialen Verhaltens, so wie es von den Vatern, den Dorfaltesten und den Regierungsbeamten gelehrt wird. Die Lehren des Li unterstutzen Ideale wie die Ehrerbietung der Kinder, Bruderlichkeit, Rechtschaffenheit, Treu und Glauben und Loyalitat. [3] Li liegen auch die Konventionen des offentlichen Lebens zugrunde, wie Loyalitat gegenuber Vorgesetzten und Respekt gegenuber den Gemeindealtesten. Die Befolgung der Riten bedeutet ? durchgangig mit Nachdruck auf dem Gemeinschaftsgedanken ? die Verinnerlichung von Handlungen, wodurch der Betroffene einerseits in den Genuss des trostlichen Gefuhls der Tradition gelangt, andererseits aber auch seinen Schatz an Eindrucken und Erfahrung bereichert. Die Riten sollen daruber hinaus aber auch eine gesunde Praxis der Selbstlosigkeit unterstutzen, und zwar sowohl durch die von Li geleiteten Handlungen selbst als auch durch die Vorbildwirkung, die diese Handlungen auf andere Menschen haben.

Die Riten im konfuzianischen Schrifttum [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zu den altesten Texten, in denen das Konzept der Riten behandelt wird, zahlt das vor 389 v. Chr. entstandene Geschichtswerk Zuozhuan . [4]

Im konfuzianischen Textkorpus finden sich drei Schriften, in denen die Riten einschlagig behandelt werden: das Yili , das Liji und das Zhouli . Konfuzius hat erklart, dass in diesem Schrifttum ?300 große und 3000 kleinere Ritualregeln“ festgeschrieben seien. [5]

Das konfuzianische Denken unterscheidet zwischen zweierlei Prinzipien, die der Wirkungsweise der Riten zugrunde liegen. Das erste ist das Prinzip der Ausfuhrung, bei dem der menschliche Korper in choreographierte Bewegungen eingeubt wird. Das zweite ist das Prinzip des Lernens durch Lekture, bei dem durch das Studium des konfuzianischen Ritualkanons der Verstand geschult wird. [6]

Li ist ein Grundprinzip des konfuzianischen Denkens. Anders als das nach innen gewandte Ren (仁) wurde das Li als nach außen gerichtete Praxis verstanden, auf deren Grundlage man in der Gesellschaft richtig handelt. Das Handeln entsprechend den Prinzipien Li und Ren war die Voraussetzungen fur das, was Konfuzius den ?erhabenen Menschen“ oder ?den Weisen“ nannte.

Konfuzius trat fur eine vornehme Manier ein, bei der man sich immer bewusst bleibt, welche Personen hoher oder niedriger gestellt sind als man selbst. Er war davon uberzeugt, dass die hochste soziale Ordnung zu erreichen sei, wenn man in der feudalistischen Gesellschaft seinen Rang genau kenne. Die Riten gaben, wie sie in den konfuzianischen Klassikern beschrieben sind, klare Anleitungen, welches Verhalten vom individuellen Menschen erwartet wurde, und zwar abhangig von seiner Rolle und seinem Rang in der feudalistischen Gesellschaft. Konfuzius fuhrte die Missstande seiner Zeit darauf zuruck, dass die Gesellschaft die Prinzipien der Riten vernachlassigt habe. In den Analekten stellt er fest: ?Ehrerbietung ohne Form wird Kriecherei, Vorsicht ohne Form wird Furchtsamkeit, Mut ohne Form wird Auflehnung, Aufrichtigkeit ohne Form wird Grobheit.“ [7]

Riten der Staatsfuhrung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Konfuzius war der Auffassung, dass auch eine gute Staatsfuhrung den Prinzipien der Riten unterworfen sein musse. Die konfuzianischen Ideale gingen mit der Idee einher, dass einerseits alle Menschen vervollkommnungsfahig seien, dass Schicklichkeit andererseits aber auch Lohn in sich selbst trage; staatlich angeordnete Strafen erschienen vor diesem Hintergrund nicht notwendig.

Konfuzius hat betont, dass die Riten fur eine gute Staatsfuhrung grundlegend wichtig seien. In seinen Schriften sah er diese Voraussetzungen nur in den Staaten der Zentralchinesischen Ebene gegeben. Feudalherren, die nicht nach den Riten regierten, betrachtete er als Barbaren . [8]

Wandel und Stabilitat der Riten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Riten waren von durchaus dynamischer Natur. Im Laufe der Zeit sind die Praktiken des Li in demselben Maße, in dem gesellschaftliche Sichtweisen und Vorstellungen sich veranderten, neu beurteilt und revidiert worden. [9] Obwohl diese Praktiken sich im Laufe der Zeit verandern konnen ? ein Wandel, der sich freilich nur sehr langsam vollzieht ? bleiben die grundlegenden Ideale, die der sozialen Ordnung und damit dem Kern von Li entsprechen, dieselben.

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b Ruiping Fan: Reconstructionist Confucianism: Rethinking Morality After the West . Springer, Dordrecht / Heidelberg / London / New York 2010, ISBN 978-90-481-3155-6 , S. 171 ( eingeschrankte Online-Version in der Google-Buchsuche- USA )
  2. Basic Writings of Mo Tzu, Hsun Tzu, and Han Fei Tzu , ubersetzt von Burton Watson. Columbia University Press, 1963, S. 101f ( eingeschrankte Online-Version in der Google-Buchsuche- USA )
  3. Dennis Twitchett, Arthur Wright: Confucian Personalities . Stanford University Press, 1962, ISBN 0-8047-0044-3
  4. Eine einschlagige Textstelle dieses Buches findet sich in ?昭公 (25. Jahr von Zhao Gong).
  5. Liji, 10:22
  6. Michael Nylan: Li . In: The Encyclopedia of Confucianism . RoutledgeCurzon, 2003
  7. Buch VIII, Kapitel 2
  8. Fruhlings- und Herbstannalen
  9. Wong Yew Leong: Li and Change