Der Ausdruck
Leading Lady
(?fuhrende Dame“) bezeichnet im
Repertoiretheater
des
englischen
Sprachraumes die
Protagonistin
(dann
synonym
mit
female lead
/
leading actress
) bzw. das
Rollenfach
der weiblichen
Geliebten
des Protagonisten. Neben dem
Leading Man
(?fuhrender Mann“), der routinemaßig als mannlicher Liebhaber eingesetzt wird, ist sie das prominenteste und hochstbezahlte Mitglied eines
Schauspielensembles
. Weitere
stock characters
(Repertoire-Charaktere) der englischsprachigen Buhne sind die
young lovers
(
male juvenile
? etwa: Jugendlicher Liebhaber;
female juvenile
?
Ingenue
, Jugendliche Liebhaberin) sowie mannliche und weibliche
Charakterdarsteller
und eventuell eine
Soubrette
.
Schauspieler, die die Aufmerksamkeit des Publikums durch ihr Auftreten und ihre uberzeugende Darstellung in besonderem Maße auf sich ziehen und aus diesem Grunde besonders haufig oder ausschließlich fur
Hauptrollen
eingesetzt werden, behalten den Titel Leading Man oder Leading Lady auch rollen-, ensemble- und theaterunabhangig (d. h. uber die Grenzen des Repertoiresystems hinaus). Aufgrund der begrenzten Verfugbarkeit von Hauptrollen, die sich auf etablierte Leading Men oder Leading Ladies verteilen, ist die Anzahl der Schauspieler mit diesem Titel im Verhaltnis zur Zahl aller Ensembledarsteller gering.
In Anlehnung an diesen Sprachgebrauch wird der Begriff
Leading Lady
/
Leading Man
im englischen Sprachraum seit jeher auch auf Filmdarsteller angewandt, die die weibliche bzw. mannliche Hauptrolle innehaben. Bei der
Oscar
verleihung gibt es daher die Auszeichnung in den Kategorien
Actor/Actress in a Leading Role
bzw.
Actor/Actress in a Supporting Role
.
- Hierarchiebedeutung im Studiosystem Hollywoods
Der Ausdruck spielte wahrend des
Studiosystems
in
Hollywood
eine bedeutende Rolle, um den Status eines Schauspielers innerhalb der Studiohierarchie moglichst genau wiederzugeben. In der Regel wurden Schauspieler durch langfristige Vertrage mit 5 bis 7 Jahren Laufzeit an ein bestimmtes Studio gebunden und bezogen in dieser Zeit ein festes Gehalt. Wenn der Schauspieler noch nicht etabliert war (er sich z. B. auf der Buhne einen Namen gemacht hatte), begann seine Karriere meist in sog.
bit parts
. Darunter wurden kleine Rollen beschrieben, die einige wenige Dialogzeilen umfassten. Damit waren solche Auftritte mehr als
Statistenrollen
, hatten jedoch so wenig eigenes Gewicht, dass sie beim Endschnitt oft ohne Beeintrachtigung der Gesamthandlung herausgeschnitten werden konnten. Schauspieler, die in
bits
zu sehen waren, hatten keinen vertraglichen Anspruch auf Nennung im
Credit
, also der namentlichen Auflistung der Mitwirkenden.
Die nachste Stufe in der Hierarchie waren die
featured player
. Darunter wurden Schauspieler verstanden, die Nebenrollen ubernahmen und Anspruch auf Nennung im
Credit
hatten. Nicht immer scharf zu trennen war der Status eines
featured player
von einem Nebendarsteller, der unter die Kategorie
supporting player
fiel.
Der Aufstieg zur
Leading Lady
/
Leading Man
war gegeben, wenn der Darsteller die mannliche oder weibliche Hauptrolle ubernahm. Der Status eines
Leading Player
war ein wichtiges Indiz fur die wachsende Bedeutung des Schauspielers in der Wahrnehmung der Fans und meist der letzte Schritt in Richtung
Star
. Ein
Leading Player
bekam zwar eine Rolle von entsprechender Bedeutung, doch war damit nicht automatisch die Nennung uber dem Titel oder wenigstens gleichrangig zum nominellen Hauptdarsteller verbunden. Meist wurde der
Leading Player
durch den Zusatz
with
(deutsch
mit
) nach dem Titel des Films angekundigt.
Der prestigetrachtige Status der Nennung vor dem Titel blieb dem Star bzw., wenn beide Rollen (mitunter sogar mehrere Rollen) von einem weiteren Star ubernommen wurden, dem Co-Star vorbehalten. Die Vertrage der Stars schrieben teilweise im Detail vor, in welcher Reihenfolge sie im Verhaltnis zu ihren Co-Stars angekundigt werden mussten und befassten sich teilweise sogar mit dem Großenverhaltnis, in dem ihr Name zum Titel zu stehen hatte. Diese
order of billing
(Rangfolge der Namensnennung) verursachte den Rechtsabteilungen der Studios mitunter erhebliches Kopfzerbrechen und verhinderte sogar die erfolgreiche Zusammenarbeit zweier Stars, wenn diese sich nicht uber die Rangfolge einigen konnten.
Ein beliebter Kompromiss fur solche Falle war die Teilung der Namensnennung. Meist erschien dann die eine Halfte der Werbung und mitunter sogar die Halfte der Verleihkopien mit dem einen Namen an der ersten Stelle und die andere Halfte mit dem anderen. Beispiele dafur waren entsprechende Regelungen zwischen
Cary Grant
und
Ginger Rogers
bei
Es waren einmal Flitterwochen
sowie zwischen
William Powell
und
Irene Dunne
bei
Unser Leben mit Vater
. Eine andere Moglichkeit, die oft bei einer
Starbesetzung
angewandt wurde, war die Nennung der Mitwirkenden in alphabetischer Reihenfolge. Bei Fernsehserien, insbesondere in den USA, erscheint der Name des ranghochsten Darstellers mitunter auch als letzter im Vorspann und wird durch die zusatzliche Nennung seines Charakters in der Serie besonders hervorgehoben.
Wenn ein Schauspieler bereits außerhalb des Films popular war, konnte er durch seinen vorhandenen Marktwert den Einstieg ins Filmgeschaft gleich als Star beginnen. Als
Sonja Henie
1936 einen Filmvertrag mit der Gesellschaft
20th Century Fox
aushandelte, setzte sie durch, in keinem ihrer Filme je unter dem Titel und niemals weniger als Co-Starring, also gleichberechtigte Nennung neben einem mannlichen Star zu bekommen.
Der Weg von
bit player
zum Star konnte auch umgekehrt verlaufen, wie im Beispiel von
Aileen Pringle
oder
Florence Lawrence
, die den Abstieg von hochbezahlten Filmschauspielerinnen hin zu zweitrangigen Auftritten durchmachten.
- Jeanine Basinger:
The Star Machine
. Knopf, New York NY 2007,
ISBN 978-1-400-04130-5
- Jeanine Basinger:
A Woman’s View
. How Hollywood Spoke to Women 1930?1960. Random House / Wesleyan / Knopf, New York NY 1993,
ISBN 978-0819562913
- Ronald Haver:
David O. Selznick’s Hollywood
. Random House / Bonanza Books, New York NY 1985 (1st Edition, Knopf 1980),
ISBN 978-0-517-47665-9
- Paul McDonald:
The Star System: Hollywood’s Production of Popular Identities
. Wallflower, London 2000,
ISBN 978-1903364024