Lavarohren
(engl.:
lava tubes
; auch
Lavahohlen
,
Lavagrotten
oder
Lavatunnel
) sind
Hohlen
, die sich an bestimmten
Vulkanen
durch Strome relativ dunnflussiger,
basischer
Lava
bilden.
Die wesentlichen Voraussetzungen fur das Entstehen von Lavahohlen sind Hangneigungswinkel von hochstens 5° sowie eine geringe
Viskositat
der Lava, d. h., die Lava muss relativ dunnflussig sein und damit relativ schnell fließen konnen. Beide Voraussetzungen findet man vor allem an
Schildvulkanen
, wobei die Vulkanmorphologie unmittelbar mit der Viskositat der geforderten Lava zusammenhangt. Die Viskositat und auch die Temperatur der Lava wird wiederum bestimmt von ihrer chemischen Zusammensetzung. Dunnflussige Laven, die Schildvulkane aufbauen, sind stets von
basischer
Zusammensetzung und bis zu 1200 °C heiß.
Eine Lavarohre entsteht, wenn diese dunnflussige Lava wahrend eines Ausbruches in einer Art Rinne den Vulkanhang hinabfließt. Da die Fließgeschwindigkeit und die Temperatur der Lava an den Randern und vor allem an der Oberflache des Lavastroms am geringsten sind, erstarrt die Lava dort zuerst. So wachst ausgehend von den Randern der Lavarinne eine Art Dach uber dem Lavastrom. Unterhalb des ?Daches“ fließt die Lava weiter, solange der Vulkan Nachschub liefert. Nach Ende des Ausbruches ebbt der Lavazustrom ab und der Pegel in der Rohre sinkt, weil die Lava aufgrund ihrer geringen Zahigkeit weiter hangabwarts abfließt. Nachdem die restliche Lava erstarrt und erkaltet ist, bleibt schließlich ein Hohlraum zuruck.
Die Breite einer solchen Rohre kann auf der Erde mehr als 30 m betragen, die Hohe bis zu 15 m und die Lange bisweilen mehr als 50 km. Strukturen auf anderen Himmelskorpern, die als Lavarohren oder deren Reste gedeutet werden, erreichen noch großere Dimensionen (siehe
unten
). Auf
Vulkaninseln
konnen sich Lavahohlen auch bis unterhalb des Meeresspiegels erstrecken. Da die Decken der Rohren unterschiedlich dick sind, kann es, gegebenenfalls ausgelost durch nachfolgende
Erosion
, aus
statischen
Grunden zum Einsturz derselben kommen. Bisweilen sturzen bereits kleine Bereiche der Decke ein, noch wahrend der Ausbruch im Gange ist und die Lava noch fließt. Die eng begrenzten Offnungen, die dabei entstehen, werden auf Englisch
Skylights
(?Oberlichter“, ?Dachfenster“) genannt.
In der Regel finden sich Lavahohlen auf der Erde nur an aktiven sowie an zwar inaktiven, aber geologisch relativ jungen Vulkanen, an denen jeweils die dazu notigen Voraussetzungen (siehe
oben
) gegeben sind. Besonders zahlreich sind sie deshalb auf
Hawaii
und gehoren dort auch zu den weltweit langsten Lavahohlen, wie die
Kazumura Cave
, die mit 65,5 km als die langste einzelne Lavarohre der Welt gilt, die
Delissea Cave
(47 km) oder die
Kipuka Kanohina Cave
(42 km).
[1]
Generell bieten ozeanische Vulkaninseln ? nicht jedoch die Inseln
vulkanischer Inselbogen
? gunstige Bedingungen fur die Entstehung von Lavarohren. Daher kommen sie u. a. auch auf
Reunion
und auf den
Galapagos-Inseln
vor, sowie auf der Vulkaninsel
Jejudo
im Norden des Ostchinesischen Meeres.
In Europa gibt es vor allem auf
Island
sehr viele Lavahohlen, wie zum Beispiel
Surtshellir
und
Viðgelmir
. Die Lavahohlen am
Atna
auf
Sizilien
gelten als die einzigen auf dem europaischen Festland. Auch auf den
Kanarischen Inseln
gibt es Lavarohren. Die mit 17 km langste dieser Rohren, die
Cueva del Viento
auf
Teneriffa
, ist zugleich die langste Lavarohre auf dem Territorium der
Europaischen Union
. Auf
Lanzarote
sind die
Cueva de los Verdes
und die
Jameos del Agua
, bei denen es sich um Abschnitte des Lavatunnelsystems des
Monte-Corona
-Vulkans handelt, offentlich zuganglich. Ebenso die
Cueva del Llano
auf
Fuerteventura
, die keinem noch bestehenden Vulkanbau mehr zugeordnet werden kann.
Im australischen
Undara-Nationalpark
befindet sich ein sehr ausgedehntes fossiles Lavarohrensystem. Es gehort zum bereits vor rund 190.000 Jahren erloschenen Undara-Vulkan und ist uber 100 km lang.
[2]
69 der Lavarohren sind begehbar. In 8 dieser Rohren (Stand 2008) finden Fuhrungen fur Touristen statt. 300 sind eingesturzt. Die langste begehbare Hohle ist knapp 1 km lang.
Schon seit den spaten 1960er Jahren werden die geschwungenen Formen der als ?
Rillen
“ (Rimae) bezeichneten langgezogenen Eintiefungen auf der von basaltischem Vulkanismus gepragten erdzugewandten Seite des
Mondes
als alte Lavastrome bzw. zumindest teilweise kollabierte Lavarohren gedeutet.
[3]
Im Jahre 2009 gelang schließlich eine Entdeckung, die diese Interpretation zu bestatigen scheint: In den Marius Hills im
Oceanus-Procellarum-Becken
befindet sich ein etwa 65 m großes Loch in einer der Rillen. Dieses sogenannte
Marius Hills Hole
ist wahrscheinlich ein Pendant zu den irdischen Skylights und entstand, als ein Teil der Decke der entsprechenden Lavarohre einsturzte.
[4]
Spater wurden in der Umgebung des Marius Hills Hole doppelte
Radarechos
registriert, von denen jeweils das zweite Echo durch die Reflexion von einem Hohlenboden hervorgerufen worden sein konnte. Zudem weist diese Gegend eine negative
Schwereanomalie
auf, was auf ein Massendefizit und damit auf großere Hohlraume im Untergrund hinweist. All dies legt nahe, dass es in den Marius Hills ein großeres intaktes Lavarohrensystem gibt. Die Machtigkeit der Hohlendecken soll zwischen einigen Dutzend und 200 m betragen.
[5]
Den Lavatunneln auf dem Mond wird im Hinblick auf die Errichtung bemannter Mondbasen eine besondere Bedeutung beigemessen, da sie u. a. Schutz vor
Mikrometeoriten
, Sonnenstrahlung,
kosmischer Strahlung
und kosmischer Kalte bieten.
[3]
Der Mars ist gepragt von basaltischem Vulkanismus und weist mit
Olympus Mons
den großten Schildvulkan des Sonnensystems auf. Auch vom Mars sind Strukturen bekannt, die den geschwungenen Rimae der Mondoberflache stark ahneln und die zudem an den Flanken von Schildvulkanen auftreten. Schließlich sind an der Nordflanke des
Arsia Mons
, des sudlichen der drei großen Schildvulkane der
Tharsis-Region
, Locher in der Marsoberflache entdeckt worden, bei denen es sich um Skylights von Lavarohren handeln konnte, zumal sie auf einer Linie mit zahlreichen anderen Einbruchsstrukturen liegen, deren unmittelbar unterlagernder Hohlraum jedoch komplett mit Lockermaterial verfullt zu sein scheint.
[6]
Ahnlich wie die Lavarohren auf dem Mond gelten auch jene des Mars als potenzielle Standorte fur permanente, bemannte Stationen auf dem Planeten.
[6]
- Down the Lunar Rabbit-hole
Artikel auf NASA Science News vom 12. Juli 2010, basierend auf dem Aufsatz von Haruyama et al. (2009)
[4]
einschließlich entsprechender Abbildungen (englisch)
- ?Schutzhohle“ auf dem Mond entdeckt
Artikel auf science.orf.at vom 19. Oktober 2017
- Lava tubes on Pavonis Mons
Artikel in der Rubrik
Mars Express
auf der offiziellen Website der ESA vom 23. Mai 2006 uber Lavarohren mit großflachig eingesturzten Decken an der Sudwestflanke des Pavonis Mons (englisch)
- ↑
World's Longest Lava Tubes
caverbob.com
, 28. August 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020 (englisch)
- ↑
A. Atkinson, T. J. Griffin, P. J. Stephenson:
A major lava tube system from Undara Volcano, North Queensland.
Bulletin Volcanologique. Bd. 39, Nr. 2, 1975, S. 266?293,
doi
:
10.1007/BF02597832
- ↑
a
b
Cassandra R. Coombs, B. Ray Hawke:
A Search for Intact Lava Tubes on the Moon: Possible Lunar Base Habitats
. In: W. W. Mendell (Hrsg.):
The Second Conference on Lunar Bases and Space Activities of the 21st Century.
NASA Conference Publication 3166, Bd. 1, 1992, S. 219?229 (
archive.org
)
- ↑
a
b
Junichi Haruyama, Kazuyuki Hioki, Motomaro Shirao, Tomokatsu Morota, Harald Hiesinger, Carolyn H. van der Bogert, Hideaki Miyamoto, Akira Iwasaki, Yasuhiro Yokota, Makiko Ohtake, Tsuneo Matsunaga, Seiichi Hara, Shunsuke Nakanotani, Carle M. Pieters:
Possible lunar lava tube skylight observed by SELENE cameras.
Geophysical Research Letters. Bd. 36, 2009, L21206,
doi
:
10.1029/2009GL040635
- ↑
T. Kaku, J. Haruyama, W. Miyake, A. Kumamoto, K. Ishiyama, T. Nishibori, K. Yamamoto, Sarah T. Crites, T. Michikami, Y. Yokota, R. Sood, H. J. Melosh, L. Chappaz, K. C. Howell.
Detection of intact lava tubes at Marius Hills on the Moon by SELENE (Kaguya) Lunar Radar Sounder.
Geophysical Research Letters. Bd. 44, Nr. 20, 2017, S. 10155?10161,
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THEMIS observes possible cave skylights on Mars.
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