Lavarohre

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Das Innere der Thurston Lava Tube im Hawai?i-Volcanoes-Nationalpark . An den Seitenwanden zeichnet sich ungefahr auf Hohe der Lampen das Niveau eines langere Zeit existierenden Lavastroms ab.

Lavarohren (engl.: lava tubes ; auch Lavahohlen , Lavagrotten oder Lavatunnel ) sind Hohlen , die sich an bestimmten Vulkanen durch Strome relativ dunnflussiger, basischer Lava bilden.

Schematische Darstellung der Entstehung einer Lavarohre (Querschnitt).
Blick durch ein sogenanntes ?Skylight“ in eine Lavarohre wahrend eines Ausbruches des Mauna Ulu ( Kilauea , Hawaii).

Die wesentlichen Voraussetzungen fur das Entstehen von Lavahohlen sind Hangneigungswinkel von hochstens 5° sowie eine geringe Viskositat der Lava, d. h., die Lava muss relativ dunnflussig sein und damit relativ schnell fließen konnen. Beide Voraussetzungen findet man vor allem an Schildvulkanen , wobei die Vulkanmorphologie unmittelbar mit der Viskositat der geforderten Lava zusammenhangt. Die Viskositat und auch die Temperatur der Lava wird wiederum bestimmt von ihrer chemischen Zusammensetzung. Dunnflussige Laven, die Schildvulkane aufbauen, sind stets von basischer Zusammensetzung und bis zu 1200 °C heiß.

Eine Lavarohre entsteht, wenn diese dunnflussige Lava wahrend eines Ausbruches in einer Art Rinne den Vulkanhang hinabfließt. Da die Fließgeschwindigkeit und die Temperatur der Lava an den Randern und vor allem an der Oberflache des Lavastroms am geringsten sind, erstarrt die Lava dort zuerst. So wachst ausgehend von den Randern der Lavarinne eine Art Dach uber dem Lavastrom. Unterhalb des ?Daches“ fließt die Lava weiter, solange der Vulkan Nachschub liefert. Nach Ende des Ausbruches ebbt der Lavazustrom ab und der Pegel in der Rohre sinkt, weil die Lava aufgrund ihrer geringen Zahigkeit weiter hangabwarts abfließt. Nachdem die restliche Lava erstarrt und erkaltet ist, bleibt schließlich ein Hohlraum zuruck.

Die Breite einer solchen Rohre kann auf der Erde mehr als 30 m betragen, die Hohe bis zu 15 m und die Lange bisweilen mehr als 50 km. Strukturen auf anderen Himmelskorpern, die als Lavarohren oder deren Reste gedeutet werden, erreichen noch großere Dimensionen (siehe unten ). Auf Vulkaninseln konnen sich Lavahohlen auch bis unterhalb des Meeresspiegels erstrecken. Da die Decken der Rohren unterschiedlich dick sind, kann es, gegebenenfalls ausgelost durch nachfolgende Erosion , aus statischen Grunden zum Einsturz derselben kommen. Bisweilen sturzen bereits kleine Bereiche der Decke ein, noch wahrend der Ausbruch im Gange ist und die Lava noch fließt. Die eng begrenzten Offnungen, die dabei entstehen, werden auf Englisch Skylights (?Oberlichter“, ?Dachfenster“) genannt.

Lavarohre mit nachtraglich entstandenen Tropfsteinen im Geomunoreum-Lavarohrensystem auf Jejudo (Sudkorea)

In der Regel finden sich Lavahohlen auf der Erde nur an aktiven sowie an zwar inaktiven, aber geologisch relativ jungen Vulkanen, an denen jeweils die dazu notigen Voraussetzungen (siehe oben ) gegeben sind. Besonders zahlreich sind sie deshalb auf Hawaii und gehoren dort auch zu den weltweit langsten Lavahohlen, wie die Kazumura Cave , die mit 65,5 km als die langste einzelne Lavarohre der Welt gilt, die Delissea Cave (47 km) oder die Kipuka Kanohina Cave (42 km). [1] Generell bieten ozeanische Vulkaninseln ? nicht jedoch die Inseln vulkanischer Inselbogen ? gunstige Bedingungen fur die Entstehung von Lavarohren. Daher kommen sie u. a. auch auf Reunion und auf den Galapagos-Inseln vor, sowie auf der Vulkaninsel Jejudo im Norden des Ostchinesischen Meeres.

In Europa gibt es vor allem auf Island sehr viele Lavahohlen, wie zum Beispiel Surtshellir und Viðgelmir . Die Lavahohlen am Atna auf Sizilien gelten als die einzigen auf dem europaischen Festland. Auch auf den Kanarischen Inseln gibt es Lavarohren. Die mit 17 km langste dieser Rohren, die Cueva del Viento auf Teneriffa , ist zugleich die langste Lavarohre auf dem Territorium der Europaischen Union . Auf Lanzarote sind die Cueva de los Verdes und die Jameos del Agua , bei denen es sich um Abschnitte des Lavatunnelsystems des Monte-Corona -Vulkans handelt, offentlich zuganglich. Ebenso die Cueva del Llano auf Fuerteventura , die keinem noch bestehenden Vulkanbau mehr zugeordnet werden kann.

Im australischen Undara-Nationalpark befindet sich ein sehr ausgedehntes fossiles Lavarohrensystem. Es gehort zum bereits vor rund 190.000 Jahren erloschenen Undara-Vulkan und ist uber 100 km lang. [2] 69 der Lavarohren sind begehbar. In 8 dieser Rohren (Stand 2008) finden Fuhrungen fur Touristen statt. 300 sind eingesturzt. Die langste begehbare Hohle ist knapp 1 km lang.

Ein als Skylight interpretiertes 130 m breites Loch in der Mondoberflache des Mare Ingenii (Licht kommt von rechts oben). Anders als in den Marius Hills (siehe Text), ist diese Offnung nicht mit einer ?Rille“ assoziiert.

Schon seit den spaten 1960er Jahren werden die geschwungenen Formen der als ? Rillen “ (Rimae) bezeichneten langgezogenen Eintiefungen auf der von basaltischem Vulkanismus gepragten erdzugewandten Seite des Mondes als alte Lavastrome bzw. zumindest teilweise kollabierte Lavarohren gedeutet. [3] Im Jahre 2009 gelang schließlich eine Entdeckung, die diese Interpretation zu bestatigen scheint: In den Marius Hills im Oceanus-Procellarum-Becken befindet sich ein etwa 65 m großes Loch in einer der Rillen. Dieses sogenannte Marius Hills Hole ist wahrscheinlich ein Pendant zu den irdischen Skylights und entstand, als ein Teil der Decke der entsprechenden Lavarohre einsturzte. [4] Spater wurden in der Umgebung des Marius Hills Hole doppelte Radarechos registriert, von denen jeweils das zweite Echo durch die Reflexion von einem Hohlenboden hervorgerufen worden sein konnte. Zudem weist diese Gegend eine negative Schwereanomalie auf, was auf ein Massendefizit und damit auf großere Hohlraume im Untergrund hinweist. All dies legt nahe, dass es in den Marius Hills ein großeres intaktes Lavarohrensystem gibt. Die Machtigkeit der Hohlendecken soll zwischen einigen Dutzend und 200 m betragen. [5]

Den Lavatunneln auf dem Mond wird im Hinblick auf die Errichtung bemannter Mondbasen eine besondere Bedeutung beigemessen, da sie u. a. Schutz vor Mikrometeoriten , Sonnenstrahlung, kosmischer Strahlung und kosmischer Kalte bieten. [3]

Dieser mogliche Kandidat fur ein Skylight einer Lavarohre ist etwa 35 m breit und befindet sich an der Nordflanke des Pavonis Mons , des mittleren der drei großen Schildvulkane der Tharsis-Region auf dem Mars (Licht kommt von links unten). Offensichtlich hatte sich vor dem Einsturz der Hohlendecke eine große Menge Lockermaterial darauf angesammelt, das in die an der Offnung nun noch etwa 20 m tiefe Hohle nachgesackt ist.

Der Mars ist gepragt von basaltischem Vulkanismus und weist mit Olympus Mons den großten Schildvulkan des Sonnensystems auf. Auch vom Mars sind Strukturen bekannt, die den geschwungenen Rimae der Mondoberflache stark ahneln und die zudem an den Flanken von Schildvulkanen auftreten. Schließlich sind an der Nordflanke des Arsia Mons , des sudlichen der drei großen Schildvulkane der Tharsis-Region , Locher in der Marsoberflache entdeckt worden, bei denen es sich um Skylights von Lavarohren handeln konnte, zumal sie auf einer Linie mit zahlreichen anderen Einbruchsstrukturen liegen, deren unmittelbar unterlagernder Hohlraum jedoch komplett mit Lockermaterial verfullt zu sein scheint. [6]

Ahnlich wie die Lavarohren auf dem Mond gelten auch jene des Mars als potenzielle Standorte fur permanente, bemannte Stationen auf dem Planeten. [6]

Commons : Lavarohren  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Down the Lunar Rabbit-hole Artikel auf NASA Science News vom 12. Juli 2010, basierend auf dem Aufsatz von Haruyama et al. (2009) [4] einschließlich entsprechender Abbildungen (englisch)
  • ?Schutzhohle“ auf dem Mond entdeckt Artikel auf science.orf.at vom 19. Oktober 2017
  • Lava tubes on Pavonis Mons Artikel in der Rubrik Mars Express auf der offiziellen Website der ESA vom 23. Mai 2006 uber Lavarohren mit großflachig eingesturzten Decken an der Sudwestflanke des Pavonis Mons (englisch)

Einzelnachweise

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  1. World's Longest Lava Tubes caverbob.com , 28. August 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020 (englisch)
  2. A. Atkinson, T. J. Griffin, P. J. Stephenson: A major lava tube system from Undara Volcano, North Queensland. Bulletin Volcanologique. Bd. 39, Nr. 2, 1975, S. 266?293, doi : 10.1007/BF02597832
  3. a b Cassandra R. Coombs, B. Ray Hawke: A Search for Intact Lava Tubes on the Moon: Possible Lunar Base Habitats . In: W. W. Mendell (Hrsg.): The Second Conference on Lunar Bases and Space Activities of the 21st Century. NASA Conference Publication 3166, Bd. 1, 1992, S. 219?229 ( archive.org )
  4. a b Junichi Haruyama, Kazuyuki Hioki, Motomaro Shirao, Tomokatsu Morota, Harald Hiesinger, Carolyn H. van der Bogert, Hideaki Miyamoto, Akira Iwasaki, Yasuhiro Yokota, Makiko Ohtake, Tsuneo Matsunaga, Seiichi Hara, Shunsuke Nakanotani, Carle M. Pieters: Possible lunar lava tube skylight observed by SELENE cameras. Geophysical Research Letters. Bd. 36, 2009, L21206, doi : 10.1029/2009GL040635
  5. T. Kaku, J. Haruyama, W. Miyake, A. Kumamoto, K. Ishiyama, T. Nishibori, K. Yamamoto, Sarah T. Crites, T. Michikami, Y. Yokota, R. Sood, H. J. Melosh, L. Chappaz, K. C. Howell. Detection of intact lava tubes at Marius Hills on the Moon by SELENE (Kaguya) Lunar Radar Sounder. Geophysical Research Letters. Bd. 44, Nr. 20, 2017, S. 10155?10161, doi:10.1002/2017GL074998
  6. a b G. E. Cushing, T. N. Titus, J. J. Wynne, P. R. Christensen: THEMIS observes possible cave skylights on Mars. Geophysical Research Letters. Bd. 34, 2007, L17201, doi : 10.1029/2007GL030709