Latvijas Tautas Fronte

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Lettische und litauische Nationalflaggen vor dem Lettischen Parlament ; Riga : 4. Mai 1990

Die Latvijas Tautas fronte ( Lettische Volksfront ) war in den spaten 1980er und fruhen 1990er Jahren eine politische Organisation in Lettland , die das Land zur Unabhangigkeit von der Sowjetunion fuhrte. Sie ist mit der estnischen Volksfront und der S?j?dis -Bewegung in Litauen vergleichbar.

Ihre Zeitung Atmoda ( Erwachen ) erschien in lettischer und russischer Sprache von 1989 bis 1992.

Historischer Hintergrund [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Lettland wurde wie Estland und Litauen 1940 von der Sowjetunion okkupiert. Um Blutvergießen zu vermeiden, gab es gegen die Okkupation relativ wenig sichtbaren Widerstand , aber viele Letten waren zutiefst unzufrieden und warteten auf eine Gelegenheit, die Unabhangigkeit wiedererlangen zu konnen. Eine solche Gelegenheit ergab sich in den 1980er Jahren, als Gorbatschow versuchte, die Sowjetunion zu reformieren. Besonders Gorbatschows Glasnost -Politik half dabei, erlaubte sie doch ein großeres Maß an Redefreiheit in der Sowjetunion als jemals zuvor.

Die lettische Unabhangigkeitsbewegung begann 1986 mit kleinen Demonstrationen fur Unabhangigkeit und Menschenrechte, die von der Gruppe Helsinki-86 organisiert und von der Regierung der Lettischen SSR unterdruckt wurden. Der Durchbruch kam im Sommer 1988. Viele prominente Letten außerten offentlich ihre Unterstutzung fur das Verlangen nach mehr Autonomie. Die lettischen Zeitungen begannen uber Aspekte der lettischen Geschichte zu schreiben, die zuvor verboten gewesen waren, zum Beispiel die Besetzung von 1940. Die Flagge Lettlands , ebenfalls bis anhin verboten, kehrte zuruck, eine neue starke Welle lettischer nationaler Identitat lief durchs Land.

Die Volksfront von 1988 bis 1990 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Diese Welle schuf verschiedene politische Organisationen, die sich einem Mehr an Autonomie oder Unabhangigkeit Lettlands verschrieben hatten. Von diesen war Latvijas Tautas fronte die großte. Sie wurde am 9. Oktober 1988 gegrundet. Am Anfang nahm Tautas fronte eine gemaßigte Position ein, sie verlangte weitgehende Autonomie fur Lettland, hielt sich aber vor dem Ruf nach Unabhangigkeit zuruck. Die Volksfront wurde von moderaten Mitgliedern der Fuhrungsriege der lettischen SSR unterstutzt, von deren Hardlinern jedoch bekampft.

Tautas fronte wuchs rasch auf 250.000 Mitglieder an. Ihr Ziel war es, eine breite Koalition aus allen Kraften zu schaffen, die fur Autonomie oder Unabhangigkeit eintraten. Weil 48 % der Bevolkerung auf dem Gebiet der SSR Nicht-Letten waren (hauptsachlich Menschen, die aus anderen Teilen der Sowjetunion zugezogen waren) wurde auch versucht, die nationalen Minderheiten zu erreichen. Dazu sprach sich die Volksfront vor allem fur das Recht auf Schulbildung in anderen Sprachen als Lettisch und Russisch aus. Gleichzeitig arbeitete sie jedoch mit viel radikaleren lettischen Unabhangigkeitsbewegungen zusammen.

Die vorherrschende Uberzeugung innerhalb der lettischen Volksfront uber das zu erreichende Ziel verschob sich allmahlich von einer Autonomie innerhalb der Sowjetunion hin zur vollen Unabhangigkeit. Am 31. Mai 1989 gab sie bekannt, dass sich die Regierung der Sowjetunion dem lettischen Autonomiebestreben gegenuber nicht ausreichend kooperativ gezeigt habe und dass ein unabhangiges Lettland zur einzigen Wahlmoglichkeit geworden sei.

1989 und 1990 wurden in Lettland die ersten freien Wahlen seit der sowjetischen Okkupation 1940 abgehalten. Die wichtigste war am 18. Marz 1990 die Wahl zum Obersten Sowjet , dem Parlament der Lettischen SSR. Die Unabhangigkeits-Allianz, angefuhrt von der Tautas fronte, gewann 138 von 201 Sitzen.

Die Volksfront von 1990 bis 1993 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach diesen Wahlen wurde Tautas fronte zur Regierungspartei in Lettland, am 4. Mai 1990 wurde das erste Gesetz vom neuen obersten Sowjet verabschiedet, das Lettlands Absicht, die Unabhangigkeit wiederherzustellen erklarte. Dainis ?vans , der Vorsitzende der Volksfront wurde Parlamentssprecher und sein Stellvertreter Ivars Godmanis Ministerprasident. Viele andere Mitglieder von Tautas fronte ubernahmen Schlusselpositionen in der lettischen Regierung.

Vom Mai 1990 bis August 1991 herrschte in Lettland eine angespannte Situation. Die Unabhangigkeit wurde von der Regierung der Sowjetunion nicht anerkannt und es drohte die militarische Niederschlagung der lettischen Unabhangigkeits-Bestrebungen.

Am Rigaer Altstadtufer der Daugava tauchten sowjetische Panzer auf. Das Fernsehen ubertrug die Gerausche nachtlicher Schießereien in der Altstadt. Auf den Straßen wurden Barrikaden errichtet und Tag und Nacht von unbewaffneten Zivilisten bewacht, die lettische Lieder sangen. Deshalb werden diese Ereignisse heute auch als die ?singende Revolution“ bezeichnet.

Im August 1991 wurde die Unabhangigkeit Lettlands anerkannt. So war das politische Hauptziel von Tautas fronte erreicht. Nun aber sah sie sich einer ungleich schwierigeren Aufgabe gegenuber: Die vorherige staatssozialistische Zentralverwaltungswirtschaft in ein marktwirtschaftliches System zu uberfuhren. Der wirtschaftliche Ubergang war sehr schwierig, das Bruttosozialprodukt ging zwischen 1990 und 1993 auf die Halfte zuruck. Mit der wirtschaftlichen Verschlechterung ließ die Beliebtheit von Ministerprasident Godmanis nach. Viele Politiker verließen die Lettische Volksfront und grundeten neue Parteien, um nicht mit der unpopularen Regierung in Verbindung gebracht zu werden.

Das Ende der Volksfront [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Juni 1993 hielt Lettland seine ersten Wahlen seit der Wiederherstellung der Unabhangigkeit ab. Die durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und den Weggang vieler ihrer Politiker geschwachte Lettische Volksfront erreichte gerade mal 2,62 % der Stimmen und keinen einzigen Parlamentssitz. Sie versuchte sich als christdemokratische Partei zu erneuern und anderte ihren Namen in Jaun? Krist?g? partija ( Neue Christliche Partei ), blieb aber ohne Erfolg. Schließlich ging sie in einer anderen Partei der Krist?gi demokratisk? savien?ba ( Christdemokratischen Union ) auf.

Vermachtnis [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Alle oder fast alle Ziele von Tautas fronte wurden erreicht. Lettland ist heute ein unabhangiges Land mit Lettisch als einziger Amtssprache . Seine fruher kommunistisch und auf die Sowjetunion ausgerichtete Wirtschaft und Politik sind heute marktwirtschaftlich und demokratisch orientiert. Obwohl die Lettische Volksfront wahrend der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Mitte der 1990er Jahre aufhorte zu existieren, spielen viele ihrer fruheren Aktivisten eine wichtige Rolle.