Die
Landschaftsgeographie
oder
Landschaftskunde
ist ein Teilgebiet der
Geographie
, insbesondere der
Regionalgeographie
. Sie befasst sich mit der
Typisierung
von einzelnen
Landschaften
, ihrem Vergleich in verschiedenen Erdregionen und den
geofaktorialen
Voraussetzungen (Lage, Stoff, Form, Struktur und Funktion) ihrer Entwicklung.
Der Terminus wird nicht immer einheitlich verwendet, weil der geographische Landschaftsbegriff nicht klar definiert ist.
Alexander von Humboldt
wird die Bezeichnung ?Totalcharakter einer Erdgegend“ zugeschrieben, worunter man Teile der Erdoberflache mittleren Maßstabs versteht, welche durch ahnliche Strukturen der geographischen Substanz (physische und anthropogene
Geofaktoren
) gekennzeichnet sind. Landschaften lassen sich demnach als Raumtypen ? in Abgrenzung zu Raumindividuen (Orte) ? definieren. Beispiele waren somit Gebirge, Kusten, Regenwalder oder auch Megastadte. Raumindividuen sind hingegen Gegenstand der
Landerkunde
.
Die Etablierung der Landschaftsgeographie als eigenes Teilgebiet ? damals meist
Landschaftskunde
genannt ? geht auf
Siegfried Passarge
zuruck, der die
Landschaft
zum zentralen Begriff der
Geographie
erhebt. In den letzten Jahrzehnten entwickelt sich die Landschaftsgeographie in Richtung eines gesamtheitlichen, umweltbetonten Begriffs, etwa durch die Arbeiten von
Dieter Steiner
und
Josef Schmithusen
, der sie zur
Humanokologie
ausbaut.
Dem steht der allgemeine Sprachgebrauch und jener der
Fotografen
entgegen, der nach
Meyers Lexikon
(1908) jenen
Ausschnitt der Erdoberflache
meint,
den wir von einem bestimmten Standort aus zu uberblicken vermogen, bis im Horizont oder Gesichtskreis Erde und Himmel zusammenzustoßen scheinen
, wahrend die
Landschaftsmalerei
die Aspekte von Schonheit, Eigentumlichkeit sowie Ganzheit betont, was begrifflich eher dem englischen
Landscape
entspricht.
Ein weiterer Begriff der Landschaftsgeographie ist die
Landschaftsleistung
. Unter Landschaftsleistungen werden Eigenschaften von
Landschaften
verstanden, die fur Einzelpersonen und die Gesellschaft einen sozialen, wirtschaftlichen und okologischen Nutzen haben.
[1]
Der Ansatz der Landschaftsleistungen soll die Grundlage fur die Ausgestaltung von Landschaften im Rahmen eines partizipativen Projekts, unter Einbezug von
Offentlichkeit
,
Politik
und
Forschung
, schaffen.
[2]
So wird der Ansatz in Projekten der
Raum-
und
Landschaftsplanungen
dafur verwendet, Potenziale von Landschaften zu benennen und Qualitaten von Landschaften gezielt zu starken.
[1]
Geographen behandeln
Landschaft
einerseits unter den
statischen
Aspekten der naturlichen
Topografie
(Gelandeformen, Gewasser, bodenstandige Vegetation usw.), andrerseits als materielle Grundlage menschlicher Existenz, wobei auch eine
Dynamik
durch Ordnungsvorstellungen und die Ergebnisse menschlichen Handelns einfließt ? vor allem durch
Landwirtschaft
und
Siedlungen
sowie die Infrastruktur des
Verkehrs
. Im dynamischen Sinn betrachtet ? siehe
Kulturlandschaft
? behandelt das Fachgebiet auch rivalisierende Anspruche der
Landnutzung
, einem zentralen Thema auch der
Raumplanung
. Hier bestehen starke Querverbindungen zu
Naturschutz
und
Landespflege
, zur sogenannten
Landschaftsarchitektur
sowie zu
Okologie
und raumlichen Aspekten der
Soziologie
.
Wahrend man fruher als Datenbasis vor allem die
Katastermappe
sowie
topografische
und
thematische Karten
verwendete, uberwiegen seit etwa zwei Jahrzehnten digitale Methoden. Der EDV-gestutzte
Kataster
wurde ab den 1980er-Jahren mit
digitalen Gelandemodellen
kombiniert, die bald flachendeckend und in verschiedenen Maßstaben erarbeitet wurden. Um 1990 entstanden hybride
Landschaftsmodelle
und erste
Landinformationssysteme
(LIS), die in den Folgejahren zu multidisziplinaren
Geoinformationssystemen
(GIS) anwuchsen. Diese Systeme lassen heute die
Verknupfung
verschiedener Datensatze zu und teilweise auch mit anderen Datenbanken, etwa mit
Umweltinformationssystemen
.
Landschaftskundliche Forschung wird derzeit vor allem in interdisziplinaren Forschungsfeldern betrieben. Exemplarisch seien die
Gebirgsforschung
, die
Kustenforschung
oder die
Polarforschung
zu nennen.
- J. Schmithusen:
Allgemeine Geosynergetik ? Grundlagen der Landschaftskunde
. Lehrbuch der Allg. Geogr. Band 12, 349 S., de Gruyter, Berlin 1976 (s. a.
Rezension G. Pfeifer
).
- Meyers Großes Konversations-Lexikon:
Landschaft
.
- G. Fochler-Hauke et al.:
Allgemeine Geographie
(v. a. Stichworter Landschaft und Landschaftskunde). Fischer-Lexikon Band 14, 390 S., Fischer-Bucherei, Frankfurt 1959.
- R. Falter und J. Hasse (2001):
Landschaftsgeografie und Naturhermeneutik.
In:
Erdkunde
55 (2), S. 121?137,
doi:10.3112/erdkunde.2001.02.02
- P. Hoyningen, O. Wernli et al.:
Diskussion zur Landschaftsgeografie Hans Carols
(PDF; 7,1 MB). In: Peter Meusburger (Hrsg.):
Innsbrucker geographische Studien
, Band 7, Innsbruck 1980.
- ↑
a
b
Keller, Roger, Clivaz, Melanie, Backhaus, Norman, Reynard, Emmanuel, Lehmann, Peter:
Leistungen von Landschaften fassbar machen
. Zenodo, 10. Februar 2022,
doi
:
10.5281/zenodo.6036113
.
- ↑
Roger Keller, Norman Backhaus:
Landschaft zwischen Wertschatzung und Wertschopfung. Wie sich zentrale Landschaftsleistungen starker in Politik und Praxis verankern lassen.
(PDF) Bundesamt fur Umwelt (BAFU), 2017,
abgerufen am 11. August 2022
.