Das
Landfriedensbundnis Maas-Rhein
war eines der vielen regionalen Bundnisse, die sich zur Umsetzung des
Reichslandfriedens
unter Berucksichtigung territorialer Bedurfnisse und Abhangigkeiten gebildet hatten. Dem nach einer langeren Vorbereitungszeit im Jahr 1351 gegrundeten Bundnis gehorten anfangs die
Freien Reichsstadte
Aachen
und
Koln
sowie das Erzstift
Kurkoln
und das
Herzogtum Brabant
an. Es orientierte sich an den gesetzlichen Grundlagen des geltenden Reichslandfriedens und ubertrug diese auf seinen Wirkungsbereich.
Die Aufrechterhaltung der Ordnung und Friedenssicherung im
Heiligen Romischen Reich
zwang einzelne Territorialherren und Stadte zu teils kurzfristigen und ortlich begrenzten Maßnahmen. Um hierbei ihre Rechtsanspruche besser vertreten sowie Konflikte schneller losen zu konnen, schloss sich im Jahr 1254 Aachen mit weiteren 58 Stadten zunachst dem neu gegrundeten ersten
Rheinischen Stadtebund
an, dessen Rechtsgrundlage auf dem
Mainzer Landfrieden
von 1235 fußte. Ein weiteres Friedensbundnis unterzeichnete Aachen dann im Jahr 1275 mit dem Kolner Erzbischof
Siegfried von Westerburg
fur das Gebiet zwischen
Andernach
,
Neuss
,
Luttich
und
Roermond
, der seinerseits zugleich einen Freundschaftsvertrag mit der Stadt Koln und vier Jahre spater den Vertrag zum
Pingsheimer Frieden
unterschrieb.
Auch die deutschen Konige schalteten sich immer wieder in die allgemeine Landfriedenspolitik ein, wie beispielsweise Konig
Ludwig der Bayer
, der im Jahr 1317 ein Bundnis auf sieben Jahren gegrundet hatte, zu dessen Mitgliedern neben Konig Ludwig der Konig
Johann von Bohmen
, die Erzbischofe von
Mainz
und
Trier
, sowie die Stadte Koln, Mainz, Worms, Speyer, Oppenheim, Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen, Wetzlar und Aachen gehorten.
[1]
Schließlich beschlossen nach mehrjahrigen Verhandlungen am 3. Mai 1351 die Stadte Aachen und Koln sowie der Kolner Erzbischof
Wilhelm von Gennep
und der Herzog
Johann III. von Brabant
das
Landfriedensbundnis Maas-Rhein
zu grunden, das zunachst fur zehn Jahre in dem Gebiet zwischen
Maas
und
Rhein
von Andernach bis
Xanten
gelten sollte. Dieser Vertrag von 1351
[2]
diente fortan als Vorlage fur viele folgende Landfriedensbundnisse im gesamten Reich, die nun mit immer kurzeren Fristen geschlossen worden sind.
Am 22. Februar 1352 wurde der eigentliche
Maas-Rhein Landfrieden
beschworen. Als Initiator dieses Landfriedens wird Erzbischof
Balduin von Luxemburg
fur sein Bistum Trier und die Grafschaft Luxemburg in verschiedenen Urkunden an erster Stelle genannt.
Karl IV.
, Romischer Konig und Konig von Bohmen bestatigte im gleichen Jahr den Landfrieden
…in Dutzschen vnd Welschen Landen…tzwuschen Ryn vnd Mase vnd anderswo.
In der Aufrichtungsurkunde werden als Mitbeschworer genannt:
Ruprecht, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern
,
Wilhelm, Markgraf zu Julich?
,
Cuno von Falkenstein
, Dompropst und Vormund des Stiftes zu Mainz,
Dietrich, Graf von Loon, Herr von Heinsberg und Blankenberg
,
Gerhard, Graf von Berg und Ravensberg
, sowie Johann, Graf zu
Solms
. Am 22. August schlossen sich die Rate der Stadte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen an.
[3]
Der Maas-Rhein Landfriede von 1352 wurde fur zwei Jahre
[4]
geschlossen und galt fur das Gebiet innerhalb einer Grenze von
Bingen am Rhein
? die Nahe aufwarts, uber
St. Wendel
? bis zum lothringischen
Thionville
? die Westgrenze
Luxemburgs
nordwarts ? uber
Stavelot
(Stablo) ?
Monchengladbach
? dann ostwarts
Dusseldorf
?
Wipperfurth
? sudwarts uber
Limburg (Lahn)
bis
Eltville am Rhein
? und wieder Bingen.
In der Zeit des Friedens sollten alle Leute innerhalb dieses Gebietes vor Freveln wie Raub, Brandschatzung, willkurlichen Pfandungen, jeglicher Gewalt und mehr geschutzt sein. Der besondere Anlass war die ?akute Friedlosigkeit auf den Straßen zu Wasser und zu Land, Raub, Brand, Mord und Gefangennahme“.
[5]
zur Eindammung eigenmachtiger
Fehden
des niederen Adels. Gericht und Urteile wurden von der Landesfriedenskommission behandelt. Als Obermann und Gerichtsvorsitz wurde
Johann I. von Schleiden
(† 1379/81) vom Konig bestellt. Die gleichrangigen Partner des Landfriedens schickten einen
ritter oder wollgeborn man
zu den Landtagen, die ohne Ansehen der Person
na yren besten sinnen glich deme arme und deme richen, nymanne zu liebe noch zu leide
zu urteilen hatten. Das Gericht tagte an jedem Montag nach den
Quatembertagen
in
Koblenz
am Rhein.
[6]
Das Landfriedensbundnis Maas-Rhein diente primar dem Schutz der reisenden Kaufleute, Pfarrer und Pilger. Die Verhandlungs- und Jurisdiktionskompetenz in allen Streitigkeiten der Vertragsparteien war subsidiar festgelegt. Zunachst waren fur die Ahndung von
Landfriedensbruchen
der Landesherr oder diejenige Stadt zustandig, deren Untertanen oder Burger sich gegen den Landfrieden vergangen hatten. Als nachsthohere Instanz konnte dann das Geschworenengericht des Landfriedensbundnisses angerufen werden, welches aus je drei Geschworenen der vier Verbundeten bestand, die sich turnusmaßig zu Anfang eines jeden Monats abwechselnd in Aachen, Koln,
Lechenich
und
Kerpen
trafen und denen auch der Oberbefehl uber ihre im Bedarfsfalle zu entsendenden militarischen Truppen oblag. Zu den ersten bekannteren Geschworenen zahlten von Aachener Seite die Schoffen
Gerhard Chorus
,
Christian Lewe
und
Johann Chorus
sowie von Brabanter Seite
Reinhard von Schonau
.
Zur Durchsetzung ihrer Ziele konnten eigene Truppen aufgestellt werden, die das Raubrittertum mit Gewalt bekampfen sollten. Dazu verpflichteten sich Kurkoln und Brabant jeweils 50 bewaffnete Ritter und Knechte fur die Bekampfung der alltaglichen Gewalt sowie bei besonderem Bedarf und Belagerungen bis zu 250 Reiter nebst 50 Schutzen zu stellen, die Stadt Koln 25 bzw. 150 Reiter und 50 Schutzen und die Stadt Aachen 20 bzw. 100 Bewaffnete zu Pferde und 100 Schutzen. Dem Landfriedensbundnis konnten sich im Bedarfsfall oder auf Dauer weitere Mitglieder anschließen, wie beispielsweise 1352 Johann von Valkenburg, Herr von Born und Sittard, oder 1354 Dietrich II. von Loon, Graf zu Heinsberg und Blankenberg, was jedoch lediglich die Truppenstarke betraf und nicht zu einer Erweiterung des Geschworenenkollegium fuhrte. Am 20. Februar 1354 erhielt das Landfriedensbundnis Maas-Rhein von Konig
Karl IV.
die Erlaubnis, bei ihren Feldzugen zur Durchsetzung des Landfriedens sein Konigsbanner und das Reichsbanner zu fuhren.
Die historisch bedeutendsten Einsatze des Landfriedensbundnisses waren unter anderem:
- Die Belagerung der
Burg Gripekoven
in den Jahren 1353/54. Von dieser Burg aus sollen abtrunnige Ritter ihre Raubzuge durchgefuhrt und einen Aufstand der julichschen Ritterschaft mitgetragen haben, wodurch das Ansehen und der Bestand des
Herzogtums Julich
massiv in Frage gestellt worden war. Nach einer langeren Belagerung der Burg, die schließlich mit ihrer Ubergabe bei Gewahrung von freiem Abzug der Belagerten endete, wurde die Burg anschließend dem Erdboden gleichgemacht.
- Die Einnahme der
Burg Hemmersbach
1366. Aufgrund eines Erbschaftsstreits mit seinen Halbbrudern, den Herzogen von Brabant und Julich, griff Johann Scheiffart von Merode, Herr zu Hemmersbach, zur Selbsthilfe und ließ die Kaufmannszuge nicht mehr durch sein Territorium ziehen. Daraufhin wurde die Burg von den Truppen des Landfriedensbundnisses eingenommen und teilweise zerstort
[7]
- Die Belagerung der
Burg Stolberg
1375. Die auf der Burg Stolberg stationierten Landsmannschaften tyrannisierten die Gegend durch Raubzuge. In einer Landfriedensexekution wurden daraufhin samtliche Gebaude
geschleift
und unbewohnbar gemacht.
- Belagerung von
Schloss Dyck
1383. Man warf Gerhard von Dyck Raubrittertum vor, und die verbundeten Truppen zwangen ihn nach der erfolgreichen Einnahme seines Schlosses, die damalige Hochburg zu zerstoren.
[8]
- Die Belagerung der
Burg Reifferscheid
1385. Das Bundnis warf Johann V. von Reifferscheid zahlreiche Raubzuge in der naheren und weiteren Umgebung und Bruch des Landfriedens vor. Die Belagerung selbst blieb anfangs erfolglos und die Allianztruppen ruckten nach drei Monaten unverrichteter Dinge wieder ab. Dennoch konnte das Landfriedensbundnis Johann V. von Reifferscheid zu einem achtjahrigen Friedensvertrag verpflichten.
[9]
Zwischenzeitlich wurde 1364 das Landfriedensbundnis zunachst von dem Herzog von Brabant und Limburg,
Wenzel von Luxemburg
und der Stadt Aachen um funf weitere Jahre verlangert, wobei die Anzahl der Geschworenen auf sechs pro Vertragspartei erhoht wurde. Ein Jahr spater schlossen sich diesem die bisherigen Verbundeten, Kurkoln unter dem Erzbischof
Engelbert III. von der Mark
und die Stadt Koln sowie mehrere Ritter
[10]
und 1366 die Stadt
Neuss
an. Im Jahr 1369 folgte die nachste Vertragsverlangerung, dem diesmal noch 65 Edelleute und Ritter aus dem
Herzogtum Limburg
beitraten.
Bei der erneuten Verlangerung Anfang 1375 durch Herzog Wenzel von Brabant, Herzog
Wilhelm II. von Julich
,
Friedrich III. von Saarwerden
von Kurkoln und den Vertretern der Stadte Aachen und Koln wurde diesmal nur noch eine vierjahrige Amtszeit festgelegt. Daruber hinaus beschloss das Bundnis, auf festgelegten Fernstraßen eine Zollstation pro Amtsbezirk einzurichten. Dort wurden abgestufte Zollgebuhren fur klar definierte Handelswaren eingetrieben, lediglich die Konsumguter fur den Eigenbedarf blieben zollfrei. Die eingenommenen Gebuhren wurden proportional auf die Verbundeten verteilt. Sollte einem Handler seine Ware geraubt werden, so erhielt er aus den Zolleinnahmen eine Abfindung, sollte aber ein Handler versuchen, die Zollstation zu umgehen, wurde seine Ware konfisziert, die dann der gemeinschaftlichen Bundniskasse zugutekam.
[11]
Die nachste Vertragsverlangerung des Bundnisses fand dann zu Allerheiligen im Jahr 1378, statt, diesmal wieder um funf Jahre, wogegen ab der nachsten Verlangerung im April 1383 eine Laufzeit von nur noch drei Jahren festgelegt wurde. Nach 1387 trat das Landfriedensbundnis Maas-Rhein nicht mehr signifikant in Erscheinung und eine Verlangerung scheint auch nicht mehr vollzogen worden zu sein, da es anschließend in dieser Konstellation in keiner Quelle mehr erwahnt wird. Spatestens mit dem Abschluss des
Ewigen Landfriedens
von 1495, mit dem jede Fehde, auch die bisher erlaubte, abgelehnt und jeder weitere Gebrauch des
Fehde
- und
Faustrechts
zum Landfriedensbruch erklart worden war, eroffneten sich durch die gleichzeitig verbundene Einfuhrung des
Reichshofrats
, des
Reichskammergerichts
und der Moglichkeit der
Untertanenprozesse
, neue Wege, um Konflikte auf dem Rechtsweg friedlich auszutragen.
- Richard Pick
:
Die Geschichte des Landfriedensbundes zwischen Maas Rhein 1375.
In:
Annalen des historischen Vereins fur den Niederrhein.
Band 45, 1886, S. 159?161.
- Fritz Joseph Kelleter:
Die Landfriedensbunde zwischen Maas und Rhein im 14. Jahrhundert
(=
Munstersche Beitrage zur Geschichts-Forschung.
Band 11). Schoningh, Munster 1888,
OCLC
868262395
(Dissertation Universitat Munster 1988).
- Luise Freiin von
Coels von der Brugghen
:
Der Beitritt der Ritterschaft des Herzogtums Limburg zum Landfrieden zwischen Maas und Rhein 1369.
In:
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins
.
62, 1949, S. 77?82.
- Eberhard Quadflieg:
Uber das Verfahren der Landfriedensbunde zwischen Maas und Rhein im 14. Jahrhundert.
In:
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins.
77, 1965, S. 30?50.
- Claudia Rotthoff-Kraus:
Die politische Rolle der Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein in der zweiten Halfte des 14. Jahrhunderts
(=
Beihefte der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins.
Band 3). Aachener Geschichtsverein, Aachen 1989,
ISBN 3-9802705-0-5
(Dissertation Universitat Bonn 1989).
- Martina Stercken
:
Konigtum und Territorialgewalten in den rhein-maaslandischen Landfrieden des 14. Jahrhunderts
(=
Rheinisches Archiv.
Band 124). Bohlau, Koln/Wien 1989,
ISBN 3-412-00289-5
(Dissertation Universitat Bonn 1987/1988).
- Isnard Frank (Hrsg.):
Balduin von Luxemburg 1285?1354.
Festschrift aus Anlass des 700. Geburtsjahres. Mainz 1985. Hier besonders: Marlene Nikolay-Panter:
Landesfriedensschutz unter Balduin von Luxemburg.
S. 341?355.
- ↑
Einige der genannten Stadte sind moglicherweise eine Verwechslung mit dem spater vereinbarten, als Rhein-Maas bezeichneten Landfrieden.
- ↑
Auch als ?Niederlothringischer Landfrieden“ bekannt nach T. J. Lacomblet,
Urkundenbuch fur die Geschichte des Niederrheins
, 1853, Bd. 3, Nr. 496
- ↑
dazu: W. Gunther,
Codex Diplomaticus Rheno-Mosellanus,
Teil III, Abtlg. II, Nr. 396, 397, 398, 399, 400
- ↑
Die Teilnahme an einem Landfrieden bedeutete die Ubertragung von Hoheitsrechten an eine Landfriedenskommission. Eine Befristung war daher nicht ungewohnlich.
- ↑
M. Nikolay-Panter zitiert die Aufrichtungsurkunde in:
Landfriedenschutz…,
S. 348
- ↑
Ausfuhrliche Beschreibung: Marlene Nikolay-Panter,
Landfriedensschutz unter Balduin von Trier,
in
Balduin von Luxemburg 1285-1354,
S. 341?355
- ↑
Die Einnahme der Burg Hemmersbach
(
Memento
vom 9. November 2013 im
Internet Archive
)
- ↑
Zerstorung des Schlosses Dyck
, in:
Josef Laurent
:
Aachener Stadtrechnungen aus dem XIV. Jahrhundert.
Wikisource, S. 53.
- ↑
Belagerung der Burg Reifferscheid
, in: Josef Laurent:
Aachener Stadtrechnungen aus dem XIV. Jahrhundert.
Wikisource, S. 56?66.
- ↑
Ritter Adam von Ederenstein tritt dem Landfriedensbundnis Maas-Rhein bei
- ↑
Zolle des Landfriedensbundes
, in: Josef Laurent:
Aachener Stadtrechnungen aus dem XIV. Jahrhundert.
Wikisource, S. 51.