Beispiel fur die Herstellungstechnik eines Lamellenpanzers
Als
Lamellenpanzer
bezeichnet man eine
Rustung
, die aus zahlreichen miteinander verbundenen Metallplatten bzw. Metallleisten besteht.
Im Gegensatz zum
Schuppenpanzer
oder der
Brunne
wurden die Metallplattchen nicht auf einer festen Unterlage angebracht, sondern lose verkettet. Die einzelnen Platten waren meist von annahernd rechteckiger Form und wurden mit Faden zusammengebunden. Dabei konnten sich die Platten teilweise uberlappen.
Der Lamellenpanzer entstand aus dem Schuppenpanzer und gehort genau wie dieser zu den altesten Panzerungstypen aus Metall in der Geschichte der Menschheit. Als erstes Volk benutzten wahrscheinlich die
Chinesen
Lamellenpanzer. Die altesten erhaltenen chinesischen Lamellenrustungen stammen aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. und schutzten den gesamten Rumpf. Im
Fruhmittelalter
ubernahmen auch die
Japaner
die meist mit Lederbandern zusammengehaltenen Lamellenpanzer der Chinesen und entwickelten daraus eigene Formen.
Auch die
Assyrer
machten Gebrauch von dieser Rustungsart. Die fur die kurzarmeligen Panzer der Assyrer verwendeten Metallbleche bestanden zunachst aus
Bronze
, doch seit dem 10. Jahrhundert v. Chr. kamen
Eisenbleche
zum Einsatz. Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. trugen die Assyrer Lamellenrustungen, die bis zu den Knocheln gingen. Als nachstes Volk machten die
nordiranischen
Skythen
in der
Ukraine
von der Lamellenpanzerung extensiven Gebrauch. Man vermutet, dass die Skythen diese Technik bei ihren fruhen Feldzugen nach
Kleinasien
und
Mesopotamien
von den Assyrern ubernommen haben.
Nerigawa hon kozane maru dou (japanische Lamellenrustung)
Nerigawa hon kozane maru dou (japanische Lamellenrustung), Detail
Auch bei den
Etruskern
und
Romern
kamen derartige Rustungen zum Einsatz, doch wurden diese durch die im 2. Jahrhundert v. Chr. aufkommende
Kettenrustung
verdrangt. Der großte Vorteil des Lamellenpanzers war seine Flexibilitat, doch wurde er darin von der Kettenrustung ubertroffen. Zudem konnte eine
Stichwaffe
das dichte Geflecht aus Eisenringen nicht so leicht durchdringen wie ein Stoß, der direkt zwischen zwei Bleche eines Lamellenpanzers geriet. Seit der
Spatantike
waren Schuppen- und Kettenpanzer die wichtigsten Metallrustungen in ganz
Europa
, bis sie im
Spatmittelalter
durch den vollstandigen
Plattenpanzer
verdrangt wurden. Allerdings kam der Lamellenpanzer zwischen 950 und 1350 in
Osteuropa
und
Byzanz
wieder verstarkt zum Einsatz, im
byzantinischen Militar
setzte sich die Sonderform des
Klibanion
durch.
Danach fand der Lamellenpanzer nur noch in
Asien
und im
Orient
in nennenswerter Zahl Verwendung, da er mit seinem relativ geringen Gewicht und der schwachen Hitzeentwicklung bei den dortigen klimatischen Bedingungen eine geeignete Rustung darstellte. Im Orient lasst sich die Nutzung dieses Rustungstyps bis in das 16. Jahrhundert verfolgen.
Bei den
eurasischen
Reitervolkern (
Hunnen
,
Awaren
,
Petschenegen
,
Polowezer
) und in der
mongolischen Kriegfuhrung
war die Lamellenpanzerung das ganze
Mittelalter
hindurch besonders beliebt. Bei ihnen wurden auch Helme aus Lamellen gefertigt (
Lamellenhelm
), die uber die Awaren auch ihren Weg in
alamannische
Furstengraber fanden (Grab von
Niederstotzingen
).
- Klaus Becker und Holger Riesch:
Untersuchungen zu Metallurgie und Effizienz Merowingerzeitlicher Lamellenpanzer.
In:
Archaologisches Korrespondenzblatt: Urgeschichte, Romerzeit, Fruhmittelalter.
Jahrgang 32/2002, Verlag des Romisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, Mainz 2002, S. 597 ff.