LISA Pathfinder

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LISA Pathfinder
LISA Pathfinder
Typ: Forschungssatellit
Betreiber: Europaische Weltraumorganisation ESA
COSPAR-ID : 2015-070A
Missionsdaten
Masse: 1,9 t (475 kg Nutzlast)
Große: 2,1 × 1,0 m
Start: 3. Dezember 2015, 04:04 UTC [1]
Startplatz: CSG , ELV
Tragerrakete: Vega VV06
Status: in einem Sonnenorbit (deaktiviert)

LISA Pathfinder ( SMART-2 ) war ein Forschungs- und Erprobungssatellit der ESA zum Test der Messgerate und Technologien fur die geplante Mission Laser Interferometer Space Antenna (LISA). [2] Mit dem Satelliten wurden Techniken zum Nachweis von Gravitationswellen erprobt. Dazu war es notig, dass frei schwebende Testmassen in einem bisher nicht gekannten Maße gegeneinander bewegungslos sind. Hauptziel war die Demonstration, dass die angewendete Technik und Messmethode in der Praxis funktioniert. Dieses Ergebnis war nicht erreichbar durch Tests und Simulationen am Boden oder in einer erdnahen Umlaufbahn, sondern ausschließlich durch eine Raummission zu einem Punkt, an dem das Erdgravitationsfeld aufgehoben ist.

In einer fruhen Planung noch als SMART-2 benannt, sollte mit dem Satelliten auch Technik fur das Darwin-Weltraumteleskop getestet werden. Das Darwin-Projekt ging jedoch nicht uber Planungen hinaus, sodass dafur keine Techniktests notig wurden.

Technik und Instrumente [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Satellit wurde von EADS Astrium gebaut und von IABG in Ottobrunn getestet. [3] Außer der ESA waren noch mehrere nationale Weltraumagenturen finanziell und mit Technolgiebeitragen beteiligt, speziell Italien ( ASI ); Deutschland ( DLR , Albert-Einstein-Institut ); das vereinigte Konigreich ( UKSA ); Frankreich ( CNES ); Spanien ( CDTI ); Schweiz ( SSO ); und Niederlande ( SRON ). [4]

Um Gravitationswellen mit einem Gravitationswellendetektor nachweisen zu konnen, mussen die Instrumente Gravitationsanderungen in der Großenordnung von 10 ?16   g und Entfernungsanderungen in einer Großenordnung von 10 ?12  m in einem Frequenzbereich von 0,001 bis 0,1 Hz erfassen konnen. Bei LISA Pathfinder begnugte man sich mit einer um eine Großenordnung geringeren Messgenauigkeit. Wahrend LISA Distanzmessungen zwischen Satelliten durchfuhren soll, die etwa 5 Millionen Kilometer voneinander entfernt sind, maß LISA Pathfinder den Abstand zweier Referenzkorper innerhalb des Satelliten. Uberpruft wurde die Funktion der Messgerate und des Messprinzips ? aufgrund des geringen Abstands der Testmassen wurde ein Nachweis von Gravitationswellen fur LISA Pathfinder nicht erwartet.

Als Messinstrument diente ein 64 × 38 × 38 cm großes und 150 kg schweres Technologietestgerat an Bord des Satelliten, das im Wesentlichen aus einer speziellen optischen Bank und diversen Mess-, Steuerungs- und Kontrollsystemen besteht. Vor dem Start wurde das gesamte Raumfahrzeug prazise gewogen, um die Masse, den Schwerpunkt und die Tragheitsmomente zu kennen. Die Sonde enthalt zwei Vakuumbehalter und jeweils eine wurfelformige Testmasse aus einer Gold-Platin-Legierung von Heraeus mit 46 mm Kantenlange und 1,96 kg Masse, welche bei der Messung darin frei in einem Abstand von etwa 40 cm schweben. Hauptnutzlast ist neben den Testmassen ein Laserinterferometer , welches den Abstand der beiden Wurfel bestimmt. Es besteht aus einem 20 × 20 cm großen Block aus Zerodur -Glaskeramik mit 22 Spiegeln und Strahlteilern . Das Laserlicht wird uber zwei Glasfasern in die Bank eingespeist.

Zur exakten Lageregelung des Satelliten werden elektrische Triebwerke (Field Emission Electric Propulsion) eingesetzt. In diesem Fall sind es schwache Ionentriebwerke mit Casium als Antriebsmedium mit einer Schubkraft von 0,1 bis 150 μN, die aber nur außerhalb der Messzeiten verwendet werden durften. [5]

Mission [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Polaransicht der Flugbahn

Der Start war zunachst fur 2008 vorgesehen, wurde dann mehrfach verschoben [6] und erfolgte schließlich am 3. Dezember 2015 mit einer Vega-Rakete .

Nach dem erfolgreichen Start und dem Erreichen der endgultigen Position wurde am 22. Januar 2016 der Raketenmotor abgeworfen. [7] Der Raketenmotor mit dem Resttreibstoff hatte durch seine Eigenmasse die Messergebnisse verfalschen konnen. LISA Pathfinder befand sich fur den Test in einem 500 000 km × 800 000 km Lissajous-Orbit um den Sonne-Erde- Librationspunkt L1 im Abstand von ca. 1,5 Mio km von der Erde. Seit dem 22. Februar 2016 befanden sich die beiden Testmassen im ?freien Fall“ innerhalb der Messapparatur, ohne jegliche Beeinflussung von außen. Nach dem Losen der mechanischen Verbindungen waren diese bis dahin noch mit elektrostatischen Kraften auf Position gehalten worden. [8] Wissenschaftliche Untersuchungen begannen am 8. Marz 2016. [9]

Wahrend des freien Falls wurden zwei unterschiedliche Antriebstechnologien eingesetzt und getestet: einmal Kaltgas -Micronewton-Antrieb und der Colloidal-Micronewton-Antrieb der NASA. Beide Systeme geben nur minimale Schubkrafte ab, die den Satelliten entsprechend den Wurfeln im Inneren nachfuhrten. Zum Test gehorten auch verschiedene Experimente, um die beiden Testmassen kunstlich gegeneinander abzulenken. Das Testsystem sollte darauf entsprechend reagieren und Starke und Richtung der einwirkenden Krafte berechnen. Als letztes Experiment wurde der Mechanismus zum Einfangen und Loslassen der Testmassen extremen Tests ausgesetzt, um die technologischen Grenzen auszutesten.

Im April 2017 wurde ein vorlaufiges Deorbit-Manover durchgefuhrt, das die Sonde in einen heliozentrischen Friedhofsorbit transferiert. LISA Pathfinder erfasste noch bis zum 30. Juni 2017 Daten und wurde am 18. Juli 2017 deaktiviert. [10] [2]

Ergebnisse [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 7. Juni 2016 gab die ESA die Ergebnisse der ersten zwei Monate des wissenschaftlichen Betriebs bekannt ? die erzielte Messgenauigkeit ubertraf die Anforderungen um das Funffache und ist bereits nahe an den geplanten Anforderungen fur LISA. [11]

Am 7. Dezember 2016 begann nach zwischenzeitlichen Tests eines neuartigen Antriebs eine zweite Phase wissenschaftlichen Betriebs, [12] die dem besseren Verstandnis des Systems und damit moglicher Reduktion von Storsignalen diente. Primar ging es dabei um zwei Rauschquellen. Unterhalb von 0,6 mHz dominieren noch nicht verstandene Folgeeffekte von Triebwerksmanovern, zwischen 0,6 und 50 mHz dominieren in der Messkammer eingeschlossene Luftmolekule, die mit den Testmassen kollidieren. Durch besseres Verstandnis der Sonde bzw. das Entweichen von Luftmolekulen in den Weltraum konnte eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Oberhalb von 50 mHz dominierte Sensorrauschen, das aber bereits um einen Faktor 100 unter den Anforderungen liegt und daher keine Rolle mehr spielte. [13]

Am 5. Februar 2018 veroffentlichte die ESA die finalen Ergebnisse [14] ; die Messgenauigkeit konnte durch das zwischenzeitliche Entweichen storender Luftmolekule und das bessere Verstandnis von Storquellen nochmals gesteigert werden und ubertrifft nun auch die fur die eigentliche LISA-Mission anvisierte Messgenauigkeit.

Im Testbetrieb konnte der Einfluss von kosmischen Partikelstrahlungen gemessen werden, hauptsachlich von elektrisch geladenen Partikeln wie Protonen und Elektronen. Ein NASA-Team benutzte LISA Pathfinder als Detektor fur Mikrometeoriten . Jeder Einschlag in die Sonde verursacht eine kleine Bewegung des Satelliten gegenuber den Wurfeln im Inneren. Die Elektronik gleicht nun diese Verschiebung aus, indem die Triebwerke eingesetzt werden. Aus diesen Daten lassen sich wiederum Impuls und Richtung des Staubteilchens gewinnen. Durch langere Beobachtung lassen sich statistische Daten gewinnen uber die Staubverteilung am L1-Punkt, was wiederum Prognosen uber die Belastung durch Mikrometeoriten zukunftiger Missionen zum L1-Punkt zulasst. Da auch die Richtung, aus der Staubteilchen auftreffen ermittelt wird, erhofft man sich Erkenntnisse uber die Verteilung von Staubteilchen außerhalb der Erdumlaufbahn. Da L1 ca. 1,5 Mio. km von der Erde entfernt ist, geht man davon aus, dass dort erheblich weniger Mikrometeoriten sind, als in Erdnahe. [15]

Die Ergebnisse flossen in die 2017 getroffene Entscheidung des ESA-Wissenschaftskommitees ein, die LISA-Mission nach JUICE und Athena als dritte Large-Class Mission der ESA vorzuschlagen. Large-Class Missionen zeichnen sich aus durch die aufwendige Neuentwicklung von Technologie, haben lange Vorbereitungszeiten, lange Laufzeiten und einen großen Kostenrahmen von rund 1 Mrd. Euro, sodass nur ca. ein solches Projekt pro Jahrzehnt umgesetzt werden kann. [16] [17] Die Durchfuhrung der LISA-Mission wurde im Januar 2024 beschlossen. [18]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : LISA Pathfinder  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Manfred Lindinger: Europas neuer Forschungssatellit nach Panne perfekt gestartet. FAZ, 3. Dezember 2015, abgerufen am 3. Dezember 2015 .
  2. a b ESA: Tschuss LISA Pathfinder, hallo LISA! 20. Juli 2017, abgerufen am 13. Oktober 2023 .
  3. Astrium liefert LISA Pathfinder ( Memento vom 14. September 2011 im Internet Archive )
  4. Consortium
  5. FliegerRevue Juni 2009, S. 46?47, LISA Pathfinder ? Auf der Spur der Gravitationswellen
  6. LISA Pathfinder overview. ESA, 10. Januar 2013, abgerufen am 7. Mai 2013 (englisch).
  7. LISA Pathfinder arrives at its worksite. ESA, 22. Januar 2016, abgerufen am 12. Februar 2016 (englisch).
  8. Freefall achieved om Lisa Pathfinder. ESA, 24. Februar 2016, abgerufen am 24. Februar 2016 (englisch).
  9. A perfectly still laboratory in space. ESA, 8. Marz 2016, abgerufen am 10. Marz 2016 (englisch).
  10. ESA: LISA Pathfinder to conclude trailblazing mission. 20. Juni 2017, abgerufen am 21. Juni 2017 (englisch).
  11. Sub-Femto-g Free Fall for Space-Based Gravitational Wave Observatories: LISA Pathfinder Results. 7. Juni 2016, abgerufen am 1. Juli 2016 (englisch).
  12. ESA: LISA Pathfinder's pioneering mission continues. 13. Dezember 2016, abgerufen am 29. Juni 2017 (englisch).
  13. M. Armano et al.: Sensor Noise in LISA Pathfinder: In-Flight Performance of the Optical Test Mass Readout . In: Phys. Rev. Lett. 126, 131103, 2021, doi : 10.1103/PhysRevLett.126.131103
  14. ESA creates quietest place in space. 5. Februar 2018, abgerufen am 7. Februar 2018 (englisch).
  15. News: Top News | LISA Gravitational Wave Observatory. Archiviert vom Original am 5. August 2017 ; abgerufen am 4. Juni 2017 (englisch).
  16. ESA Science & Technology - Mission Summary. Abgerufen am 15. Oktober 2023 .
  17. LISA mission moves to final design phase. Abgerufen am 15. Oktober 2023 (englisch).
  18. Capturing the ripples of spacetime: LISA gets go-ahead. Abgerufen am 25. Januar 2024 (englisch).