Luderitzland
(auch
Luderitz-Land
, selten
Luderitz-Territorium
[1]
) war der Name eines Kustenstreifens im Sudwesten Afrikas.
[2]
Es wurde nach den Bremer Großkaufleuten
Adolf Luderitz
, der das Land unter fragwurdigen Umstanden 1883 fur seine Firma erwerben ließ, und seinem jungeren Bruder
August Luderitz
, der vor Ort Gebiete aufkaufte und fur das
Deutsche Reich
Verhandlungen fuhrte, benannt. Das 1884 unter deutschen Schutz gestellte Land wurde zu einer Keimzelle der Kolonie
Deutsch-Sudwestafrika
, dem heutigen
Namibia
.
[3]
[4]
Luderitzland erstreckte sich im Norden bis zum 26. Grad sudlicher Breite und im Suden bis zum
Oranje-Fluss
. Vom
Sudatlantik
reichte es 20 deutsche Meilen ? etwa 150 Kilometer ? in das Landesinnere von jedem Punkt der Kuste. Die in Kustennahe gelegenen
Pinguininseln
zahlten nicht zum Luderitzland. In dieses Gebiet ragt der sudliche Auslaufer der
Namib
-Wuste. Außerdem entstand hier das heutige
Diamantensperrgebiet
. Eine Ansiedlung von uberregionaler Bedeutung ist der Ort
Luderitz
an der gleichnamigen
Luderitzbucht
. Heute umfasst der
Wahlkreis ?Nami?Nus
große Teile des ehemaligen Luderitzlandes.
Adolf Luderitz war von der Idee fasziniert, eine private Kolonie unter deutschem Schutz zu grunden. Im Sudwesten Afrikas, so erfuhr er, sei ?herrenloses“ Land mit uppigen Bodenschatzen zu haben ? afrikanische Einheimische wurden nicht als ?Herren“ angesehen. Am 23. November 1882 schrieb Luderitz an das
Auswartige Amt
in Berlin: ?Das von mir ins Auge gefasste Land liegt zwischen dem großen und kleinen Fischfluss, also zwischen dem 26. Grad und dem 29. Grad sudlicher Breite.“
[5]
Luderitz entsandte noch im selben Jahr eine Expedition nach Sudwestafrika, die von seinem Agenten
Heinrich Vogelsang
geleitet wurde.
Der Vertrag des Landerwerbs
Bei der Grundung des Luderitzlandes am 25. August 1883 kam Luderitz und Vogelsang der Umstand gelegen, dass dem ansassigen
Nama
-Kaptein
Joseph David Fredericks von Bethanien
nur die
englische Meile
(rund 1,6
Kilometer
), nicht aber die
deutsche geographische Meile
(rund 7,4 Kilometer) gelaufig war.
[6]
Luderitz reiste im September 1883 in seine von Vogelsang durchgefuhrten Neuerwerbungen. Der Kapitan der
SMS Nautilus
, Ascheborn, der ihn dort im Januar 1884 besuchte, stellte fest, dass Luderitz’ Besitz in deutschen Meilen gerechnet gut viermal so groß war wie in englischen Maßen.
[7]
In Unkenntnis dieses Unterschieds hatte Fredericks ein wesentlich großeres Territorium abgetreten, als er bei der Vertragsunterzeichnung annahm. In einem Brief schrieb Luderitz seinem Agenten Vogelsang: ?Lassen Sie Joseph Fredericks aber vorlaufig in dem Glauben, daß es 20 englische Meilen sind.“
[8]
Diese
Irrefuhrung
ging als sogenannter
?Meilenschwindel“
in die Geschichte ein. Als Gegenleistung hatte Frederiks von Vogelsang 500
Pfund Sterling
und 60 englische Gewehre erhalten.
Am 31. Dezember 1883 gab Fredericks eine schriftliche Erklarung ab, in der er die historischen Hintergrunde seines angestammten Besitzrechts darlegte. Die Familie Fredericks sei demnach der rechtmaßige und alleinige Besitzer des Gebiets zwischen den Flussen
Tsondab
,
Useb
, Oranje,
Gawagam
,
Fischfluss
und dem Meer. Diese Protestnote ist in den Akten des ehemaligen
Reichskolonialamts
erhalten geblieben.
[9]
In der zeitgenossischen, deutschen Presse wurde hingegen die ?Rechtlichkeit und strengste Redlichkeit“, die bei der Grundung dieser Kolonie von Seiten Deutschlands gewaltet habe, geruhmt.
[10]
Ungeachtet der zweifelhaften Vertragsgrundlage gab die deutsche Reichsregierung dem Ansinnen Luderitz’ am 24. April 1884 statt, seine Erwerbung vor britischen Anspruchen zu schutzen. Deutsche und britische Kriegsschiffe suchten nun haufig die Bucht von
Angra Pequena
? die spatere Luderitzbucht ? zur gegenseitigen Machtdemonstration auf. Die deutsche Parteinahme zugunsten Luderitz’ druckte sich in einem Telegramm aus, das Reichskanzler
Bismarck
an die deutsche Botschaft in London schickte: ?Zufolge Berichts des Kommandanten S.M. Kbt ?Natilus‘ und weiterer Nachrichten aus
Kapstadt
bezweifeln die dortigen Behorden, daß die Landerwerbungen u[nd] Geschafte des Herrn Luderitz nordlich vom Orange Fluß auf den Schutz des Reiches Anspruch haben. Ich habe deshalb den Kais[erlichen] Konsul in Kapstadt angewiesen, amtlich keine Zweifel daruber zu lassen, daß dies der Fall ist.“
[11]
Am 7. August 1884 wurden auf Weisung August Luderitz’ auf den deutschen in der Luderitzbucht liegenden Korvetten die deutsche Flagge gehisst und das Luderitzland offiziell unter den Schutz des
Deutschen Reiches
gestellt. Am 24. Oktober 1884 traf der neu ernannte Reichskommissar fur
Deutsch-Westafrika
,
Gustav Nachtigal
, in
Bethanien
ein und besiegelte im Beisein Fredericks die deutsche Besitzergreifung durch einen ?Schutz- und Freundschaftsvertrag“. Vor dem
Haus Fredericks’
wurde eine deutsche Flagge aufgezogen.
[12]
Geldnot zwang Adolf Luderitz April 1885 zum Verkauf seiner Erwerbungen fur 500.000
Mark
an die gerade gegrundete
Deutsche Kolonialgesellschaft fur Sudwestafrika
.
Luderitzland bestand als geographische Bezeichnung auch in spateren Jahren fort und ist in zahlreichen Karten aus der
deutschen Kolonialzeit
verzeichnet.
- Die Begrunder des Luderitzlandes
-
Adolf Luderitz
(1834?1886)
-
August Luderitz
(1838?1922)
-
Heinrich Vogelsang
(1862?1914)
- ↑
Guido Knopp
:
Das Weltreich der Deutschen ? Von kolonialen Traumen, Kriegen und Abenteuern
. Uberarbeitete Taschenbuchausgabe. Piper Verlag, Munchen 2011,
ISBN 978-3-492-26489-1
, S. 17.
- ↑
Rochus Schmidt:
Deutschlands Kolonien
. Band 2. Verlag des Vereins der Bucherfreunde Schall & Grund, Berlin 1898, S. 262 (Reprint durch Weltbild Verlag, Augsburg 1998,
ISBN 3-8289-0301-0
)
- ↑
Luderitz
. In:
Meyers Großes Konversations-Lexikon
. 6. Auflage.
Band
12
:
L?Lyra
. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908,
S.
771
(
Digitalisat.
zeno.org
).
- ↑
German South West Africa.
In:
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.
Abgerufen am 2. September 2019
(englisch).
- ↑
Jurgen Petschull:
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, Gruner + Jahr, Hamburg 1986, S. 54,
ISBN 3-88199-315-0
.
- ↑
Gisela Graichen,
Horst Grunder
:
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. Ullstein, Berlin 2005, S. 72ff.,
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.
- ↑
Jurgen Petschull:
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, Gruner + Jahr, Hamburg 1986, S. 59,
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- ↑
Wilfried Westphal:
Geschichte der deutschen Kolonien
. Gondrom, Bindlach 1991,
ISBN 3-8112-0905-1
, S. 21.
- ↑
Wilfried Westphal:
Geschichte der deutschen Kolonien
. Gondrom, Bindlach 1991,
ISBN 3-8112-0905-1
, S. 20 ff.
- ↑
Uber ?Deutschlands erste Kolonie“…
In:
Neueste Mittheilungen
, II. Jahrgang, No. 89. Berlin, 29. August 1884.
- ↑
Jurgen Petschull
:
Der Wahn vom Weltreich
. Gruner + Jahr, Hamburg 1986, S. 59,
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Rochus Schmidt
:
Deutschlands Kolonien
. Band 2. Verlag des Vereins der Bucherfreunde Schall & Grund, Berlin 1898, S. 262 f. (Reprint durch Weltbild Verlag, Augsburg 1998,
ISBN 3-8289-0301-0
)
-27
16
Koordinaten:
27° 0′
S
,
16° 0′
O