Der
Lubecker Schachverein von 1873 e. V.
gehort zu den altesten
Schachvereinen
in Deutschland.
Im Eroffnungsjahr des Vorlaufers der
Deutschen Schachzeitung
findet sich 1846 neben anderen, heute gleichfalls vergessenen Meldungen auch die Notation einer
Fernpartie
zwischen Lubeck und Leipzig, die die Hansestadter mit den schwarzen Figuren in 42 Zugen gewannen ? keine hochklassige Partie, aber das erste Zeichen eines Schachlebens in Lubeck. Dabei blieb es allerdings auch bis 1873. Im Zuge der
Reichsgrundung
entstand der erste und damit alteste Schachverein Schleswig-Holsteins ? eben der Lubecker Schachverein. Treibende Kraft war der Redakteur der Eisenbahnerzeitung Ed. Vater der Schriftstellerin
Ida Boy-Ed
und, so sagt man, ein enger Freund von
Emanuel Geibel
. In den Anfangsjahren kann man kaum davon sprechen, dass der Schachverein eine Atmosphare des sportlichen Wettbewerbs kultivierte. Es war eher eine Ansammlung serioser, burgerlicher Honoratioren. Und so verwundert es auch nicht, dass die Chronik aus diesen Tagen nicht die sportliche Starke vermeldete, sondern es fur wichtiger erachtete, ob es sich bei dem jeweiligen Spieler um einen Konsul, Oberlehrer oder Apotheker handelte. Schach als honorige Freizeitbeschaftigung stand eindeutig vor Schach als Sport, und daran sollte sich in den ersten Jahrzehnten auch nicht viel andern. Nur sporadisch wurden Wettkampfe mit Vereinen aus dem Umland ausgetragen. 1886 traf man sich mit ?dem Kieler Verein“ zu einem von den Zeitgenossen so bezeichneten ?Massenwettkampf“ in Plon (also im preußischen ?Ausland“), den die Lubecker mit 9:7 gewannen. Das blieb bis auf weiteres auch der letzte Erfolg uber die neu gegrundete
Kieler Schachgesellschaft
, die sich anschickte, fur viele Jahrzehnte die Vorherrschaft unangefochten zu behaupten. Zum 50. Jubilaum hatte der Verein 1923 immerhin fur jedes Lebensjahr ein Mitglied aufzuweisen. An seiner Sozialstruktur hatte sich allerdings nur wenig geandert.
Seinen sicheren Instinkt in finanziellen Dingen zeigte der Verein, als er im Jahr 1922 eine bedeutende Spende nicht etwa in eine Immobilie steckte, sondern Schatzanleihen kaufte. Im Jubilaumsjahr betrug der Mitgliedsbeitrag zwar 300.000 Reichsmark, aber der Verein war durch die Inflation trotzdem pleite. In der Nacht Palmarum 1942 verbrannten mit dem Hotel, in dem sich das Spiellokal befand, auch das gesamte reiche Archiv des Vereins, seine Bibliothek und sein Spielmaterial.
Nachdem im Jahr 1945 der Mitgliederbestand des LSV auf ein gutes Dutzend geschmolzen war, ubernahm mit Dr. Hans Steen ein energischer neuer Vorsitzender die Leitung des Vereins und bald auch die des Landesschachverbandes Schleswig-Holstein.
Neue Spieler konnten gewonnen werden, teils Heimkehrer, teils von den Kriegswirren verschlagene Neu-Hansestadter wie den Baltendeutschen Fricis Cinovskis, der sich noch bis weit in die 1970er Jahre erfolgreich in der 1. Mannschaft behauptete.
In den 1950er Jahren begann der langsame Wandel in einen modern strukturierten Sportverein. Der Verein verjungte sich, und der Erfolg blieb nicht aus. In Lubeck sicherte man sich die Vorrangstellung und auch im Land gehorte man bald zu den fuhrenden Klubs. In den 60ern wurde der Blick uber die Landesgrenzen hinaus gesteckt. Mehrfach wurde der Landesmeistertitel errungen, wiederholt nahm der Verein an Deutschen Meisterschaften teil und auch internationale Erfolge waren zu verbuchen, wie die Siege bei den Kopenhagener Mannschaftsturnieren von 1969 und 1971. Die Jugendarbeit fuhrte zu ersten Resultaten, als Andreas Longwitz und Lutz Klibor auf deutscher und europaischer Ebene zu Spitzenspielern aufstiegen.
Aufgrund interner Querelen konnte an diese Erfolge in den fruhen 1970er Jahren nicht angeknupft werden, die erste Mannschaft fiel auseinander. Erst die neue Vereinsfuhrung setzte wieder konsequent auf Jugendarbeit, die nach einigen Jahren Fruchte tragen sollte. 1976 richtete der Verein die Deutsche Jugendmeisterschaft aus, bei der auch der damals 16-jahrige
Ulrich Sieg
? bis heute eine feste Große des Vereins- mit einem Mittelplatz uberzeugte.
Im Jahr 1980 begann der Erfolg der neu formierten Herrenmannschaft: Dem Aufstieg in die damalige ungeteilte Regionalliga Nord, folgte in der Saison darauf ein weiterer in die
2. Bundesliga
. Seitdem hat der Verein seine Vorrangstellung in Schleswig-Holstein behaupten konnen, wozu auch zahlreiche Landesmeistertitel in den verschiedenen Sparten beitrugen. So gewannen Spieler des LSV insgesamt zehn Einzelmeistertitel sowie zahlreiche
Blitzschach
- und Pokalmeisterschaften.
Im Jahre 1999 gelang der Aufstieg in die hochste deutsche Schach-Liga, der 1. Bundesliga, mit uber 100 Großmeistern eine der starksten
Mannschaftsmeisterschaften
weltweit. Da mit Ausnahme der Russen
Garri Kasparow
und
Wladimir Kramnik
die Weltspitze fast komplett in den Bundesliga-Mannschaften vertreten war, konnte dieses Ziel nur mit Sponsorenunterstutzung erreicht werden.
Die erste Bundesligasaison fuhrte den LSV auf den 11. Rang von 16 Mannschaften. Um weiterhin mithalten zu konnen, wurde deshalb in der folgenden Spielzeit der Kreis der Großmeister erweitert. Zu
Alexei Schirow
(ESP),
Jewgeni Barejew
(RUS),
Jonathan Speelman
(ENG),
Nick de Firmian
(USA), Dr.
John Nunn
(ENG),
Lars Bo Hansen
(DEN) und
Jonny Hector
(SWE) stießen die Weltklassespieler
Michael Adams
(ENG),
Wladimir Jepischin
(RUS),
Julian Hodgson
(ENG) und
Simen Agdestein
(NOR).
In der Saison 2000/2001 wurde der Lubecker SV daraufhin Deutscher Mannschaftsmeister und holte sich auch die Trophae des Deutschen Mannschaftspokals. Diese Erfolge wurden in der Saison 2001/02 wiederholt. Zu dem Erfolgsteam stießen damals der Brite
Stuart Conquest
und der Spanier
Francisco Vallejo Pons
.
Fur die Saison 2002/03 erfolgte eine weitere Umgestaltung. Evgeni Bareev beendete aus Zeitgrunden sein Engagement in der Bundesliga und auch Francisco Vallejo Pons verließ die Mannschaft. Mit dem Russen
Alexander Grischtschuk
und den Franzosen
Joel Lautier
und
Laurent Fressinet
wurden Verstarkungen verpflichtet, die zur absoluten bzw. erweiterten Weltspitze gehorten. In der Saison 2002/2003 wurde erneut der Titel des Deutschen Mannschaftsmeister gewonnen ? im Pokal war jedoch diesmal im Viertelfinale Endstation.
Zur Saison 2003/2004 beschloss der Lubecker Schachverein, seine erste Mannschaft aus der ersten Liga zuruckzuziehen. Die Grunde dafur lagen vor allem im finanziellen Bereich, beispielsweise bedingt durch die hohen Nebenkosten und mangelnden Vermarktungsmoglichkeiten der Heimkampfe, da aufgrund des Austragungsmodus der Bundesliga nur zwei Heimspiele pro Saison moglich waren.
Seit 2006 spielen die Mannschaften des LSV von der 2. Bundesliga bis hinunter zur Bezirksklasse. Ubrigens hat der LSV auch einen echten Weltmeister in seinen Reihen. Im Jahr 1998 siedelte IM
Sergej Salov
von Russland nach Lubeck uber, der mehrfach den WM-Titel des
Weltschachverbandes der Gehorlosen
errang.