Der
Krieg von Canudos
war eine militarische Auseinandersetzung in
Brasilien
wahrend der Jahre 1896 und 1897. Dabei standen sich die Bewohner des Ortes
Canudos
im Bundesstaat
Bahia
unter der Fuhrung des Predigers
Antonio Conselheiro
und Truppen der brasilianischen Regierung gegenuber. Nach drei erfolglosen Feldzugen war eine vierte Streitmacht schließlich siegreich und eroberte Canudos. Die Stadt wurde zerstort, fast alle Bewohner wurden getotet.
Canudos liegt in der kargen Landschaft des
Sertao
, die Ende des 19. Jahrhunderts von großer Armut gepragt war. Seit den 1870er Jahren zog Antonio Conselheiro als Wanderprediger durch Bahia, kummerte sich um die dortigen Kirchen und Friedhofe und scharte eine wachsende Zahl von Anhangern um sich. Diese kamen aus den verschiedensten Bevolkerungsschichten und Ethnien. Sowohl Handler als auch verarmte Bauern, gelauterte Kriminelle, ehemalige Sklaven und
Mestizen
waren unter ihnen. 1893 ließ sich die Gemeinschaft in der
Fazenda
Canudos nieder und nannte die Siedlung ?Belo Monte“ (
portugiesisch
Schoner Berg
). Durch den standigen Zustrom neuer Anhanger wuchs die Siedlung zu einer Stadt von 20.000 bis 30.000 Menschen an. Conselheiro hatte bei den Menschen in Canudos einen
messianischen
Status und sie fuhrten ein einfaches und vom Glauben bestimmtes Leben. Ein wesentlicher gemeinsamer Nenner der Bewohner war die Ablehnung vieler Maßnahmen der erst 1889 gegrundeten
brasilianischen Republik
. Die
Zivilehe
, neue Steuergesetze, die Schulpflicht und eine groß angelegte Volkszahlung wurden als unchristlich und unterdruckend angesehen. Von der brasilianischen Regierung wurde die Sekte deshalb als monarchistische Bedrohung angesehen, und man bereitete ihre gewaltsame Auflosung vor.
Der erste Angriff erfolgte im November 1896 unter Pires Ferreira. Ihm standen nur einige Dutzend Manner zur Verfugung. Sie wurden von den zahlenmaßig weit uberlegenen
Jaguncos
(Aufstandischen) geschlagen und zum Ruckzug gezwungen. Daraufhin begab sich im Januar 1897 eine zweite Expedition unter der Fuhrung von Major Febronio de Brito mit etwa 600 Soldaten und Artilleriegeschutzen nach Canudos, die ebenfalls besiegt wurde. Im Marz 1897 griff das 7. Infanterieregiment unter dem erfahrenen Offizier
Antonio Moreira Cesar
mit 1200 Mann an. Trotz weit uberlegener Ausrustung wurde auch diese Einheit besiegt und ihr Kommandeur getotet.
Die Regierung war von den Niederlagen uberrascht und sah in Canudos wahrscheinlich eine ernste Bedrohung. General Arthur Oscar de Andrade wurde mit mehreren tausend Mannern losgeschickt, um die Stadt zu vernichten. Es kam zu einer viermonatigen Belagerung, in deren Verlauf sich die Versorgungslage der Bewohner dramatisch verschlechterte. Conselheiro verweigerte eine Kapitulation und starb am 22. September 1897 an
Dysenterie
. Wenige Tage spater wurde Canudos endgultig von den Regierungstruppen erobert, viele der verbliebenen Bewohner wurden massakriert. Insgesamt starben funfzehn- bis zwanzigtausend Bewohner und etwa funftausend Soldaten. Die Stadt wurde vollstandig zerstort.
In der Geschichtsforschung werden die Geschehnisse sowohl als Beispiel fur fatalen religiosen Fanatismus als auch als fruher Versuch des Aufbaus einer kommunistischen Gesellschaft gedeutet. Der Schriftsteller
Euclides da Cunha
, der die letzten Wochen des Feldzugs selbst miterlebte, berichtet in seinem 1902 erschienenen Buch
Os Sertoes
(Krieg im Sertao)
von den Ereignissen in Canudos. In seinem 1981 erschienenen Roman
Der Krieg am Ende der Welt
bezieht sich der peruanische Literaturnobelpreistrager
Mario Vargas Llosa
weitgehend auf da Cunhas Schilderung, fugt jedoch einige fiktive Personen hinzu. In den 1990er Jahren wurden zwei Filme uber den Krieg von Canudos gedreht.
- Euclides da Cunha
:
Os Sertoes.
(1902), deutsch:
Krieg im Sertao
, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000,
ISBN 3-518-39593-9
- Dawid Danilo Bartelt:
Nation gegen Hinterland. Der Krieg von Canudos in Brasilien: ein diskursives Ereignis (1874?1903)
, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003,
ISBN 3-515-08255-7
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- Mario Vargas Llosa
:
La guerra del fin del mundo
(1981), deutsch:
Der Krieg am Ende der Welt
, Suhrkamp, Frankfurt/Main 1987,
ISBN 978-3-518-37843-4