Konsumkritikerinnen in Berlin, 1999
Als
Konsumverweigerung
(oder
Konsumverzicht
;
englisch
consumer resistance
) wird in der
Wirtschaft
ein
Konsumverhalten
bezeichnet, das die Verringerung des
Konsums
von
Gutern
und
Dienstleistungen
zum
Ziel
hat. Gegensatz ist der
Uberkonsum
.
Die Konsumverweigerung reicht von der
Sparsamkeit
bis zur
Askese
und kann sich auf die gesamte
Lebensfuhrung
erstrecken, aber auch auf bestimmte Guter (Nahrungsmittel, Kleidung, Wohnkomfort u. a.) beschranken. Die Konsumverweigerung ist das vielleicht wichtigste Element eines
einfachen Lebens
.
Konsumverweigerung kann auch als
Reaktanz
gegen die
Konsumgesellschaft
und das
Marketing
von
Unternehmen
verstanden werden, die sich im Widerstand von
Konsumenten
gegen Konsum außert.
[1]
Konsumverweigerung kann auch eine
Ideologie
und ein Instrument des weltweiten
zivilen Ungehorsams
bedeuten.
[2]
Sie wird auch als
langfristig
angelegte
Kampagne
definiert, die anhand von ausgewahlten Schwerpunkten den notwendigen Ausstieg aus der Konsumgesellschaft verdeutlicht.
[3]
Eingeordnet wird die Konsumverweigerung als Gegenbewegung und
Gegenkultur
.
Bereits die
Kapitalismuskritik
des
Karl Marx
aus 1867 beinhaltete eine
Konsumkritik
, die er als ?Warenfetischismus“ im Kapitel ?Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis“ im Grundlagenwerk
Das Kapital. Band I
außerte.
[4]
Konsumverweigerung entstand als
Gegenbewegung
zum
Konsumismus
, der bereits vor 1899 im ?demonstrativen Verbrauch“ (
englisch
conspicuous consumption
) einen Hohepunkt erreicht hatte. Es handelte sich um ein Verbraucherverhalten, das weit uber die Erfullung von
Primarbedurfnissen
hinausging und in erster Linie der Steigerung des
Sozialprestiges
durch den Kauf von
Statussymbolen
diente.
Wilhelm Lautenbach
sagte am 16. September 1931 auf der
Geheimkonferenz in Berlin
: ?Heute haben Sie die Tatsache, das alle deutschen Unternehmungen samtlichen Ersatzbedarf beinahe gestoppt haben.“
[5]
Er meinte die wahrend der
Hyperinflation
entstandene Investitionszuruckhaltung der Unternehmen, die sogar
Ersatzinvestitionen
aussetzten. Auch eine
Deflationsspirale
kann Anlass hierfur sein.
In den 1960er Jahren verbreiterte sich der Konsumismus in der
westlichen Welt
zur Konsumgesellschaft. Im August 1968 sprach die Hamburger AUSS
[6]
von einer Minderheit der
Drop-Outs
unter
Schulern
, deren Protest sich ?oft in partieller Konsumverweigerung und dem dafur umso großeren Konsum von (modischer)
Gammelkleidung
und
Haschisch
beschranke“.
[7]
Die heute mit dem Begriffsinhalt der Konsumverweigerung assoziierte Konnotation kam erstmals in der
Postmoderne
auf als eine ?Politik der Intensitaten“, ?im Bremsen der Produktion, … Konsumverweigerung,
Happenings
, Bewegungen zur
sexuellen Befreiung
,
Fabrik-
und
Hausbesetzungen
“.
[8]
Erich Fromm
sah 1970 das fur den Konsumismus typische quantitativ steigende Konsumniveau als mit zunehmender Passivitat und
Habgier
verbunden an.
[9]
Fur
Sulak Sivaraksa
galt 1995 Konsumismus als eine Art Religion, der in Hass, Habgier und Verblendung wurzele. ?Der Kapitalismus und der Konsumismus werden von diesen drei Giften genahrt.“
[10]
Begrundet wird die Konsumverweigerung mit personlichen,
sozialen
,
religiosen
,
ethischen
(siehe auch
Wirtschaftsethik
),
okologischen
, organisatorischen,
volkswirtschaftlichen
, aber auch
gesellschaftskritischen
(politischen) Argumenten; letztere außern sich gegenwartig oft als Kritik an einer
konsumfixierten Gesellschaft
, die bspw. als Konsumgesellschaft,
Uberflussgesellschaft
oder
Wegwerfgesellschaft
bezeichnet wird, und am
Konsumkapitalismus
(siehe auch
Kapitalismuskritik
/
Antikapitalismus
).
Konsumverweigerung außert sich materiell z. B. im
Konsumentenboykott
, indem gezielt bestimmte
Produkte
,
Produktgruppen
,
Hersteller
oder
Handler
vom Verbraucher gemieden werden (
Konsumverzicht
). Ein Konsumentenboykott ist die kollektive, organisierte und geplante Weigerung, bestimmte Waren zu kaufen oder zu konsumieren.
[11]
Ideell wird durch legalen Protest zum
Boykott
aufgerufen.
Konsum neuer Guter kann vielfaltig ersetzt werden, bspw. durch:
Inflation
und
Deflation
konnen beide zu Konsumverweigerung fuhren, denn ein steigendes
Preisniveau
bewirkt bei konstantem
Arbeitseinkommen
ein Nicht-Ausgeben von Geld (
Sparen
). Bei der Deflation erwarten Konsumenten in der Zukunft sinkende Preise und verschieben deshalb Kaufe.
Konsumverweigerung fuhrt zur Verringerung der
Guternachfrage
, wenn sie von breiten Bevolkerungsschichten getragen wird. Die Bewegung gegen den
Konsumterror
musste
Mehrheiten
der Bevolkerung erreichen, um beispielsweise die
Produktion
und den
Vertrieb
kurzlebiger
Konsumguter
(
geplante Obsoleszenz
) durch Nichtkauf zu verhindern und die Herstellung langlebiger und umweltfreundlicher Produkte durchzusetzen.
[12]
Die Konsumzuruckhaltung einiger kann uber das
Herdenverhalten
zu Mehrheiten fuhren. Bei konstantem
Guterangebot
tritt dann eine
Nachfragelucke
auf, die zu Preissenkungen fuhren kann. Auch die
Energieversorgung
kann auf diese Art zur Abkehr von
fossiler Energie
auf
erneuerbare Energie
verandert werden. Abstrahiert man weiter, konnen samtliche, dem Verbraucher nicht genehmen
Substitutionsguter
durch ihm genehme ersetzt werden. Konsum neuer Guter kann vielfaltig ersetzt werden, insbesondere durch
Do it yourself
,
Heimwerken
,
Reparaturhilfe
,
Freeganismus
oder
Containern
.
- Markus Schweizer/
Thomas Rudolph
:
Wenn Kaufer streiken.
ISBN 3-409-12677-5
.
- Saral Sarkar:
Ecosocialism or ecocapitalism? A critical analysis of humanity's fundamental choices.
London / New York (Zed Books) 1999.
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:
Der Tag, an dem wir aufhoren zu shoppen. Wie ein Ende der Konsumkultur uns selbst und die Welt rettet.
Penguin Verlag, 2021,
ISBN 978-3-328-60090-9
.
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, 1867/1872, in:
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Abkurzung fur
Aktionszentrum Unabhangiger und Sozialistischer Schuler
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