Komsomolez (U-Boot)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K-278 Komsomolez
K-278
K-278
Schiffsdaten
Flagge Sowjetunion   Sowjetunion
Schiffstyp Atom-U-Boot
Bauwerft Werft 402 , Sewerodwinsk
Baunummer 510
Kiellegung 22. April 1978
Stapellauf 9. Mai 1983
Verbleib am 7. April 1989 gesunken
Schiffsmaße und Besatzung
Lange 110 m ( Lua )
Breite 12,3 m
Tiefgang (max.) 9,5 m
Verdrangung aufgetaucht: 5.880 t

getaucht: 8.500 t

 
Besatzung 64 Mann
Maschinenanlage
Maschine 1 × Druckwasserreaktor OK-650 b-3
Maschinen­leistung 190 MW th
Propeller 1
Einsatzdaten U-Boot
Tauchtiefe, normal 1.000 m
Tauchtiefe, max. 1.300 [1] m
Hochst-
geschwindigkeit
getaucht
30 kn (56 km/h)
Hochst-
geschwindigkeit
aufgetaucht
14 kn (26 km/h)
Bewaffnung

Munition:

Sensoren

Oberflachensuchradar ?Snoop Head“
aktives Niederfrequenz-Sonar ?Shark Gill“
System fur Elektronische Kampffuhrung ?Bald Eagle“

Die K-278 Komsomolez war ein sowjetisches Atom-U-Boot . Es wurde 1984 in Dienst gestellt und sank am 7. April 1989. Der Untergang kostete 42 Besatzungsmitglieder das Leben.

Projekt 685 Plawnik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bei dem als Plawnik ( russisch Плавник fur Finne ; NATO -Codename Mike ) benannten Projekt handelte es sich um einen neu entwickelten U-Boot-Entwurf, der fur die Erprobung neuartiger Technologien konzipiert wurde. Das Prototyp-Boot K-278 Komsomolez blieb das einzige Boot dieser Klasse.

Das Boot sollte eine gemischte Bewaffnung aus Torpedos und Anti-U-Boot-Raketen tragen. Die Anti-U-Boot-Raketen konnten sowohl mit konventionellen als auch nuklearen Gefechtskopfen bestuckt werden. Die Entwicklungsarbeiten begannen schon in den 1960er-Jahren. Die Kiellegung des Bootes fand allerdings erst am 22. April 1978 statt.

Komsomolez [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Dieses Boot bekam den Namen Komsomolez (russisch Комсомолец fur Mitglied des Komsomol ). Das Boot trug die Baunummer K-278, wurde am 9. Mai 1983 zu Wasser gelassen und Ende des Jahres 1984 in Dienst gestellt. Eine zweite Einheit wurde zwar in Sewerodwinsk auf Kiel gelegt , jedoch vor ihrer Fertigstellung abgebrochen.

Das Boot wurde nach den ublichen Anforderungen der sowjetischen Marine gebaut. Es war ein Zweihullenboot mit sieben abgeschotteten Abteilungen (von vorne nach achtern):

Der innere Druckkorper bestand aus Titan , das dem Boot die großte Tauchtiefe aller damals vorhandenen U-Boote verlieh. Das Boot konnte in einer Tiefe von 1000 m operieren. Gleichzeitig war das Boot durch die Titanhulle nur sehr schwer mit MAD-Sensoren ortbar. Die Komsomolez verfugte uber eine in den Turmaufbau integrierte Rettungskapsel , welche die Besatzung im Notfall an die Oberflache tragen sollte. Westliche Geheimdienste vermuteten zwei blei - wismutgekuhlte Reaktoren ahnlich dem Projekt 705 . [3] Die Sowjetunion gab an, dass das Boot von einem einzelnen Druckwasserreaktor ublicher Bauart angetrieben wurde. Eine direkte Folge davon war die erhebliche Herabsetzung der geschatzten Geschwindigkeit des Bootes. Ging man anfangs von bis zu 38 kn im getauchten Zustand aus, korrigierte man sie auf weniger als 30 kn herunter.

Ein direkter Nachteil der moglicherweise verwendeten, sehr speziellen flussigmetallgekuhlten Reaktoren ist die Notwendigkeit, den Reaktor-Druckbehalter standig auf Betriebstemperatur zu halten. Ohne konstante Warmezufuhr verfestigt sich das flussige Metall, und der Reaktor kann nicht angefahren werden. Um den Reaktor ganz herunterzufahren (0 % Leistung), muss eine externe Zufuhr von heißem Dampf gewahrleistet sein, um das Metall in flussigem Zustand zu halten.

Das Schicksal der Komsomolez [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 7. April 1989 brach im Heckraum der Komsomolez ein Feuer aus. Das Boot befand sich in einer Tiefe von 150 bis 380 Metern, als ein Ventil einer Hochdruckluftleitung, welche die Hauptballasttanks des Bootes verband, platzte und austretendes Ol (vermutlich aus dem Hydraulikventil) auf einer heißen Oberflache Feuer fing. Die Ausbreitung des Feuers konnte nicht durch das Abschotten der Abteilungen gestoppt werden, da sich das Feuer durch die Kabelschachte des Bootes ausbreitete. Als direkte Folge wurde die automatische Notabschaltung des Reaktors eingeleitet, um eine Uberlastung zu verhindern. Dies fuhrte dazu, dass der Antrieb versagte. Der Energiemangel fuhrte zum Systemversagen im ganzen Boot, darunter auch zum Ausfall der meisten Sicherheitssysteme. Dem Boot gelang es nach elf Minuten aufzutauchen, aber der Riss im Druckluftsystem schurte das Feuer weiter. Ein Großteil der Besatzung verließ das Boot. Nach einigen Stunden brach die Hulle, und das Boot sank. Der Kommandant sowie vier weitere an Bord verbliebene Besatzungsmitglieder versuchten, sich mit der Notfallkapsel zu retten. Diese war jedoch zum Teil geflutet und mit giftigen Gasen gefullt ? nur einer von ihnen uberlebte den Aufstieg zur Oberflache. Zwar hatte die Besatzung um Hilfe gefunkt, und beim Notausstieg aus dem Boot waren schon Rettungsflugzeuge vor Ort, um Rettungsinseln abzuwerfen, allerdings waren nicht genug fur die 50 Manner vorhanden. Von den 69 Besatzungsmitgliedern starben 42 wahrend und nach dem Ungluck, die meisten von ihnen durch Unterkuhlung im kalten Wasser, da sie es nicht geschafft hatten, vor dem Notausstieg ihre Rettungsanzuge anzulegen.

Das Boot liegt rund 190 km westsudwestlich der Bareninsel im Europaischen Nordmeer vor der Kuste Norwegens in einer Tiefe von etwa 1858 Metern auf Position 73° 43′ 17″  N , 13° 15′ 51″  O Koordinaten: 73° 43′ 17″  N , 13° 15′ 51″  O .

Zum Zeitpunkt des Untergangs trug das Boot zwei nuklear bestuckte [2] und acht konventionelle Torpedos. Es wurden zwei Untersuchungen eingeleitet, eine von der Regierung der UdSSR, die andere spater von unabhangiger Stelle. Beide konnten die genauen Umstande, die zum Verlust des Bootes fuhrten, nicht vollstandig klaren; die zweite Untersuchung sah den Hergang jedoch in Konstruktionsmangeln des Bootes bedingt. Ebenso wurde der schlechte Ausbildungsstand der Besatzung kritisiert. Norwegen erklarte spater, dass man das Boot zwei Stunden vor dem Untergang per Luft oder See hatte erreichen konnen, allerdings sei man zu spat benachrichtigt worden.

Die Folgen des Untergangs der Komsomolez [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Untergangsstelle liegt in einem der fischreichsten Gebiete der Welt, und ein Austreten des radioaktiven Inventars konnte der Fischereiindustrie Milliardenverluste bescheren. Im Mai 1992 wurde das Forschungsschiff Akademik Mstislaw Keldysch zur Unfallstelle beordert und entdeckte zahlreiche Bruche entlang der gesamten Lange der Druckhulle aus Titan. Einige waren bis zu 40 cm lang. Zudem glaubte man Risse im Primarkuhlkreislauf zu erkennen. Risse in diesem Kreislauf wurden es radioaktivem Material erlauben, den Reaktorkern zu verlassen und ins Seewasser und damit in die Nahrungskette zu gelangen. Im Fruhjahr 1993 stufte die russische Regierung die Bruche als unbedenklich ein. Eine weitere Studie im August 1993 untersuchte die Zirkulationsbewegungen des Wassers an der Unfallstelle, stellte jedoch keine ?vertikale Vermischung“ der Schichten fest und damit keine akute Gefahr radioaktiver Verseuchung. Verwundert war man jedoch uber ein knapp 8 m großes Loch im Bugtorpedoraum, das mit dem Unfallhergang nicht erklart werden konnte, aber ganz offensichtlich von einer Explosion herruhrte.

Bei Tauchgangen mit Kleinst-U-Booten fand man heraus, dass das Seewasser begonnen hat, die Mantel der Gefechtskopfe der Torpedos und die Hulle des Bootes zu zersetzen. Dieser Prozess wird von den schnell wechselnden Stromungen des Wassers in dem Gebiet noch beschleunigt. Wurde unter diesen Gegebenheiten radioaktives Material austreten, ware eine schnelle Verbreitung unvermeidbar. Als im Sommer 1994 bei einer Untersuchung das Austreten von Plutonium-239 aus einem der Gefechtskopfe festgestellt wurde, versiegelte man den Torpedoschacht. [4] [5]

Die Kosten der Bergung des Bootes wurden 1995 auf uber eine Milliarde US-Dollar geschatzt. Zudem barg sie das Risiko, dass die Hulle bei dem Vorhaben brechen konnte. Als Ausweichplan wurde die Versiegelung des Bootes mit einem geleeartigen Material ins Auge gefasst. Die Umsetzung dieses Plans begann am 24. Juni 1995 und wurde im Juli 1996 abgeschlossen. Es wird davon ausgegangen, dass die Hulle 20 bis 30 Jahre Schutz bietet.

Norwegische Untersuchungen im Jahr 2008 konnten keine signifikante Radioaktivitat beim Wrack der K-278 feststellen. [6]

Uber den 8. und 9. Juli 2019 verteilt nahm ein norwegisch-russisches Team gezielt Wasserproben aus einem Rohr, das russische Expeditionen in den 1990ern und 2007 als Radioaktivitatsleck identifiziert hatten, sowie von einigen Metern oberhalb. Die Caesium -137- Aktivitat in den sechs Proben aus dem Rohr betrug zwischen weniger als 10  Bq /l ( Nachweisgrenze an Bord) bis 100 am 8. Juli bzw. 800 Bq/l am 9. Juli; in der Umgebung konnte keine Aktivitat nachgewiesen werden. Empfindlichere Messungen an Land dauern an [veraltet] . Die in diesen Gewassern sehr niedrige Caesium-137-Hintergrundaktivitat betragt etwa 0,001 Bq/l. Da sich die kleinen austretenden Mengen schnell verdunnen, besteht kein Risiko fur die Fischbestande oder die Bevolkerung. Der norwegische Grenzwert in Nahrungsmitteln betragt 600 Bq/kg. [7]

Kritik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Viele Details des Untergangs sind noch unklar, man geht jedoch von Fehlkonstruktionen aus. So ist es unverstandlich, dass es der Besatzung nicht gelang, das Pressluftsystem zu leeren, um den Brandherden den Sauerstoff zu nehmen. Das Versagen der Sicherheitssysteme, die Ausbreitung der Brande durch die Kabelkanale sowie der Ausfall des Hauptreaktors sind weitere Ungereimtheiten.

Zudem hat sich die Hulle der Komsomolez als nicht korrosionssicher erwiesen. Das Fluten der Rettungskapsel mit Wasser, ihre Fullung mit giftigen Gasen, das Versagen der Feuerloschsysteme, die Entzundung des Ols auf heißem Untergrund und der Misserfolg der Besatzung bei der Bekampfung des Feuers deuten auf einen fehlerhaften Entwurf hin.

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Alexander Antonow, Walerie Marinin, Nikolai Walujew: Sowjetisch-russische Atom-U-Boote. Berlin 1998.
  • С. А. Спирихин: Надводные корабли, суда и подводные лодки постройки завода №402. (etwa: S. A. Spirichin: Uberwasserschiffe, Fahrzeuge und U-Boote gebaut auf Werft Nr. 402. ) Archangelsk 2004, ISBN 5-85879-155-7 (russisch).

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : K-278  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten, Quellen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Dorian Archus: How deep can a submarine dive? Naval Post, 26. April 2021, abgerufen am 10. Juli 2021.
  2. a b atrinaflot.narod.ru ( Memento vom 17. Oktober 2007 im Internet Archive ) Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt atrinaflot.narod.ru, russisch, gesichtet am 12. November 2008
  3. [1] George Montgomery, CIA, zum Ungluck, gesichtet am 12. November 2008
  4. Archivierte Kopie ( Memento des Originals vom 1. Juni 2009 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/grinda.info Untersuchungen zum Unfall, russisch, gesichtet 12. November 2008
  5. TED Case Studies ( Memento vom 29. Oktober 2015 im Internet Archive ) (englisch)
  6. Peter Lobner: Marine Nuclear Power 1939?2018. 2018. S. 128.
  7. Hilde Elise Heldal, Stine Hommedal: Researchers discovered leak from Komsomolets. Institute of Marine Research, 10. Juli 2019, Updates am 11.07. und 29. August 2019, sowie personliche Mitteilung am 29. August 2019.