Der
Komoren-Quastenflosser
(
Latimeria chalumnae
) ist eine
rezente
Art der
Quastenflosser
(Coelacanthiformes). Die Tiere werden bis zu zwei Meter lang und 80 kg schwer und sind an der Ostkuste
Sudafrikas
beheimatet. Sie sind in nur geringer Individuenzahl bekannt und wohl vom Aussterben bedroht. Aufgrund von Untersuchungen des
Mageninhalts
gefangener Komoren-Quastenflosser ist davon auszugehen, dass es sich bei den Tieren um
Zoophagen
(Fleischfresser) handelt.
Evolutionsgeschichtlich
hat sich bei dieser Art die
Lunge
zu einer
Schwimmblase
gewandelt. Das
Gehirn
des Komoren-Quastenflossers nimmt nur etwa ein Hundertstel des Volumens der
Hirnhohle
ein, ansonsten wird die Hirnhohle von einer fettartigen Substanz ausgefullt.
Fur die Wissenschaft entdeckt wurde das erste Exemplar der Art am 22. Dezember 1938 von
Marjorie Courtenay-Latimer
, die leitend als
Kuratorin
(ab 1945 mit der Bezeichnung ?Direktorin“) am
East London Museum
im Ostteil der damaligen
Kapprovinz
tatig war. Das Tier war von einem Fischdampfer unter dem Kommando von Hendrik Goosen in den Gewassern des
Indischen Ozeans
vor der
sudafrikanischen
Kuste nahe der Mundung des
Chalumna
gefangen worden. Da Courtenay-Latimer sich mit Kapitan Goosen angefreundet hatte, wurde sie regelmaßig uber die Einfahrt des Schiffes in den Hafen informiert und hatte die Erlaubnis, interessante Einzelstucke aus dem Fang fur ihr Museum auszuwahlen. Der Chemieprofessor und Amateur-Fischkundler
James L. B. Smith
ordnete das Tier den bis dahin fur ausgestorben gehaltenen Quastenflossern zu. Trotz umgehend eingeleiteter Suche nach weiteren Exemplaren dieser Art gelang es erst 1952 bei den
Komoren
, etwa 3000 km nordlich der ersten Fundstelle gelegen, ein weiteres Tier zu fangen. Wie der erste Fisch konnte es nicht am Leben erhalten werden, nachdem es von den Fangern an Bord des Fangschiffes geholt worden war. In den 1990er-Jahren gelangen weitere Beobachtungen, unter anderem das Auffinden einer weiteren
Population
der Quastenflosser, die eine eigene Art darstellen und als
Manado-Quastenflosser
(
Latimeria menadoensis
) bezeichnet werden.
Mit seinen beinartigen Brust- und Bauchflossen kann sich der Fisch in einer Art ?
Kreuzgang
“ bewegen. Fur diese alternierenden Bewegungen der Flossen hat er in seinem Nervensystem bestimmte ?neuromuskulare Koordinationen“, wie es
Hans Fricke
nennt. Nach seiner Ansicht konnen solche Koordinationen den Verwandten des Quastenflossers den Schritt an Land erleichtert haben. Tiere der rezenten Arten gehen jedoch nicht am Meeresboden umher, und ihre Flossen beruhren nicht einmal den Boden, etwa beim Beschleichen ihrer Beute, wobei die Brustflossen um 180 Grad um die Langsachse gedreht werden konnen. Wenn der Quastenflosser schnell schwimmen will, benutzt er seine machtige Schwanzflosse.
Quastenflosser sind Nachtjager und Driftschwimmer, die auch schwache Wasserstromungen fur die Fortbewegung ausnutzen. Ihre großen Brust- und Bauchflossen verwenden sie zum Ausbalancieren.
Tagsuber halten sich die Quastenflosser in Lavahohlen auf, die auf den Komoren zwischen 150 und 200 Meter unter dem Meeresspiegel liegen. In den zum Teil sehr geraumigen Hohlen leben bis zu 16 Tiere. Mit Sonnenuntergang verlassen die Tiere einzeln ihre Hohle. Ihre Beutezuge fuhren sie nur wenige Kilometer von ihrer Hohle weg und bis in 700 Meter Tiefe.
Schwimmt ihnen ein Beutefisch vors Maul, dann konnen sie mit einem Schlag ihrer breiten Schwanzflosse sehr stark beschleunigen. Ein bei anderen Fischen fehlendes Gelenk im Schadel gestattet ihnen, ihr Maul rasch aufzureißen und so eine blitzartige
Saugschnappbewegung
durchzufuhren, mit der sie ihre Beute rasch in das von spitzen Zahnen umgebene Maul bringen.
- Hans Fricke:
Im Reich der lebenden Fossilien
. In: Peter-Matthias Gaede (Hrsg.):
Die Seele des weißen Baren
. Hamburg 1998,
ISBN 3-455-11256-0
.
- Hans Fricke:
Der Fisch der aus der Urzeit kam. Die Jagd nach dem Quastenflosser
, C. H. Beck 2007,
ISBN 3-406-55635-3
.
- Michael Ohl
:
Expeditionen zu den Ersten ihrer Art. Außergewohnliche Tiere und die Geschichte ihrer Entdeckung.
dtv, Munchen 2022,
ISBN 978-3-423-29043-2
, S. 168?199.
- Keith S. Thomson:
Der Quastenflosser ? Ein lebendes Fossil und seine Entdeckung
. Birkhauser Verlag, Basel 1993,
ISBN 3-7643-2793-6
.
- Samantha Weinberg:
Der Quastenflosser : die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung eines seit siebzig Millionen Jahren vermeintlich ausgestorbenen Tieres
. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2001.
ISBN 3-596-15089-2
.