Klaus Gysi
(*
3. Marz
1912
in
Neukolln
; †
6. Marz
1999
in
Berlin
) war im
kommunistischen
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
aktiv, von 1966 bis 1973
Minister fur Kultur
und von 1979 bis 1988
Staatssekretar fur Kirchenfragen
der
DDR
.
Gysi wurde als Sohn des Arztes Hermann Gysi (1888?1950) und der Buchhalterin Erna Potolowsky (1893?1966) geboren.
[1]
Vaterlicherseits stammte er aus einer Berliner Familie, deren Stammvater, der Seidenfarber Samuel
Gysin
(* 1681), im fruhen 18. Jahrhundert aus
Laufelfingen
(
Schweiz
) eingewandert war.
[2]
Uber seine Mutter war er
judischer
Herkunft.
[3]
Klaus Gysi besuchte die Volksschule im Berliner
Bezirk Neukolln
und das
Realgymnasium
. Die Eltern ließen sich 1929 scheiden. 1931 legte er nach dem Besuch der
Odenwaldschule
das Abitur in
Darmstadt
ab.
Er war seit 1928 Mitglied des
Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands
, der
Internationalen Arbeiterhilfe
und des
Sozialistischen Schulerbundes
und trat 1931 der
KPD
bei. Zeitweise wirkte er als Jugendfunktionar der KP in
Hessen
. Er studierte von 1931 bis 1935
Volkswirtschaftslehre
in
Frankfurt am Main
, an der
Sorbonne
in
Paris
und in Berlin.
Von 1931 an war Gysi in der Roten Studentenbewegung aktiv. 1935 wurde er von der
Friedrich-Wilhelms-Universitat zu Berlin
verwiesen
, ging 1936 nach
Cambridge
und wurde 1939 Mitglied der Studentenleitung der KPD in Paris. Von 1939 bis 1940 war er in franzosischen Lagern
interniert
. Beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht konnte er untertauchen. Mitten im Krieg kehrte er 1940 auf KPD-Beschluss mit seiner Frau
Irene Gysi
[4]
(geb. Lessing, Schwester von
Gottfried Lessing
) nach Deutschland zuruck, was zu diesem Zeitpunkt ein hohes Risiko bedeutete, da die Nationalsozialisten Klaus Gysi als sogenannten ?
Halbjuden
“ und Kommunisten verfolgten. Mit Gluck und Geschick uberlebten die Gysis die funf Jahre bis Kriegsende in der Illegalitat Berlins. Gysi war in dieser Zeit freischaffend wissenschaftlicher Mitarbeiter des Verlags
Hoppenstedt & Co.
und auch weiterhin illegal politisch tatig.
[5]
Nach der Vereinigung von SPD und KPD wurde Gysi 1946 Mitglied der
SED
. Von 1945 bis 1948 war er Chefredakteur der kulturpolitischen Monatsschrift
Aufbau
, von 1945 bis 1977 Mitglied des Prasidialrates, Bundessekretar und schließlich Mitglied des Prasidiums des
Kulturbundes
und von 1949 bis 1954 Abgeordneter der
Volkskammer
. Von 1952 bis 1957 arbeitete er beim
Verlag Volk und Wissen
und war danach bis 1966 als Nachfolger von
Walter Janka
Leiter des
Aufbau-Verlages
. Von 1956 bis 1964 arbeitete Gysi als
inoffizieller Mitarbeiter
unter dem Decknamen ?Kurt“ fur das
Ministerium fur Staatssicherheit
.
[6]
Ab 1963 war Gysi Mitglied der Westkommission des
Politburos des ZK der SED
. Von 1966 (ab 12. Januar 1966) bis 1973 war er
Minister fur Kultur
und damit Mitglied des
Ministerrates
der Deutschen Demokratischen Republik. Außerdem war er Mitglied der Kulturkommission des Politburos des ZK der SED. Von 1967 bis Marz 1990 war er wieder Abgeordneter der Volkskammer.
Von 1973 bis 1978 war Gysi
Botschafter
in
Italien
. Anschließend war er von Dezember 1978 bis 1979 Generalsekretar des offiziosen DDR-Komitees fur Europaische Sicherheit und Zusammenarbeit, das der Vorbereitung der
KSZE
diente. Von November 1979 bis zum Ruhestand 1988 war Gysi Staatssekretar fur Kirchenfragen. 1990 blieb er auch nach der Umbenennung der SED in
PDS
dort Mitglied.
Gysi wurde 1969 mit dem
Banner der Arbeit
, 1970 der Erinnerungsmedaille des Ministeriums fur Staatssicherheit und der Lenin-Erinnerungsmedaille, 1962 und 1972 dem
Vaterlandischen Verdienstorden
, 1977 dem
Karl-Marx-Orden
, 1982 mit der Ehrenspange zum Vaterlandischen Verdienstorden und 1987 mit dem
Großen Stern der Volkerfreundschaft
ausgezeichnet. Ihm wurde 1987 der
Ehrendoktor
der
Friedrich-Schiller-Universitat Jena
verliehen.
Gysi lebte in
Berlin-Johannisthal
.
[7]
Er starb am 6. Marz 1999 im Alter von 87 Jahren und wurde auf dem
Dahlemer Waldfriedhof
in
Berlin-Zehlendorf
bestattet. (Grablage Feld 013-22)
Der Spiegel
schrieb in seinem Nachruf, Gysi sei ?jahrzehntelang das eloquente kultur- und kirchenpolitische Aushangeschild“ der DDR gewesen; der großburgerlich gepragte Kulturfunktionar habe ?weltmannisch, aber linientreu“ gehandelt.
[8]
Christoph Dieckmann
bezeichnete Gysi 2008 als ?hochkultivierte[n] Zyniker“ und Teil des ?roten Adels der DDR“.
[9]
Klaus Gysi war dreimal verheiratet und hatte sieben Kinder,
[10]
[11]
darunter:
- Bernd-Rainer Barth
,
Helmut Muller-Enbergs
:
Gysi, Klaus
. In:
Wer war wer in der DDR?
5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010,
ISBN 978-3-86153-561-4
.
- Karin Hartewig:
A German Jewish Communist of the Second Generation. The Changing Personae of Klaus Gysi.
In: Jonathan Fraenkel,
Dan Diner
(Hrsg.):
Dark Times, Dire Decisions: Jews and Communism
(=
Studies in Contemporary Jewry.
Band 20). Oxford University Press, New York 2004, S. 255?274,
ISBN 978-0-19-518224-8
.
- Hans-Dieter Schutt
(Hg.):
Klaus Gysi. Zwischen Buch und Botschaft
. Hefte zur DDR-Geschichte, ≫Helle Panke≪ e. V., 2019.
- Gabriele Gysi
,
Gregor Gysi
:
Unser Vater. Ein Gesprach
. Aufbau, Berlin 2020.
ISBN 978-3-351-03842-7
.
- ↑
Vgl.
?Feodor Potolowsky“
, auf:
Stolpersteine in Berlin
, abgerufen am 29. September 2018.
- ↑
Stefan Hess
:
Gysin.
In:
Historisches Lexikon der Schweiz
.
- ↑
Michael Wolffsohn
:
Die Deutschland-Akte. Juden und Deutsche in Ost und West. Tatsachen und Legenden.
Edition Ferenczy bei Bruckmann Munchen, Munchen 1995 (
Rezension
).
- ↑
Dem Heldenkind gehort die Zukunft.
In:
taz.
5. August 2005.
- ↑
Jens Konig:
Gregor Gysi. Eine Biographie
. 1. Auflage. Rowohlt, Berlin 2005,
ISBN 3-87134-453-2
,
S.
56
ff
.
- ↑
Clemens Vollnhals
:
Die Kirchenpolitik von SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz
(=
Analysen und Dokumente.
Band 7). Ch. Links, Berlin 1996,
ISBN 3-86153-122-4
,
S. 96
;
Gerhard Besier
:
Die Ost-CDU, ihre Religionspolitik und das MfS.
In:
KAS.de
,
PDF
(
Memento
vom 16. Oktober 2013 im
Internet Archive
), S. 5.
- ↑
Waldstraße in Johannisthal.
In:
waldstrasse.georgiu.de.
Abgerufen am 5. Mai 2022
.
- ↑
Gestorben: Klaus Gysi.
In:
Der Spiegel
, 15. Marz 1999.
- ↑
Christoph Dieckmann:
Gysi: Schuldig oder nicht?
In:
Die Zeit
, 29. Mai 2008.
- ↑
Gunnar Decker:
Eine verspatete Bestattung.
Kulturminister, Verleger, Botschafter, Ehemann, Vater. Im Kino: Der Dokumentarfilm ?Der Funktionar“. In:
Neues Deutschland.
11. April 2019,
abgerufen am 13. April 2019
(Link kostenpflichtig).
- ↑
Barbara Wurm:
Filmisches Essay uber Klaus Gysi: ?Die DDR ist aktuell“
. In:
Die Tageszeitung: taz
. 11. April 2019,
ISSN
0931-9085
(
taz.de
[abgerufen am 5. Juni 2019]).
- ↑
Der Funktionar. Film von Andreas Goldstein
. Information des Fernsehsenders
Phoenix
zum Film, abgerufen am 2. Juli 2023.