Dieser Artikel beschreibt ein in der Kirche gefuhrtes Verzeichnis uber Personen, zu dem Ortsteil Kirchenbuch siehe unter
Burglengenfeld
.
Das auf
Fruhneuhochdeutsch
abgefasste Kirchenbuch (Tauf- und Heiratsregister) der
Pfarre
Bozen
von 1583?1589, fol. 1 (Eintrag vom 14. August 1583)
Kirchenbuch, hier ein Taufregister, aus dem 18. Jahrhundert
Auszug aus dem Taufregister (1941)
Totenschein (1942)
Kirchenbucher
(auch
Kirchenregister
,
Kirchen
matrikel
, in
Osterreich
Kirchen-
oder
Pfarr-Matriken
, in der Schweiz
der Rodel, die Rodel
[1]
) sind Verzeichnisse uber
Taufen
,
Trauungen
,
Todesfalle
, die von
Pfarrern
meist in
chronologischer
Reihenfolge angelegt werden. Sie sind offentliche
Urkunden
uber die in ihnen verzeichneten
kirchlichen Amtshandlungen
. Bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden
Personenstandsfalle
nur von den Religionsgemeinschaften verzeichnet. Heute werden die entsprechenden staatlichen
Personenstandsbucher
in
Standesamtern
gefuhrt. Historische Kirchenbucher sind wertvolle Quellen der Forschung. Pfarramter sind nach wie vor zur Fuhrung von Kirchenbuchern verpflichtet.
Kirchenbucher sind nicht zu verwechseln mit den
Messbuchern
, auch
Missale
genannt, die liturgischen Zwecken dienen. Allerdings werden seit dem 18. Jahrhundert vorzugsweise in
reformierten
Gegenden Sammlungen mit Texten fur den Gottesdienst
Kirchenbuch
genannt, um sie von
lutherischen
Agenden
abzugrenzen, deren Inhalt gesetzlichen Charakter hat. Auch Chroniken und Rechnungsbucher wurden und werden gelegentlich als Kirchenbucher bezeichnet.
Zu unterscheiden sind:
- Taufbuch
oder
Taufregister
. Hier sind die Daten der
Geburt
und der
Taufe
der jeweiligen Person sowie ihrer
Eltern
und
Paten
aufgezeichnet.
- Ehebuch
,
Heiratsbuch
oder
Copulationsregister
(Copulation = Trauung). Hier sind die Daten der
Eheschließung
der beiden
Ehepartner
sowie (nicht immer) der Eltern und Trauzeugen aufgezeichnet. Vor der Einfuhrung der
Standesamter
(in Deutschland 1876) wurde zudem ein
Proclamationsregister
gefuhrt, in dem festgehalten wurde, dass die Verlobung rechtmaßig zustande gekommen war.
- Totenbuch
oder
Sterbebuch
. Hier sind Todes- und Begrabnisdaten aufgezeichnet.
- Register der Erstkommunikanten
(katholisch). Hier sind die Daten der
Kinder
und Erwachsenen verzeichnet, die nach der Taufe zum ersten Mal die
Sakramente
der
Eucharistie
und
Buße
empfangen haben.
- Register der
Gefirmten
(katholisch)
- Konfirmationsregister
oder
Konfirmandenbuch
(evangelisch). Hier sind die
konfirmierten
Jugendlichen der Gemeinde sowie deren Eltern verzeichnet.
- Register der
aus der Kirche ausgetretenen Personen
- Register der
Konvertiten
und
Rekonziliierten
(katholisch). Hier sind Personen verzeichnet, die in einer anderen christlichen
Konfession
gultig getauft und spater in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen wurden (Konversion) und Katholiken, die nach einem vor der zustandigen staatlichen Stelle erklarten Kirchenaustritt durch bischoflichen Gnadenakt wieder in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche wiederaufgenommen wurden (Rekonziliation).
- Kommunikantenregister
(historisch)
- Graberverzeichnis
der kirchlichen
Friedhofsverwaltung
Oft sind zusatzliche Daten wie
Wohnort
oder
Beruf
der jeweiligen Person angegeben. Bei unehelichen Kindern wurden Taufname und Taufdatum mancherorts auf dem Kopf stehend eingetragen.
[2]
Der Umfang der Eintragungen ist verschieden und hangt von den Gewohnheiten des zustandigen Pfarrers und dessen Kenntnissen uber die Personen ab. Weil die Kirchenbucher in erster Linie kirchliche Handlungen belegen, wurden vor der Einfuhrung verpflichtender Formulare ab dem 17. Jahrhundert oft nur Ort und Datum der Taufe bzw. der Beerdigung (in anderen Fallen nur das Todesdatum) genannt, nicht aber Geburt und Tod. In alten Kirchenbuchern fehlt bei Taufeintragungen oft der Name der Mutter oder sogar beider Eltern.
Die Kirchenbucher stellen oft die einzigen Aufzeichnungen uber die Existenz von Personen dar, da die Eintragungen fur alle Gemeindeglieder unabhangig von
Stand
, Geschlecht und Vermogen gemacht wurden. Sie sind damit wichtige
Quellen
der historischen, insbesondere der
genealogischen
Forschung. Das Lesen der Kirchenbucher setzt Kenntnisse der
Schreibschrift
fruherer Zeit voraus (siehe
Palaografie
).
Romisch-katholische
Kirchenbucher sind bis ca. 1800 nahezu ausschließlich in
lateinischer Sprache
gefuhrt, ab etwa dieser Zeit dann in der Landessprache, so wie zuvor schon die protestantischen Matrikeln. Bis zu diesem Zeitpunkt finden sich haufig auch unterschiedliche Schreibweisen der
Familiennamen
, da diese dem Pfarrer nur mundlich vorgetragen und haufig nicht aus anderen Dokumenten ubernommen wurden. Erst aus der Zeit nach dem
Dreißigjahrigen Krieg
, in dem Kirchenbucher in erheblichem Umfang verloren gingen, liegt eine großflachige Uberlieferung der Kirchenbucher vor, wenn auch weitere Kriege erhebliche Verluste verursachten, so die
Napoleonischen Kriege
1797?1809 und nicht zuletzt der
Zweite Weltkrieg
.
Die altesten Kirchenbucher ? sie liegen nur als
Fragment
vor ? stammen aus dem 14. Jahrhundert und entstanden in der
Provence
und in
Italien
. Das alteste erhaltene Kirchenbuch aus dem
deutschsprachigen Raum
ist ein Taufbuch aus
Basel
, das 1490 begonnen wurde und sich heute im
Britischen Museum
in
London
befindet. Die altesten Anweisungen, Kirchenbucher zu fuhren, stammen vom Konstanzer Bischof
Friedrich III. von Zollern
aus dem Jahr 1435. Die nachfolgende standige Wiederholung der Anordnung beweist, dass Kirchenbucher in der Praxis offensichtlich nur schleppend eingefuhrt wurden. In seiner 24. Sitzung ordnete das
Konzil von Trient
per Erlass des Ehedekretes
Tametsi
[3]
vom 11. November 1563 die Anlage von Eheregistern und im Zusammenhang damit auch die Einfuhrung von Taufbuchern an. Fur die Fuhrung von Sterbebuchern sowie von
Firmmatrikeln
wurden erst im
Rituale Romanum
im Jahr 1614 Formulare entworfen, aber auch fur die Tauf- und Traumatrikel findet man erst hier genaue Formulare. Allerdings hatte das
Rituale Romanum
keinen verpflichtenden Charakter, so dass die tatsachliche Qualitat der Eintragungen in den Kirchenbuchern weiterhin stark variiert. Auch die Sterbebucher waren immer noch nicht verpflichtend. In der Praxis dauerte es so oft noch Jahrzehnte, bevor Kirchenbucher auch uberall konsequent gefuhrt wurden. In den Gebieten, in denen sich die
Reformation
durchsetzte, wurden von Anfang an Kirchenbucher gefuhrt. Diese sind damit also etwa 50 Jahre alter.
[4]
Pfarrer fuhrten diese Aufzeichnungen oft auch im landesherrlichen Auftrag. Dadurch findet man fur Zeiten, in denen bestimmte
Konfessionen
in bestimmten Regionen unerwunscht waren, auch Aufzeichnungen uber
Protestanten
in katholischen Kirchenbuchern und umgekehrt (Simultanregister).
Die zuerst wohl unter
Ludwig XIV.
in Frankreich eingefuhrten
Kirchenbuchduplikate
mussten jahrlich an staatliche Stellen abgegeben werden, um von dort aus die Fortschreibung der
Bevolkerungsbewegung
in statistischer Form fur einzelne Landesteile und den Gesamtstaat durch eine zentrale Behorde zu ermoglichen (z. B. im Hinblick auf Todesursachen). Auch in Osterreich und in
Preußen
verpflichtete Kaiser
Joseph II.
bzw. das
Allgemeine Landrecht
die Pfarrer oder
Kuster
, fur staatliche Zwecke Zweitschriften anzufertigen und abzuliefern.
[5]
Zum 1. Januar 1876 wurden im
deutschen Reich
mit dem
Reichsgesetz uber die Beurkundung des Personenstands und die Eheschließung
die Beurkundungen der Geburten, Heiraten und Sterbefalle ausschließlich den vom Staat bestellten
Standesbeamten
mittels Eintragung in die dazu bestimmten
Register
ubertragen, wahrend in
Osterreich
die Religionsgemeinschaften diese Aufgaben noch bis zum 1. Januar 1939 wahrnahmen.
Politische Bedeutung erlangten die Kirchenbucher in Deutschland durch die
Rassenideologie
des
NS-Regimes
. In dieser Zeit mussten Beamte und Mitglieder der
NSDAP
sowie ihrer Unterorganisationen ihre
Abstammung
mit dem so genannten
Ariernachweis
belegen, weshalb sehr viele
Abschriften
aus alteren Kirchenbuchern gefertigt wurden. Das
Reichssippenamt
hat damals viele Kirchenbucher der fruheren deutschen
Ostgebiete
verfilmt. Diese Filme sind heute in der
Zentralstelle fur deutsche Personen- und Familiengeschichte Leipzig
archiviert und zuganglich.
Viele Matrikeln wurden durch
Dorfsippenbucher
erschlossen, die deren Daten uber den Zwischenschritt der
Kirchenbuchverkartung
zu Familien zusammenfassen und verbinden. Bereits weit vor 1933 einsetzend und uber das Jahr 1945 hinaus bis zur Gegenwart sind mit dieser Methode die Kirchenbucher von bisher mehr als 2000 Gemeinden in einem
Ortsfamilienbuch
zusammengefasst und durch Drucklegung der Offentlichkeit zuganglich gemacht worden.
Heute sind Kirchenbucher innerkirchliche Aufzeichnungen. In Deutschland dienen fur die Zeit vor Einfuhrung des staatlichen Standesamtes und bei Verlust der Personenstandsregister (z. B. durch Kriegseinwirkung) die Kirchenbucher immer noch als Nachweis.
Um weiteren Verlusten vorzubeugen, sind in Deutschland die alteren Bande der Kirchenbucher in zentralen kirchlichen
Archiven
der
Landeskirchen
und
Bistumer
gelagert. Oft sind sie als
Mikrofilm
zuganglich und werden vermehrt auch
digitalisiert
und von den jeweiligen Archiven uber das kommerzielle Internetportal
Archion
bereitgestellt. In Osterreich dagegen sind die Originale in den
Pfarreien
verblieben und Kopien werden bei den
Diozesanverwaltungen
aufbewahrt.
Die
Sudtiroler
Kirchenbucher sind bereits alle digitalisiert und online gratis anschaubar.
[6]
Im Rahmen der
ICARUS-Allianz
kooperieren 250 Archive bzw. Institutionen aus 37 Landern bei der
Digitalisierung
von kirchlichen (und anderen) Archiven und haben bis November 2018 bereits 25 Millionen Seiten von Kirchenbuchern erfasst.
Die
Genealogische Gesellschaft von Utah
kopiert Kirchenbucher aus religiosen Motiven (
Totentaufe
), macht sie aber einem großen Forscherkreis zuganglich.
Um eine Person im Kirchenbuch auffinden zu konnen, reicht oft das Datum der entsprechenden kirchlichen Handlung aus. Auf
Urkunden
findet man daruber hinaus folgende Angaben:
- die Nummer des Kirchenbuches,
- die Seite, lateinische Bezeichnung
pagina
, abgekurzt
pag.
oder
p.
- oder die Blattzahlung, lat.
folio
, abgekurzt
fol.
oder
f.
wobei hier angegeben wird, ob Vorderseite (recto) oder Ruckseite (verso). Beispiel: f134v fur ?Blatt 134 verso“ (daneben gibt es mitunter auch andere Bezeichnungen).
Kirchenbucher werden mitunter im Internet oder auf Flohmarkten/Sammlermarkten angeboten. Da diese Kirchenbucher im Regelfall Eigentum der Kirche sind, macht sich der Anbieter in diesen Fallen der
Hehlerei
strafbar.
[7]
[8]
In
Sachsen
sind Kirchenbucher seit 1800 generell mit alphabetischen Namensregistern ausgestattet, vielfach auch in der Zeit davor. Kirchenbucher aus der Zeit vor 1700 besitzen manchmal
Register
, die nach den Vornamen geordnet sind. Bei der Register-Nutzung ist weiter die
orthografische
Veranderlichkeit von
Familiennamen
zu bedenken (siehe auch
Phonetische Ordnung
und
Toter Punkt
).
Das alteste erhaltene Kirchenbuch der
Mark Brandenburg
aus dem Jahr 1575 befindet sich in
Groben
, einem
brandenburgischen
Dorf sudwestlich von
Berlin
. Der Schriftsteller
Theodor Fontane
reiste in den Jahren 1860 und 1881 mehrfach nach Groben, um das Kirchenbuch einzusehen, und berichtet in seinem Werk
Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ausfuhrlich uber das Buch.
- Eckart Henning
, Christel Wegeleben:
Kirchenbucher. Bibliographie gedruckter Tauf-, Trau- und Totenregister sowie der Bestandsverzeichnisse im deutschen Sprachgebiet
(= Genealogische Informationen; Bd. 23). Degener, Neustadt an der Aisch 1991,
ISBN 3-7686-2048-4
.
- Franz Kalde
:
Pfarrbucher, Katholisch
. In:
Lexikon fur Kirchen- und Religionsrecht
(LKRR), Bd. 3, S. 564?567.
- Gerhard Kayser:
Kirchenbuchfursorge der Reichsstelle fur Sippenforschung
. In:
Archivalische Zeitschrift
45 (1939), S. 141?163.
- Dirk Wagner:
Die Kirchenbuchfuhrung in Sachsen und Thuringen. Ein Vergleich erster Forschungsergebnisse
. In: Familie und Geschichte (1994), S. 347?356.
- Michael Bing, Andreas Butz:
Evangelische Kirchenbucher in Wurttemberg. Eine Arbeitshilfe fur die historische und familiengeschichtliche Forschung
. Stuttgart 2016,
ISBN 978-3-944051-13-0
.
- Eva Marie Lehner:
Taufe ? Ehe ? Tod. Praktiken des Verzeichnens in fruhneuzeitlichen Kirchenbuchern
(Historische Wissensforschung 22). Wallstein Verlag, Gottingen 2023,
ISBN 978-3-8353-5380-0
.
- ↑
Artur Lehmann:
Familienbuch in 2 Teilen.
Selbstverlag, 1989, S. 11.
- ↑
Jurgen Kaiser:
Warum Schwaben alles konnen ? wenn sie wollen. Historische Streifzuge in Schwaben
. Evangelische Gemeindepresse, 2005,
ISBN 978-3-920207-12-4
, S. 18.
- ↑
S. 19: Dekret ?Tametsi“ zu ?gultigen und wahren Ehen“
- ↑
Martina Wagner, Hermann-Josef Braun:
Die Kirchenbuchuberlieferung der katholischen Pfarreien in Hessen. Bestande in den Bistumsarchiven Fulda, Limburg und Mainz
. In:
Archivnachrichten aus Hessen
10, 2 (2010), S. 19?25 (19f.).
- ↑
zu den Kirchenbuchduplikaten in Preußen
siehe Falko Neininger:
Brandenburgische Kirchenbuchduplikate 1794?1874. Ein Verzeichnis der Uberlieferung im Brandenburgischen Landeshauptarchiv
. Lang, Frankfurt, M. / Berlin / Bern / Bruxelles / New York, NY / Oxford / Wien 2008,
ISBN 978-3-631-58057-8
.
- ↑
https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/landesarchiv/kirchenbuecher-suedtirol.asp
- ↑
http://www.kirchenbuchportal.de/verkauf.htm
- ↑
Kirchenbuch zu verkaufen
auf
GenWiki
, abgerufen am 11. November 2023.