Der 1948 gegrundete
Verlag Kiepenheuer & Witsch
ist ein deutscher
Publikumsverlag
mit Sitz in
Koln
, der kritische und populare
Sachbucher
sowie
literarische Werke
von renommierten ebenso wie von jungen
Schriftstellern
publiziert. Derzeit werden die Werke von uber 500 Autoren verlegt. Seit 1982 hat der Verlag eine eigene
Taschenbuch
-Reihe, die
KiWi-Paperbacks
, seit 2000 als Regional-
Imprint
≫KiWi Koln≪, eine auf Bucher aus und uber das
Rheinland
spezialisierte Reihe, und seit 2009 das Berliner Imprint
Galiani Berlin
. Das großte editorische Unternehmen der Verlagsgeschichte ist die 2002 begonnene textkritische und kommentierte Kolner Ausgabe der Werke
Heinrich Bolls
, deren 27. und letzter Band im Herbst 2010 erschien.
Die Grundungsversammlung des Verlages fand am 27. November 1948 vor dem Hagener
Notar
Walter Meyer statt.
Gustav Kiepenheuer
war erkrankt und ließ sich notariell vertreten. Die Anteile am Stammkapital in Hohe von 100.000 DM teilten die Grunder folgendermaßen auf: Gustav Kiepenheuer hielt 40 Prozent,
Joseph C. Witsch
30 Prozent. Weitere Gesellschafter mit je 10 Prozent waren Witschs Freund
Fritz Breuer
, der Hagener Unternehmer Adalbert Borgers und der britische Offizier und ortliche Befehlshaber der
Britischen Militarregierung
F. Peter Alexander.
[2]
[3]
Nach dem Tode von Kiepenheuer im Jahr 1949 vollzogen die Anteilseigner eine Trennung vom Weimarer
Gustav-Kiepenheuer-Verlag
. Die Anteile der Jenaer Neugrundung ubernahm Witsch. Nach wechselnden Geschaftssitzen erwarb der Verlag 1953 in
Koln-Marienburg
ein eigenes Verlagshaus. 1956 kam es zur Angliederung eines Theaterverlages, der in
Berlin
unter dem Namen Gustav Kiepenheuer Buhnenvertrieb firmiert.
[4]
Witschs erste verlegerische Leistung war die Neuauflage der Werke
Joseph Roths
, begonnen 1949 mit dessen letztem Roman,
Die Legende vom heiligen Trinker
, und (vorlaufig) abgeschlossen 1956 mit der von
Hermann Kesten
herausgegebenen Werkausgabe. Der Roman
Marion
von
Vicki Baum
wurde 1951 als erstes Buch bei ≫Kiepenheuer & Witsch≪ veroffentlicht.
Annemarie Selinko
erzielte kurz darauf mit dem Roman
Desiree
den ersten großen Verkaufserfolg und ist neben
Wolfgang Leonhard
mit
Die Revolution entlasst ihre Kinder
(1955) ein
Klassiker
aus der Fruhgeschichte des Verlages.
Heinrich Boll
wurde mit
Und sagte kein einziges Wort
1953 Autor des Verlags und 1972 dessen erster
Nobelpreistrager
, dem noch weitere folgen sollten:
Saul Bellow
,
Czesław Miłosz
,
Patrick White
,
Gabriel Garcia Marquez
,
Dario Fo
und
Jean-Marie Gustave Le Clezio
.
Von 1953 bis 1968 gab der Verlag
Die Kiepe
als ?literarische Hauszeitschrift“ heraus.
In den 1960er Jahren verschaffte sich der Verlag mit einem ehrgeizigen Lyrik-Programm, dem vom Lektor
Dieter Wellershoff
? selber sowohl wissenschaftlich wie literarisch tatig ? proklamierten
Neuen Realismus
und mit Autoren wie
Rolf Dieter Brinkmann
,
Nicolas Born
und
Gunter Herburger
Anerkennung als ein fuhrender Verlag fur deutsche Gegenwartsliteratur. Nun wurden auch die ersten Sachbucher veroffentlicht, zunachst in der Reihe
Neue Wissenschaftliche Bibliothek
, spater verstarkt durch die
Studien-Bibliothek
.
Nach dem Tode von Joseph C. Witsch im Jahr 1967 ubernahm
Reinhold Neven DuMont
die verlegerische Leitung. Am 19. April 1969 wurde Neven DuMont der Inhaber des Verlages Kiepenheuer & Witsch, der den Namen und das Programm beibehielt. Fast alle Autoren konnten gehalten werden, und neue Autoren kamen im Zuge der
68er-Bewegung
hinzu, z. B.
Wilhelm Reich
,
Ronald D. Laing
und
Charles Bukowski
. Fur die neue sozialkritische Literatur (zu Themen wie
antiautoritare Erziehung
, Leben in
Kommunen
,
soziale Randgruppen
) wurde die Reihe
pocket
gegrundet. Mit den ersten Buchern von
Gunter Wallraff
und mehreren
Schwarzbuchern
sowie Bolls
Bild ? Bonn ? Boenisch
legte sich der ?kleine“ Verlag mit den ?Goliaths“ des bundesdeutschen
Establishments
an, wie dem
Springer-Imperium
oder der CSU unter
Franz Josef Strauß
.
In den 1980er Jahren wurde zum einen die Taschenbuchreihe
KiWi
lanciert (1982), zum andern die kulturelle Aufbruchsstimmung in West und Ost eingefangen, nicht zuletzt mit der neuen Reihe
Kunst heute
, welche die Ideen von
Joseph Beuys
,
Georg Baselitz
und weiteren Kunstlern zu verbreiten half.
Im Herbst 1989 sah sich der Verlag in Person seines Verlegers, Neven DuMont, Beschuldigungen der Feigheit ausgesetzt, da er sich aus Angst vor Ubergriffen weigerte,
Salman Rushdies
Roman
Die Satanischen Verse
zu veroffentlichen, dessen deutsche Rechte er im Sommer 1988 erworben hatte.
[5]
Nach der
Wende
von 1989 konzentrierte sich der Verlag darauf, seine ?Hausautoren“ (neben Boll, Roth, Wellershoff und Garcia Marquez etwa
Peter Hartling
,
Uwe Timm
,
Nathalie Sarraute
,
Jean-Marie Gustave Le Clezio
,
Don DeLillo
) mit neuen Werkausgaben zu pflegen, sein Profil durch kritischere Auswahl zu verscharfen und dennoch ?am Puls der Zeit“ zu bleiben: in allen Bereichen gute neue Autoren zu verpflichten.
Der Verlag brachte jahrlich etwa 80 Bucher heraus und beschaftigte circa 25 Mitarbeiter.
[6]
Seit 2002 gehort Kiepenheuer & Witsch uber die Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG, Stuttgart, zur
Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck
. Verleger war seit dem Jahr 2002
Helge Malchow
. Er wurde 2019 von
Kerstin Gleba
abgelost.
Das Archiv des Verlages wurde dem
Stadtischen Archiv Koln
ubergeben; beim Einsturz des Stadtarchivs 2009 gingen die Bestande uberwiegend verloren bzw. wurden erheblich beschadigt.
[7]
Das belletristische Programm von Kiepenheuer & Witsch wurde und wird neben den oben erwahnten von Autoren wie
Don DeLillo
,
Erich Maria Remarque
,
Breyten Breytenbach
,
Jean Giono
,
Ignazio Silone
,
Jerome D. Salinger
,
John le Carre
,
Erik Fosnes Hansen
,
V.S. Naipaul
,
Jean-Marie Gustave Le Clezio
,
Uwe Timm
und
Katja Lange-Muller
gepragt.
In den letzten Jahren fanden weitere englischsprachige Autoren wie
John Banville
,
Julian Barnes
,
Michael Chabon
,
Bret Easton Ellis
,
Dave Eggers
,
Jonathan Safran Foer
,
Nick McDonell
,
Nick Hornby
,
David Foster Wallace
oder
Irvine Welsh
im Kolner Verlag ebenso ihre Heimat wie ihre deutschsprachigen Kollegen
Maxim Biller
,
Michael Kumpfmuller
,
Sibylle Berg
,
Feridun Zaimoglu
,
Benjamin von Stuckrad-Barre
,
Joachim Lottmann
,
Thomas Hettche
,
Katharina Hagena
,
Eva Menasse
,
Christian Kracht
,
Volker Kutscher
,
Kathrin Schmidt
,
Leif Randt
und
Daniela Droscher
.
Im Sachbuchprogramm finden sich weitere renommierte Namen wie
Ralph Giordano
,
[8]
Joschka Fischer
,
Heiner Geißler
,
Carola Stern
,
Alice Schwarzer
,
Gerd Koenen
,
Necla Kelek
,
Hans Weiss
,
Helmut Schmidt
,
Christoph Schlingensief
,
Ranga Yogeshwar
,
Sascha Lobo
,
[9]
Ulrike Herrmann
,
[10]
Sophie Passmann
,
Robert Habeck
,
Deniz Yucel
[11]
und
Aladin El-Mafaalani
.
[12]
Auch Publikumslieblinge aus der Unterhaltungsbranche wie
Carolin Kebekus
,
[13]
Kurt Kromer
,
[14]
Matthias Brandt
,
[15]
Mario Adorf
,
Alfred Biolek
,
Renan Demirkan
,
Dieter Hildebrandt
,
Heike Makatsch
,
Helge Schneider
,
Elke Heidenreich
,
Christine Westermann
,
Jorg Thadeusz
,
Harald Schmidt
und
Michael Mittermeier
sowie die Bestseller-Autoren
Frank Schatzing
,
Monika Peetz
und
Bastian Sick
schreiben fur Kiepenheuer & Witsch.
Im Jahr 2013 wurde die
Ubersetzerbarke
, ein Literaturpreis des
Verbands deutschsprachiger Ubersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke
(VdU), an die
Verlagslektorin
Barbel Flad als ?ubersetzerfreundlicher Verlagsmensch“ verliehen. Sie betreute unter anderem die Werke von Don DeLillo, Gabriel Garcia Marquez, Nathalie Sarraute und Julian Barnes.
Die
taz
kritisierte im Marz 2023, dass der Verlag sich in den ?
sozialen Medien
“ in dem Format ?Unverlangt eingesandt“ uber die Anschreiben von Autoren lustig macht. Der Verlag trete damit nach unten, und scheine einen mitleidig bis verachtlichen Blick auf (noch) nicht kommerziell erfolgreiche Autoren zu kultivieren.
[16]
- ↑
a
b
Profilansicht: Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG, Verlag.
In:
Adressbuch fur den deutschsprachigen Buchhandel
.
Abgerufen am 30. September 2023
.
- ↑
Frank Moller:
Das Buch Witsch: Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch. Eine Biografie
. Kiepenheuer & Witsch, Koln 2014,
ISBN 978-3-462-30734-4
,
S.
346
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Frank Moller:
Joseph Caspar Witsch ? Als Bibliothekar und Verleger zwischen Jena und Koln
, in:
Die große Stadt: das kulturhistorische Archiv von Weimar-Jena
Bd. 2, 2009, S. 117?142, hier S. 130
- ↑
Curt Vinz u. Gunter Olzog:
Dokumentation deutschsprachiger Verlage.
Olzog, Munchen/Wien 1983, S. 213.
- ↑
Glaubenskrieger unter sich - SPIEGEL-Redakteur Willi Winkler uber die ?Satanischen Verse“
Spiegel, 16. Oktober 1989
- ↑
Quelle: Reinhold Neven DuMont im Gesprach mit Jochanan Shelliem in hr2-kultur (?Doppel-Kopf“), 6. Oktober 2009
- ↑
Bucherfest: Zuruck im Großburgertum mit Reinhold Neven DuMonts ?Villa“
, Schwabisches Tagblatt, 25. Mai 2009
(
Memento
vom 9. Oktober 2013 im Webarchiv
archive.today
)
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/ralph-giordano-4000047
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/sascha-lobo-4000822
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/ulrike-herrmann-4003207
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/deniz-yuecel-4001344
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/aladin-el-mafaalani-4001262
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/carolin-kebekus-4002604
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/kurt-kroemer-4000864
- ↑
https://www.kiwi-verlag.de/autor/matthias-brandt-4000956
- ↑
Fatma Aydemir:
Tiktok-Format ?Unverlangt eingesandt“: Lustiger Literaturbetrieb
. In:
Die Tageszeitung: taz
. 24. Marz 2023,
ISSN
0931-9085
(
taz.de
[abgerufen am 1. April 2023]).