Karl Kraus
(*
21. Marz
1938
in
Vrchlabi
; †
9. Juni
1988
in
Wurzburg
) war ein deutscher
theoretischer Physiker
, der wichtige Beitrage zu den Grundlagen der
Quantenphysik
geleistet hat.
Kraus wurde 1938 in
Vrchlabi
im
Riesengebirge
(1938 bis 1945
Hohenelbe)
geboren. Nach dem Krieg wuchs er in
Elsterwerda
auf und besuchte dortige Schulen. Er studierte von 1955 bis 1960 an der
Humboldt-Universitat Berlin
(Ost) und der
Freien Universitat Berlin
(West) Physik. Dort wurde er 1962 mit einer Arbeit bei
Kurt Just
zum Thema
Lorentzinvariante Gravitationstheorie
[1]
promoviert. Kraus wechselte dann als Assistent zu
Gunther Ludwig
an die
Universitat Marburg
, wo er 1966 habilitierte. Im Jahr 1971 nahm er einen Ruf an das Physikalische Institut der
Universitat Wurzburg
an und grundete dort eine mathematisch-physikalische Arbeitsgruppe zum Themenkreis
Grundlagen der Quantentheorie
. 1980 verbrachte Kraus ein Forschungsjahr an der
Universitat Austin
bei
John Archibald Wheeler
,
Arno Bohm
,
George Sudarshan
,
William Wootters
und
Wojciech Zurek
.
Wahrend seines ganzen akademischen Lebens beschaftigte sich Kraus mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Nichtlokalitat der Quantenwelt und der offensichtlichen Lokalitat unserer klassischen Welt. In diesem Zusammenhang forschte und publizierte er uber den
Einstein-Podolsky-Rosen Effekt
[2]
und immer wieder uber Fragen des
Messprozesses in der Quantentheorie
, deren Problematik seiner Auffassung nach von den Grundern der Quantentheorie im Rahmen der
Kopenhagener Interpretation
weitgehend ignoriert worden war.
Wichtige Veroffentlichungen zum Messprozess in der Quantentheorie von Kraus waren:
- Measuring processes in quantum mechanics I. Continuous observation and the watchdog effect.
[3]
- Measuring processes in quantum mechanics II. The classical behavior of measuring instruments.
[4]
- States, Effects, and Operations.
[5]
In dem genannten Buch
States, Effects, and Operations
fuhrte Kraus zur Beschreibung des Messprozesses in der Quantenmechanik erstmals den Begriff und mathematischen Formalismus der
Quanten-Operation
ein, einer speziellen Abbildung von
Dichtematrizen
. Die von ihm in diesem Zusammenhang verwendete Darstellung ist heute als
Kraus-Darstellung
,
Kraus-Operator Formalismus
oder
Operator-Summen Formalismus
bekannt und wird inzwischen im Zusammenhang mit Entwicklungen im Gebiet der
Quanteninformation
haufig verwendet. Die Kraus-Darstellung stutzt sich auf ein
Theorem von W. F. Stinespring
uber
vollstandig positive Abbildungen
von endlich-dimensionalen
C*-Algebren
.
[6]
Fur einen modernen Beweis der Kraus-Darstellung, der sich anstelle des Satzes von Stinespring auf ein Theorem von
M.-D. Choi
[7]
stutzt, siehe etwa M. Nielsen, I. Chuang.
[8]
Die von Kraus behandelten Fragestellungen zu den Grundlagen der Quantentheorie sind auch heute noch ein aktuelles Forschungsgebiet. Neue theoretische Fortschritte werden diskutiert in E. Joos,
H. D. Zeh
,
C. Kiefer
, D. Giulini, J. Kupsch, I.-O. Stamatescu.
[9]
Die Verbindung dieser
Dekoharenz
-Theorien mit modernen Experimenten, wie sie insbesondere von den Arbeitsgruppen von
Serge Haroche
(Paris) und
Anton Zeilinger
(Innsbruck, Wien) begonnen wurden, konnen vielleicht helfen, den Messprozess in der Quantentheorie und damit den Zusammenhang zwischen Quantenwelt und klassischer Welt kunftig besser zu verstehen.
[10]
Außer fur Mathematik und Physik hatte Kraus ein besonderes Interesse fur Biologie, erwarb sich darin ein umfangreiches Wissen und publizierte sogar einige biologische Arbeiten.
[11]
Karl Kraus starb 1988 mit 50 Jahren an den Folgen einer Tumor-Erkrankung.
[12]
- ↑
Karl Kraus:
Lorentzinvariante Gravitationstheorie
, Dissertation, Freie Universitat Berlin, 1962.
- ↑
Karl Kraus:
Quantum Theory, Causality and EPR Experiments
, in Proceedings of the Joensuu Symposium on the Foundations of Modern Physics: 50 Years of the EPR Gedankenexperiment, p. 138, World Scientific, Singapore, 1986.
- ↑
Karl Kraus:
Measuring processes in quantum mechanics I. Continuous observation and the watchdog effect
. Foundations of Physics, Vol. 11, S. 547?576, 1981.
- ↑
Karl Kraus:
Measuring processes in quantum mechanics. II. The classical behavior of measuring instruments
. Foundations of Physics, Vo. 15, S. 717?730, 1985.
- ↑
Karl Kraus:
States, Effects, and Operations
. Lecture Notes in Physics, vol. 190. 1983.
- ↑
W. F. Stinespring, Positive Functions on C*-algebras, Proceedings of the American Mathematical Society, 211?216, 1955.
- ↑
M. Choi, Completely Positive Linear Maps on Complex matrices, Linear Algebra and Its Applications, 285?290, 1975.
- ↑
M. Nielsen and I. Chuang, Quantum Computation and Quantum Information, Cambridge University Press, 2000.
- ↑
E. Joos, H. D. Zeh, C. Kiefer, D. Giulini, J. Kupsch, I.-O. Stamatescu:
Decoherence and the Appearance of a Classical World in Quantum Theory
, 2. ed., 2003, Springer, Berlin.
- ↑
M. A. Schlosshauer:
Decoherence - and the Quantum-To-Classical Transition
, 2007, Springer, Berlin.
- ↑
siehe unten: G. Reents, B. Schiekel:
In memoriam Karl Kraus
.
- ↑
Georg Reents:
Nachruf auf Karl Kraus
, Foundations of Physics Letters, Vol. 2, S. 7, 1989.