Karl Heinz Gasser
(*
10. Marz
1944
in
Dillenburg
; †
8. August
2023
) war ein
deutscher
Jurist
und
Politiker
(
CDU
). Er war von 2002 bis 2004
Justizminister
und von 2004 bis 2008
Innenminister
des Freistaates
Thuringen
.
Zwischen April 1964 und Marz 1966 diente Gasser bei der
Bundeswehr
als
Soldat auf Zeit
und war spater
Leutnant der Reserve
. Von 1966 bis 1971 studierte er Staats- und Rechtswissenschaften in
Gießen
. Nach dem ersten Staatsexamen 1971 war er Referendar im Oberlandesgerichtsbezirk
Frankfurt am Main
, nach dem zweiten Staatsexamen 1973 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitat Gießen. Im Jahr 1977 wurde Gasser Richter auf Probe am Amtsgericht in Frankfurt am Main. Im Jahr darauf promovierte er zum Dr. jur. Einer Ernennung zum Richter auf Lebenszeit am dortigen Verwaltungsgericht 1978 folgte eine Tatigkeit in Gießen und
Kassel
. Er betrieb gemeinsam mit dem hessischen Ministerprasidenten
Volker Bouffier
eine Anwaltskanzlei in Gießen. Er engagierte sich als ehrenamtlicher Botschafter der
Stiftung Kinderhospiz Mitteldeutschland Nordhausen
e. V. in
Tambach-Dietharz
.
Gasser war verheiratet und hatte zwei Kinder. Zuletzt lebte er in einem Pflegeheim und starb am 8. August 2023 im Alter von 79 Jahren.
[1]
1990 wurde Gasser
Staatssekretar
im Thuringer Justizministerium, 1991 Staatssekretar im Thuringer Ministerium fur Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. 1994/95 war er schließlich Staatssekretar im Thuringer Ministerium fur Wirtschaft und Infrastruktur.
Am 11. Oktober 2002 wurde Gasser zum
Thuringer Justizminister
im
Kabinett Vogel III
ernannt und behielt dieses Amt auch im nachfolgenden
Kabinett Althaus I
. Bekannt wurde er u. a. als Leiter der nach ihm benannten Kommission, die 2004 den offiziellen Abschlussbericht zum
Amoklauf von Erfurt
veroffentlichte.
Mit Amtsantritt des
Kabinetts Althaus II
am 8. Juli 2004 wurde er zum
Thuringer Innenminister
ernannt. Dieses Amt gab er am 8. April 2008 auf. Grunde fur den Rucktritt wurden nicht genannt.
[2]
Hintergrund des Rucktritts war eine nach der Landtagswahl 2004 von Ministerprasident
Dieter Althaus
in seiner ersten Regierungserklarung eingeforderte Neustrukturierung des Polizeiapparates, die er glaubte, aufgrund von veranderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einfordern zu konnen. Der Hauptfaktor war hier die rucklaufige Bevolkerungszahl Thuringens.
[3]
Ausgehend von der Annahme, dass eine geringere Anzahl von Burgern auch weniger offentliche Bedienstete zur Erfullung staatlicher Dienstleistungen und Aufgaben benotige, sollte die Relation von Polizeibeamten zur Einwohnerzahl uberpruft werden. Auch finanzielle Einsparungen, die durch eine Straffung des Polizeiapparates erreicht werden konnten und sollten, waren ein nicht zu unterschatzender Beweggrund.
Der im Juli 2004 zum Innenminister ernannte Gasser erteilte dann am 15. Oktober 2004 der Polizeiabteilung des Innenministeriums folgenden Prufauftrag: ?Uberprufung der Organisationsstruktur der Thuringer Polizei und Vorlage von Vorschlagen fur substantielle und realisierbare Organisationsoptimierungen“. Zur Bearbeitung des Prufauftrages sowie zur Begleitung des Umorganisationssprozesses wurde die Projektgruppe
OPTOPOL
(Optimierung der Organisationsstruktur der Thuringer Polizei) im Innenministerium eingerichtet.
[4]
Die Lenkungsgruppe hatte fur den Thuringer Innenminister beratende Funktion.
Im Juli 2005 unterbreitete OPTOPOL dann dem Innenminister ?aufbau- und ablauforganisatorische Optimierungsvorschlage sowie Vorschlage zur Verbesserung der Fuhrung und Steuerung“. Am 29. November 2005 informierte Gasser die Landesregierung uber die Ergebnisse der Organisationsuberprufung, die diese daraufhin der Offentlichkeit bekannt gab.
[5]
Nach diesen ursprunglichen Planen der Projektgruppe bzw. Gassers sollte das Polizeiverwaltungsamt aufgelost, die Zahl der bis dahin bestehenden sieben Thuringer Polizeidirektionen auf vier Dienststellen fur Nord-, Mittel-, Ost- und Sudwestthuringen reduziert und rund 430 Polizeistellen gestrichen werden. Gasser bzw. die Landesregierung erhoffte damit, Einsparungen von 1,2 Millionen Euro pro Jahr bei den Personalkosten und insgesamt rd. 30 Millionen Euro bei reduzierten Liegenschaften zu erreichen.
[6]
Trotz entschiedenen Widerstands von
GdP
,
BDK
und
PBG
[7]
sowie der beiden Oppositionsparteien
SPD
und
Die Linke
, die in den geplanten Maßnahmen keine tatsachliche Neustrukturierung sahen, eine Einbettung der Reform in eine allgemeine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform vermissten und in ihr lediglich ein Mittel sahen, um den Thuringer Haushalt zu sanieren, mit der Folge, dass wichtige Kernaufgaben der Polizei nicht mehr wahrgenommen werden konnten,
[8]
[9]
[10]
und auch Alternativvorschlage einbrachten
[11]
, wurden diese ersten Vorschlage von OPTOPOL am 20. Juni 2006 vom Kabinett abgesegnet und das Innenministerium mit der Umsetzung der geplanten Maßnahmen beauftragt.
[12]
[13]
[14]
Die Debatte uber die neue Struktur des Polizeiapparates zog sich uber mehrere Jahre hin. Gassers Vorschlage waren auch bei Mitgliedern der CDU-Fraktion, die sich um den innenpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion,
Wolfgang Fiedler
und die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion,
Christine Lieberknecht
, sammelten, auf Widerstand gestoßen. Zuletzt hatte Althaus Innenstaatssekretar
Rudiger Hutte
beauftragt, die Verhandlungen mit der Fraktion zu ubernehmen, was bereits als Entmachtung des Ministers gewertet wurde.
[15]
[16]
Im Rahmen einer Kabinettsumbildung, die am 23. April 2008 angekundigt wurde, benannte Ministerprasident
Dieter Althaus
den bisherigen Prasidenten des Thuringer Rechnungshofes,
Manfred Scherer
, als Nachfolger Gassers.
[17]
Nur einen Tag nach seiner Amtseinfuhrung gab der neue Innenminister Manfred Scherer bekannt, dass die Projektgruppe OPTOPOL kurzfristig aufgelost und die daran beteiligten Beamten in ihre Dienststellen zuruckgeschickt werden. Die Anzahl der Polizeidirektionen werde noch gepruft. Wann die Reform nun umgesetzt werde, konnte Scherer nicht mitteilen.
- ↑
Trauer um Dr. Gasser.
Frankfurter Neue Presse, 14. August 2023,
abgerufen am 14. August 2023
.
- ↑
Innenminister Gasser nimmt den Hut
. In:
Tagesspiegel
. 8. April 2008 (
Online
).
- ↑
Hochrechnungen des Landesamtes fur Statistik hatten ergeben, dass die Bevolkerung Thuringens von rd. 2,32 Millionen wahrscheinlich auf ca. 2,19 Millionen im Jahr 2015 absinken wurde
- ↑
Nach Angaben des Innenministeriums (Gassers) haben insgesamt 109 Personen am Projekt
OPTOPOL
mitgewirkt, mit folgender Aufgabenverteilung: Lenkungsgruppe (13 Mitglieder), verschiedene Teilprojekte (88 Mitglieder), sowie einem Kernteam (8 Mitarbeiter).
vgl.: Thuringer Landtag DrS 4/1364 (21. November 2005): Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolf (Die Linkspartei.PDS) und Antwort des Thuringer Innenministeriums Arbeitsgruppe OPTOPOL
- ↑
Thuringer Landtag. Referat Presse- und Offentlichkeitsarbeit. Pressemappe zur 78. Und 79. Plenarsitzung / 27. und 28. April 2008; hier: S. 3ff.
- ↑
Thuringer Landtagskurier Ausgabe 2 / Marz 2008: Neustrukturierung der Polizei und Lehrerbildungsgesetz beschlossen
- ↑
Gewerkschaft der Polizei Thuringen 23. Marz 2007: Verrat an den eigenen Kollegen
- ↑
Gewerkschaft der Polizei Thuringen 23. November 2005: Die Gewerkschaft der Polizei lehnt die Vorschlage der Projekt-Leitung des Projektes ab
- ↑
Gewerkschaft der Polizei Thuringen 1. Januar 2006: Polizei nicht kaputt sparen
- ↑
Gewerkschaft der Polizei Thuringen 1. Februar 2006: OPTOPOL eines der wichtigsten Themen
- ↑
Gewerkschaft der Polizei Thuringen 12. Januar 2006: Mindestanforderungen an Polizeistruktur
- ↑
FAZ.net 8. April 2008: Innenminister Gasser tritt zuruck
- ↑
Thuringer Innenministerium : OPTOPOL. Kabinett billigt Polizeireform
(
Memento
vom 24. Mai 2008 im
Internet Archive
)
- ↑
Gewerkschaft der Polizei Thuringen 20. Juni 2006: Kabinett billigt Polizeireform
- ↑
Focus Online, 8. April 2008: Innenminister schmeißt hin
- ↑
Rheinische Post 8. April 2008: Thuringens Innenminister Gasser tritt zuruck
- ↑
thuringen.de 23. April 2008: Althaus gibt Kabinettumbildung bekannt
(
Memento
vom 15. Mai 2008 im
Internet Archive
)
Justizminister von Thuringen
Innenminister von Thuringen