Karl Eschweiler am Lenkrad, Braunsberg 1932
Karl Eschweiler
(*
5. September
1886
in
Euskirchen
; †
30. September
1936
in
Berlin
[1]
) war ein
deutscher
katholischer Theologe
und Religions
philosoph
.
Der aus einer Handwerkerfamilie stammende Eschweiler legte 1906 in seiner Heimatstadt Euskirchen das Abitur ab. Anschließend studierte er Philosophie und Theologie in
Bonn
und
Munchen
. In Bonn trat er 1906 der Theologenverbindung
V.k.Th. Burgundia
bei, in Munchen wurde er zusammen mit
Oswald von Nell-Breuning
aktives Mitglied des Akademischen Gorresvereins (KStV Sudmark) im
KV
. 1909 promovierte er bei
Georg von Hertling
an der Munchener Universitat mit einer Arbeit zur Religionsphilosophie des Augustinus zum Dr. phil.
Nach seiner
Priesterweihe
im Marz 1911 in
Koln
war er zunachst als
Kaplan
in
Elberfeld
tatig und verbrachte die Jahre des Ersten Weltkriegs als Feldgeistlicher an der Westfront. Nach Erkrankung und Ruckkehr in die Heimat wurde Eschweiler nach dem Krieg zunachst Kaplan an St. Martin in Bonn und bald darauf Repetent am Bonner Theologenkonvikt ?Collegium Albertinum“. 1921 promovierte er in Bonn unter Betreuung von
Arnold Rademacher
im Fach Fundamentaltheologie, in dem er sich 1922 auch habilitierte. Seit diesem Jahr lehrte er in Bonn als
Privatdozent
. Ab 1923 wirkte er zudem als Pfarrer in
Berkum
bei Bonn. Seit dieser Zeit verband ihn eine intensive personliche Freundschaft mit dem Staatsrechtler
Carl Schmitt
.
Die beiden theologischen Qualifikationsarbeiten Eschweilers, die dem ?Rationalismus“ und ?Fideismus“ in der katholischen Glaubensbegrundung seit der Aufklarungszeit gewidmet sind, wurden erstmals 2010 unter dem von Eschweiler selbst vorgesehenen Titel
Die katholische Theologie im Zeitalter des deutschen Idealismus
aus dem Nachlass publiziert. 1926 erschien Eschweilers vielbeachtete Monographie
Die zwei Wege der neueren Theologie
, die auf eine Neubegrundung der
Analysis fidei
im Geist des ursprunglichen Thomismus abzielte und vor allem von Seiten der damaligen Jesuitentheologen heftig bekampft wurde. Weitere Veroffentlichungen der Bonner Jahre galten der nachtridentinischen Entwicklung der katholischen Theologie, speziell der von Eschweiler als ?Barockscholastik“ bezeichneten Schultheologie des 17. Jahrhunderts, sowie der deutschen Theologie der Aufklarungszeit und Romantik. Eschweiler erwies sich in diesen Publikationen als kundiger Theologiehistoriker und spekulativ begabter, der antimolinistischen Thomistenschule zuneigender Systematiker.
Zum Wintersemester 1928/29 wurde Eschweiler ordentlicher Professor fur
Systematische Theologie
an der Staatlichen Akademie (vormals
Lyceum Hosianum
) im ostpreußischen
Braunsberg
. 1931/32 und 1933 bis 1936 fungierte er als Rektor dieser Hochschule, die eine Hochburg des
Nationalsozialismus
in
Ostpreußen
war. Eschweiler selbst trat im April 1933 in die
SA
und zum 1. Mai desselben Jahres in die
NSDAP
ein (Mitgliedsnummer 2.070.530)
[2]
und entfaltete umgehend eine rege publizistische sowie universitats- und kirchenpolitische Aktivitat zugunsten des ?Dritten Reiches“. Aufgrund ihrer muss er als einer der aktivsten und uberzeugtesten nationalsozialistischen Theologieprofessoren aus dem katholischen Lager bezeichnet werden. Dabei lehrte er eine strikte Trennung von Religion und Weltanschauung, die aber teleologisch aufeinander hingeordnet seien (Modell ?Natur-Gnade“). Die Kirche durfe daher die weltanschaulichen Bestrebungen des NS-Staates, die Eschweiler als Wiederentdeckung des ?naturlichen Menschen“ und Vorbereitung des Evangeliums pries, nicht beeintrachtigen, sondern musse sie sogar fordern. Im Gegensatz zur offiziellen Lehre der katholischen Kirche billigte Eschweiler in einem Gutachten ausdrucklich das
Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses
vom 14. Juli 1933 (Sterilisationsgesetz) und die im Oktober 1933 dazu erlassenen Ausfuhrungsverordnungen.
Eschweiler wurde durch ein Dekret der romischen Konzilskongregation vom 20. August 1934 vom damaligen Bischof von
Ermland
,
Maximilian Kaller
, zusammen mit seinem Kollegen
Hans Barion
vom priesterlichen Dienst
suspendiert
. Diese Suspension wurde nach einer Unterwerfungserklarung des Theologen 1935 wieder aufgehoben. Auch anschließend erwies sich Eschweiler als Befurworter der nationalsozialistischen Ideologie, indem er noch in seinem Todesjahr 1936 in der Zeitschrift
Deutsches Volkstum
schrieb: ?Die weltanschauliche Betonung von Blut und Rasse bedeutet […] erbittertster Kampf wider die internationalen Machte, die ihr Zerstorungswerk am deutschen Volke mit dem Scheingeist einer universalen Humanitat rechtfertigen wollen.“
[3]
Das erstmals 1926 erschienene Buch
Die zwei Wege der neueren Theologie
ist Eschweilers wichtigste Veroffentlichung. Sein Ziel ist eine wissenschaftstheoretische Neubegrundung der Theologie. Sie wird unternommen auf dem Hintergrund einer historischen Sichtung des Schicksals der theologischen Erkenntnislehre und apologetischen Methode seit der Aufklarungszeit, der sich Eschweiler bereits in seinen theologischen Qualifikationsschriften (Diss. 1921, Habil. 1922 in Bonn) gewidmet hatte. In den
Zwei Wegen
stellt Eschweiler zunachst die Problemlage dar, der sich die katholische Theologie in der Auseinandersetzung mit dem ?Geist der Neuzeit“ seit der Aufklarung ausgesetzt sah (Kap. 1). Wichtig ist ihm der Nachweis, dass die katholische ?Analysis fidei“ (theologische Glaubensanalyse) selbst eine wichtige Quelle jener neuzeitlichen Zentrierung auf das Subjekt und seine Gewissheitsakte war, die dann bei Descartes und Kant zur ?anthropozentrischen“ Neubegrundung der Philosophie radikalisiert worden sei. Dadurch sei die katholische Theologie in ihrem innersten Feld viel enger mit dem Denken der Neuzeit verwandt, als sie es sich selbst gewohnlich zuzugeben bereit gewesen sei. Anschließend (Kap. 2 und 3) stellt Eschweiler zwei gegensatzliche Antwortversuche auf die neuzeitliche Herausforderung im Ausgang von paradigmatischen Vertretern vor: Er blickt einerseits auf den ?theologischen Rationalismus“, als dessen markantesten Reprasentanten er den Bonner Dogmatiker
Georg Hermes
(1775?1831) identifiziert, andererseits auf eine ?Theologie aus dem Glauben“, fur die exemplarisch der Kolner Thomist
Matthias Joseph Scheeben
(1835?1888) stehe. Als Resumee (Kap. 4) skizziert Eschweiler sein eigenes Programm einer Theologie, der es gelingen soll, den in der theologischen Erkenntnislehre der Neuzeit immer wieder auftretenden Spannungen in der Glaubensanalyse zu entkommen durch eine Neubesinnung auf das eigentumliche Formalobjekt theologischer Erkenntnis. Die Erneuerung des ?einen Weges“ der Theologie, den Eschweiler mit Ruckgriff auf einen ursprunglichen Thomismus aufzeigen will, wird seiner Uberzeugung nach auch weitere Spannungen, die er im religiosen Leben der Moderne benennt (?Glaube und Leben“, ?Dogma und Philosophie“, ?Theologie und Wissenschaft“) uberbrucken helfen.
Durch ihre theologiegeschichtlichen und systematischen Thesen losten Eschweilers
Zwei Wege
heftige Kontroversen aus, die ihren Niederschlag in zahlreichen zeitgenossischen Rezensionen gefunden haben. Bis heute gilt das Buch als zentraler Beitrag zur Neubestimmung des fundamentaltheologischen Selbstverstandnisses im 20. Jahrhundert und als eines der wichtigsten Werke katholischer Theologie in der Zwischenkriegsepoche.
- Die asthetischen Elemente in der Religionsphilosophie des hl. Augustin.
Euskirchen 1909. Digitale Edition, hg. und mit einem Nachwort versehen von
Thomas Marschler
(2011):
Online-Ressource
- Religion und Metaphysik.
In:
Hochland
19 (1921) 303?313.
- Die zwei Wege der neueren Theologie
, Augsburg 1926. Digitale Edition, hg. von
Thomas Marschler
(2010):
Online-Ressource
- Eine neue Kontroverse uber das Verhaltnis von Glauben und Wissen.
In: Bonner Zeitschrift fur Theologie und Seelsorge 3 (1926) 260?276.
- Eine neue Kontroverse (II).
In:
Bonner Zeitschrift fur Theologie und Seelsorge
4 (1927) 155?160.
- Die Philosophie der spanischen Spatscholastik auf den deutschen Universitaten des siebzehnten Jahrhunderts.
In: Spanische Forschungen der Gorres-Gesellschaft I, Aschendorff, Munster 1928, 251?325. Online-Ressource:
http://www.fgbueno.es/ger/ke1928a.htm
- Johann Adam Mohlers Kirchenbegriff-
Braunsberg in Pr. 1930.
- Die Kirche im neuen Reich.
In:
Deutsches Volkstum
15/1 (1933) 451?458.
- Die katholische Theologie im Zeitalter des deutschen Idealismus: Die Bonner theologischen Qualifikationsschriften von 1921/22.
Aus dem Nachlaß herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von
Thomas Marschler
.
Monsenstein und Vannerdat
, Munster, 2010,
ISBN 978-3-86991-180-9
.
- David Berger:
Karl Eschweiler.
In:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
(BBKL). Band 17, Bautz, Herzberg 2000,
ISBN 3-88309-080-8
, Sp. 354?355
(
Artikel/Artikelanfang im Internet-Archive
)
.
- Thomas Marschler
:
Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1945
, Bonn 2004.
- Thomas Marschler: Art.
Eschweiler, Karl.
In: David Berger/Jorgen Vijgen (Hgg.):
Thomistenlexikon
, Bonn 2006, S. 155?160.
- Thomas Marschler:
Karl Eschweiler (1886?1936).
Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie = Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 9, Regensburg 2011.
ISBN 3791723200
- Leon Poliakov
,
Josef Wulf
:
Das Dritte Reich und seine Denker
, Berlin 1959, S. 50.
- Siegfried Koß:
Eschweiler, Karl
. In: Siegfried Koß, Wolfgang Lohr (Hrsg.):
Biographisches Lexikon des KV. 3. Teil
(=
Revocatio historiae.
Band 4). SH-Verlag, Schernfeld 1994,
ISBN 3-89498-014-1
, S. 36 f.
- ↑
Zu Berlin als Sterbeort siehe u. a. Siegfried Koß:
Eschweiler, Karl
. In:
Biographisches Lexikon des KV
. Band 3 (1994), 36 f.; Thomas Marschler: Einleitung. In: Karl Eschweiler, Die katholische Theologie im Zeitalter des deutschen Idealismus. Die Bonner theologischen Qualifikationsschriften von 1921/22. Aus dem Nachlaß herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Thomas Marschler, Munster 2010, XIV; Thomas Marschler:
Karl Eschweiler (1886-1936).
Regensburg 2011, 338 f, 377. - LThK
2
, LThK
3
, BBKL, DBE (nach BBKL) geben Braunsberg als Sterbeort an.
- ↑
Bundesarchiv R 9361-VIII KARTEI/8500119
- ↑
Zitat bei
Ernst Klee
:
Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945
. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 140.