Karl Duncker
(*
2. Februar
1903
in
Leipzig
; †
23. Februar
1940
im US-amerikanischen Exil) war ein deutscher
Psychologe
und Mitbegrunder der
Gestalttheorie
.
Karl Duncker kam 1903 in Leipzig als Kind der kommunistischen Politiker
Hermann Duncker
und
Kate Duncker
zur Welt. Er studierte von 1923 bis 1928 an der
Friedrich-Wilhelms-Universitat Berlin
und verbrachte 1925 ein Jahr an der
Clark University
in den USA.
[1]
Er war bis zur Auflosung des Psychologischen Institutes im Jahr 1935 Schuler und Mitarbeiter der Begrunder der
Gestaltpsychologie
der Berliner Schule,
Max Wertheimer
,
Wolfgang Kohler
und
Kurt Koffka
. 1934 scheiterte seine Habilitation in Berlin zunachst an politischen Einwanden, die Schrift konnte aber 1935 erscheinen. Im selben Jahr fand er im Exil in England, in
Cambridge
bei
Frederic Charles Bartlett
eine Anstellung und wurde dann von Wolfgang Kohler an das
Swarthmore College
in
Pennsylvania
berufen.
Schon wahrend seiner Zeit in England litt Duncker immer wieder unter schweren
depressiven Verstimmungen
. 1937 begab er sich deswegen fur zwei Monate in die Schweiz zur Behandlung in die Klinik ?
Sanatorium Bellevue
“ von
Ludwig Binswanger
. Aber weder die Behandlung bei Binswanger noch seine anschließende Ubersiedlung in die USA brachten eine wesentliche Verbesserung seiner Verfassung. Zwar war Duncker wieder arbeitsfahig und bemuhten sich vor allem Wolfgang Kohler und dessen Familie auch personlich sehr um ihn, doch letztlich vergeblich: Kurz nach seinem 37. Geburtstag nahm sich Duncker das Leben.
[2]
Zu seinen wissenschaftlichen Beitragen zahlen seine Arbeiten zum produktiven Denken und zu schopferischen
Problemlosungsprozessen
, zur Kritik des
Behaviorismus
, zur
Phanomenologie
der Gefuhle und Empfindungen und zur Psychologie der
Ethik
. Sehr haufig wird seine Definition von
Problemlosen
noch zitiert.
?Ein ?Problem‘ entsteht z. B. dann, wenn ein Lebewesen ein Ziel hat und nicht ?weiß‘, wie es dieses Ziel erreichen soll. Wo immer der gegebene Zustand sich nicht durch bloßes Handeln (Ausfuhren selbstverstandlicher Operationen) in den erstrebten Zustand uberfuhren lasst, wird das Denken auf den Plan gerufen. Ihm liegt es ob, ein vermittelndes Handeln allererst zu konzipieren.“ (1935, S. 1)
Von Bedeutung ist der durch ihn gepragte Begriff
Funktionale Gebundenheit/Fixierung
beim Problemlosen. Er wird verwendet, wenn beim Problemlosen die Funktion eines Elementes innerhalb der Aufgabenstruktur schon gegeben ist. Die bestehende Funktion des Elementes ist innerhalb der Aufgabe bereits so gut verankert, dass ihre zur Losung notwendige Veranderung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. In einem Experiment bestand das Problem darin, Kerzen an eine Wand zu montieren (
Kerzenproblem
). Die dazu benotigte Schachtel war aber in der Aufgabensituation als Behalter fur Reißnagel vorhanden. Ihre Funktion war also
gebunden
und gerade diese
funktionale Gebundenheit
musste uberwunden werden, damit der Weg zur Losung frei wurde. Dann konnte die neue Funktion der Schachtel (als Kerzensims) erfasst werden. Die Aufgabenstellung wurde durch diese Funktionsveranderung
umstrukturiert
. Diese Art von Umstrukturierungsprozessen kann auch in der
Psychotherapie
eine große Rolle spielen. Explizit wurde Dunckers Ansatz der Problemlosung durch Umstrukturierung in die
Gestalttheoretische Psychotherapie
integriert.
[1]
- Zur Psychologie des produktiven Denkens
, Springer, Berlin 1935, ND 1974
ISBN 978-3-540-03487-2
- Behaviorismus und Gestaltpsychologie
. In:
Erkenntnis 3
, S. 162?176
- Lernen und Einsicht im Dienst der Zielerreichung
. In:
Acta Psychologica
, The Hague, 1, S. 77?82
- Ethical Relativity? An enquiry into the psychology of ethics
. In:
Mind 48
, S. 39?57 (Deutsche Ubersetzung erschienen in
Gestalt Theory 25
, 1/2-2003, S. 33?52)
- On Pleasure, Emotion, and Striving.
(PDF) 1941,
S. 391?430
,
abgerufen am 1. Januar 2022
(englisch).
(Deutsche Ubersetzung erschienen in
Gestalt Theory 24
, 2/2002, S. 75?116)
- Erscheinung und Erkenntnis des Menschlichen. Aufsatze 1927?1940. Hrsg. von H. Boege und H.-J. P. Walter
, Verlag Krammer, Wien 2008,
ISBN 3-901811-26-5
- D. Brett King, Michaella Cox, Michael Wertheimer:
Karl Duncker ? Productive Problems with beautiful Solutions
. In:
Gestalt Theory 25
, 1/2-2003, S. 95?110
- Hans-Jurgen Walter:
?Man kann einen Unterschied nicht toten“ ? Zum 100. Geburtstag Karl Dunckers
. In:
Gestalt Theory 25
, 1/2-2003, S. 7?52
- Wolfgang Zoller:
Produktives Denken und Psychotherapie
. In:
Gestalt Theory 15
, 3/4-1993, S. 217?226
- ↑
a
b
siehe dazu W. Zoller 1993,
Produktives Denken und Psychotherapie
- ↑
King, Cox & Wertheimer 2003:
Karl Duncker ? Productive Problems with beautiful Solutions
, S. 106ff.