Imia

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Imia (?μια) / Kardak
Gewasser Mittelmeer
Inselgruppe Dodekanes
Geographische Lage 37° 2′ 54″  N , 27° 8′ 51,1″  O Koordinaten: 37° 2′ 54″  N , 27° 8′ 51,1″  O
Imia (Griechenland)
Imia (Griechenland)
Lange 220 m
Breite 140 m
Flache 4,9 ha
Einwohner unbewohnt

Imia ( griechisch ?μια [ ?imja ] ( n. pl. )) ist die griechische Bezeichnung fur zwei kleine unbewohnte Inseln in der ostlichen Agais , die im Jahre 1996 Gegenstand eines Territorialstreits zwischen Griechenland und der Turkei waren. Der turkische Name der Inseln ist Kardak . Alternative Bezeichnungen sind Limnia (griechisch), ?kizce (turkisch) sowie Heipethes auf einigen alteren Karten.

Imia liegt rund 4,5 km ostlich der zu den sudlichen Sporaden ( Dodekanes ) zahlenden Insel Kalymnos und 7 km westlich der turkischen Kuste bei Bodrum . Es handelt sich um zwei Inseln ? eine etwas großere, westlich gelegene Insel und eine etwas kleinere, die sich etwa einen halben Kilometer ostlich befindet. Die Flache beider Inseln betragt etwa 4 ha.

Der Streit um Imia ist Teil eines umfassenderen Konflikts, der sich um die Nutzung des agaischen Kontinentalschelfs und die Definition der Seegrenzen, aber auch um die Grenzen des jeweiligen Luftraums dreht.

Historische Grenzregelungen

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Politische Karte der Region um die Inseln Imia/Kardak mit der Grenze entsprechend dem Ankara-Protokoll von 1932. Die Imia-Inseln sind mit ?G“ und als unter italienischer Souveranitat stehend (blau) gekennzeichnet.

Die Sudlichen Sporaden gehorten bis zum italienisch-turkischen Krieg zum Osmanischen Reich , das 1912 den Dodekanes an Italien abtreten musste. Eine endgultige Regelung uber den Besitz der Inseln traf dann der Friedensvertrag von Lausanne am 24. Juli 1923. Darin stimmte die Turkei der Abtretung des Dodekanes an Italien zu. Nach der Niederlage Italiens im Zweiten Weltkrieg gingen dessen Rechte an den Inseln auf Griechenland uber ( Pariser Friedenskonferenz 1946 ). Weder der Vertrag von Lausanne noch der von Paris zahlen aber alle betroffenen Inseln auf, sodass nicht eindeutig geklart ist, inwieweit auch Imia unter den Souveranitatsverzicht der Turkei auf den Dodekanes fallt.

In Artikel 12 des Vertrags von Lausanne heißt es, die Souveranitat fur einen Streifen von 3 (Land-)Meilen vor der turkischen Kuste verbleibe bei der Turkei, soweit anderweitig keine davon abweichenden Regelungen bestehen. Artikel 15 halt fest, dass die Turkei auf die 13 großten namentlich aufgezahlten Dodekanes-Inseln verzichtet, sowie ?auf die diesen benachbarten Inseln“. Imia liegt knapp außerhalb der 3-Meilen-Zone, ist allerdings auch nicht offensichtlich anderen Dodekanes-Inseln ?benachbart“ im Sinne des Artikels 15 ? die turkische Seite verweist darauf, dass sich Imia naher an der turkischen Kuste als an Kalymnos, der nachsten Insel, die explizit im Vertrag erwahnt wird, befinde und dass Imia daher, wenn schon nicht explizit als Besitz der Turkei, so doch zumindest als eine Insel zu betrachten sei, zu der der Vertrag keine endgultige Regelung getroffen habe. Griechenland dagegen argumentiert, dass aus dem Kontext heraus klar sei, dass die Turkei keinen Anspruch jenseits der 3 Meilen erheben konne.

Nach dem Abschluss des Lausanner Vertrages kam es vereinzelt zu unterschiedlichen Interpretationen zwischen Italien und der Turkei (die aber nicht direkt Imia betrafen). Um dies zu bereinigen, unterzeichneten beide Seiten im Jahre 1932 in Ankara ein Protokoll, das von Vertretern der beiden Außenministerien unterzeichnet wurde. Es legte die Grenze ? dokumentiert durch entsprechende kartographische Darstellungen ? genau fest; Imia wurde dabei Italien zugesprochen. Die Turkei wies im spateren Imia-Konflikt darauf hin, dass das Protokoll nicht den Status eines volkerrechtlichen Vertrags gehabt habe, die griechische Seite sieht darin dennoch eine bindende Vereinbarung und das damalige Eingestandnis der turkischen Seite, dass auf Imia verzichtet werde. Im Jahre 1950 waren außerdem die Grenzen des Luftraumes fur den Flugverkehr vereinbart worden. Im entsprechenden Abkommen wird auf die gegenseitig anerkannten Meeresgrenzen hingewiesen; fur die griechische Seite ein Hinweis darauf, dass von vertraglich nicht festgelegten Hoheitsrechten uber einzelne Inseln keine Rede sein konne. Karten zum Abkommen zeigen Imia als zu Griechenland gehorig. Die Turkei hat behauptet, es sei 1950 nicht um Souveranitatsfragen gegangen.

Tatsachliche Akte der Souveranitatsausubung des griechischen Staates hat es in Bezug auf Imia vor 1996 kaum gegeben, da die Inseln als zu unbedeutend angesehen wurden, zwischen 1984 und 2004 wurden sie jedoch regelmaßig von einem Hirten aus Kalymnos als Weidegrund benutzt. Der Hirte horte im April 2004 auf, die Inseln aufzusuchen, nachdem ihm 2002 der Fahrtkostenzuschuss fur sein Boot von der Gemeinde Kalymnos gestrichen worden war. [1] Auch mehrere andere Agais-Inseln, auf die die Turkei Anspruch erhebt, sind bewohnt, andere haben Leuchtturme u. a., wobei die Nutzung stets auf griechische Zugehorigkeit hinweist.

Was kartographische Darstellungen vor 1995 angeht, so zeigen die meisten (auch turkischen) Karten Imia als griechischen Besitz. Im Jahr 2004 reklamierte die Turkei, dass es griechische topographische Karten gabe, auf denen die nahegelegene Insel Zouka bzw. Topan Adası als griechischer Besitz markiert war, obwohl diese innerhalb der turkischen 3-Meilen-Zone liegt. [2] Dagegen zeigten die Karten der griechischen Marine Zouka stets als turkisches Territorium an. [3] Die griechische Seite gestand dies als technischen Fehler in den topografischen Karten ein und erklarte, dass Zouka in der Tat zur Turkei gehore.

Dritte Staaten haben sich aus der rechtlichen Bewertung der Hoheitsfrage bislang weitgehend herausgehalten. Die US-amerikanische Behorde National Imagery and Mapping Agency (NIMA), die am 1. Oktober 1996 gegrundet wurde, markiert die Inseln in ihren am 6. Oktober 1996 veroffentlichten Karten und in allen im Folgenden veroffentlichten Karten als ?Vrakhoi Imia“ (Imia-Felsen) unter griechischer Souveranitat, ohne Erwahnung des turkischen Namens ?Kardak“. [4]

Konflikt von 1995/96

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Die durchgezogene Linie rechts kennzeichnet die Grenzziehung gemaß Ankara-Protokoll von 1932. Die gestrichelte Linie links zeigt die Grenze der turkischen Gebietsanspruche.

Die Lage um Imia blieb bis Ende 1995 weitgehend ruhig; dagegen hatte es um andere Aspekte des Agais-Streits seit langerem Konflikte gegeben. Am 25. Dezember 1995 lief das turkische Frachtschiff Figen Akat vor Imia auf Grund und musste geborgen werden. Als griechische Ordnungskrafte zu Hilfe kamen, wies der Kapitan sie mit dem Argument ab, das Schiff befinde sich in turkischen Hoheitsgewassern und musse daher von turkischen Schleppern befreit werden; letztendlich wurde das Schiff von zwei griechischen Bergungsschleppern in den nahe gelegenen turkischen Hafen Kiuluk geschleppt. Am 29. Dezember stellte die Turkei Griechenland eine Verbalnote zu, in der argumentiert wurde, die Imia-Felseninseln seien Teil des turkischen Territoriums und gehorten zur Provinz Bodrum. Am 9. Januar ubermittelte Griechenland uber seine Botschaft in Ankara eine Verbalnote, in der das Vorgebrachte zuruckgewiesen wurde.

Der Vorfall fand zunachst kaum Beachtung in der Offentlichkeit.

Ein Bericht uber den Austausch der Verbalnoten anlasslich der Havarie in der griechischen Zeitung Gramma am 20. Januar 1996, einen Tag nach der Vereidigung des neuen griechischen Premierministers Konstantinos Simitis ( PASOK ), brachte den Stein ins Rollen. Der Sachverhalt wurde intensiv in den Medien diskutiert und der Burgermeister von Kalymnos und ein Priester begaben sich am 26. Januar nach Imia, um dort eine griechische Flagge zu setzen. Am 27. Januar ließen sich einige Journalisten der turkischen Zeitung Hurriyet mit einem Hubschrauber nach Imia fliegen, entfernten die griechische Flagge und setzten an ihre Stelle eine turkische; dies wurde live von einem turkischen Fernsehsender ausgestrahlt. Die griechische Regierung ( Kabinett Simitis I ) beorderte daraufhin ein Schiff ihrer Kriegsmarine nach Imia und ließ die turkische Flagge am 28. Januar wieder entfernen und an deren Stelle die griechische Flagge setzen. Ferner ließ Simitis die auf der ostlichen Insel angebrachte griechische Flagge durch einige Marinetaucher bewachen, auf der westlichen Insel wurden hingegen keine griechischen Soldaten stationiert. Es kam zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen der turkischen Regierungschefin Tansu Ciller und Simitis. Wahrend seiner ersten Regierungserklarung als griechischer Ministerprasident am 29. Januar wies Simitis die Forderung Cillers, dass um den Status der Inseln verhandelt werden musse, zuruck. Die Flotten beider Staaten wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Ein Schlichtungsversuch des US-Prasidenten Bill Clinton , der am Morgen des 30. Januar begann, blieb ergebnislos.

Gegen 14:30 Uhr des 30. Januar waren laut den Aufzeichnungen des griechischen Generalstabs [5] im Großraum um die Imia-Inseln bis zur Zentral-Agais 33 Kriegsschiffe anwesend, davon 15 griechische und 18 turkische. Gegen 18:00 Uhr versuchten ein Schnellboot und gleichzeitig ein Schlauchboot der turkischen Marine , Einheiten auf Imia anzulanden, beide wurden jedoch von griechischen Schnellbooten abgedrangt. In einer nachtlichen Kommandooperation ließ die Turkei am 31. Januar um 1:40 Uhr die unbewachte westliche der beiden Imia-Inseln durch eine militarische Einheit besetzen. Ein Hubschrauber der griechischen Marine sturzte um 4:50 Uhr bei einem Beobachtungsflug nahe der westlichen Imia ab; alle drei Insassen starben, wobei inoffiziell von griechischer Seite turkischer Beschuss dafur verantwortlich gemacht wurde; offiziell wurde dieser Vorfall aber nicht weiter kommentiert. [6]

US-Prasident Clinton sowie US-Diplomat Richard Holbrooke und NATO -Generalsekretar Javier Solana fuhrten erneut Vermittlungsgesprache. Die turkischen und griechischen Kriegsschiffe zogen sich aus dem Gebiet um Imia zuruck. [7] Der Gebietsstreit wurde nicht beigelegt; Ministerprasident Simitis nannte das Vorgehen der Turkei aggressiv. [8]

Weitere Entwicklung

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Griechenland und die Turkei waren seit Jahrzehnten in einen kostspieligen Rustungswettlauf verstrickt. 1999 begann ein Dialog, mit dem Athen die Hoffnung verband, dieses Wettrusten beenden zu konnen. Als sich diese ? etwa 2008 ? zerschlug, begann Griechenland Verhandlungen mit Waffenlieferanten, um unter anderem 6  Fregatten , 17 Hubschrauber (geschatzte Kosten einschließlich Bewaffnung: rund 3,7 Mrd. Euro) und 5  Aufklarungsflugzeuge fur die Marine (250 Mio. Euro) zu kaufen. Zudem verhandelten Athen und Russland uber die Lieferung von 415 Schutzenpanzern . [9] Der BMP-3 ist ein Mix aus Schutzenpanzer und leichtem Kampfpanzer .

Die rechtsextreme neonazistische griechische Partei Chrysi Avgi verwendet (Stand 2013) die Thematik des Hubschrauberabsturzes jahrlich, um Stimmung fur territoriale Anspruche gegenuber der Turkei zu machen. [10] [11]

Im Februar 2013 entließ SYRIZA Nassos Theodoridis als ihren Vertreter in der Menschenrechtskommission des griechischen Parlaments. Dieser hatte zuvor geaußert, die Imia-Inseln gehorten zur Turkei und Griechenland solle die internationale 12-Seemeilen -Zone der Turkei respektieren. Außerdem nannte er die Inseln beim turkischen Namen ?Kardak“ und bezeichnete die nationale Souveranitat Griechenlands als eine Erfindung, die dazu diene, ?die unterdruckten Massen zu kodern“. SYRIZA distanzierte sich von den Außerungen. [12] [13] [14]

In Gedenken an den 19. Jahrestag des Hubschrauberabsturzes loste der drei Tage zuvor vereidigte griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos ( ANEL ) am 30. Januar 2015 in Begleitung hochrangiger Militars mit einem Uberflug der Inselgruppe und Abwurf von Trauerkranzen einen Einsatz turkischer und griechischer Kampfflugzeuge aus. [15] [16]

Am 17. Januar 2018 kollidierten ein Boot der turkischen Kustenwache und das Kanonenboot Nikiforos der griechischen Kriegsmarine in unmittelbarer Nahe zu den Imia-Inseln. Es kam zu keinen Beschadigungen an den Schiffen. [17]

Am 13. Februar 2018 rammte kurz nach Mitternacht ein Schiff der turkischen Kustenwache das Patrouillenboot der griechischen Kustenwache Gavdos , das in unmittelbarer Nahe der Insel Imia patrouillierte. [18] Laut Angaben der griechischen Kustenwache konnte das leichtere griechische Boot aufgrund seiner Wendigkeit dem wesentlich großeren turkischen Schiff gerade noch ausweichen und einen schwerwiegenden senkrechten Aufprall auf der linken Seite vermeiden, es wurde jedoch dennoch am Heck gestreift und schwer beschadigt. Der Vorfall wird allgemein als der schwerwiegendste Zwischenfall vor Imia seit 1996 angesehen.

  1. NEWSROOM IEFIMERIDA.GR: Πρ?στιμο 50.000 ευρ? στον πρ?ην δ?μαρχο Καλ?μνου γιατ? πλ?ρωνε βοσκ? να πηγα?νει στα Ιμια [β?ντεο]. 5. Juli 2017, abgerufen am 23. Dezember 2023 (griechisch).
  2. Various Maps of the Imia islets. In: Hri.org. Abgerufen am 23. Dezember 2023 .
  3. Imia Rocks Maps. Hri.org, abgerufen am 25. August 2015 (englisch).
  4. State Dept. to Pentagon : Imia is Greek. In: Hri.org. Abgerufen am 23. Dezember 2023 .
  5. Zeitschrift defencenet vom 7. Januar 2011: Imia 15 Jahre spater.
  6. Katharina Hadjidimos: The Role of the Media in Greek-Turkish Relations. ( Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive ) (PDF; 131 kB)
  7. handelsblatt.com / Gerd Hohler 10. April 2018: Griechenland und die Turkei rusten auf
  8. Stefan Simons, Dieter Bednarz: ≫Unser Nachbar ist aggressiv≪ . In: Der Spiegel . 2. November 1997, ISSN   2195-1349 ( spiegel.de [abgerufen am 23. Dezember 2023]).
  9. Griechenland rustet auf ? gegen die Turkei. In: Tagesspiegel . 28. Januar 2009 ( Online ).
  10. Golden dawn vows to put a Greek flag on disputed Kardak islets. hurriyetdailynews.com vom 3. Februar 2013
  11. Golden Dawn Marks 1996 Imia Crisis. greece.greekreporter.com vom 3. Februar 2013
  12. SYRIZA Sacks MP For Backing Turkey. Greek Greece Reporter, 7. Februar 2013
  13. SYRIZA distances itself from Nasos Theodoridis. To Vima , 7. Februar 2013
  14. Leftist MP sacked from parliamentary commission following controversial Imia comments. Ekathimerini , 7. Februar 2013.
  15. zeit.de
  16. spiegel.de: Nationalistischer Stunt: Griechischer Verteidigungsminister lost turkischen Kampfjet-Einsatz aus.
  17. enikos.gr: Video-Dokument: Das Vorkommnis bei Imia zwischen den Kanonenboot Nikiforos und dem turkischen Boot (griech.)
  18. n-tv NACHRICHTEN: Turkei riskiert Eskalation im Mittelmeer. Abgerufen am 23. Dezember 2023 .