Durch die
Kapitulationen von Santa Fe
(
spanisch
Capitulaciones de Santa Fe
) beauftragte das kastilische Konigspaar
Isabella
und
Ferdinand
am 17. April 1492 im
Heerlager
von
Santa Fe
den Seefahrer
Christoph Kolumbus
, eine Entdeckungsreise in den
Atlantischen Ozean
zu unternehmen mit dem Ziel, dort ?Waren jedweder Art, seien es Perlen, Edelsteine, Gold, Silber, Gewurze und andere Dinge, zu kaufen, zu tauschen, zu finden und zu erwerben.“ Im Gegenzug wurden ihm in den von ihm entdeckten Gebieten hohe Staatsamter und Gewinne aus dem Handel mit diesen Gebieten zugesichert.
[1]
Die Kopie der Kapitulationen von Santa Fe, die sich im Archiv der
Krone von Aragonien
in
Barcelona
befindet, wurde im Jahr 2009 durch die
UNESCO
zum
Weltdokumentenerbe
erklart.
[2]
Zur Finanzierung von Entdeckungsfahrten und Eroberungszugen durch private Investoren entwickelte die Krone von Kastilien am Ende des 15. Jahrhunderts die
Kapitulationen
.
[3]
In ihnen wurden die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen den Kapitulanten und Vertretern der Krone zusammengefasst. Sie enthielten die durch die Kapitulanten zu erbringenden Leistungen und die Zusagen der Krone. Diese Urkunden stellten formalrechtlich keine
Vertrage
dar, da sie nur eine
Willenserklarung
im Namen des Konigs oder der Konigin beinhalteten und nicht von den Kapitulanten unterschrieben wurden. In den Kapitulationen wurden nicht nur zivilrechtliche Anspruche wie die Verteilung des Gewinns aus den Handelsunternehmen behandelt, sondern auch Steuervorteile zugesichert oder verwaltungsrechtliche (?beamtenrechtliche“) Zusagen bezahlter Staatsamter gemacht, die so in einem zweiseitigen Vertrag unter Gleichen nicht denkbar sind.
[4]
Ob die zugesagten Privilegien einklagbar waren, ist umstritten. Auf jeden Fall waren die Inhaber der durch die Kapitulationen auf Lebenszeit verliehenen Amter nicht vor Amtsenthebungen wegen mangelhafter Amtsfuhrung geschutzt.
[5]
Im Jahr 1484 legte Kolumbus seinen Plan, die Herkunftslander der
Luxusguter
wie
Seide
und
Gewurze
auf dem Seeweg nach Westen zu erreichen, dem portugiesischen Konig
Johann II.
vor, um von ihm Schiffe und Mannschaften zu bekommen mit denen er nach
Cipangu
reisen wollte. Der Konig beauftragte eine
Expertenkommission
mit der Prufung des Plans. Diese lehnte eine Unterstutzung einer solchen Reise ab.
Nach dem Tod seiner Ehefrau reiste Kolumbus 1485 nach
Palos
im
Konigreich Sevilla
. In dem
Franziskanerkloster
La Rabida lernte er Fray Antonio de Marchena kennen. Der brachte ihn mit dem Herzog von Medinaceli zusammen. Im Mai 1486 konnte Kolumbus in
Cordoba
sein Vorhaben zum ersten Mal Konigin Isabella von Kastilien personlich darlegen.
Wie schon der Konig von Portugal beriefen auch die Konigin und der Konig von Kastilien eine Kommission aus
Astronomen
,
Kartografen
und
Seefahrern
ein.
Die Experten unter dem Vorsitz des koniglichen
Beichtvaters
Hernando de Talavera
untersuchten in den letzten Monaten des Jahres 1486 und den ersten des Jahres 1487 den Plan von Kolumbus und beriet mit ihm selbst verschiedene Aspekte der Durchfuhrung. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die von Kolumbus vorgelegten Zahlen zur Entfernung der Lander im Osten wie auch des Erdumfangs fehlerhaft seien.
[6]
Die Herrscher ließen Kolumbus wissen, dass sie derzeit nicht an dem Plan interessiert seien, dass sie andere dringendere Angelegenheiten zu erledigen hatten und deswegen spater, wenn die Gelegenheit gunstiger sei, darauf zuruckkommen wurden. Es wird vermutet, dass diese recht verschleierte Nachricht an Kolumbus, in der jeder Bezug auf die unvorteilhafte Entscheidung der Versammlung vermieden wurde, auf den Einfluss
Diego de Dezas
, des damaligen Lehrers des Kronprinzen Johann, zuruckzufuhren war.
[7]
Als im Winter 1491 der Sieg im Krieg gegen das Emirat Granada absehbar war, empfing Konigin Isabella Kolumbus im Militarlager von Santa Fe, in der Nahe Granadas. Der Inhalt und der Ablauf des Gespraches sind nicht bekannt. Als Ergebnis berief die Konigin aber erneut eine Expertenkommission ein, die sich mit den Planen, aber auch mit den Forderungen Kolumbus’ beschaftigte. In der Kommission, die wieder unter dem Vorsitz des damaligen Beichtvaters der Konigin Hernando Talavera tagte, waren die Befurworter des Projektes starker vertreten als in der vorhergehenden Kommission. Ausschlaggebend fur die erneut ablehnende Entscheidung waren die Darlegungen der Kosmografen und Seefahrer, die eindeutig klarstellten, dass die Berechnungen des Kolumbus’ falsch waren. Ihre Gesichtspunkte uberwogen und das endgultige Urteil kam zu dem Schluss, dass der Plan der Reise komplett undurchfuhrbar sei.
[8]
Auch Forderungen Kolumbus’, wie die Verleihung des Amtes eines
Vizekonigs
und die Beforderung zum
Admiral
, wurden fur einen Auslander abgelehnt. Kolumbus soll, als er von der erneuten Ablehnung seines Projektes erfuhr, unverzuglich in Richtung Palos abgereist sein.
Nach dem Gesprach zwischen der Konigin und Kolumbus scheint
Luis de Santangel
die Konigin umgestimmt zu haben. Er brachte vor, dass die Unterstutzung des Plans des Kolumbus’ fur die Krone kaum ein Risiko bedeute, da die Zusagen nur fur den Fall des Gelingens der Reise gemacht wurden. Luis de Santangel war bereit, einen Teil der Kosten fur die Ausrustung der Schiffe zu ubernehmen. Den Rest konne Kolumbus sich von Freunden und Geschaftsleuten vorschießen lassen. Die Schiffe konnten aus den Mitteln bezahlt werden, die die Stadt Palos der Krone schuldete. Kolumbus wurde durch einen Boten aufgefordert, zu Verhandlungen nach Santa Fe zuruckzukehren.
Konig Ferdinand entschied, dass die Angelegenheit von nur zwei Personen behandelt werden solle: Hernando de Talavera und Diego de Deza. Beide sollten sich mit Christoph Kolumbus zusammenfinden um eine Einigung zu erzielen.
[9]
In den folgenden drei Monaten wurden zwischen den Vertretern der Krone von Kastilien und Kolumbus die Bedingungen ausgehandelt unter denen die Entdeckungsreise durchgefuhrt werden sollte. Am 17. April 1492 unterschrieben Konig Ferdinand und Konigin Isabella die Kapitulationen zusammen mit weiteren die Reise betreffenden Dokumenten.
[10]
Im Text der Kapitulationen wird der Zweck der Reise nicht ausdrucklich genannt. Es sollten Inseln und Festlander im Atlantischen Ozean entdeckt und gewonnen werden. Das entdeckte Land sollte fur die Konigin und den Konig in Besitz genommen werden. Die Ernennungen zum Vizekonig und Gouverneur deuten auf die Absicht hin, eine dauerhafte Verbindung der durch Kolumbus zu entdeckenden Lander mit den Konigen von Kastilien zu schaffen. Die Ausrustung der Expedition weist nicht darauf hin, dass Siedlungskolonien gegrundet werden sollten. Eine Missionierung der Bevolkerung der neu entdeckten Gebiete war, zumindest bei der ersten Reise, nicht vorgesehen. Unter den 87 Expeditionsteilnehmern waren zwei Beamte zur Uberwachung der Einhaltung der Abmachungen, ein Schreiber zur Protokollierung der Landnahme, ein Dolmetscher mit Kenntnissen der arabischen und hebraischen Sprache fur die Kontaktaufnahme mit den Fremden, es gab aber keinen Geistlichen.
[11]
Es ist wahrscheinlich, dass der Zweck der Reise langfristig der Aufbau von Handelsstutzpunkten nach dem Vorbild der Portugiesen in Westafrika war. In den Kapitulationen heißt es, dass Waren jedweder Art, seien sie Perlen, Edelsteine, Gold, Silber, Gewurze und andere Dinge, gekauft, getauscht, gefunden und erworben werden sollten.
Die Pflichten des Kapitulanten sind in den Kapitulationen von Santa Fe nicht ausdrucklich aufgefuhrt. Aus dem Text ergibt sich aber die Verpflichtung, eine Reise in den Atlantischen Ozean zu unternehmen und dort Inseln und Festland zu entdecken und im Auftrag der Konigin und des Konigs in Besitz zu nehmen. Daruber hinaus sollte Kolumbus fur die Konigin und den Konig wertvolle Waren erwerben.
- Kolumbus wurde der Titel eines Admirals mit allen damit verbundenen Rechten in allen von ihm entdeckten Gebieten zugesichert. Damit verbunden war eine Erhebung in den hohen
Adel
. Der Titel sollte vererbbar sein.
- Aus diesem Amt ergab sich, dass Kolumbus zum Richter in allen Streitfallen ernannt werden sollte, die sich in Zukunft aus dem Handel mit den von ihm entdeckten Gebieten ergeben wurden.
- Kolumbus sollte in allen von ihm entdeckten Gebieten die Stellung eines Vizekonigs und Gouverneurs erhalten, mit dem Recht, fur jedes zu bestellende Amt drei Kandidaten vorzuschlagen, von denen einer durch die Krone ausgewahlt werden sollte.
Zusagen der Krone im Bezug auf wirtschaftliche Vorteile
[
Bearbeiten
|
Quelltext bearbeiten
]
- Kolumbus sollte von allen in den entdeckten Gebieten eingehandelten Waren ein Zehntel zustehen.
- Kolumbus sollte berechtigt sein, sich in Zukunft an den Ausrustungskosten fur jedes Schiff, das in die von ihm entdeckten Gebiete segelte, mit einem Achtel zu beteiligen und dafur ein Achtel des eingebrachten Gewinns zu erhalten.
[12]
Bereits nach den ersten Reisen des Kolumbus begannen die Konigin und der Konig die ihm in den Kapitulationen von Santa Fe eingeraumten Zugestandnisse einzuschranken. Aufgrund von Klagen der Kolonisten entsandten die Konigin und der Konig, wie es damals ublich war, einen mit allen Vollmachten ausgestatteten Untersuchungsrichter (juez pesquisidor) nach Santo Domingo, der die Amtsfuhrung Kolumbus’ als Vizekonig und Gouverneur uberprufen und gleichzeitig fur die Dauer der Ermittlungen die Regierungsgewalt ubernehmen sollte. Die folgenden Prozesse, Revisionen von Maßnahmen und erneuten Verfahren zogen sich auch nach Kolumbus’ Tod im Jahr 1506 bis zur Mitte der 1530er Jahre hin.
[13]
- ↑
Richard Konetzke:
Lateinamerika seit 1492
. Klett, Stuttgart 1970,
S.
3
.
zitiert nach
Barbara Stollberg-Rilinger:
Einfuhrung in die Fruhe Neuzeit.
Historisches Seminar der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster, 2003,
abgerufen am 1. Juni 2019
.
- ↑
Santa Fe Capitulations.
UNESCO, 2017,
abgerufen am 1. Juni 2019
(englisch).
- ↑
Horst Pietschmann:
Die staatliche Organisation des kolonialen Iberoamerika
. Handbuch der lateinamerikanischen Geschichte : Teilveroffentlichug. 1. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1980,
ISBN 3-12-911410-6
,
S.
21
f
.
- ↑
Marta Milagros de Vas Mingo:
Las capitulaciones de Indias en el siglo XVI
. Instituto de cooperacion iberoamericana, Madrid 1986,
ISBN 84-7232-397-8
,
S.
43
f
. (spanisch).
- ↑
Horst Pietschmann:
Die staatliche Organisation des kolonialen Iberoamerika
. Handbuch der lateinamerikanischen Geschichte : Teilveroffentlichug. 1. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1980,
ISBN 3-12-911410-6
,
S.
29
.
- ↑
Miguel Molina Martinez:
Fray Hernando de Talavera y Colon
. In:
Navegamerica
.
Nr.
1
, 2008,
ISSN
1989-211X
,
S.
5
f
. (spanisch,
[1]
[abgerufen am 1. Juli 2019]).
- ↑
Miguel Molina Martinez:
Fray Hernando de Talavera y Colon
. In:
Navegamerica
.
Nr.
1
, 2008,
ISSN
1989-211X
,
S.
7
(spanisch,
[2]
[abgerufen am 1. Juli 2019]).
- ↑
Miguel Molina Martinez:
Fray Hernando de Talavera y Colon
. In:
Navegamerica
.
Nr.
1
, 2008,
ISSN
1989-211X
,
S.
8
(spanisch,
[3]
[abgerufen am 1. Juli 2019]).
- ↑
Miguel Molina Martinez:
Fray Hernando de Talavera y Colon
. In:
Navegamerica
.
Nr.
1
, 2008,
ISSN
1989-211X
,
S.
9
(spanisch,
[4]
[abgerufen am 1. Juli 2019]).
- ↑
Urs Bitterli:
Die Entdeckung Amerikas : von Kolumbus bis Alexander von Humboldt
. Neuausgabe Auflage. Beck, Munchen 1999,
ISBN 978-3-406-42122-8
,
S.
50
ff
.
- ↑
Urs Bitterli:
Die Entdeckung Amerikas : von Kolumbus bis Alexander von Humboldt
. Neuausgabe Auflage. Beck, Munchen 1999,
ISBN 978-3-406-42122-8
,
S.
56
.
- ↑
Richard Konetzke:
Lateinamerika seit 1492
. Klett, Stuttgart 1970,
S.
3
.
zitiert nach
Barbara Stollberg-Rilinger:
Einfuhrung in die Fruhe Neuzeit.
Historisches Seminar der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster, 2003,
abgerufen am 1. Juni 2019
.
- ↑
Horst Pietschmann:
Die staatliche Organisation des kolonialen Iberoamerika
. Handbuch der lateinamerikanischen Geschichte : Teilveroffentlichug. 1. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1980,
ISBN 3-12-911410-6
,
S.
29
.
- Urs Bitterli:
Die Entdeckung Amerikas : von Kolumbus bis Alexander von Humboldt
. Neuausgabe Auflage. Beck, Munchen 1999,
ISBN 978-3-406-42122-8
.
- Miguel Molina Martinez:
Fray Hernando de Talavera y Colon
. In:
Navegamerica
.
Nr.
1
, 2008,
ISSN
1989-211X
,
S.
1?16
(spanisch,
[5]
[abgerufen am 1. Juli 2019]).
- Barbara Stollberg-Rilinger:
Einfuhrung in die Fruhe Neuzeit.
Historisches Seminar der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster, 2003,
abgerufen am 1. Juni 2019
.
- Horst Pietschmann:
Die staatliche Organisation des kolonialen Iberoamerika
. Handbuch der lateinamerikanischen Geschichte : Teilveroffentlichug. 1. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 1980,
ISBN 3-12-911410-6
.
- Horst Pietschmann
:
Estado y conquistadores: Las Capitulaciones
. In:
Historia
.
Nr.
22
, 1987,
S.
249?262
(spanisch,
[6]
[abgerufen am 3. Februar 2018]).
- Marta Milagros de Vas Mingo:
Las capitulaciones de Indias en el siglo XVI
. Instituto de cooperacion iberoamericana, Madrid 1986,
ISBN 84-7232-397-8
(spanisch).