Die
Rippen-
oder
Kammquallen
(Ctenophora von
altgriechisch
κτε??
kteis
?Kamm“ [
Genitiv
κτεν??
ktenos
] und
φ?ρειν
pherein
?tragen“) sind ein
Stamm
des Tierreichs. Ihr wissenschaftlicher Name bezieht sich auf die kammartigen Plattchen, mit denen die im Deutschen namensgebenden ?Rippen“ bedeckt sind.
Auch wenn sie oberflachlich betrachtet wie
Quallen
aussehen, gelten sie zoologisch nicht als echte Quallen; nicht zuletzt weil ihnen die fur diese charakteristischen
Nesselzellen
fehlen. Die mehr als 100 Arten der Rippenquallen sind weltweit in den Ozeanen verbreitet und stellen regional einen bedeutenden Anteil der gesamten
Plankton
-
Biomasse
. Einige Arten, wie etwa die auch in der Nordsee heimische
Seestachelbeere
(
Pleurobrachia pileus
), konnen in so hoher Zahl auftreten, dass sie als unerwunschter
Beifang
die Fischernetze der Kustenfischer verstopfen. Von anderen Arten treten dagegen nur wenige Exemplare auf. Der fragile Bau der Rippenquallen erschwert die Erforschung ihrer Lebensweise erheblich. Altersangaben liegen aus diesem Grunde nicht vor, obwohl bekannt ist, dass Rippenquallen schon vor dem Erreichen ihrer Erwachsenengroße mit der Fortpflanzung beginnen konnen und daher vermutlich einen kurzen Generationszyklus haben.
In der klassischen Taxonomie wurden die Rippenquallen mit den
Nesseltieren
(Cnidaria) zu den
Hohltieren
(Coelenterata) zusammengefasst. Eine enge Verwandtschaftsbeziehung zu den Nesseltieren ist aber nach Untersuchungen, die auch molekulare Methoden, wie den Vergleich von DNA-Sequenzen, mit einbeziehen, eher unwahrscheinlich. Die tatsachliche Stellung und Verwandtschaft der Rippenquallen ist umstritten.
Rippenquallen sind, von einer durch symbiotisch lebende Algenzellen hervorgerufenen Farbung abgesehen, in der Regel farblos und werden oft nur einige Zentimeter groß. Ausnahmen sind etwa die Arten der Gattung
Cestum
, die einen Durchmesser von anderthalb Metern erreichen konnen.
Einige Arten, die in tieferen Gewassern vorkommen, sind rot gefarbt, zum Beispiel die in mehreren Hundert Metern Wassertiefe gefundene, 2020 neu beschriebene
Vampyroctena delmarvensis
(Ordnung
Cydippida
). Es wird angenommen, dass die Farbe der Tarnung dient: Rot ist zwar im direkten Sonnenlicht auffallig, unter Schwachlicht in großer Wassertiefe aber von Schwarz nicht zu unterscheiden.
[1]
Andere rotgefarbte Arten, wie die sogenannte Rote Tortuga, sind nur von Filmaufnahmen in der Tiefsee bekannt. Die Art
Eurhamphaea vexilligera
kann eine leuchtend rote Tinte freisetzen, die moglicherweise der Ablenkung von Fressfeinden dient.
Rippenquallen sind beinahe ausnahmslos
radialsymmetrisch
; ihre Hauptkorperachse verlauft zwischen dem Mund und dem
Statocyste
genannten
Gleichgewichtsorgan
, das dem Mund genau gegenuberliegt. Diese Symmetrie wird im unteren Teil der Tiere außerlich durchbrochen von den beiden
Tentakeln
, im oberen Bereich durch den Bau des Verdauungsraumes, der in mehrere Kanale aufgetrennt ist. Die untere Symmetrieebene ist gegenuber der oberen um 90 Grad versetzt, man spricht von einer
Disymmetrie
oder einem biradialen Bau der Tiere.
Der Korper besteht aus zwei transparenten Zellschichten, die als Außenhaut (Ectodermis) und Innenhaut (Gastrodermis) bezeichnet werden. Die von zwei Zellschichten gebildete Ectodermis ist meist von einer Schutzschicht aus Schleim bedeckt, der von speziellen Drusenzellen abgesondert wird. Die Gastrodermis umschließt einen Hohlraum, der als
Magen
dient und nur von der Mundoffnung zuganglich ist, an die sich ein langer schmaler Schlund anschließt. Gefangene Beute wird im Schlund durch starke
Verdauungsenzyme
vorverdaut und im Magen vollends zersetzt. Außer zwei kleinen, so genannten Analporen, die allerdings nicht der Ausscheidung dienen, gibt es keinen separaten Ausgang aus dem Magen, so dass die unverdaulichen Abfallstoffe durch den Mund entfernt werden.
Der Zwischenraum von Innen- und Außenschicht wird von einer dicken transparenten geleeartigen Schicht, der von
Kollagen
und
Bindegewebszellen
gebildeten
Mesogloea
, eingenommen, die von zahlreichen kleinen Kanalchen durchzogen ist, die dem Transport und der Speicherung der aufgenommenen Nahrstoffe dienen. Die Lage der Kanale ist von Art zu Art verschieden, doch verlaufen sie meist direkt unterhalb der von ihnen versorgten Gewebe. Das extrazellulare Netz aus
Strukturproteinen
wird von speziellen amobenartigen Zellen aufrechterhalten.
Auch fur den
statischen Auftrieb
der Tiere spielt die Mesogloea vermutlich eine Rolle. Geißelrosetten, die sich in den Kanalen des Verdauungssystems befinden, dienen vermutlich dazu, Wasser aus der Mesogloea heraus oder in sie hineinzupumpen, wenn sich der osmotische Wasserdruck verandert, etwa weil das Tier aus salzhaltigem Meerwasser in kustennahes Brackwasser schwimmt. Ein spezielles
Kreislaufsystem
gibt es bei den Rippenquallen nicht, auch fur die
Atmung
gibt es keine besonderen
Organe
; der Gasaustausch und wohl auch die Ausscheidung von Abfallprodukten des Zellstoffwechsels wie
Ammoniak
erfolgt uber die gesamte Korperoberflache hinweg durch einfache
Diffusion
. Den Korper durchzieht ein einfaches
Nervennetz
ohne ?
Gehirn
“, das um Schlund, Tentakel, ?Rippen“ und Statocyste herum konzentriert und mit den in der Mesogloea und der inneren Zellschicht der Außenhaut befindlichen Muskelzellen verbunden ist.
Ein spezialisiertes System der Rippenquallen ist die
Statocyste
, die als Gleichgewichtsorgan dient und die Fortbewegung der Tiere kontrolliert. Sie befindet sich auf der der Mundoffnung abgewandten Korperseite und besteht aus einer als
Statolith
bezeichneten Ansammlung von einigen hundert Kalkzellen einerseits und vier horizontal angeordneten Gruppen von schlangenformigen
Geißeln
andererseits. Verandert die Rippenqualle durch außere Einflusse ihre Lage im Raum, so ubt der Statolith auf eine der vier Geißelgruppen starkeren Druck aus als auf die drei anderen. Dieser Sinneseindruck wird auf die Außenhaut weitergeleitet, die von insgesamt acht langsseitigen Bandern, den namensgebenden Rippen durchzogen ist. Auf diesen Bandern befinden sich in einer Reihe hintereinander angeordnet kleine Plattchen, die aus Hunderten miteinander verschmolzener und etwa zwei Millimeter langer Geißeln bestehen und auch als
Membranellen
bezeichnet werden. Durch reihenweise Aufrichtung dieser Plattchen kommt es zu einem regelrechten Ruderschlag, der, wenn er zwischen den acht Rippen richtig synchronisiert ist, die ursprungliche Lage wiederherstellen kann. Eine Geißelgruppe der Statocyste ist fur die Anregung der Schlagbewegung auf je einem Quadranten zustandig und kontrolliert als Schrittmacher jeweils zwei Kammrippen. Der Schlagrhythmus wird auf mechanische Weise und nicht durch Nervenimpulse ubertragen. Die Schlagbewegung der angeregten Geißelplattchen setzt sich in Wellen uber die Rippen fort. Die so entstehenden Bewegungsmuster erzeugen bei geeigneter Beleuchtung
Interferenzfarben
und sind zum Beispiel im Sonnenlicht mit bloßem Auge als regenbogenfarbig durchlaufende Lichtreflexe entlang der Rippen sichtbar.
Ob erhohter Druck auf die Geißelgruppen der Statocyste die Schlagfrequenz herauf- oder herabsetzt, hangt von der ?Stimmung“ oder
Geotaxis
der Rippenqualle ab: Ist sie positiv, wird die Frequenz bei Druckzunahme herabgesetzt, so dass sich die Rippenqualle mit dem Mund nach unten ausrichtet und von der Wasseroberflache wegschwimmt. Ist sie dagegen negativ, nimmt die Frequenz zu, die Rippenqualle richtet ihr Vorderende nach oben und schwimmt auf die Wasseroberflache zu. Die ?Stimmung“ der Rippenqualle wird durch vom Nervennetz verarbeitete Sinneseindrucke bestimmt.
Bei den meisten Arten finden sich vor der Mundoffnung zwei einander gegenuberstehende einziehbare Tentakel, die aus je einer Tentakelscheide entspringen und dem Fang von Beutetieren dienen. Sie tragen oft seitlich eine Reihe fadenartiger Filamente, die Tentillen, die anders als bei den Nesseltieren nicht mit Nessel-, sondern mit so genannten ?Lassozellen“, den
Colloblasten
besetzt sind. Diese bestehen aus einem mit kleinen Klebekorperchen ubersaten Kopf, einem kurzen schlanken Haltefaden und einem langeren darumgewundenen Spiralfaden. Bei Beruhrung wirkt diese Konstruktion wie eine Sprungfeder, die den Klebekopf auf die Beute schleudert. Die Colloblasten werden wie auch die Tentakel als ganzes regelmaßig regeneriert.
Alle Rippenquallen mit Ausnahme der Arten der Gattung
Beroe
(deswegen als
Nuda
oder Atentaculata bezeichnet) besitzen Tentakel. Auch manche
Lobata
setzen anstelle der Tentakel eher ihre muskeldurchzogenen Mundlappen zur Nahrungsbeschaffung ein, die dann einfach uber ihre Beute gestulpt werden.
Rippenquallen sind erstaunlich regenerationsfahige Tiere: Selbst wenn die Halfte eines Individuums zerstort wird, kann sie von der verbleibenden Halfte oft wiederhergestellt werden. Dies gilt auch fur einzelne Organe wie die Statolithen, die selbst nach Totalverlust noch regeneriert werden konnen.
Viele Rippenquallen lassen sich einfach von der Meeresstromung treiben. Auf kurze Distanzen konnen sie auch durch den Ruderschlag ihrer Geißelplattchen aktiv schwimmen und zwar je nach ?Ruderrichtung“ in Bezug auf die Mundoffnung vorwarts oder ruckwarts. Sie sind damit die großten Tiere, die zur Fortbewegung noch Geißeln benutzen, und erreichen damit immerhin Geschwindigkeiten von etwa funf Zentimetern pro Sekunde. Ein moglicher evolutionarer Vorteil wird darin gesehen, dass durch den gleichmaßigen Ruderschlag weder Beutetiere noch mogliche Fressfeinde wie andere Rippenquallen durch von Muskelbewegungen ausgeloste Vibrationen auf sie aufmerksam werden.
Manche Arten setzen allerdings zusatzlich die Muskelzellen ihrer Mundlappen zum Schwimmen ein, andere bewegen sich durch wellenformige Korperbewegungen voran oder kriechen wie ein
Plattwurm
.
Rippenquallen leben rauberisch. Durch ihre Tentakel fangen sie
Plankton
,
Tierlarven
,
Wurmer
,
Krebse
,
Nesseltiere
und andere Rippenquallen, aber zuweilen auch kleine
Fische
. Sind die Tentakel mit Nahrungspartikeln behaftet, konnen sie eingezogen und an der Mundoffnung abgestreift werden. Durch abgesonderten Schleim oder innere Geißeln werden sie von dort in den Magen befordert. Die Arten der Gattung
Haeckelia
ernahren sich beinahe ausschließlich von Nesseltieren, deren Nesselzellen jedoch nicht verdaut, sondern als so genannte
Kleptocniden
in den Tentakeln eingebaut werden. Dieser ?Diebstahl“ hat historisch unter Zoologen lange Zeit fur Verwirrung gesorgt, da falschlicherweise angenommen wurde, dass auch Rippenquallen in der Lage sind, Nesselzellen zu bilden.
Wie eine ganze Reihe von Nesseltieren leben auch die Rippenquallen zuweilen mit diversen
Algen
, die sie durch
Photosynthese
mit energiereichen
Kohlenhydraten
versorgen, in einer
symbiotischen
Beziehung zusammen.
Parasitismus
scheint nur bei einer einzigen Art,
Lampea pancerina
vorzukommen, die in
Manteltieren
(Tunicata) schmarotzt.
Zu den Fressfeinden der Rippenquallen zahlen Nesseltiere,
Meeresschildkroten
(Cheloniidae), verschiedene Fische wie zum Beispiel
Makrelen
(Scombridae) oder der
Seehase
(
Cyclopterus lumpus
),
Seevogel
sowie nicht zuletzt andere Rippenquallen.
Alle Rippenquallen leben im Meer, manche davon in bis zu drei Kilometern Tiefe. Ihr Verbreitungsgebiet wird in erster Linie durch Wasserstromungen bestimmt, insbesondere durch die
Gezeiten
. Auch in der Nordsee kommen einzelne Arten vor, so beispielsweise die so genannte Seestachelbeere (
Pleurobrachia pileus
) oder die
Melonenqualle
(
Beroe gracilis
) und die Meerwalnuss (
Mnemiopsis leidyi
).
Die bekanntesten Arten leben als Teil des
Planktons
in den oberflachennahen, lichtdurchfluteten Gewasserschichten. Da sie allerdings weitgehend durchsichtig und extrem fragil aufgebaut sind sowie meist nur wenige Millimeter groß werden, sind sie den meisten Menschen unbekannt. An den Kusten finden sich vor allem die kugeligen
Pleurobrachia
-Arten, zu denen auch die Seestachelbeere gehort. Auch
Bolinopsis
und
Mnemiopsis
sowie die tentakellosen
Beroe
sind nicht selten dort anzutreffen.
Etwa 35 Arten leben am Meeresboden. Diese Arten werden in das
Taxon
Platyctenida
eingeordnet, da sie sich durch ihre abgeplattete Form auszeichnen und so eher Schnecken oder Plattwurmern ahneln als ?Quallen“.
Rippenquallen stellen in
arktischen
Gewassern mit der ?Seenuss“
Mertensia ovum
die vorherrschende Gruppe des
Zooplanktons
.
Rippenquallen vermehren sich abgesehen von den Arten der Ordnung Platyctenida, die sich auch ungeschlechtlich fortpflanzen konnen, grundsatzlich auf geschlechtliche Weise. Fast immer handelt es sich um
Zwitter
, jedes Tier besitzt also sowohl mannliche (Hoden) als auch weibliche Keimdrusen (Ovarien), die sich direkt unter den ?Rippen“ neben den kleinen Kanalchen der Mesoglea befinden. Bei fast allen Arten werden, wohl durch die außeren Lichtverhaltnisse ausgelost, die
Keimzellen
durch kleine Offnungen in der Außenhaut, die
Gonoporen
, an das umgebende Wasser abgegeben, wo dann auch die
Befruchtung
stattfindet. Selbstbefruchtung ist eher selten und kommt anscheinend nur in der Gattung
Mnemiopsis
vor. Eine einzige Art,
Tjalfiella tristoma
, ist lebendgebarend, die Jungtiere wachsen hier in einer eigenen Bruthohle heran.
Bei den befruchteten Eizellen ist nach zwei Zellteilungen die spatere Korpersymmetrie der Rippenqualle schon festgelegt; sie entwickeln sich uber ein bereits freischwimmendes so genanntes
Cydippea
-Stadium, das bei allen Rippenquallen sehr ahnlich aussieht und manchmal als
Larve
bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber meist bereits eine Miniaturversion des erwachsenen Tieres darstellt. Bei einigen stark spezialisierten Gruppen wie den Platyctenida nehmen
Cydippea
und erwachsenes Tier allerdings unterschiedliche okologische Nischen ein, so dass die Bezeichnung Larve dort angebrachter ist.
Obwohl Rippenquallen in der Regel kaum bemerkt werden und ihr Einfluss auf ein Okosystem scheinbar nur sehr gering ist, konnen sie doch erheblichen Schaden anrichten, wenn sie in nichtheimische Gewasser gelangen. So wurde die nordatlantische Art
Mnemiopsis leidyi
mit dem Ballastwasser von Schiffen in den fruhen 1980er Jahren in das
Schwarze Meer
verbracht und breitete sich dort rasant aus. Innerhalb von zehn Jahren kollabierte der
Sardellen
-Fischfang rund um das Meer, da die neu eingefuhrte Art sich von demselben Plankton ernahrte, welches auch die Fischlarven fressen. Die
Biomasse
der Rippenquallen im Schwarzen Meer wurde zum Hohepunkt dieser Entwicklung auf eine Million Tonnen geschatzt. Die Rippenquallen konnen ihr Gewicht mitunter in 24 Stunden verdoppeln.
[2]
Forscher der zur
Helmholtz-Gemeinschaft
gehorenden
Biologischen Anstalt Helgoland
(BAH) wiesen zuletzt darauf hin, dass sich die Rippenqualle aufgrund warmerer Winter auch in der Ost- und Nordsee zu einem Problem entwickeln konnte
[3]
.
Durch das ebenso plotzliche Auftreten einer weiteren Rippenquallenart,
Beroe ovata
, im Jahre 1997, die sich von
Mnemiopsis leidyi
ernahrt, pendelte sich das Gleichgewicht wieder ein, das Schwarze Meer ist seitdem jedoch von beiden fremden Arten besiedelt. Das gleiche Szenario spielt sich zu Beginn des
21. Jahrhunderts
mit den gleichen Arten im
Kaspischen Meer
ab. Auch fur dieses Okosystem sind entsprechend schwerwiegende Veranderungen zu erwarten. In der westlichen Ostsee wurde die nordatlantische Art
Mnemiopsis leidyi
im Oktober 2006 zum ersten Mal nachgewiesen.
Rippenquallen sind, da sie bei genauer Beobachtung von Schiffen aus sichtbar sind, wohl schon seit der
Antike
bekannt. Die erste erhaltene Zeichnung wurde allerdings erst 1671 durch einen Schiffsarzt angefertigt. Der schwedische Taxonom
Carl von Linne
stellte sie bei seiner Klassifikation des Tierreichs zusammen mit anderen ?primitiven“ wirbellosen Tieren wie
Schwammen
(Porifera) oder Nesseltieren zu den Zoophyta (ubersetzt etwa Tierpflanzen) und spielte damit auf den passiven, ?pflanzenahnlichen“ Charakter der Tiere an. Auch der franzosische Zoologe
Georges Cuvier
hielt diese Einteilung noch aufrecht. Erst im 19. Jahrhundert wurden die Rippenquallen als eigenstandiges Taxon erkannt.
Die in der Einleitung angefuhrte Klassifikation ist nicht unumstritten. Nach der zurzeit fuhrenden systematischen Methode, der
Kladistik
, sind die Rippenquallen enger mit den spiegelsymmetrisch aufgebauten
Bilateria
als mit den Nesseltieren verwandt. Dafur spricht auch, dass sie uber zwei einander gegenuberstehende Tentakel verfugen, welche die Radialsymmetrie durchbrechen und zu einer Bilateral- oder Spiegelsymmetrie machen. Von den Nesseltieren unterscheidet sie zudem das Vorhandensein echten Muskelgewebes und die beschriebenen, aus hunderten kleiner Plattchen bestehenden, ?Rippen“. Ein wichtiges Indiz fur das Schwesterngruppenverhaltnis der Rippenquallen mit den Bilateria ist außerdem der Aufbau der
Spermien
. Diese besitzen bei beiden Gruppen ein einzelnes, großes
Akrosom
und eine darunterliegende
subakrosomale Perforationsplatte
. Bei den Nesseltieren liegen mehrere Akrosomalblaschen vor.
Aus diesem Grunde steht der ?klassischen“ Gruppierung der Hohltiere das alternative
Taxon
der
Acrosomata
gegenuber:
- Alternative 1
- Hohltiere (Coelenterata):
- Alternative 2
- Acrosomata:
Daneben ist auch eine enge Verwandtschaft der Rippenquallen mit Plattwurmern vorgeschlagen worden; als Begrundung werden unter anderem die Ahnlichkeiten zwischen diesen und den abgeflachten Rippenquallen der Ordnung Platyctenida angefuhrt. Diese gelten allerdings den meisten Zoologen nur als oberflachliche Gemeinsamkeiten, die nicht auf eine enge Verwandtschaftsbeziehung hindeuten.
- Alternative 3
- ParaHoxozoa/Planulozoa:
Mehrzeller
(Metazoa)
|
NA
|
|
|
|
Rippenquallen
(Ctenophora)
|
|
|
|
Zu guter Letzt werden die Rippenquallen in der Kombination der ParaHoxozoa/Planulozoa-Alternative an die Basis der Metazoen gestellt und bilden hierin die ursprunglichsten mehrzelligen Tiere.
[4]
[5]
[6]
Der weiche Korper der Rippenquallen, der von keinerlei Hartteilen bedeckt ist, macht eine Fossilisierung im Allgemeinen sehr unwahrscheinlich, so dass die Stammesgeschichte der Rippenquallen
fossil
sehr schlecht dokumentiert ist. Einzelfunde,
Archaeocydippida hunsrueckiana
und
Paleoctenophora brasseli
, die sich in die Ordnung Cydippida einteilen lassen, sind aus dem Zeitalter des
Devon
bekannt; in feinkornigem Schiefergestein aus dem
Hunsruck
haben sich hier genug Details erhalten, um eine Identifikation zu ermoglichen.
[7]
Die aus der
Chengjiang-Fauna
des unteren
Kambriums
bekannte Art
Matianoascus octonarius
ist in ihrer Zugehorigkeit zu den Rippenquallen umstritten, dafur sind drei Arten,
Ctenorhabdotus capulus
,
Fasciculus vesanus
und
Xanioascus canadensis
aus dem kambrischen
Burgess-Schiefer
bekannt.
Derzeit sind etwa hundert Arten bekannt, die traditionell in die beiden Klassen der Tentaculata (auch Tentaculifera) und Nuda (auch Atentaculata) aufgeteilt werden.
- Die
Tentaculata
umfassen den weitaus großten Teil der Artenvielfalt; wie der Name bereits andeutet, verfugen sie uber Tentakel, die allerdings gegebenenfalls sehr stark verkummert sein konnen. Man unterscheidet die folgenden sechs
Ordnungen
:
- Zur Klasse
Nuda
wird lediglich eine einzige Ordnung,
Beroida
, gerechnet, zu der unter anderem die
Melonenqualle
(
Beroe gracilis
) und die
Seemelone
(
Beroe ovata
) gehoren. Auch hier zeigt der Name des Taxons schon an, dass sich Nuda-Arten durch die vollkommene Abwesenheit von Tentakeln auszeichnen.
Wegen der weiterbestehenden Unsicherheiten uber die Einordnung der Rippenquallen insgesamt ist derzeit unklar, ob die obige Klasseneinteilung die tatsachlichen stammesgeschichtlichen Verhaltnisse innerhalb des Taxons korrekt wiedergibt. Dies ist nur der Fall, wenn sich die tentakelbesitzenden Arten aus tentakellosen Vorfahren entwickelt haben. Wenn stattdessen die Tentakel bei den Arten der Klasse Nuda sekundar verloren gegangen sind, ist sehr wahrscheinlich, dass die Klasse Tentaculata eine paraphyletische Gruppe darstellt, also nicht alle Nachkommen ihres gemeinsamen Vorfahren umfasst. Nach den Vorstellungen der modernen Systematik, der
Kladistik
, ware sie dann nur eine unnaturliche Zusammenfassung nicht naher verwandter Arten. Molekulargenetische Untersuchungen stutzen die letztere Sicht und sehen zudem die Ordnung Cydippida als polyphyletisch an; diese umfasst, wenn sich die Resultate dieser Studien bestatigen, also nicht einmal den letzten gemeinsamen Vorfahren der Gruppe und ware somit ein kunstliches Taxon.
Das folgende Diagramm zeigt die mutmaßlichen stammesgeschichtlichen Verhaltnisse innerhalb der Rippenquallen auf der Basis morphologischer und molekulargenetischer Daten (ribosomaler RNA):
Rippenquallen (Ctenophora)
|
N.N.
|
|
Platyctenida
|
|
N.N.
|
N.N.
|
Cydippida (Familie Pleurobrachidae)
|
|
N.N.
|
|
Nuda beziehungsweise Beroida
|
|
|
Cydippida (Familie Haeckeliidae)
|
|
|
|
N.N.
|
|
Vorlage:Klade/Wartung/3
|
|
|
|
|
|
Cydippida (Familie Mertensiidae)
|
|
|
|
Die Stellung der Ganeshida ist unbekannt.
Die vorstehenden Angaben sind allerdings noch mit großen Unsicherheiten behaftet ? bis auf weiteres mussen die stammesgeschichtlichen Verhaltnisse innerhalb der Rippenquallen als ungeklart betrachtet werden.
- Donald T. Anderson:
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Kap. 3. Oxford Univ. Press, Oxford 2001, S. 54.
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- Richard S. Barnes, Peter Calow, Peter J. Olive, David W. Golding, John I. Spicer:
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Kap. 3.4.3. Blackwell, Oxford 2001, S. 63.
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Kap. 9. Sinauer, Sunderland Mass. 2003, S. 269.
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Kap. 5.4. Cambridge University Press, Cambridge 2001, S. 65.
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- Edward E. Ruppert, Richard S. Fox, Robert D. Barnes:
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