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Rippenquallen

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Rippenquallen

Rippenqualle ?Seenuss“ ( Mertensia ovum )

Systematik
Domane : Eukaryoten (Eukaryota)
ohne Rang: Opisthokonta
ohne Rang: Holozoa
ohne Rang: Vielzellige Tiere (Metazoa)
ohne Rang: Gewebetiere (Eumetazoa)
Stamm : Rippenquallen
Wissenschaftlicher Name
Ctenophora
Eschscholtz , 1829
Klassen

Die Rippen- oder Kammquallen (Ctenophora von altgriechisch κτε?? kteis ?Kamm“ [ Genitiv κτεν?? ktenos ] und φ?ρειν pherein ?tragen“) sind ein Stamm des Tierreichs. Ihr wissenschaftlicher Name bezieht sich auf die kammartigen Plattchen, mit denen die im Deutschen namensgebenden ?Rippen“ bedeckt sind.

Auch wenn sie oberflachlich betrachtet wie Quallen aussehen, gelten sie zoologisch nicht als echte Quallen; nicht zuletzt weil ihnen die fur diese charakteristischen Nesselzellen fehlen. Die mehr als 100 Arten der Rippenquallen sind weltweit in den Ozeanen verbreitet und stellen regional einen bedeutenden Anteil der gesamten Plankton - Biomasse . Einige Arten, wie etwa die auch in der Nordsee heimische Seestachelbeere ( Pleurobrachia pileus ), konnen in so hoher Zahl auftreten, dass sie als unerwunschter Beifang die Fischernetze der Kustenfischer verstopfen. Von anderen Arten treten dagegen nur wenige Exemplare auf. Der fragile Bau der Rippenquallen erschwert die Erforschung ihrer Lebensweise erheblich. Altersangaben liegen aus diesem Grunde nicht vor, obwohl bekannt ist, dass Rippenquallen schon vor dem Erreichen ihrer Erwachsenengroße mit der Fortpflanzung beginnen konnen und daher vermutlich einen kurzen Generationszyklus haben.

In der klassischen Taxonomie wurden die Rippenquallen mit den Nesseltieren (Cnidaria) zu den Hohltieren (Coelenterata) zusammengefasst. Eine enge Verwandtschaftsbeziehung zu den Nesseltieren ist aber nach Untersuchungen, die auch molekulare Methoden, wie den Vergleich von DNA-Sequenzen, mit einbeziehen, eher unwahrscheinlich. Die tatsachliche Stellung und Verwandtschaft der Rippenquallen ist umstritten.

Rippenquallen sind, von einer durch symbiotisch lebende Algenzellen hervorgerufenen Farbung abgesehen, in der Regel farblos und werden oft nur einige Zentimeter groß. Ausnahmen sind etwa die Arten der Gattung Cestum , die einen Durchmesser von anderthalb Metern erreichen konnen.

Einige Arten, die in tieferen Gewassern vorkommen, sind rot gefarbt, zum Beispiel die in mehreren Hundert Metern Wassertiefe gefundene, 2020 neu beschriebene Vampyroctena delmarvensis (Ordnung Cydippida ). Es wird angenommen, dass die Farbe der Tarnung dient: Rot ist zwar im direkten Sonnenlicht auffallig, unter Schwachlicht in großer Wassertiefe aber von Schwarz nicht zu unterscheiden. [1] Andere rotgefarbte Arten, wie die sogenannte Rote Tortuga, sind nur von Filmaufnahmen in der Tiefsee bekannt. Die Art Eurhamphaea vexilligera kann eine leuchtend rote Tinte freisetzen, die moglicherweise der Ablenkung von Fressfeinden dient.

Rippenquallen sind beinahe ausnahmslos radialsymmetrisch ; ihre Hauptkorperachse verlauft zwischen dem Mund und dem Statocyste genannten Gleichgewichtsorgan , das dem Mund genau gegenuberliegt. Diese Symmetrie wird im unteren Teil der Tiere außerlich durchbrochen von den beiden Tentakeln , im oberen Bereich durch den Bau des Verdauungsraumes, der in mehrere Kanale aufgetrennt ist. Die untere Symmetrieebene ist gegenuber der oberen um 90 Grad versetzt, man spricht von einer Disymmetrie oder einem biradialen Bau der Tiere.

Der Korper besteht aus zwei transparenten Zellschichten, die als Außenhaut (Ectodermis) und Innenhaut (Gastrodermis) bezeichnet werden. Die von zwei Zellschichten gebildete Ectodermis ist meist von einer Schutzschicht aus Schleim bedeckt, der von speziellen Drusenzellen abgesondert wird. Die Gastrodermis umschließt einen Hohlraum, der als Magen dient und nur von der Mundoffnung zuganglich ist, an die sich ein langer schmaler Schlund anschließt. Gefangene Beute wird im Schlund durch starke Verdauungsenzyme vorverdaut und im Magen vollends zersetzt. Außer zwei kleinen, so genannten Analporen, die allerdings nicht der Ausscheidung dienen, gibt es keinen separaten Ausgang aus dem Magen, so dass die unverdaulichen Abfallstoffe durch den Mund entfernt werden.

Der Zwischenraum von Innen- und Außenschicht wird von einer dicken transparenten geleeartigen Schicht, der von Kollagen und Bindegewebszellen gebildeten Mesogloea , eingenommen, die von zahlreichen kleinen Kanalchen durchzogen ist, die dem Transport und der Speicherung der aufgenommenen Nahrstoffe dienen. Die Lage der Kanale ist von Art zu Art verschieden, doch verlaufen sie meist direkt unterhalb der von ihnen versorgten Gewebe. Das extrazellulare Netz aus Strukturproteinen wird von speziellen amobenartigen Zellen aufrechterhalten.

Auch fur den statischen Auftrieb der Tiere spielt die Mesogloea vermutlich eine Rolle. Geißelrosetten, die sich in den Kanalen des Verdauungssystems befinden, dienen vermutlich dazu, Wasser aus der Mesogloea heraus oder in sie hineinzupumpen, wenn sich der osmotische Wasserdruck verandert, etwa weil das Tier aus salzhaltigem Meerwasser in kustennahes Brackwasser schwimmt. Ein spezielles Kreislaufsystem gibt es bei den Rippenquallen nicht, auch fur die Atmung gibt es keine besonderen Organe ; der Gasaustausch und wohl auch die Ausscheidung von Abfallprodukten des Zellstoffwechsels wie Ammoniak erfolgt uber die gesamte Korperoberflache hinweg durch einfache Diffusion . Den Korper durchzieht ein einfaches Nervennetz ohne ? Gehirn “, das um Schlund, Tentakel, ?Rippen“ und Statocyste herum konzentriert und mit den in der Mesogloea und der inneren Zellschicht der Außenhaut befindlichen Muskelzellen verbunden ist.

Statocyste und Tentakel

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Rote Tortuga mit Tentakeln und deutlich erkennbaren Tentillen

Ein spezialisiertes System der Rippenquallen ist die Statocyste , die als Gleichgewichtsorgan dient und die Fortbewegung der Tiere kontrolliert. Sie befindet sich auf der der Mundoffnung abgewandten Korperseite und besteht aus einer als Statolith bezeichneten Ansammlung von einigen hundert Kalkzellen einerseits und vier horizontal angeordneten Gruppen von schlangenformigen Geißeln andererseits. Verandert die Rippenqualle durch außere Einflusse ihre Lage im Raum, so ubt der Statolith auf eine der vier Geißelgruppen starkeren Druck aus als auf die drei anderen. Dieser Sinneseindruck wird auf die Außenhaut weitergeleitet, die von insgesamt acht langsseitigen Bandern, den namensgebenden Rippen durchzogen ist. Auf diesen Bandern befinden sich in einer Reihe hintereinander angeordnet kleine Plattchen, die aus Hunderten miteinander verschmolzener und etwa zwei Millimeter langer Geißeln bestehen und auch als Membranellen bezeichnet werden. Durch reihenweise Aufrichtung dieser Plattchen kommt es zu einem regelrechten Ruderschlag, der, wenn er zwischen den acht Rippen richtig synchronisiert ist, die ursprungliche Lage wiederherstellen kann. Eine Geißelgruppe der Statocyste ist fur die Anregung der Schlagbewegung auf je einem Quadranten zustandig und kontrolliert als Schrittmacher jeweils zwei Kammrippen. Der Schlagrhythmus wird auf mechanische Weise und nicht durch Nervenimpulse ubertragen. Die Schlagbewegung der angeregten Geißelplattchen setzt sich in Wellen uber die Rippen fort. Die so entstehenden Bewegungsmuster erzeugen bei geeigneter Beleuchtung Interferenzfarben und sind zum Beispiel im Sonnenlicht mit bloßem Auge als regenbogenfarbig durchlaufende Lichtreflexe entlang der Rippen sichtbar.

Ob erhohter Druck auf die Geißelgruppen der Statocyste die Schlagfrequenz herauf- oder herabsetzt, hangt von der ?Stimmung“ oder Geotaxis der Rippenqualle ab: Ist sie positiv, wird die Frequenz bei Druckzunahme herabgesetzt, so dass sich die Rippenqualle mit dem Mund nach unten ausrichtet und von der Wasseroberflache wegschwimmt. Ist sie dagegen negativ, nimmt die Frequenz zu, die Rippenqualle richtet ihr Vorderende nach oben und schwimmt auf die Wasseroberflache zu. Die ?Stimmung“ der Rippenqualle wird durch vom Nervennetz verarbeitete Sinneseindrucke bestimmt.

Bei den meisten Arten finden sich vor der Mundoffnung zwei einander gegenuberstehende einziehbare Tentakel, die aus je einer Tentakelscheide entspringen und dem Fang von Beutetieren dienen. Sie tragen oft seitlich eine Reihe fadenartiger Filamente, die Tentillen, die anders als bei den Nesseltieren nicht mit Nessel-, sondern mit so genannten ?Lassozellen“, den Colloblasten besetzt sind. Diese bestehen aus einem mit kleinen Klebekorperchen ubersaten Kopf, einem kurzen schlanken Haltefaden und einem langeren darumgewundenen Spiralfaden. Bei Beruhrung wirkt diese Konstruktion wie eine Sprungfeder, die den Klebekopf auf die Beute schleudert. Die Colloblasten werden wie auch die Tentakel als ganzes regelmaßig regeneriert.

Alle Rippenquallen mit Ausnahme der Arten der Gattung Beroe (deswegen als Nuda oder Atentaculata bezeichnet) besitzen Tentakel. Auch manche Lobata setzen anstelle der Tentakel eher ihre muskeldurchzogenen Mundlappen zur Nahrungsbeschaffung ein, die dann einfach uber ihre Beute gestulpt werden.

Rippenquallen sind erstaunlich regenerationsfahige Tiere: Selbst wenn die Halfte eines Individuums zerstort wird, kann sie von der verbleibenden Halfte oft wiederhergestellt werden. Dies gilt auch fur einzelne Organe wie die Statolithen, die selbst nach Totalverlust noch regeneriert werden konnen.

Viele Rippenquallen lassen sich einfach von der Meeresstromung treiben. Auf kurze Distanzen konnen sie auch durch den Ruderschlag ihrer Geißelplattchen aktiv schwimmen und zwar je nach ?Ruderrichtung“ in Bezug auf die Mundoffnung vorwarts oder ruckwarts. Sie sind damit die großten Tiere, die zur Fortbewegung noch Geißeln benutzen, und erreichen damit immerhin Geschwindigkeiten von etwa funf Zentimetern pro Sekunde. Ein moglicher evolutionarer Vorteil wird darin gesehen, dass durch den gleichmaßigen Ruderschlag weder Beutetiere noch mogliche Fressfeinde wie andere Rippenquallen durch von Muskelbewegungen ausgeloste Vibrationen auf sie aufmerksam werden.

Manche Arten setzen allerdings zusatzlich die Muskelzellen ihrer Mundlappen zum Schwimmen ein, andere bewegen sich durch wellenformige Korperbewegungen voran oder kriechen wie ein Plattwurm .

Ernahrung und Fressfeinde

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Rippenqualle auf Nahrungssuche, Mund befindet sich links

Rippenquallen leben rauberisch. Durch ihre Tentakel fangen sie Plankton , Tierlarven , Wurmer , Krebse , Nesseltiere und andere Rippenquallen, aber zuweilen auch kleine Fische . Sind die Tentakel mit Nahrungspartikeln behaftet, konnen sie eingezogen und an der Mundoffnung abgestreift werden. Durch abgesonderten Schleim oder innere Geißeln werden sie von dort in den Magen befordert. Die Arten der Gattung Haeckelia ernahren sich beinahe ausschließlich von Nesseltieren, deren Nesselzellen jedoch nicht verdaut, sondern als so genannte Kleptocniden in den Tentakeln eingebaut werden. Dieser ?Diebstahl“ hat historisch unter Zoologen lange Zeit fur Verwirrung gesorgt, da falschlicherweise angenommen wurde, dass auch Rippenquallen in der Lage sind, Nesselzellen zu bilden.

Wie eine ganze Reihe von Nesseltieren leben auch die Rippenquallen zuweilen mit diversen Algen , die sie durch Photosynthese mit energiereichen Kohlenhydraten versorgen, in einer symbiotischen Beziehung zusammen. Parasitismus scheint nur bei einer einzigen Art, Lampea pancerina vorzukommen, die in Manteltieren (Tunicata) schmarotzt.

Zu den Fressfeinden der Rippenquallen zahlen Nesseltiere, Meeresschildkroten (Cheloniidae), verschiedene Fische wie zum Beispiel Makrelen (Scombridae) oder der Seehase ( Cyclopterus lumpus ), Seevogel sowie nicht zuletzt andere Rippenquallen.

Alle Rippenquallen leben im Meer, manche davon in bis zu drei Kilometern Tiefe. Ihr Verbreitungsgebiet wird in erster Linie durch Wasserstromungen bestimmt, insbesondere durch die Gezeiten . Auch in der Nordsee kommen einzelne Arten vor, so beispielsweise die so genannte Seestachelbeere ( Pleurobrachia pileus ) oder die Melonenqualle ( Beroe gracilis ) und die Meerwalnuss ( Mnemiopsis leidyi ).

Die bekanntesten Arten leben als Teil des Planktons in den oberflachennahen, lichtdurchfluteten Gewasserschichten. Da sie allerdings weitgehend durchsichtig und extrem fragil aufgebaut sind sowie meist nur wenige Millimeter groß werden, sind sie den meisten Menschen unbekannt. An den Kusten finden sich vor allem die kugeligen Pleurobrachia -Arten, zu denen auch die Seestachelbeere gehort. Auch Bolinopsis und Mnemiopsis sowie die tentakellosen Beroe sind nicht selten dort anzutreffen.

Etwa 35 Arten leben am Meeresboden. Diese Arten werden in das Taxon Platyctenida eingeordnet, da sie sich durch ihre abgeplattete Form auszeichnen und so eher Schnecken oder Plattwurmern ahneln als ?Quallen“.

Rippenquallen stellen in arktischen Gewassern mit der ?Seenuss“ Mertensia ovum die vorherrschende Gruppe des Zooplanktons .

?Larve“ von Bolenopsis sec.

Rippenquallen vermehren sich abgesehen von den Arten der Ordnung Platyctenida, die sich auch ungeschlechtlich fortpflanzen konnen, grundsatzlich auf geschlechtliche Weise. Fast immer handelt es sich um Zwitter , jedes Tier besitzt also sowohl mannliche (Hoden) als auch weibliche Keimdrusen (Ovarien), die sich direkt unter den ?Rippen“ neben den kleinen Kanalchen der Mesoglea befinden. Bei fast allen Arten werden, wohl durch die außeren Lichtverhaltnisse ausgelost, die Keimzellen durch kleine Offnungen in der Außenhaut, die Gonoporen , an das umgebende Wasser abgegeben, wo dann auch die Befruchtung stattfindet. Selbstbefruchtung ist eher selten und kommt anscheinend nur in der Gattung Mnemiopsis vor. Eine einzige Art, Tjalfiella tristoma , ist lebendgebarend, die Jungtiere wachsen hier in einer eigenen Bruthohle heran.

Bei den befruchteten Eizellen ist nach zwei Zellteilungen die spatere Korpersymmetrie der Rippenqualle schon festgelegt; sie entwickeln sich uber ein bereits freischwimmendes so genanntes Cydippea -Stadium, das bei allen Rippenquallen sehr ahnlich aussieht und manchmal als Larve bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber meist bereits eine Miniaturversion des erwachsenen Tieres darstellt. Bei einigen stark spezialisierten Gruppen wie den Platyctenida nehmen Cydippea und erwachsenes Tier allerdings unterschiedliche okologische Nischen ein, so dass die Bezeichnung Larve dort angebrachter ist.

Rippenquallen als Neozoen

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Obwohl Rippenquallen in der Regel kaum bemerkt werden und ihr Einfluss auf ein Okosystem scheinbar nur sehr gering ist, konnen sie doch erheblichen Schaden anrichten, wenn sie in nichtheimische Gewasser gelangen. So wurde die nordatlantische Art Mnemiopsis leidyi mit dem Ballastwasser von Schiffen in den fruhen 1980er Jahren in das Schwarze Meer verbracht und breitete sich dort rasant aus. Innerhalb von zehn Jahren kollabierte der Sardellen -Fischfang rund um das Meer, da die neu eingefuhrte Art sich von demselben Plankton ernahrte, welches auch die Fischlarven fressen. Die Biomasse der Rippenquallen im Schwarzen Meer wurde zum Hohepunkt dieser Entwicklung auf eine Million Tonnen geschatzt. Die Rippenquallen konnen ihr Gewicht mitunter in 24 Stunden verdoppeln. [2] Forscher der zur Helmholtz-Gemeinschaft gehorenden Biologischen Anstalt Helgoland (BAH) wiesen zuletzt darauf hin, dass sich die Rippenqualle aufgrund warmerer Winter auch in der Ost- und Nordsee zu einem Problem entwickeln konnte [3] .

Durch das ebenso plotzliche Auftreten einer weiteren Rippenquallenart, Beroe ovata , im Jahre 1997, die sich von Mnemiopsis leidyi ernahrt, pendelte sich das Gleichgewicht wieder ein, das Schwarze Meer ist seitdem jedoch von beiden fremden Arten besiedelt. Das gleiche Szenario spielt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit den gleichen Arten im Kaspischen Meer ab. Auch fur dieses Okosystem sind entsprechend schwerwiegende Veranderungen zu erwarten. In der westlichen Ostsee wurde die nordatlantische Art Mnemiopsis leidyi im Oktober 2006 zum ersten Mal nachgewiesen.

Forschungsgeschichte

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Rippenquallen sind, da sie bei genauer Beobachtung von Schiffen aus sichtbar sind, wohl schon seit der Antike bekannt. Die erste erhaltene Zeichnung wurde allerdings erst 1671 durch einen Schiffsarzt angefertigt. Der schwedische Taxonom Carl von Linne stellte sie bei seiner Klassifikation des Tierreichs zusammen mit anderen ?primitiven“ wirbellosen Tieren wie Schwammen (Porifera) oder Nesseltieren zu den Zoophyta (ubersetzt etwa Tierpflanzen) und spielte damit auf den passiven, ?pflanzenahnlichen“ Charakter der Tiere an. Auch der franzosische Zoologe Georges Cuvier hielt diese Einteilung noch aufrecht. Erst im 19. Jahrhundert wurden die Rippenquallen als eigenstandiges Taxon erkannt.

Stammesgeschichte

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Rippenqualle Bathocyroe fosteri , am oberen, mundabgewandten Ende lassen sich Kammplattchen in Seitenansicht ausmachen

Die in der Einleitung angefuhrte Klassifikation ist nicht unumstritten. Nach der zurzeit fuhrenden systematischen Methode, der Kladistik , sind die Rippenquallen enger mit den spiegelsymmetrisch aufgebauten Bilateria als mit den Nesseltieren verwandt. Dafur spricht auch, dass sie uber zwei einander gegenuberstehende Tentakel verfugen, welche die Radialsymmetrie durchbrechen und zu einer Bilateral- oder Spiegelsymmetrie machen. Von den Nesseltieren unterscheidet sie zudem das Vorhandensein echten Muskelgewebes und die beschriebenen, aus hunderten kleiner Plattchen bestehenden, ?Rippen“. Ein wichtiges Indiz fur das Schwesterngruppenverhaltnis der Rippenquallen mit den Bilateria ist außerdem der Aufbau der Spermien . Diese besitzen bei beiden Gruppen ein einzelnes, großes Akrosom und eine darunterliegende subakrosomale Perforationsplatte . Bei den Nesseltieren liegen mehrere Akrosomalblaschen vor.

Aus diesem Grunde steht der ?klassischen“ Gruppierung der Hohltiere das alternative Taxon der Acrosomata gegenuber:

Alternative 1
Hohltiere (Coelenterata):
  Gewebetiere (Eumetazoa)  
   Hohltiere (Coelenterata)  

  Nesseltiere (Cnidaria)


   

  Rippenquallen (Ctenophora)



   

  Bilateria



Alternative 2
Acrosomata:
  Gewebetiere (Eumetazoa)  
   Acrosomata   

  Bilateria


   

  Rippenquallen (Ctenophora)



   

  Nesseltiere (Cnidaria)



Daneben ist auch eine enge Verwandtschaft der Rippenquallen mit Plattwurmern vorgeschlagen worden; als Begrundung werden unter anderem die Ahnlichkeiten zwischen diesen und den abgeflachten Rippenquallen der Ordnung Platyctenida angefuhrt. Diese gelten allerdings den meisten Zoologen nur als oberflachliche Gemeinsamkeiten, die nicht auf eine enge Verwandtschaftsbeziehung hindeuten.


Alternative 3
ParaHoxozoa/Planulozoa:
  Mehrzeller (Metazoa)  
  NA  
   ParaHoxozoa  

  Placozoa (Scheibentiere)


   

  Planulozoa (Nesseltiere & Zweiseitentiere)



   

  Schwamme (Porifera)



   

  Rippenquallen (Ctenophora)



Zu guter Letzt werden die Rippenquallen in der Kombination der ParaHoxozoa/Planulozoa-Alternative an die Basis der Metazoen gestellt und bilden hierin die ursprunglichsten mehrzelligen Tiere. [4] [5] [6]

Der weiche Korper der Rippenquallen, der von keinerlei Hartteilen bedeckt ist, macht eine Fossilisierung im Allgemeinen sehr unwahrscheinlich, so dass die Stammesgeschichte der Rippenquallen fossil sehr schlecht dokumentiert ist. Einzelfunde, Archaeocydippida hunsrueckiana und Paleoctenophora brasseli , die sich in die Ordnung Cydippida einteilen lassen, sind aus dem Zeitalter des Devon bekannt; in feinkornigem Schiefergestein aus dem Hunsruck haben sich hier genug Details erhalten, um eine Identifikation zu ermoglichen. [7] Die aus der Chengjiang-Fauna des unteren Kambriums bekannte Art Matianoascus octonarius ist in ihrer Zugehorigkeit zu den Rippenquallen umstritten, dafur sind drei Arten, Ctenorhabdotus capulus , Fasciculus vesanus und Xanioascus canadensis aus dem kambrischen Burgess-Schiefer bekannt.

Derzeit sind etwa hundert Arten bekannt, die traditionell in die beiden Klassen der Tentaculata (auch Tentaculifera) und Nuda (auch Atentaculata) aufgeteilt werden.

  • Die Tentaculata umfassen den weitaus großten Teil der Artenvielfalt; wie der Name bereits andeutet, verfugen sie uber Tentakel, die allerdings gegebenenfalls sehr stark verkummert sein konnen. Man unterscheidet die folgenden sechs Ordnungen :
  • Zur Klasse Nuda wird lediglich eine einzige Ordnung, Beroida , gerechnet, zu der unter anderem die Melonenqualle ( Beroe gracilis ) und die Seemelone ( Beroe ovata ) gehoren. Auch hier zeigt der Name des Taxons schon an, dass sich Nuda-Arten durch die vollkommene Abwesenheit von Tentakeln auszeichnen.

Wegen der weiterbestehenden Unsicherheiten uber die Einordnung der Rippenquallen insgesamt ist derzeit unklar, ob die obige Klasseneinteilung die tatsachlichen stammesgeschichtlichen Verhaltnisse innerhalb des Taxons korrekt wiedergibt. Dies ist nur der Fall, wenn sich die tentakelbesitzenden Arten aus tentakellosen Vorfahren entwickelt haben. Wenn stattdessen die Tentakel bei den Arten der Klasse Nuda sekundar verloren gegangen sind, ist sehr wahrscheinlich, dass die Klasse Tentaculata eine paraphyletische Gruppe darstellt, also nicht alle Nachkommen ihres gemeinsamen Vorfahren umfasst. Nach den Vorstellungen der modernen Systematik, der Kladistik , ware sie dann nur eine unnaturliche Zusammenfassung nicht naher verwandter Arten. Molekulargenetische Untersuchungen stutzen die letztere Sicht und sehen zudem die Ordnung Cydippida als polyphyletisch an; diese umfasst, wenn sich die Resultate dieser Studien bestatigen, also nicht einmal den letzten gemeinsamen Vorfahren der Gruppe und ware somit ein kunstliches Taxon.

Das folgende Diagramm zeigt die mutmaßlichen stammesgeschichtlichen Verhaltnisse innerhalb der Rippenquallen auf der Basis morphologischer und molekulargenetischer Daten (ribosomaler RNA):

 Rippenquallen (Ctenophora)  
  N.N.  

 Platyctenida


  N.N.  
  N.N.  

 Cydippida (Familie Pleurobrachidae)


  N.N.  

 Nuda beziehungsweise Beroida


   

 Cydippida (Familie Haeckeliidae)



  N.N.  

 Lobata


   

 Thalassocalycida


   

 Cestida


Vorlage:Klade/Wartung/3

Vorlage:Klade/Wartung/3


   

 Cydippida (Familie Mertensiidae)



Die Stellung der Ganeshida ist unbekannt.

Die vorstehenden Angaben sind allerdings noch mit großen Unsicherheiten behaftet ? bis auf weiteres mussen die stammesgeschichtlichen Verhaltnisse innerhalb der Rippenquallen als ungeklart betrachtet werden.

  • Donald T. Anderson: Invertebrate Zoology. Kap. 3. Oxford Univ. Press, Oxford 2001, S. 54. ISBN 0-19-551368-1 .
  • Richard S. Barnes, Peter Calow, Peter J. Olive, David W. Golding, John I. Spicer: The invertebrates. A synthesis. Kap. 3.4.3. Blackwell, Oxford 2001, S. 63. ISBN 0-632-04761-5 .
  • Richard C. Brusca, Gary J. Brusca: Invertebrates. Kap. 9. Sinauer, Sunderland Mass. 2003, S. 269. ISBN 0-87893-097-3 .
  • Janet Moore: An Introduction to the Invertebrates. Kap. 5.4. Cambridge University Press, Cambridge 2001, S. 65. ISBN 0-521-77914-6 .
  • Edward E. Ruppert, Richard S. Fox, Robert D. Barnes: Invertebrate Zoology. A functional evolutionary approach. Kap. 8. Thomson Brooks Cole, Belmont, Calif. 2004, S. 181. ISBN 0-03-025982-7 .
  • Wilhelm Schafer: Ctenophora, Rippenquallen. In: Wilfried Westheide , Reinhard Rieger : Spezielle Zoologie, Bd 1: Einzeller und wirbellose Tiere . Gustav Fischer, Stuttgart 1996. S. 182. ISBN 3-437-20515-3 .
  • Bruno Wenzel: Glastiere des Meeres. Rippenquallen (Acnidaria). (Neue Brehm-Bucherei; Bd. 213). Westarp Wissenschaftlicher Verlag, Hohenwarsleben 2010, ISBN 978-3-89432-659-3 (Nachdr. d. Ausg. Wittenberg 1958).
Spezielle Literatur
  • Mark Q. Martindale, Jonathan Q. Henry: Ctenophora. In: Scott F. Gilbert, Anne M. Raunio: Embryology. Constructing the Organism. Sinauer, Sunderland Mass. 1997, S. 87. ISBN 0-87893-237-2 .
  • Mircea Podar, Steven H. Haddock, Mitchell L. Sogin, G. Richard Harbison: A molecular phylogenetic framework for the phylum Ctenophora using 18S rRNA genes. In: Molecular Phylogenetics and Evolution , Bd. 21 (2001), S. 218. ISSN   1055-7903

Einzelnachweise

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  1. James P. Townsend, Michael G. Tassia, Alejandro Damian-Serrano, Nathan V. Whelan, Kenneth M. Halanych, Alison M. Sweeney (2020): A mesopelagic ctenophore representing a new family, with notes on family-level taxonomy in Ctenophora: Vampyroctena delmarvensis gen. nov. sp. nov. (Vampyroctenidae, fam. nov.). Marine Biodiversity 50: 34. doi:10.1007/s12526-020-01049-9
  2. Tamara A. Shiganova: Invasion of the Black Sea by the ctenophore Mnemiopsis leidyi and recent changes in pelagic community structure. in: Fisheries Oceanography. Blackwell, Oxford 1998, S. 305. ISSN   1365-2419
  3. Die Meerwalnuss auf Eroberungszug. Helmholtz-Gemeinschaft: Einblicke in den Forschungsbereich Erde und Umwelt ( Memento vom 4. September 2014 im Internet Archive )
  4. Casey W. Dunn, Joseph F. Ryan: The evolution of animal genomes . In: Current Opinion in Genetics & Development . Band 35, 2015, S. 26.
  5. Martin Dohrmann, Gert Worheide: Novel Scenarios of Early Animal Evolution ? Is It Time to Rewrite Textbooks? . In: Integrative and Comparative Biology . Band 53, 2013, S. 504, 507?508.
  6. Darrin T. Schultz, Steven H. D. Haddock, Jessen V. Bredeson, Richard E. Green, Oleg Simakov & Daniel S. Rokhsar: Ancient gene linkages support ctenophores as sister to other animals. Nature (2023), doi: 10.1038/s41586-023-05936-6
  7. George D. Stanley, Wilhelm Sturmer: The first fossil ctenophore from the lower devonian of West Germany. In: Nature , Bd. 303 (1983), S. 518. ISSN   0028-0836
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