Kamenitza

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Kamenitza im Dachsteinkalk , In den Karen , Totes Gebirge

Kamenitzas sind beckenformige Vertiefungen in verkarstungsfahigem Gestein, die durch Kohlensaureverwitterung entstehen. Sie bilden sich meist auf nacktem Kalkstein und sind durch einen flachen Boden und uberhangende Seiten gekennzeichnet. Kamenitzas sind Karrenstrukturen zweiter Ordnung.

Der Ausdruck Kamenitza ist slawischen Ursprungs (beispielsweise im Slowenischen kamenica , im Slowakischen und im Tschechischen kamenice ), der sich von kamen (?Stein“, allgemein Gestein, [1] auch fur Fels) herleitet, auch im allgemeineren Sinne (im Sinne von Kiesel), ?kamenny“ heißt steinig oder steinern, Geroll (auch ulomky ) oder Kies werden im Tschechischen als ?t?rk bezeichnet. Es bestand namlich in den Anfangen der Karstforschung die falsche Ansicht, dass diese napfartigen Strukturen durch auf dem Kalkpflaster zuruckgebliebene Kiesel oder Gerolle verursacht wurden, wie Kolke oder Gletschermuhlen (diese Ansicht wurde noch 1924 von Jovan Cviji? vertreten [2] , durfte aber allenfalls seltene Ausnahmeerscheinungen darstellen).

Kamenitzas im eigentlichen Sinne, oft auch als Napfkarren oder Losungswannen , englisch solution cups , solution basins , solution pans bezeichnet, wurden 1924 wissenschaftlich zum ersten Mal von Jovan Cviji? bearbeitet. Ihm folgten viele weitere Autoren wie beispielsweise J.F. Smith und C.C. Albritton 1941, Alfred Bogli 1961, [3] P.W. Williams 1966, [4] D.C. Lowry und J.N. Jennings 1974. Eine vor kurzem erschienene Arbeit stammt von Franco Cucchi.

Napfkarren sind eine der moglichen Erklarungen fur Schalensteine und werden daher auch Opferkessel genannt.

Kamenitza bzw. Opferkessel im Kalk bei Alto de Brenas in Kantabrien

Kamenitzas bilden sich auf flachliegenden oder nur leicht einfallenden, manchmal auch leicht gewellten Felsoberflachen im Karst. Es handelt sich um ortliche Vertiefungen, die periodisch feucht liegen oder mit Wasser gefullt sind. Die napfartigen Becken sind gewohnlich 10 bis 40 Zentimeter breit und 1 bis 10 Zentimeter tief. Sie konnen in seltenen Fallen bis zu 3 Meter breit und 50 Zentimeter tief werden. Extreme Formen erreichen 6 Meter im Durchmesser [5] , aus dem Palaokarst ist sogar ein Beispiel mit 7 Metern bekannt. [6] Ihr Grundriss ist meist kreisformig bis oval. Großere Kamenitzas sind oft aus zusammenwachsenden kleineren Becken hervorgegangen.

Im Profil betrachtet fuhrt vom Rand meist ein sanft geneigter, leicht konvexer Hang zum flachen Boden. Die Rander konnen aber auch vertikal bzw. nach außen geneigt sein und zeigen dann oft einen wulstartigen Uberhang. Kreisrunde bis ovale Rander und abgerundete Profile kennzeichnen gewohnlich Boden enthaltende Becken. [7] Die Rander konnen aber auch im Zentimeterbereich von kleinen, Muschelschalen ahnlichen Eintiefungen (engl. scallops ) uberpragt werden, von denen gerundete Rillen ausgehen und uber den Seitenhang zum flachen Boden verlaufen. Dieser geriefte Typus ist generell bodenfrei, kann aber vereinzelt Moose und Algen enthalten sowie im Kustenbereich eine reichhaltige Flora und Fauna. [8]

Kamenitza an der Kuste in Funtana , Kroatien

Kamenitzas entstehen normalerweise auf Kalkgestein , auf sehr kalkreichen Sandsteinen und auf Dolomiten , zumeist auf dem Festland. [9] An der Kuste sind sie im Intertidalbereich (Spritzwasserzone) anzutreffen. [10]

Ahnliche oder analoge Strukturen ( Pseudokarren ) finden sich auf verwitternden Graniten und Syeniten [11] , auf Basalten [12] , auf Olivindoleriten [13] und auf einigen Sandsteinen (als Beispiel moge der Elbsandstein dienen). [14] Die Vertiefungen konnen in diesen Gesteinen auch steileren Partien aufsitzen und Boden sowie Pflanzenbewuchs enthalten. Oft bilden sie Gruppierungen, die treppenartig angeordnet sind.

So genannte Pseudokamenitzas treten in Rhyolithen und Ignimbriten auf. Ihre Entstehung ist direkt an knollenartige, mafische Konzentrationen in den Vulkaniten gebunden, welche gegenuber Losungskorrosion anfalliger sind und daher schneller herauswittern. Die resultierenden Rundformen werden somit in diesem Fall von der petrologischen Textur des Gesteins vorgezeichnet.

Mit Pflanzen gefullte Kamenitzas, In den Karen , Totes Gebirge

Kamenitzas oder Napfkarren sind ein Ergebnis oberflachlicher Losungsverwitterung , bewirkt durch Unebenheiten oder Vertiefungen im Gestein ausfullendes Wasser. Inwieweit organische, biologische Prozesse hierbei beteiligt sind, ist noch umstritten. Manche Autoren vertreten nach wie vor den Standpunkt rein anorganischer Losungsprozesse, [15] andere hingegen den eines rein biochemischen , an endolithische Algen gebundenen Vorgangs. [16] Ebenfalls nicht restlos geklart ist die Frage, ob und in welchem Ausmaß Kamenitzas unter Bedeckung gebildet wurden. Manche Forscher betrachten sie als halb bedeckte geomorphologische Strukturen, deren Entwicklung begann, als sie noch von Erdfetzen und Gesteinsbruchstucken uberlagert wurden. Fur diese Vermutung spricht die Tatsache, dass Kamenitzas sehr haufig auf geglatteten Felsoberflachen angetroffen werden, deren heutige Undulationen von einem vormals bedeckten Karst geerbt wurden. Erosion und Freilegung des beschutzenden Bodens fuhrt dann uber statische Korrosion zur Bildung von Kamenitzas und dynamisch zu Strukturen wie Rinnenkarren und Rillenkarren .

Die Losungskorrosion an den Seiten der Strukturen erfolgt normalerweise mit einer hoheren Geschwindigkeit als zur Tiefe hin. Die in der Vertikalen eingeschrankte Losungsgeschwindigkeit erklart sich durch die am Boden der Napfe angesammelten unloslichen Ruckstande wie Gesteinsmehl, durch Wind angewehten Staub und organische Verbindungen. [17] Eine Ausnahme stellen jedoch die zylindrischen bis konischen solution cups in vorwiegend dolomitischen Gesteinen dar, deren Entwicklung vorwiegend zur Tiefe hin voranschreitet. Dies wird durch verstarkte, organisch bedingte Kohlendioxidproduktion in einer untersattigten Losung in Bodennahe erklart. [18] Die solution cups ahneln in ihrem Aussehen dabei sehr den Opferkesseln und Losungswannen in granitischen Gesteinen.

Die Erklarung der mit sekundaren Rillenkarren uberzogenen Kamenitzas ist problematisch, da die Entstehung von Rillenkarren an fließendes/bewegtes Wasser gebunden ist. Moglicherweise werden in den stagnierenden Becken durch Temperaturunterschiede bedingte Konvektionszellen , eine Taylor-Gortler-Instabilitat am konkaven Seitenhang oder vom Wind erzeugte kleine Wellen erzeugt.

Entwicklungsschema

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Kamenitza mit Maanderkarre als Ablauf, In den Karen , Totes Gebirge

Kamenitzas folgen gewohnlich einem Entwicklungsschema, welches folgende Phasen durchlauft:

  • Freilegung der Oberflache und Bildung der Struktur
  • Wachstum
  • Degradierung und Verschwinden

Die statische Korrosion akzentuiert nach dem Freilegen der Oberflache vorhandene Unebenheiten. Wasser kann sich in ihnen akkumulieren und den Korrosionsprozess dann in die Breite fortsetzen, die Struktur wachst. Oft kommt es in diesem Stadium zum Uberlauf und zur Bildung einer Abflussrinne, die letztendlich das Bodenniveau der Kamenitza erreichen wird. Wahrend der Verbreiterung und Vertiefung der Abflussrinne senkt sich in der Kamenitza allmahlich der Wasserspiegel und eine Mikrokerbe bildet sich am Rand. Diese vergroßert sich, bis der Rand wulstformig uberhangt. Durch Einbrechen der Rander und weitere Verbreiterung der Abflussrinne endet die Entwicklung. Desgleichen passiert, wenn innerhalb der Kamenitza eine Kluft oder Spalte angetroffen wird, die das stehende Wasser nach innen abfließen lasst.

Der Grundriss der sich entwickelnden Kamenitzas ist von Unstetigkeitsflachen (wie Klufte, Bruche, Risse, mineralisierte Adern etc.) im Gestein abhangig. Nur in sehr homogenen Gesteinen (wie beispielsweise Mikriten) wird eine mehr oder weniger kreisrunde Form verwirklicht. Ovale, langliche und gestreckte Formen entwickeln sich, wenn Bruche zugegen bzw. dominante oder sich uberkreuzende Kluftscharen angelegt sind (Inhomogenitaten im Gesteinsverband steuern somit eine selektive Korrosion ). In Bruchzonen entsteht eine hohere Porositat , die wiederum eine erhohte Permeabilitat der korrodierenden Losung zur Folge hat. Dies bedeutet, dass die seitliche Erosion entlang der Richtung dieser Flachen schneller voranschreitet. Ein nicht zu ubersehender Faktor ist ferner die Eindringtiefe der genannten Unstetigkeitsflachen. Die Strukturierung des jeweiligen Gesteins hat somit einen sehr großen Einfluss auf die letztliche Ausgestaltung der Kamenitzas, es konnen durchaus komplexe, gelegentlich auch mehrphasige Formen resultieren.

Korrosionsraten

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Experimentelle Studien uber die Evolutionsgeschwindigkeit von Kamenitzas sind selten. Messungen im klassischen Karstgebiet durch F. Cucchi et al. (1990) ergaben eine Absenkungsrate des Bodens von 0,02 bis 0,03 mm/Jahr ? d. h. zur Bildung einer 5 cm tiefen Kamenitza vergehen 1670 bis 2500 Jahre. [19] Bei einem Niederschlag von 1350 mm/Jahr fanden Cucchi et al. in einer spateren Studie im klassischen Karstgebiet eine etwas breiter angelegte Streuung von Absenkungsraten zwischen 0,01 und 0,04 mm/Jahr (d. h. 1250 bis 5000 Jahre im obigen Beispiel). [20] Eine sehr ahnliche gelegene Schatzung im Karst von Lancashire stammt von Rose & Vincent, die einen Wert von 1630 Jahren fur 5 Zentimeter Absenkung ansetzen. [21]

Die Korrosionsraten sind lithologie - und gleichzeitig korngroßenabhangig . Sie sind hoch bei Mikriten ( Mudstones ), Sparite (Rudstones oder Grainstones ) nehmen eine Mittelstellung ein und niedrig bei dolomitischen Kalken und kalkigen Dolomiten .

  • J.R.L. Allen: Sedimentary structures ? their character and physical basis . Elsevier, 1984, ISBN 0-444-42232-3 .
  • Franco Cucchi: Kamenitzas . In: Angel Gines, Martin Knez, Tadej Slabe, Wolfgang Dreybrodt (Hrsg.): Karst Rock Features, Karren Sculpturing . 2009, S.   139?149 ( zrc-sazu.si ).
Commons : Kamenitzas  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Otakar Zeman , Karel Bene? et al.: Anglicko-?esky Geologicky Slovnik s rejst?ikem ?eskych nazv? . Academia Praha, Praha 1985, S. 261.
  2. Jovan Cviji? : The evolution of Lapies . A study in karst physiography . In: American Geographical Society of New York (Hrsg.): Geographical Review . Band   14 (1) , 1924, S.   26?49 .
  3. A. Bogli: Karrentische, ein Beitrag zur Karstmorphologie . In: Zeitschrift fur Geomorphologie . Band   5, 3 , 1961, S.   185?193 .
  4. P.W. Williams: Limestone pavements with special reference to western Ireland . In: Transactions of the British Geographers . Band   40 , 1966, S.   155?172 .
  5. K. Bryan: Origin of Rock Tanks and Charcos . In: American Journal of Science . Band   50, 4 , 1920, S.   163?174 .
  6. S.E. Humbert, S.G. Driese: Phased development of a subaerial paleokarst plane in upper Pennington Formation limestones (upper Mississippian) and associated paleokarst features . In: M. Sc. Thesis . 2001.
  7. M.M. Sweeting: Karst Landforms . Macmillan, London 1972.
  8. Emery, K.O.: J. Geol. Band   54 , 1946, S.   209?228 .
  9. J. Avias: Karst . Hrsg.: M. Merak, V.T. Springfield. Elsevier, Amsterdam 1972, S.   129?188 .
  10. F. Coetzee: Trans. Geol. Soc. S. Afr. Band   78 , 1975, S.   323?333 .
  11. S. Dzulynski, A. Kotarba: Zeitschrift fur Geomorphologie . Band   23 , 1979, S.   172?191 .
  12. J.A. Bartrum, A.P. Mason: N. Z. J. Sci. Technol. Band   30 , 1948, S.   166?172 .
  13. D.L. Reynolds: J. Geol. Band   69 , 1961, S.   110?117 .
  14. M. Mainguet: Le Modele des Gres . Hrsg.: Institut Geographique National. 2 Bande. Paris 1972.
  15. F. Forti: Le “vaschette di corrosione” . In: Atti e memorie della Commissione Grotte “Eugenio Boegan” . Band   11 , 1972, S.   37?65 .
  16. G. Perna, U. Sauro: Atlante delle microforme di dissoluzione carsica superficiale del Trentino e del Veneto . In: Memorie del Museo Tridentino di Scienze Naturali . Band   22 . Trento 1978.
  17. C.A. Kaye: U. S. Geol. Sur. Prof. Pap. 317-B, 1959, S.   49?140 .
  18. P. Forti, et al.: Le “marmitte de corrosione” de la Grotta Perolas (San Paolo, Brasile) . In: Le Grotte d’Italia . Band   3,2 , 2001, S.   15?24 .
  19. F. Cucchi, N. Radovich, U. Sauro: I campi solcati di Borgo Grotta Gigante nel Carso Triestino . In: International Journal of Speleology . Band   18 , Nr.   3?4 , 1990, S.   125?138 .
  20. F. Cucchi, F. Forti, F. Marinetti: Surface degradation of carbonate rocks in the karst of Trieste (Classical Karst, Italy) . In: J.J. Fornos, A. Gines (Hrsg.): Karren Landforms . Universitat de los Illes Baleares, Palma de Mallorca 1996, S.   41?51 .
  21. L. Rose, P.J. Vincent: The kamenitzas of Gait Barrows National Nature Reserve, north Lancashire, England . In: K. Patersen, M.M. Sweeting (Hrsg.): New Directions in Karst . Geobooks, Norwich 1986, S.   473?495 .