Kalligrafie
, auch
Kalligraphie
(
altgriechisch
καλλιγραφ?α
kalligraphia
, von
κ?λλο?
kallos
?Schonheit“ und
-graphie
), ist die ?Kunst des schonen Schreibens“ von
Hand (Chirografie)
mit
Federkiel
,
Pinsel
, Filzstift oder anderen Schreibwerkzeugen. Die Kalligrafie unterscheidet sich von
Typografie
(Setzen von Schrift aus vorgefertigten Buchstabenformen) und
Lettering
(konstruierendes Zeichnen von Schriftzugen). Im Schulfach
Schonschreiben
wird nicht Kalligrafie unterrichtet, sondern leserliches Schreiben.
Das Ansehen der Kalligrafie ist in der
Kulturgeschichte
uberall dort gegeben, wo das Abschreiben heiliger Texte selbst als
sakraler
Vorgang eingestuft wird: So etwa traditionell im Christentum bei der Kopie der Bibel oder im
Islam
, wo die
Basmala
die haufigste kalligrafische Form ist. Noch heute ist auch fur die
chinesische
und
japanische
Schriftkultur
die Kalligrafie wichtig und inspirierend. Wichtiger als die Leserlichkeit ist dabei die Erzielung perfekter asthetischer Ausgewogenheit und das Sichtbarmachen von Emotionen.
Viele Kalligrafen verweisen auf den fast
meditativen
Charakter ihrer Arbeit:
?Die Ruhe dieser Arbeit erfullt das ganze Wesen mit einer umfassenden Zufriedenheit, wo Zeit und Raum, fur kurze Zeit wie weggewischt, uns nicht mehr kummern noch belasten.“
In der abendlandischen mittelalterlichen Kultur spielte die Kalligraphie eine kaum zu uberschatzende Rolle als einzig bekannte Form der Ubermittlung von Literatur. Um allerdings die Texte immer klar lesbar zu halten, wurde die Schrift nur in gewissen Maßen kalligraphisch verandert, so in Form von
Abbreviaturen
(Abkurzungen) und
Ligaturen
(Ineinanderschreibungen von Buchstaben). Der eigentliche
Buchschmuck
erstreckte sich in Europa immer auch auf die Bilder und Illustrationen, da im Christentum kein
Bilderverbot
gilt, anders als in Islam und
Judentum
. In Deutschland waren besonders
Augsburg
und
Nurnberg
Zentren der Buch- und Schriftkunst. Der Augsburger Ulrich Taler und die Nurnberger Familien
Glockendon
und Neudorffer waren bekannte Schriftkunstler. Die eigentliche Kalligraphie wurde als eigene Kunstform eher im Bereich der Uberschriften verwendet. In der
Renaissance
und im
Barock
entstand als Antwort auf die als nicht allzu schon empfundene gedruckte Schrift dann die eigentliche, bewusst auf die Schonheit der Schrift ausgerichtete europaische Kalligraphie, besonders in Italien, Frankreich und England. Spezielle
Schreibmeisterbucher
zeigen ein hohes Niveau.
Auch wenn die Kalligrafie in Europa seit Beginn der Neuzeit stark an Prestige verloren hat, ist sie als Kunstform und Hobby doch noch lebendig, erlebt sogar seit der Einfuhrung der Heimcomputer eine gewisse Renaissance. Praktische Anwendung findet sie bei der Gestaltung von Urkunden, Plakaten oder Eintragungen z. B. in ein
Goldenes Buch
.
In ganz Europa finden sich historische Werke antiker und mittelalterlicher Kalligrafen, die vielfach in Klostern entstanden sind und durch ihre teure Ausstattung und reichhaltigen Details bestechen.
In neuerer Zeit ist als bekannter Kalligraf z. B.
Edward Johnston
zu nennen, der mit seiner
Foundational Hand
und der
serifenlosen
Johnston Sans
, die in der Londoner U-Bahn bis heute verwendet wird, beruhmt wurde.
Seit
talmudischer
Zeit bezeichnet
Sofer
(Betonung auf dem ?e“) einen Schreiber
hebraischer
Texte. Der
Beruf
des Sofers erfordert eine jahrelange Ausbildung und ist innerhalb des
Judentums
sehr angesehen. Die
biblischen
Texte werden mit einer Vogelfeder (
Gansekiel
) und einer Tinte ohne Metallzusatze, die der Sofer meist selber herstellt, geschrieben. Die Unterlage ist stets ein nur fur diesen Zweck handproduziertes
Pergament
. Die hebraischen Texte sind
unvokalisiert
, haben aber besondere Verzierungen, die auch als Kronchen bezeichnet werden. Die Texte mussen absolut fehlerfrei und prazise geschrieben werden. Der Sofer darf nicht aus dem Gedachtnis schreiben, sondern muss jeden Buchstaben einzeln aus der Vorlage
kopieren
.
In Asien, hauptsachlich im chinesischen Raum, Korea und Japan hat die Kalligrafie immer noch einen hohen Stellenwert im gesellschaftlichen und kunstlerischen Leben. Die am meisten verwendeten Werkzeuge sind
Pinsel
,
Tuschestange
und
Tuschestein
, sowie das
Papier
als wesentlicher Bestandteil des Schreibprozesses. Vor dem eigentlichen Schreiben wird Tusche von der Tuschestange im Reibstein mit Wasser oder Wein angerieben. Der Schreibakt ist heutzutage oftmals impulsiv, was die Schriftzeichen schwer leserlich, aber umso ausdrucksstarker macht. Schriftstile wie die
Grasschrift
stellen den eigentlichen Text und seine Lesbarkeit sogar bewusst hinter die kalligraphische Gestaltung zuruck, selbst gebildete Chinesen konnen Grasschriften oft nicht lesen. Sie gelten als Bild, nicht als Text.
Kalligrafische Kunstwerke zieren als paarige senkrechte Schrifttafeln und als waagerechte Namensschilder den chinesischen Garten. Sie sind von den Gartenbauten fast nicht zu trennen und bilden wichtige Schmuckelemente im
chinesischen Landschaftsgarten
. Der Inhalt der Tafeln und Schilder ist im Allgemeinen auf die Umgebung der Gebaude bezogen. Haufig handelt es sich um Zeilen aus beruhmten Gedichten, in denen Besonderheiten der Szenerie angedeutet sind.
Aufgrund des
Bilderverbots im Islam
wurde die kursive
arabische Schrift
in kalligrafischen Kunstwerken wie Linien verwendet, wodurch Bilder aus Buchstaben, sogenannte
Kalligramme
, entstanden. Da in den meisten Landern der islamischen Welt die Kalligraphie als einzige erlaubte Kunstform galt, bildet sie im islamischen Raum das Haupt-Schmuckelement in der Architektur.
Eine der kunstvollsten Arten der arabischen Kalligrafie, die
Osmanische Kalligrafie
, entwickelte sich bis zu Beginn des
20. Jahrhunderts
im
Osmanischen Reich
.
Wahrend
Agyptische Hieroglyphen
vorrangig fur Inschriften und Objektaufschriften verwendet wurden, fanden auf mobilen Schrifttragern wie
Papyri
oder
Ostraka
hauptsachlich die Kursivschriften
Hieratisch
und
Demotisch
Verwendung. Hieratisch wurde mit weich gekauter
Binse
auf Papyrus geschrieben, ab der Romerzeit fand auch der
Kalamos
Verwendung. Vor allem literarische und religiose Texte wurden sehr sorgfaltig geschrieben, wobei die Hieratogramme uberaus ausladend und schwungvoll ausfallen konnten. Vor allem das Buchhieratisch der Ramessidenzeit gilt als manieriert.
- Herbert Becker:
Kalligraphie. Die Kunst des schonen Schreibens
. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2011,
ISBN 978-3-86502-130-4
.
- Julius de Goede:
Kalligraphie. Schonschreiben lernen.
Weltbild Verlag, Augsburg 1991,
ISBN 3-8043-2665-X
.
- Nuesret Kaymak:
Schreiben als Kunst
. Regionalia Verlag, Rheinbach 2012,
ISBN 978-3-939722-59-5
.
- ↑
Andreas Schenk:
Kalligraphie: die stille Kunst, eine Feder zu fuhren: [das Werkbuch zum Schonschreiben]
. AT-Verlag, 1989,
ISBN 3-85502-375-1
.