Der
Kaisermantel
oder
Silberstrich
(
Argynnis paphia
) ist ein
Schmetterling
(
Tagfalter
) der Gattung
Argynnis
aus der
Familie
der
Edelfalter
(Nymphalidae). Er ist der großte mitteleuropaische
Perlmuttfalter
. Das
Artepitheton
leitet sich von Paphia, einem Beinamen der
Aphrodite
aus der
griechischen Mythologie
ab.
[1]
Er wurde zum
Schmetterling des Jahres
2022 gekurt.
[2]
Die Falter erreichen eine
Flugelspannweite
von 55 bis 65 Millimeter in Mitteleuropa. Die Flugeloberseiten der Mannchen sind leuchtend orange und haben braune Flecken, an den Adern 1 ? 4 befinden sich dunkle
Duftschuppenstreifen
. Die Weibchen sind dunkler und etwas grunlicher, die Duftschuppenstreifen fehlen; dafur sind die dunklen Flecken entlang des Vorderrandes der Vorderflugel kraftiger. Die Flugelunterseiten der Vorderflugel sind blass orange, die der Hinterflugel sind graugrun, uberdeckt mit einem schmalen, etwas geschwungenen silbrig schimmernden Band vom Vorderrand zum Innenrand, dem der Falter auch seinen deutschen Namen Silberstrich verdankt.
-
Dorsalansicht ♂
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△ Ventralansicht ♂
-
△ Ventralansicht ♀
-
Dorsalansicht ♀
Die gelbgrauen Eier sind kegelformig und gerippt.
[3]
Die
Raupen
werden ca. 38 Millimeter lang. Sie sind dunkelbraun gefarbt und haben braunorange Dornen und zwei dunne, eng nebeneinander liegende, gelbe Ruckenlinien. Hinter dem Kopf tragen sie zusatzlich ein schwarzes Dornenpaar, das wie Fuhler lang nach vorne gezogen ist.
[4]
Die
Sturzpuppe
ist graubraun, mit spitzen Kopfhornern und Ecken und hat kegelformige anfangs silberne und vor dem Schlupf goldene Spitzen.
[3]
- Argynnis paphia f. valesina
(
Esper
). Die dunkle Form der Weibchen hat eine, besonders auf dem Hinterflugel, dunkel ubergossene Oberseite, die zuweilen einen blauen Schimmer haben kann. Sie ist in Mitteleuropa selten, sie kann jedoch im Suden (Spanien und Italien) und Osten des Verbreitungsgebiets die dominierende Morphe sein und fehlt z. B. in Irland vollkommen.
- Argynnis paphia diva
(
Oberthur
). Vorkommen in
Algerien
. Auf der gut ausgebildeten Zeichnung der hochgelben Unterseite der Hinterflugel fehlt oft der Silberstreifen, stattdessen ist die Region zuweilen ohne jede Spur von Grun, in andern Fallen graugrun gebandert. Die Flugeloberseite der Mannchen ist brennend rot. Beide Geschlechter haben viel starker gezackte Hinterflugelrander als die typische Form.
- Argynnis paphia immaculata
(
Bellier
). Vorkommen in
Korsika
und
Sardinien
. Die Silberstreifen auf den Unterseiten der dunkleren grunbraunen Hinterflugeln sind reduziert und die Unterseiten haben einen Goldschimmer.
- Argynnis paphia anargyria
(
Staudinger
). Im außersten Suden von Europa verliert die Hinterflugelunterseite ihr Silber, so dass die Binden nur noch trub ockergelb durch die oft matte grunbestaubte Hinterflugelflache ziehen. Vorkommen in
Spanien
,
Italien
, gelegentlich Sud-
Griechenland
.
- Argynnis paphia f. delila
(
Hubner
). Die Mannchen sind roter und die Weibchen sind dunkler. Sie kommen in Klein-Asien im
Taurusgebirge
vor.
- Argynnis paphia f. tsushimana
(
Fruhstorfer
) ist nach dem Vorkommen auf der japanischen Insel
Tsushima
benannt. Die Form ist die farbenprachtigste aller bekannten
paphia
-Formen. Unterseits sind die Hinterflugelbinden noch dunkler grun als bei
valesina
, und auch der Vorderflugelapex ist tief dunkel meergrun. Die Silberbinden der Hinterflugel erscheinen ungewohnlich breit weiß, scharf hervortretend und die grunen Submarginalflecke stehen isolierter und sind nicht so verschwommen wie bei chinesischen
paphia
-Formen.
- Argynnis paphia f. megalegoria
(
Fruhstorfer
). Die chinesischen Formen sind stets großer als die europaischen, die Weibchen sind die großten von allen und ubertreffen selbst die afrikanischen Formen. Bei ihnen ist die Hinterflugelunterseite reicher grun bestaubt als bei europaischen Formen, sie sind aber heller als bei der japanischen Form.
- Argynnis paphia f. valesinides
(
Fruhstorfer
). Im nordlichen China (z. B. bei Peking) fliegt diese
valesina
-artige Form der Weibchen. Sie ist die haufigere, fliegt sogar in manchen Gegenden fast ausschließlich und sieht der europaischen
valesina
-Form ganz ahnlich, ist aber um die Halfte großer.
[3]
Argynnis paphia
ist weit verbreitet und haufig in
Europa
: Nord-
Spanien
im Westen,
Frankreich
,
Italien
einschließlich der Inseln,
Irland
, sudliches
Großbritannien
,
Fennoskandinavien
,
Griechenland
, europaischer Teil der
Turkei
. Das gesamte Verbreitungsgebiet erstreckt sich durch das gemaßigte
Asien
(Russland, Iran, China) bis nach
Japan
. Die vertikale Verbreitung reicht bis 1.000 Meter in Europa und bis 2.000 Meter in
Nordafrika
. Sie leben an sonnigen
Waldrandern
, blutenreichen Waldlichtungen mit strauchbewachsenen Randern und auf von Wald eingeschlossenen Wiesen, besonders im Bergland. Nur selten verlassen die Falter die Waldgebiete.
[5]
Die Falter fliegen jahrlich in
Mitteleuropa
in einer Generation von Juni bis August, im Suden Europas von Ende Mai bis September. Sie saugen mit Vorliebe an Brombeerbluten,
Skabiosen
, Distelkopfen und den doppeldoldigen Blutenstanden der
Wald-Engelwurz
. Bei der
Balz
verfolgt das Mannchen das Weibchen und umkreist es dabei von hinten unten nach vorn und von vorne oben nach hinten zuruck, wahrend das Weibchen mit gleichmaßigem Flattern ganz gerade fliegt. Das Mannchen sendet dabei einen Lockstoff aus
Duftschuppen
aus. Wenn das Weibchen paarungsbereit ist, landet es auf einem Busch oder uberhangenden Baumzweig und streckt seinen Hinterleib nach oben. Dabei gibt es aus Drusensacken ebenfalls einen Lockstoff ab. Die Vereinigung findet auf Bluten, Blattern oder am Boden statt, haufig so fest, dass das Paar vereinigt bleibt und das eine Individuum das andere mit herumtragt.
[3]
[4]
[5]
Die Eier werden an Baumstammen abgelegt, vorzugsweise an
Kiefern
und
Fichten
, in deren Nahe Veilchen wachsen. Ihren Suchflug nach einem Ablageplatz beginnen die Weibchen in den Baumkronen. Hat eines einen geeigneten Baum gefunden, lasst es sich senkrecht auf einen besonnten Platz am Boden fallen und sonnt sich. Danach fliegt es kurze Strecken dicht uber den niederen Pflanzen und landet auf einigen. Mit den Putzpfoten trommelt es heftig auf der Blattdecke und fliegt dann zur nachsten Stelle. Hoherer Bewuchs wird dabei gemieden. Das Weibchen beginnt in etwa 1 ? 2 m Hohe an dem Baum sprungweise aufwarts zu flattern, jedes Mal nur einige Flugelschlage ausfuhrend. Dabei umfliegt es spiralformigig den Baumstamm, um in Abstanden von ½ - 2 m je ein Ei abzusetzen. Hierzu setzt es sich senkrecht an den Stamm und biegt den Hinterleib im rechten Winkel, um das Ei in eine Spalte, unter einer Flechte oder Rindenschuppe zu platzieren, wo es nicht sichtbar ist und vor Sonne und Regen weitgehend geschutzt. In etwa 4 m Hohe angekommen, verlasst es diesen Stamm, um an einem anderen wieder von unten zu beginnen.
[3]
[5]
Es gibt aber auch Beobachtungen (z. B. aus Brandenburg), dass die Eier nicht an Baumstammen, sondern stattdessen an Veilchen abgelegt wurden.
[5]
Die Raupen schlupfen im Spatsommer. Sie fressen ihre eigene Eihulle. Anschließend verstecken sie sich, ohne weitere Nahrungsaufnahme in der Rinde und uberwintern. Erst im nachsten Marz werden sie wieder aktiv und kriechen den Stamm hinab auf der Suche nach Veilchen. Sie beginnen dann an den Veilchen zu fressen. Tagsuber halten sie sich unter trockenen Blattern verborgen und kommen nur in der Nacht hervor. Sie verpuppen sich als Sturzpuppe an Pflanzen in Bodennahe.
[6]
Die Raupen ernahren sich von den Blattern verschiedener
Veilchenarten
wie
Wohlriechenden Veilchen
(
Viola odorata
),
Wald-Veilchen
(
Viola reichenbachiana
),
Raues Veilchen
(
Viola hirta
); angeblich wurden die Raupen gelegentlich auch an
Echtem Madesuß
(
Filipendula ulmaria
) gefunden.
[5]
- ↑
Arnold Spuler:
Die Schmetterlinge Europas
.
Band
1
. E. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1908,
S.
30
.
- ↑
Der Kaisermantel ist der Schmetterling des Jahres 2022 ? gesunde Mischwalder braucht das Land
, abgerufen am 2. Dezember 2021
- ↑
a
b
c
d
e
Die palaearktischen Tagfalter
. In: Adalbert Seitz (Hrsg.):
Die Großschmetterlinge der Erde
.
Band
1
. Alfred Kernen, Stuttgart 1909,
S.
241?242
.
- ↑
a
b
Heiko Bellmann
:
Der neue Kosmos-Schmetterlingsfuhrer. Schmetterlinge, Raupen und Futterpflanzen.
Franckh-Kosmos, Stuttgart 2003,
ISBN 3-440-09330-1
, S. 160.
- ↑
a
b
c
d
e
Tagfalter I (Ritterfalter (Papilionidae), Weißlinge (Pieridae), Edelfalter (Nymphalidae))
. In: Gunter Ebert, Erwin Rennwald (Hrsg.):
Die Schmetterlinge Baden-Wurttembergs
.
Band
1
. Ulmer Verlag, Stuttgart 1993,
ISBN 3-8001-3451-9
,
S.
413?421
.
- ↑
W. During:
Kaisermantel.
In:
Artenportrats der Tagfalter in Rheinland-Pfalz.
BUND RLP, 28. Dezember 2020,
abgerufen am 28. Dezember 2020
(deutsch).
- Tom Tolman, Richard Lewington:
Die Tagfalter Europas und Nordwestafrikas.
Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 1998,
ISBN 3-440-07573-7
.
- Hans-Josef Weidemann:
Tagfalter: beobachten, bestimmen.
Naturbuch-Verlag Augsburg 1995,
ISBN 3-89440-115-X
.