Johann Kaspar Julius Ficker
, ab 1885
Ficker Ritter von Feldhaus
(*
30. April
1826
in
Paderborn
; †
10. Juli
1902
in
Innsbruck
), war ein
deutsch
-
osterreichischer
Historiker
. Er gehorte zu den bedeutendsten
Diplomatikern
des 19. Jahrhunderts. Sein zuerst 1860 erschienenes Werk
Vom Reichsfurstenstande
wurde zum Klassiker
mediavistischer
Verfassungsgeschichte.
Leben
Ficker studierte zunachst an der
Universitat Bonn
Rechtswissenschaften
, ehe er sich dem Studium der
Geschichte
widmete. Zunachst war er kurzzeitig Mitglied des Corps Saxo-Rhenania, schied dort aber im Zusammenhang mit einer Spaltung der Korporation aus.
[1]
Im Wintersemester 1845/46 trat er der
Bonner Burschenschaft Frankonia
bei. 1849 wurde er zum Dr. phil.
promoviert
mit einer Abhandlung uber ein verfassungsrechtliches Thema aus der Stauferzeit, den Plan Kaiser
Heinrichs VI.
, das deutsche Wahlreich in ein Erbreich zu verwandeln. Ostern 1851
habilitierte
er sich als Privatdozent in Bonn. 1852 wurde er als ordentlicher Professor fur die allgemeine Geschichte an die
Universitat Innsbruck
berufen, wo er 1863 in die juridische Fakultat eintrat und deutsche Reichs- und
Rechtsgeschichte
lehrte. 1859/60 war er Rektor der Universitat Innsbruck. 1879 trat Ficker in den Ruhestand. In
Igls
hatte er den alten Ansitz
Hohenburg
erworben und verbrachte dort als passionierter Wanderer seine Sommermonate.
Fickers altester Sohn
Ludwig
wurde ein bekannter Schriftsteller und Verleger, der zweite Sohn
Heinrich
Meteorologe und Geophysiker, der dritte Sohn
Rudolf
Musikwissenschaftler. Seine Tochter
Cenzi von Ficker
machte sich als Bergsteigerin einen Namen, als sie ihren Bruder Heinrich 1903 auf eine Expedition in den
Kaukasus
begleitete.
[2]
Leistungen
Ficker leitete die ?
Regesta Imperii
“ und war Lehrer mehrerer bedeutender Historiker ? wie
Emil von Ottenthal
,
Engelbert Muhlbacher
,
Oswald Redlich
und
Alfons Huber
. Bekannt wurde er auch durch eine weithin beachtete Kontroverse mit
Heinrich von Sybel
uber die Kaiserpolitik des Mittelalters (
Sybel-Ficker-Streit
). Ficker wies die Ausfuhrungen Sybels, dass diese Politik die Entstehung eines deutschen
Nationalstaats
verhindert habe und daher als verhangnisvoll bewertet werden musse, mit der Argumentation zuruck, dass man das Mittelalter nicht aus der Sicht der Gegenwart richten durfe und der Nationalstaat keineswegs das einzig wunschenswerte Ziel der Geschichte sei. Diese Kontroverse war nicht zuletzt der Niederschlag der politischen Entwicklungen in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts. Auf lange Sicht hat sich Fickers Einschatzung durchgesetzt.
Seine umfassenden Arbeiten vor allem zu rechtsgeschichtlichen und
diplomatischen
Themen beruhen auf einer breiten und souveranen Kenntnis der Quellen. Sie wurden mehrfach nachgedruckt und gelten teilweise heute noch als Standardwerke, auch wenn man manche Einschatzung nicht mehr teilt. Ficker war Mitglied mehrerer
Akademien der Wissenschaften
, darunter seit 1866 der
Wiener Akademie der Wissenschaften
. Auswartiges Mitglied der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften
war er bereits 1859 geworden,
[3]
1893 folgte die
Preußische Akademie der Wissenschaften
, 1897 die
Accademia dei Lincei
.
[4]
Ehrungen
Im Jahr 1885 wurde er mit dem Pradikat ?Ritter von Feldhaus“ in den erblichen Adelsstand erhoben. 1954 wurde im 21. Wiener Gemeindebezirk
Floridsdorf
die
Julius-Ficker-Straße
nach ihm benannt. An seinem langjahrigen Wohnhaus Leopoldstraße 22 in Innsbruck-
Wilten
befindet sich eine Gedenktafel.
Schriften (Auswahl)
- Ausgewahlte Abhandlungen zur Geschichte und Rechtsgeschichte des Mittelalters
, hrsg. von
Carlrichard Bruhl
, 3 Bande, Aalen 1981.
- Beitrage zur Urkundenlehre
, 2 Bande, Innsbruck 1877/78 (Neudruck 1966).
- Vom Heerschilde
, Innsbruck 1862 (Neudruck 1964).
- Das Deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen.
2. Auflage. Innsbruck 1862.
- Vom Reichsfurstenstande
, 2 Bande in 4 Teilen, ab Band 2 Teil 1 hrsg. u. eingeleitet v. Paul Puntschart, Innsbruck 1861?1923 (Neudruck 1984).
- Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens
, 4 Bande, Innsbruck 1868?74 (Neudruck 1961).
- Zur Geschichte des Lombardenbundes.
In:
Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.
Band 60, Wien 1869, S. 297?350 (
online
).
Literatur
- Christoph Dartmann
:
Politik und Wissenschaft wahrend der Etablierung einer universitaren Mittelalterhistorie: Julius von Ficker.
In: Christoph Dartmann,
Kaja Harter-Uibopuu
(Hrsg.):
Geschichtsglauben. Studien zum Spannungsfeld von Geschichtskultur, Geschichtswissenschaft und Religion
(=
Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne.
Band 19). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022,
ISBN 978-3-515-13185-8
, S. 43?60.
- Julius Jung
:
Julius Ficker 1826?1902. Ein Beitrag zur deutschen Gelehrten-Geschichte.
Neudruck der Ausgabe Innsbruck 1907. Scientia-Verlag, Aalen 1981,
ISBN 3-511-09097-0
.
- Jan Paul Niederkorn
:
Julius von Ficker und die Fortfuhrung der Regesta Imperii vom Tod Bohmers (1863) bis zu ihrer Ubernahme durch die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien (1906).
In: Karel Hruza,
Paul Herold
(Hrsg.):
Wege zur Urkunde, Wege der Urkunde, Wege der Forschung. Beitrage zur europaischen Diplomatik des Mittelalters
(=
Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters.
Band 24). Bohlau, Wien 2005,
ISBN 3-205-77271-7
, S. 293?302.
- Otto Brunner
:
Ficker, Johann Kaspar Julius von.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961,
ISBN 3-428-00186-9
, S. 133 (
Digitalisat
).
- Emil von Ottenthal
:
Julius von Ficker. Rede bei der vom Akademischen Senat der Universitat Innsbruck am 13. Dezember 1902 veranstalteten Gedachtnis-Feier.
Selbstverlag der K. K. Univ., Innsbruck 1903.
- Ficker Julius von.
In:
Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815?1950
(OBL). Band 1, Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 309 f. (Direktlinks auf
S. 309
,
S. 310
).
- Eintrag
in der
Catholic Encyclopedia
, Robert Appleton Company, New York 1913.
- Heinrich Kretschmayr
:
Ficker, Julius von
. In:
Enciclopedia Italiana
, Rom 1932.
- Gerhard Oberkofler
:
Die geschichtlichen Facher an der Philosophischen Fakultat der Universitat Innsbruck 1850?1945
(=
Veroffentlichungen der Universitat Innsbruck.
Band 39). Osterr. Komm.-Buchh., Innsbruck 1969.
Weblinks
Anmerkungen
- ↑
Julius Jung:
Julius Ficker (1826?1902). Ein Beitrag zur deutschen Gelehrtengeschichte
. Innsbruck 1907, S. 31.
- ↑
Kurzbiografie von Cenzi von Ficker auf bergnews.com
(abgerufen am 28. Februar 2016).
- ↑
BAdW Verstorbene Mitglieder
.
- ↑
ANL Annuario 2011, S. 440.