Julius Rontgen
(*
9. Mai
1855
in
Leipzig
; †
13. September
1932
in
Utrecht
) war ein
deutsch
-
niederlandischer
Komponist
und
Pianist
.
Julius Rontgen entstammt einer deutsch-niederlandischen Musikerfamilie. Sein Vater
Engelbert Rontgen
war Konzertmeister des Leipziger
Gewandhausorchesters
, Rontgen war entfernt verwandt mit dem Physiker
Wilhelm Conrad Rontgen
. Seine Mutter Pauline war Pianistin und entstammte der angesehenen Leipziger Musikerfamilie Klengel.
Julius Klengel
, Cellist am Gewandhaus, war sein Cousin.
Er war ein besonders begabtes Kind und besuchte, ebenso wie seine beiden Schwestern, keine Schule. Von den Eltern und Großeltern wurden sie in Musik unterrichtet, fur die anderen Facher waren Privatlehrer zustandig. Seine ersten Klavierstunden erhielt Rontgen von
Carl Reinecke
, dem Direktor des
Gewandhausorchesters
. Seine ersten Kompositionen (schon als Kind) waren von Reinecke, aber ebenso von Robert Schumann,
Franz Liszt
und
Johannes Brahms
beeinflusst.
Im Marz 1870, im Alter von 14 Jahren, besuchte Rontgen
Franz Liszt
in
Weimar
und bekam nach einem Vorspiel eine Einladung zu einer Soiree in Liszts Haus.
Spater ging Rontgen nach Munchen, wo er bei
Franz Lachner
, einem Freund
Franz Schuberts
, Klavier studierte. Mit 18 Jahren begann er eine Karriere als professioneller Pianist. Eine Konzertreise durch den Suden Deutschlands fuhrte ihn mit dem 29-jahrigen Sanger
Julius Stockhausen
zusammen. Ebenso in dieser Zeit lernte er die schwedische Musikstudentin
Amanda Maier
kennen, die er 1880 heiratete.
1877 stand Rontgen vor einer sein Leben pragenden Entscheidung, entweder nach
Wien
oder nach
Amsterdam
zu gehen. Er entschied sich fur Amsterdam und eine Stelle als Klavierlehrer an der dortigen Musikschule. Professor Loman, Theologieprofessor an der Amsterdamer Universitat und eine bedeutende Figur im Kulturleben der Stadt, der mit Rontgens Vater befreundet war, versprach den Eltern, den 22 Jahre alten Sohn unter seine Fittiche zu nehmen.
Einem Brief vom Dezember 1877 ist zu entnehmen, dass Rontgen die Musikschule als Ort von Kindern und Dilettanten beschreibt, die, da sie nicht offentlich unterstutzt wird, mehr auf die Anzahl als auf die Qualitat ihrer Studenten schaut.
In der Zeit zwischen 1878 und 1885 besuchte
Johannes Brahms
oft Amsterdam und lernte dort auch Rontgen kennen. 1884 spielte Rontgen unter Brahms’ Leitung dessen
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
op. 83. 1883 grundete er das ?Amsterdamsch Conservatorium“ (
Conservatorium van Amsterdam
) zusammen mit den Komponisten
Frans Coenen
und
Daniel de Lange
.
1884 begann die Planung eines neuen Konzertsaales, des Amsterdamer
Concertgebouws
, in die Rontgen stark involviert war. Er bewarb sich 1888 um die Leitung des Orchesters, das inzwischen in diesem Saal spielte, wurde aber stark enttauscht, als man dem Deutschen
Hans von Bulow
den Vorzug geben wollte. Das Komitee hatte Zweifel an den kunstlerischen Fahigkeiten Rontgens als Dirigent, andererseits stand von Bulow aus zeitlichen Grunden nicht zur Verfugung. Letztlich entschied man sich fur den Violinisten
Willem Kes
.
Rontgen wandte sich verstarkt dem Komponieren von Kammermusik und seiner Arbeit fur das Konservatorium zu. Als begleitender Pianist des großen Violinisten
Carl Flesch
, des Sangers
Johannes Messchaert
und des Cellisten
Pau Casals
feierte er große Erfolge. Mit Messchaert besuchte er mindestens einmal im Jahr Wien, wo er immer wieder auch Brahms traf.
In dieser Zeit entstand auch die Freundschaft mit dem norwegischen Komponisten
Edvard Grieg
, den er oft in seiner
Villa Troldhaugen
in Bergen besuchte. Grieg wiederum besuchte mehrmals Amsterdam, um dort im
Concertgebouw
aufzutreten. Die Freundschaft mit Grieg war von entscheidender Bedeutung fur die Entwicklung der Musik Rontgens. Als Grieg 1907 in Norwegen starb, hat er sich auch noch mit dem Nachlass des beruhmten norwegischen Komponisten beschaftigt. Rontgen schrieb nach Griegs Tod eine interessante Biographie in niederlandischer Sprache mit Teilen ihres ausgedehnten Briefwechsels.
Wahrend der kunstlerischen Ruhezeit im sommerlichen Amsterdam reiste Rontgen mit seiner Familie haufig nach Danemark, wo er Bodil de Neergaard kennenlernte. In diesem fur Danemarks musikalisches Leben sehr wichtigen Haus ?
Fuglsang
“ lernte er unter anderen die danischen Komponisten
Emil Hartmann
und
Carl Nielsen
kennen. Daraus entwickelte sich eine lange kunstlerische fruchtbare Beziehung und eine enge Beziehung zu Danemark, was dazu fuhrte, dass seine Sohne fließend Danisch lernten.
Fur einige Jahre bildete Rontgen mit seinen Sohnen aus der ersten Ehe ein Klaviertrio. Aus seiner zweiten Ehe (1897) mit der begabten Klavierlehrerin Abrahamina des Amorie van der Hoeven (seine erste Frau Amanda war 1894 gestorben) gingen weitere vier Sohne hervor, von denen drei ebenfalls eine professionelle Musiker-Laufbahn einschlugen.
Kurz nach dem
Ersten Weltkrieg
(1919) wurde Rontgen
niederlandischer Staatsburger
. Der Grund war, dass sein erster Sohn aus zweiter Ehe, Johannes, zum deutschen Kriegsdienst aufgefordert wurde. Sein zweiter Sohn aus erster Ehe, der Cellist Engelbert, der nach Amerika auswanderte, wurde Soldat in einer Sanitatskompanie der US-Armee. Die Folge war, dass Rontgen viele Jahre nicht in seinem Heimatland als Musiker auftreten konnte.
1924 ging Julius Rontgen in den Ruhestand. Er zog nach
Bilthoven
bei Utrecht. Sein Sohn Frants baute ihm dort den Landsitz
Gaudeamus
im Stil der ?Amsterdamer Schule“. Das Musikzimmer war rund und ?schwebte sozusagen uber der Erde“: Der Architekt hatte das Musikzimmer auf ein kleines Fundament an der Villa gestellt. Wahrend der letzten acht Jahre seines Lebens schuf er noch etwa 100 Kompositionen, meist Kammermusiken und Lieder, jedoch auch 25 Sinfonien, von denen nur drei zu seinen Lebzeiten aufgefuhrt wurden.
[1]
Auf
Gaudeamus
besuchten ihn viele weithin bekannte Musiker, u. a. der spanische Cellist Pau Casals und der junge australische Pianist und Komponist
Percy Grainger
. Rontgen lehrte Musikanalyse, besonders uber Kompositionen von
Hindemith
,
Strawinski
,
Schonberg
und
Willem Pijper
.
1928 besuchte Rontgen seinen Sohn Engelbert in den Vereinigten Staaten. Letzterer leitete inzwischen bei der
Metropolitan Opera
in New York die Cellistengruppe. Begeistert war er dort von der Jazzmusik. Besonders der junge Komponist
George Gershwin
hat einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Einige Kompositionen in den letzten Jahren wurden von der Jazzmusik beeinflusst.
In seinem letzten Jahr experimentierte Rontgen mit atonaler Musik, er schrieb eine bitonale Sinfonie, die zu seiner Lebzeiten nie veroffentlicht wurde, aber mittlerweile auf einer
CD
des CD-Labels Cobra erhaltlich ist. Im Kino Tuschinsky in Amsterdam sorgte er manchmal fur die Klavierbegleitung zu Stummfilmen des Folkloristen
Dick van der Ven
. Dabei spielte er Volksmusikstucke, die er schon fruher bearbeitet hatte. Wie viele andere Pianisten seiner Zeit machte er auch Aufnahmen mit dem
Pianola
.
1930 empfing Rontgen die Ehrendoktorwurde der
Universitat Edinburgh
. Der britische Musikwissenschaftler
Donald Francis Tovey
schrieb in seinem Nachruf in der Zeitung
The Times
, dass Rontgens Kompositionswerk jede musikalische Kunstform umfasse, eine vollendete Beherrschung der kompositorischen Techniken darstelle und jede Reihe seiner Werke in einer einzigartigen Meisterschaft gipfele.
Am 13. September 1932 starb Julius Rontgen in einer Klinik in Utrecht.
Nach dem
Zweiten Weltkrieg
wurde die Villa
Gaudeamus
Sitz der
Gaudeamus-Gesellschaft
, einer Gesellschaft fur moderne niederlandische Musik.
Das auf Klassik-Ersteinspielungen spezialisierte deutsche Klassiklabel
cpo
veroffentlichte (Stand 2021) vierzehn CDs mit seinen Sinfonien (3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 18, 19, 21, 22?24), Violin-, Violoncello- und Klavierkonzerten,
[2]
und trug damit maßgeblich dazu bei, seinen Namen wieder bekannt zu machen. Das Label hat angekundigt, alle seine Sinfonien einzuspielen. Es arbeitet dabei teilweise mit dem
Nederlands Muziekinstituut
zusammen.
[3]
- Ballade fur Klavier
(Musikverlag Hofmeister)
- Passaglia und Fuge fur Klavier
(Musikverlag Hofmeister)
- Praludium und Fuge fur Klavier
(Musikverlag Hofmeister)
- Cellosonate a-Moll op. 41
(Musikverlag B-Note)
- Sonate Nr.1 fur Oboe und Klavier
(Universal Edition)
- Sonate fur Fagott und Klavier
(Accolade Musikverlag)
- Sonate fur Viola und Klavier
(Donemus, Amsterdam)
- Trio fur Flote, Oboe, Fagott G-Dur op. 86
(Accolade Musikverlag)
- Hirtenlied fur Oboe, 2 Violinen und Kontrabass
(Karthause Musikverlag)
- Jung Volker op. 54 fur Mannerchor
(Verlag Thomi-Berg)
- ↑
jpc.de
, abgerufen am 1. Marz 2023
- ↑
jpc.de
, abgerufen am 1. Marz 2023
- ↑
jpc.de
, abgerufen am 1. Marz 2023