Julius Hirsch (Okonom)

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Julius Hirsch (* 30. Oktober 1882 in Mandel ; † 14. August 1961 in New York City ) war ein deutsch-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Staatssekretar im Reichswirtschaftsministerium .

Nach mehrjahriger kaufmannischer Tatigkeit studierte Hirsch Nationalokonomie an der TH Aachen und der Universitat Bonn . 1909 wurde er zum Dr. phil. promoviert , 1911 habilitierte er sich an der Handelshochschule Koln fur Volkswirtschaft . Ebendort hatte er als Lehrbeauftragter gewirkt. 1917 wurde er außerordentlicher und 1919 ordentlicher Professor fur Privatwirtschaftslehre an der Universitat zu Koln . Er war der erste betriebswirtschaftliche Ordinarius judischen Glaubens in Deutschland. [1]

Noch 1919 wurde Hirsch Abteilungsleiter fur Fragen der Ubergangswirtschaft im Reichsernahrungsministerium in Berlin und im selben Jahr Staatssekretar im Reichswirtschaftsministerium. Dort wirkte er seit August 1919 als Staatssekretar im Reichswirtschaftsministerium unter sozialdemokratischer Fuhrung maßgeblich mit, die Kriegsfolgen (Reparations- und Wahrungsprobleme) zu uberwinden. Ebenso war er als Unterstaatssekretar in die damaligen Vorgange einer Politik der ?Sozialisierung“ involviert, fur die Sozialisierungskommission en eingesetzt wurden. Da mit der ?Sozialisierung“ die ?[…] Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln zugunsten der Allgemeinheit […]“ [2] angestrebt wurde, ist diese seitens der Unternehmen und Banken wiederum als drohende ?Zwangswirtschaft“ verunglimpft worden. So schrieb z. B. der damalige Direktor der Deutschen Bank, Oskar Schutter, am 19. Februar 1920 an Paul Silverberg , dem damaligen Generaldirektor der Rheinischen AG fur Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation, in deren Aufsichtsrat Schutter saß:

?Mit Ihnen bin auch ich der Meinung, daß die Leitsatze so ziemlich das Ungeheuerlichste enthalten, was bis jetzt auf dem Gebiet der Zwangswirtschaft geboten worden ist, und daß es in der Tat die hochste Zeit ist, daß die Herren Schmidt und Hirsch entfernt werden, falls Deutschland nicht ganz ruiniert werden soll.“ [3]

Nach dem Rucktritt des sozialdemokratischen Reichswirtschaftsministers Robert Schmidt wurde auch Julius Hirsch, demokratisch orientiert, zum 1. Marz 1923 zur Disposition gestellt. [4] Nach dem Verlust seines Amtes in der Politik 1923 ging Julius Hirsch in die Wissenschaft zuruck. Da er seinen Kolner Lehrstuhl 1919 aufgegeben hatte, lehrte er ab 1924 an der Handelshochschule Berlin und zudem als Honorarprofessor an der Universitat Berlin . Nach der nationalsozialistischen Machtubernahme wurde er aus rassistischen Grunden 1933 zwangsemeritiert und emigrierte uber die Niederlande nach Danemark .

Dort lehrte Hirsch bis zum deutschen Uberfall auf Danemark am 9. April 1940 an der Handelshochschule Kopenhagen und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft in Danemark. [5] 1941 emigrierte Hirsch in die Vereinigten Staaten, wo er an der New School for Social Research in New York City lehrte. Zudem beriet er die amerikanische Regierung sowie Privatunternehmen in wirtschaftspolitischen Fragen.

Aus Anlass seines 70. Geburtstages verlieh ihm die Freie Universitat Berlin 1952 den Titel eines Ehrendoktors , in der Begrundung heißt es, er wird verliehen:

?[…] dem Forscher auf dem Gebiet der Handelswissenschaft, der Jahre lang der fruheren Handelshochschule und der Friedrich-Wilhelms-Universitat in Berlin unermudlich und erfolgreich seine Krafte widmete, der durch seine Werke das Ansehen und die Bedeutung seines Faches hervorragend gemehrt und entscheidend dazu beigetragen hat, Wissenschaft und Praxis in engen und fruchtbaren Kontakt zu bringen.“ [6]

Schriften (Auswahl)

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  • Das Warenhaus in Westdeutschland, seine Organisation und seine Wirkung. Leipzig 1910.
  • Die Filialbetriebe im Detailhandel unter hauptsachlicher Berucksichtigung der kapitalistischen Massenfilialbetriebe in Deutschland u. Belgien. Marcus & Weber, Bonn 1913.
  • Der moderne Handel, seine Organisation und Formen und die staatliche Binnenhandelspolitik. Mohr, Tubingen 1925. Grundriss der Sozialokonomik. V. Abteilung: Handel, Transportwesen, Bankwesen Teil II.
  • Das amerikanische Wirtschaftswunder . S. Fischer, Berlin 1925.
  • Die Wirtschaftskrise. S. Fischer, Berlin 1931.
  • Die Handelsspanne ? Arbeitstagung der Forschungsstelle fur den Handel, Berlin, am 22. April 1931 . Mit 15 Diskussionsreden u. Tabellenanh. uber d. Hohe d. Handelsspannen u. Handelskosten. Hrsg. mit Karl Brandt . Forschungsstelle fur den Handel, Berlin C 2, Spandauerstr. 42, 1931.
  • Den moderne handels omkostninger : rationalisering ved sammenligning af erfaringer i flere lande . Ubersetzung von Knud Larsen. Schønberg, København 1935. (Ubersetzung des Titels: Die Unkosten des modernen Handels .)
  • Price Control in the War Economy . Harper, New York 1943.

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Peter Mantel: Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personengeschichtliche Studie , Wiesbaden: GWV, S. 360 ff.
  2. in: Peter Wulf (1977): Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920/1921. In: Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 (1), S. 46?98; darin S. 46
  3. in: Peter Wulf (1977): Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920/1921. In: Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 (1), S. 46?98; darin S. 52.
  4. in: Facius, Friedrich (1972): Hirsch, Julius. Neue Deutsche Biographie Band 9, S. 215.
  5. Vgl. Einhart Lorenz, Danemark. In: Claus-Dieter Krohn (Hrsg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933?1945 , Sonderausgabe, 2., unveranderte Auflage, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 204?208, hier S. 206.
  6. Ehrenpromotion Julius Hirsch