Johannes Saliger
(auch:
Johann Beatus
oder
Seliger
, * in der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts in
Lubeck
; † nach 1577) war ein radikal-lutherischer Theologe und Hauptperson des nach ihm benannten
Saligerschen Streites
.
Erstmals fassbar ist Saliger, moglicherweise ein Sohn oder Verwandter des 1530 verstorbenen Lubecker Ratsherrn
Johann Salige
, als Prediger in
Woerden
in Holland, dann ab 1566 in
Antwerpen
. Wegen eines Streites uber die
Erbsunde
kehrte der radikale
Gnesiolutheraner
1568 nach Lubeck zuruck und wurde Prediger an
St. Marien
. Hier kam es zu einem weiteren theologischen Streit, als Saliger gemeinsam mit dem Prediger der
Jakobikirche
Hinrich Fredeland, in einer Zuspitzung der lutherischen Lehre von der
Realprasenz
anfing zu predigen, dass im
Abendmahl
die Elemente Brot und Wein unmittelbar nach der
Konsekration
durch das Sprechen der
Einsetzungsworte
und noch vor der Austeilung (
ante usum
) Leib und Blut Christi seien und dass nichtkonsekrierter Wein, der zur Erganzung bei der Austeilung in den Kelch nachgefullt wurde, einer neuen Konsekration durch das Rezitieren der Einsetzungsworte bedurfe. Er beschuldigte alle anders Glaubenden der
Sakramentiererei
(d. h. des
Calvinismus
) und warf den Lubecker Geistlichen vor, sie wurden das Heilige Abendmahl profanieren. Da auch
Martin Chemnitz
, der als Schlichter angerufen wurde, den hieruber entstandenen Streit nicht beizulegen vermochte, wurden Saliger und Fredeland am 4. Juli 1568 entlassen.
Saliger wurde zum Prediger an der
Marienkirche
in
Rostock
berufen, wo er sich zu friedlichem Verhalten verpflichtete, aber der Streit aufs Neue ausbrach. 1569 gab das Lubecker
Geistliche Ministerium
, vertreten durch den
Senior
Peter Christian von Friemersheim
, Hauptpastor der Jakobikirche, daraufhin eine ausfuhrliche Stellungnahme heraus, die die Realprasenz aufgrund der Einsetzungsworte bejahte, doch eine uber den
Gebrauch
, d. h. die Austeilung hinausgehende Realprasenz in den Elementen als
papistisch
verneinte. Weder
Johannes Wigand
noch
David Chytraus
, die als Vermittler angerufen wurden, vermochten jedoch den Frieden herzustellen. Nach einem herzoglichen Machtwort in Form eines
Abschieds
vom 5. Oktober 1569, dessen Annahme Saliger verweigerte, wurde er auch hier entlassen. Es gab jedoch noch bis Ende des 16. Jahrhunderts eine Gruppe seiner Anhanger in Rostock, die
Beatiner
genannt wurden. Saliger ging von Rostock nach
Wismar
, wo er 1571 lebte, dann nach Hamburg und 1577 nach Holland, wo er verschollen ist.
Im Jahre 1574 brach in Lubeck der Streit aufs Neue aus. Dabei war Saliger jedoch nicht mehr selbst beteiligt, sondern sein Freund, der
Stadtphysicus
Lambert Fredeland
, ein Bruder des Jakobi-Predigers. In diesem Fall wurde von
Lucas Bacmeister
und
Martin Chemnitz
, die der Rat eingeladen hatte, was die Bedeutung des Falls unterstreicht, Ende Juni in der
Katharinenkirche
ein Vergleich ausgehandelt, in dem sich die Lubecker Geistlichen zur Praxis der Nachkonsekration verpflichteten.
Der Saligersche Streit ist einzuordnen in eine ganze Reihe von theologischen Auseinandersetzungen, hauptsachlich zwischen Gnesiolutheranern und
Philippisten
, in der Zeit zwischen
Martin Luthers
Tod 1546 und dem Abschluss des
Konkordienbuches
1580, wie etwa dem
Adiaphoristischen Streit
und dem
Osiandrischen Streit
, deren Ergebnisse zur
Konfessionalisierung
des Luthertums beitrugen.
Noch in der
Konkordienformel
von 1577 finden sich Spuren des Streites im Kapitel uber die Konsekration der Elemente, und es werden die wichtigsten Punkte des Rostocker Abschieds von 1569 als allgemein gultige lutherische Position festgeschrieben.
- Ludwig Fromm
:
Beatus, Johann
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 191.
- Jurgen Diestelmann
:
Actio Sacramentalis. Die Verwaltung des Heiligen Abendmahles nach den Prinzipien Martin Luthers in der Zeit bis zur Konkordienformel.
Mit einem Quellenanhang und mehreren Registern, Verlag der Luth. Buchhandlung Harms, Groß Oesingen 1995,
ISBN 3-86147-003-9
- Wolf-Dieter Hauschild
:
Kirchengeschichte Lubecks.
Schmidt-Romhild, Lubeck 1981, S. 256?259
- Jobst Schone
:
Um Christi sakramentale Gegenwart. Der Saligersche Abendmahlsstreit 1568/1569.
Berlin 1966
- Julius Wiggers
:
Der Saliger’sche Abendmahlsstreit.
In:
Zeitschrift fur die historische Theologie.
Band 18 (= Neue Folge Band 12) 1848, S. 613?666