Johannes Hans Daniel Jensen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Hans Jensen (1963)

Johannes Hans Daniel Jensen (* 25. Juni 1907 in Hamburg ; † 11. Februar 1973 in Heidelberg ; kurz auch Hans Jensen genannt) war ein deutscher Physiker und Nobelpreistrager . Er erstellte als theoretischer Physiker etwa gleichzeitig mit der ebenfalls dafur mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Maria Goeppert-Mayer das Schalenmodell des Atomkerns. Hauptwirkungsort nach 1949 war die Universitat Heidelberg .

Hans Jensen wurde am 25. Juni 1907 als drittes Kind des Gartners Karl Friedrich Jensen und dessen Frau Helene Auguste Adolphine (geborene Ohm) geboren. Er studierte ab 1926 an der Universitat Hamburg und der Albert-Ludwigs-Universitat in Freiburg im Breisgau Physik , Mathematik , Physikalische Chemie und Philosophie . Nach seiner Promotion in Physik bei Wilhelm Lenz blieb er als wissenschaftlicher Assistent in Hamburg und habilitierte 1936. Er wurde 1937 Dozent und 1941 zum außerordentlichen Professor an der Technischen Hochschule Hannover ernannt. 1949 erhielt er von der Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg einen Ruf zum ordentlichen Professor, den er bis zu seiner Emeritierung 1969 innehatte. Wahrend dieser Zeit hatte er auch mehrere Gastprofessuren in den USA , unter anderem am Institute for Advanced Study in Princeton (1952), der University of Wisconsin (1951), der University of Minnesota (1956), der Indiana University (1953), am California Institute of Technology (1953) und Berkeley (1952), der University of California at La Jolla (1961). Er war seit 1955 zusammen mit Otto Haxel Mitherausgeber der Zeitschrift fur Physik . Beigesetzt wurde er in Partenstein (Bayern). [1]

Grabplatte

Kennzeichnend fur den Menschen Hans Jensen ist folgende Anekdote :

?Als Jensen am Morgen nach der Bekanntgabe der Nobelpreisverleihung vom Ministerprasidenten des Landes gefragt wurde, ob er einen besonderen Wunsch habe, sagte er sofort: ja, Sie konnen einem staatenlosen Studenten, der aus dem Irak vertrieben wurde, die deutsche Staatsburgerschaft erteilen. Der Student erhielt sie. [2]

Jensen heiratete 1933 die Arztin Elisabeth Behm. Seine Tochter war die romisch-katholische Theologin Anne Jensen . [3]

Jensen-Gedenktafel am Institut fur Theoretische Physik der Universitat Heidelberg

Die ersten Arbeiten Jensens, u. a. seine Dissertation und Habilitation, beschaftigten sich mit Verfeinerungen des statistischen Thomas-Fermi-Modells der Atomhulle , die wesentliche Verbesserungen brachten. Ende der 1930er begann er, sich mit dem Atomkern zu beschaftigen. Bereits 1939 sprach er in einer weitgehend empirischen Analyse der Atomkerne, ihrer Bindungsenergien und Haufigkeiten erstmals von einem Schalenmodell, ohne jedoch uber die reine Begrifflichkeit hinauszugehen. Diese Formulierung war jedoch sehr vage gehalten, da zum einen das Tropfchenmodell von Niels Bohr (1936) die Kernreaktionen sehr gut beschrieb und die Vorstellung von Bahnen im Atomkern keinen Sinn zu haben schien. Die weitere Entwicklung wurde durch die Isolierung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg verzogert, so dass sich Jensen erst Ende der 1940er wieder intensiver mit der Thematik auseinandersetzen konnte. Erst 1948 gelang ihm durch die Annahme einer starken Spin-Bahn-Kopplung der Durchbruch zu einer Erklarung der Magischen Zahlen (veroffentlicht mit Otto Haxel , Hans E. Suess ), [4] deren Bedeutung fur die Stabilitat der Atomkerne schon langer bekannt war ? gleichzeitig kam in den USA Maria Goeppert-Mayer auf das gleiche Ergebnis, nachdem ihr Enrico Fermi die Moglichkeit einer starken Spin-Bahn-Kopplung vorgeschlagen hatte. In der Folge kam es zu einem regen Austausch zwischen Jensen und Goeppert-Mayer, der zu einem fast vollstandigen Verstandnis der Eigenschaften der leichteren Atomkerne fuhrte. 1955 veroffentlichten die beiden gemeinsam in dem Buch Elementary Theory of Nuclear Shell Structure eine detaillierte Darlegung des Verstandnisses der Atomkerne. Fur diese Leistung wurde den beiden 1963 eine Halfte des Nobelpreises fur Physik zu gleichen Teilen zugesprochen, die andere Halfte ging an Eugene Wigner .

1950 beschrieb er mit Helmut Steinwedel Riesenresonanzen mit einem Zweiflussigkeitsmodell von Protonen- und Neutronenflussigkeit. 1955 fuhrte er mit seinem Schuler Berthold Stech die Chirale Symmetrie in die Theorie der schwachen Wechselwirkung ein, ein Vorlaufer der spateren V-A-Theorie von Richard Feynman und Murray Gell-Mann (1958).

NSDAP-Mitgliedschaft

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Er beantragte am 29. Dezember 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde ruckwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.361.642). [5] Der Grund hierfur soll gewesen sein, dass seine Frau ihr Medizinstudium sonst nicht fortsetzen hatte durfen. Wahrend der Zeit des Nationalsozialismus verhinderte er gemeinsam mit anderen die Deportation des judischen Physikers Richard Gans . [6] [7]

Obwohl Jensen dem Entnazifizierungsausschuss diverse Entlastungszeugnisse vorlegen konnte, die seine Regime-kritische Haltung belegen, wurde ihm die Parteimitgliedschaft und die Mitarbeit am deutschen Uranprojekt zur Last gelegt. 1947 wurde er zunachst in die Kategorie IV (?Mitlaufer“) eingestuft. Erst im Juli 1949 wurde Jensen rechtskraftig entlastet. [7]

Nach ihm ist der J. Hans D. Jensen Preis der Klaus-Tschira-Stiftung benannt, der mit Gastprofessuren fur theoretische Physiker an der Universitat Heidelberg verbunden ist.

Fachartikel und Kapitel

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Otto Haxel, J. Hans D. Jensen, Hans E. Suess: Zur Interpretation der ausgezeichneten Nucleonenzahlen im Bau der Atomkerne . In: Die Naturwissenschaften . Band   35 , Nr.   12 , 1948, S.   376?376 , doi : 10.1007/BF00594911 .
  • Hans E. Sueß, Otto Haxel, J. Hans D. Jensen: Zur Interpretation der ausgezeichneten Nucleonenzahlen im Bau der Atomkerne: 2. Mitteilung . In: Die Naturwissenschaften . Band   36 , Nr.   5 , 1949, S.   153?155 , doi : 10.1007/BF00585102 .
  • Otto Haxel, J. Hans D. Jensen, Hans E. Suess: On the ?Magic Numbers“ in Nuclear Structure . In: Physical Review . Band   75 , Nr.   11 , 1. Juni 1949, S.   1766?1766 , doi : 10.1103/PhysRev.75.1766.2 (englisch).
  • J. Hans D. Jensen, Hans E. Sueß, Otto Haxel: Modellmaßige Deutung der ausgezeichneten Nucleonenzahlen im Kernbau . In: Naturwissenschaften . Band   36 , Nr.   5 , Mai 1949, S.   155?156 , doi : 10.1007/BF00585103 .
  • O. Haxel, J. H. D. Jensen, H. E. Suess: Das Schalenmodell des Atomkerns . In: Ergebnisse der Exakten Naturwissenschaften (=  Ergebnisse der Exakten Naturwissenschaften ). Band   26 . Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1952, ISBN 978-3-540-01623-6 , S.   244?290 , doi : 10.1007/BFb0109313 .
  • Maria Mayer Goeppert , J. Hans D. Jensen: Elementary theory of nuclear shell structure (= Maria Mayer Goeppert [Hrsg.]: Structure of Matter Series ). John Wiley & Sons, 1955 (englisch, archive.org ).
Commons : Hans Daniel Jensen  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Letzte Ruhe fur Nobelpreistrager. (mainpost.de)
  2. uni-heidelberg.de: J.H.D.Jensen, Leben und Werk
  3. Nachruf auf Anne Jensen (PDF) abgerufen am 28. August 2017.
  4. Otto Haxel, J. Hans D. Jensen, Hans E. Suess: On the “Magic Numbers” in Nuclear Structure. In: Physical Review. Band 75, 1949, S. 1766.
    Zur Interpretation der ausgezeichneten Nukleonenzahlen im Bau der Atomkerns. In: Naturwissenschaften. Band 35, 1949.
    Modellmaßige Deutung der ausgezeichneten Nukleonenzahlen im Kernbau. In: Naturwissenschaften. Band 36, 1949.
    Modellmaßige Deutung der ausgezeichneten Nukleonenzahlen im Kernbau. In: Zeitschrift fur Physik. Band 128, 1950, S. 295?311.
  5. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/18241147
  6. Curriculum Vitae Prof. Dr. Johannes H. D. Jensen. (PDF) Leopoldina, abgerufen am 27. Februar 2019 .
  7. a b Kurt Scharnberg: Hans Jensen, Physiker und Nobelpreistrager - Opportunist oder Widerstandler im Dritten Reich? GNT-Verlag, Diepholz 2020, ISBN 978-3-86225-123-0 , S.   52–55 .