Johann Christoph Adelung
(*
8. August
1732
in
Spantekow
; †
10. September
1806
in
Dresden
) war ein
deutscher
Bibliothekar
,
Lexikograph
und
Germanist
.
Johann Christoph Adelung wurde 1732 in
Spantekow
bei
Anklam
als Sohn des Pfarrers Johann Paul Adelung († 1759) geboren. Seine Mutter Regina Sophie, geborene Loeper († 1782) war eine Tochter des Pfarrers im nahegelegenen
Daberkow
. Zu seinen Geschwistern gehorten
Wilhelm Friedrich Adelung
(* 1741; † 1810), der Justizrat in Stettin wurde und sich als Sammler zur pommerschen Geschichte betatigte, und Christiane Sophie Adelung (* um 1730), die spatere Ehefrau von Johann Friedrich Sprengel (* 1726; † 1808/1810) und Mutter des Hallenser Arztes und Botanikers
Kurt Sprengel
(* 1766; † 1833).
Nach dem Besuch der Stadtschule in Anklam und des (alt- und neusprachlichen)
Gymnasiums in Klosterbergen
studierte er ab 1752
Evangelische Theologie
an der
Universitat Halle
, u. a. als Schuler
Siegmund Jakob Baumgartens
. Adelung war 1756 Mitbegrunder der dortigen
Freimaurerloge
Philadelphia zu den drei goldenen Armen
, deren erster Sekretar er wurde; er muss folglich schon fruher in die
Freimaurerei
aufgenommen worden sein.
[1]
1758 wurde Adelung in
Erfurt
Professor (Lehrer) am
Evangelischen Ratsgymnasium
. 1762 wurde er zum Sachsen-Gothaischen Rat ernannt, trat aber eine Stelle in Gotha nicht an. Ab 1765 lebte er in
Leipzig
, wo er als Ubersetzer, Korrektor und Redakteur arbeitete. Ab 1769 redigierte er hier die Leipziger Zeitungen, ferner arbeitete er an der
Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung
und der
Allgemeinen deutschen Bibliothek
mit.
In Leipzig veroffentlichte Adelung ab 1774 sein
Grammatisch-kritisches Worterbuch der Hochdeutschen Mundart
. Damit wurde er in der gelehrten Welt bekannt. Er wurde 1784 Mitglied der
Deutschen Gesellschaft in Mannheim
, 1785 der
Deutschen Gesellschaft in Leipzig
, 1787 auswartiges Mitglied der
Koniglich-Preußischen Akademie der Wissenschaften
[2]
und 1793 Mitglied der
Deutschen Gesellschaft in Konigsberg
.
In seiner 1785?1789 in sieben Banden herausgegebenen
Geschichte der menschlichen Narrheit
machte er sich in
aufklarerischer
Weise uber
Aberglaube
und
Obskurantismus
lustig. Die
Astrologie
etwa fuhrte er am Beispiel des
Renaissancegelehrten
Lucas Gauricus
vor: Einige seiner Prognosen seien ?von ungefar“ eingetroffen, was ?nach geschehener Sache von der lieben Einfalt vergroßert“ worden sei und zu seinem Ruhm beigetragen habe.
[3]
1787 wurde Adelung zum Oberbibliothekar der
Kurfurstlichen Bibliothek
in Dresden berufen, uberließ die Reprasentation aber oft dem Zweiten Bibliothekar
Karl Wilhelm Daßdorf
.
[4]
Die tagliche Offnung der Bibliothek und eine erfolgreiche Weiterfuhrung der Arbeit von
Johann Michael Francke
(1717?1775) im neuen Domizil, dem
Japanischen Palais
, werden Adelung zugeschrieben.
[5]
Zusatzlich ubernahm Adelung 1793 die Aufgaben eines Bibliothekars in der Privatbibliothek des Kurfursten
Friedrich August III.
Adelung starb am 10. September 1806 in Dresden
[6]
und wurde auf dem
Inneren Neustadter Friedhof
beigesetzt. Sein handschriftlicher Nachlass kam 1828 an die Dresdner offentliche Bibliothek, spater folgte auch seine Kartensammlung.
[7]
Er hinterließ ebenfalls
Genealogische
Nachrichten und
Stammtafeln
von
Adelsgeschlechtern
(
Eickstedt
,
Flemming
,
Guntersberg
,
Lepel
,
Liebeherr
, Luskow,
v.d. Osten
,
Schwerin
), dazu vier Gelegenheitsschriften von burgerlichen Familien sowie eine Materialsammlung zur Geschichte der Familien
von Wussow
und
von Ramin
. Diese waren vor 1945 im
Staatsarchiv Stettin
archiviert.
[8]
Adelung ist am bekanntesten fur sein deutsches Worterbuch, hat daneben aber auch auf zahlreichen anderen Gebieten gearbeitet und Ubersetzungen, eigene literarische Texte, historische, naturwissenschaftliche, padagogische und journalistische Arbeiten veroffentlicht. Seine Arbeiten zur deutschen Grammatik waren von pragender Wirkung.
Adelungs wohl bedeutendstes Werk ist sein 55?181 Eintrage umfassendes
Grammatisch-kritisches Worterbuch der Hochdeutschen Mundart
(5 Bande, 1774?1786; 2. Auflage: 1793?1801), die fur ihn im engeren Sinne die
Meißner Kanzleisprache
ist, die bevorzugt wird. Wesentlich ist aber auch der Untertitel:
mit bestandiger Vergleichung der ubrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen
, wodurch sein Werk die bis dahin umfangreichste
synchrone
Bestandsaufnahme der deutschen Sprache bietet. Die den
Lemmata
hinzugefugten vergleichenden Synonyme sind oft relativ ausfuhrlich kommentiert, und er geht auch auf die unterschiedlichen Bedeutungen in den Sprachgebieten ein. Es gibt recht viele orthographiebedingte Verweisartikel und viele fach- bzw. sondersprachliche Lemmata (20?30 % in der ersten Auflage). Oft teilt er seine Ansichten zur Orthographie mit, manche Lemmata zu Buchstabengruppen scheinen vor allem deshalb aufgenommen worden zu sein. Im Laufe der Zeit wird Adelung skeptischer gegenuber den Rechtschreibreformen, und schließlich bekampft er in der Vorrede zur zweiten Auflage seine eigene fruhere Haltung und schreibt Worter teilweise anders (beispielsweise haufig
-iren
statt
-ieren
bei Verben). Es finden sich Aussprachekennzeichnungen, vermehrt noch in der zweiten Auflage bei noch nicht eingeburgerten Fremdwortern (
Ingenieur
?Inschenor‘). Verstreut uber das Werk findet sich eine stark gestraffte Wortbildungslehre zum Deutschen des 18. Jahrhunderts. Ausfuhrlicher geht er darauf besonders bei den Lemmata zu Partikeln und Prafixen ein. Bezuglich der Etymologie sind ihm heutige Grundsatze fremd; er wusste nichts von der
germanischen
und der
hochdeutschen Lautverschiebung
, kennt keine neuhochdeutsche
Diphthongierung
und keine
Monophthongierung
; gesetzmaßiger Lautwandel, Ablaut und die heute rekonstruierten indogermanische Wortbildungssuffixe sind ihm ebenfalls unbekannt. Es finden sich jedoch manchmal durchaus richtige Etymologien. Ein vollstandiger etymologischer Kommentar ? so vorhanden ? ist jeweils dreiteilig: Erstens kommen Angaben ?gleichartiger“ Wortformen aus anderen Sprachstadien, dann ein Uberblick uber die Etymologie seiner Vorganger, die er gut kennt, und schließlich seine eigene Etymologie. Sie scheinen
Herders
Abhandlung uber den Ursprung der Sprache
(1772) im Einzelwort zu dokumentieren.
[9]
Adelungs Worterbuch hatte einen großen Einfluss auf die deutsche Lexikographie, das genaue Ausmaß ist jedoch relativ wenig bekannt. Bezuglich des genauen Worterbuchgegenstandes (Was ist Hochdeutsch? Was hat Adelung tatsachlich lexikographisch bearbeitet?) herrscht in der Forschung ?eine pluralistische Orientierungslosigkeit“. Mindestens das Oberdeutsche kann man trotz negativer Kommentare zum Worterbuchgegenstand hinzurechnen. Ahnlich sieht es bei der Frage aus, ob seine Arbeit normativ oder deskriptiv (oder beides) war.
[9]
Besonders auf Grund der umfassenden Vergleiche hatte das Worterbuch normenden Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache.
[10]
Laut Kuhn und Puschel ?darf dennoch angezweifelt werden, dass er die Sprachnorm festlegt, denn in den 50er Jahren des 18. Jhs. existierte bereits eine vielgelesene, poetische Nationalliteratur, die bereits weitgehend einer einheitlichen Sprachnorm folgte“.
[11]
Daneben geht auf Adelung die
adelungsche s-Schreibung
zuruck, die ab dem mittleren 19. Jh. in Teilen des deutschen Sprachraums und von der Zweiten Orthographischen Konferenz 1901 bis zur Rechtschreibreform von 1996 im ganzen deutschen Sprachraum mit Ausnahme der Schweiz fur das ≫
ß
≪ verbindlich war. Inzwischen wurde sie aber von der
heyseschen s-Schreibung
abgelost.
Eine ausfuhrliche Bibliographie von Adelungs Schriften gibt Strohbach, 1984, S. 8?35.
- Germanistik
- Grammatisch-kritisches Worterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit bestandiger Vergleichung der ubrigen Mundarten, besonders aber des Oberdeutschen.
5 Teile in 4 Banden, Leipzig 1774?1786; 2. vermehrte und verbesserte Auflage ebenda, 4 Bande 1793?1801 (
Erster Theil
,
Zweyter Theil
,
Dritter Theil
,
Vierter Theil
); Supplementband Berlin 1818 (
Funften Bandes Erstes Heft
).
- Deutsche Sprachlehre fur Schulen.
Berlin 1781.
Zweyte Auflage
Berlin 1792.
- Umstandliches Lehrgebaude der deutschen Sprache, zur Erlauterung der Deutschen Sprachlehre fur Schulen.
Erster Band
,
Zweyter Band
. Leipzig 1782.
- Magazin fur die deutsche Sprache.
Leipzig 1782?1784, 2 Bande.
- Kleines Worterbuch fur die Aussprache, Orthographie, Biegung und Ableitung.
Leipzig 1788, 2. Aufl. 1790.
- Ueber den deutschen Styl.
Berlin 1785?86, 3 Bande; 4. Aufl. 1800, 2 Bande.
- Aelteste Geschichte der Deutschen, ihrer Sprache und Literatur bis zur Volkerwanderung.
Leipzig 1806.
- Vollstandige Anweisung zur Deutschen Orthographie.
Leipzig 1788, 2., verm. u. verb. Aufl. 1790 (
Digitalisat
), 5. Aufl. 1835.
- Sonstiges
- Denckwurdigkeiten Friedrichs des Großen, jetztregierenden Konigs in Preußen.
Gotha 1757?1763, 14 Bande.
- Geschichte der Schiffahrten und Versuche welche zur Entdeckung des Nordostlichen Weges nach Japan und China von verschiedenen Nationen unternommen worden. Zum Behufe der Erdbeschreibung und Naturgeschichte dieser Gegenden entworfen.
Halle 1768.
- Glossarium manuale ad scriptores mediae et infimae latinitatis.
Halle 1772?84, 6 Bande, ein Auszug aus dem
Glossarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis
mit vielen eigenen Zusatzen.
- Versuch einer Geschichte der Cultur des menschlichen Geschlechts.
Leipzig 1782,
Volltext
.
- Fortsetzung und Erganzungen zu Christian Gottlieb Jochers allgemeinem Gelehrten-Lexicon, worin die Schriftsteller aller Stande nach ihren vornehmsten Lebensumstanden und Schriften beschrieben werden.
Fortsetzung durch
Heinrich Wilhelm Rotermund
:
- Erster Band:
A?B.
Johann Friedrich Gleditsch, Leipzig 1784;
- Zweiter Band:
C?I.
Johann Friedrich Gleditsch, Leipzig 1787.
- Band 5, Bremen: bei Johann Georg Heyse, 1816;
Digitalisat
uber Google-Bucher
- Geschichte der menschlichen Narrheit, oder Lebensbeschreibungen beruhmter Schwarzkunstler, Goldmacher, Teufelsbanner, Zeichen- und Liniendeuter, Schwarmer, Wahrsager, und anderer philosophischer Unholden.
7 Teile. Weygand, Leipzig 1785?1789.
- Directorium diplomaticum.
Meißen 1802, Sachsische Geschichte.
- Mithridates, oder allgemeine Sprachenkunde.
Berlin 1806, Band 1, von Johann Severin Vater fortgesetzt und vollendet.
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a
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Werner Besch:
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