Jewno Fischelewitsch Asef

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Jewno Asef

Jewno Fischelewitsch Asef (auch Evno Asew [1] , auch Eugen Asef, [2] russisch Евно Фишелевич Азеф ; * 1869 in Lyskowo, Gouvernement Grodno ; † 24. April 1918 in Charlottenburg ) [2] war ein russischer Terrorist und Polizeispitzel. Er war Mitbegrunder der gegen das Regime des Zaren gerichteten Sozialrevolutionaren Partei und war an einer Vielzahl von Attentaten gegen Reprasentanten der zaristischen Regierung beteiligt. Gleichzeitig war er insgeheim als Agent Provocateur fur die zaristische Geheimpolizei Ochrana tatig, an die er seine Komplizen auslieferte.

Asef wurde 1869 als Spross einer armen judischen Familie geboren. Nachdem er die Volksschule abgeschlossen hatte, arbeitete er zunachst als Journalist und als reisender Handler. Wahrend dieser Zeit schloss er sich offenbar der revolutionaren Opposition gegen das Zarenregime an. Als er 1892 verhaftet werden sollte, veruntreute er einen Betrag von 800 Rubeln und setzte sich nach Deutschland ab, wo er zunachst in Karlsruhe lebte und danach in Darmstadt ein Studium der Elektrotechnik begann. Zudem lernte er dort Sergei Subatow , einen Oberst der Ochrana, kennen, der ihn als Polizeispitzel anwarb.

Gleichfalls in Deutschland machte er die Bekanntschaft einiger Mitglieder der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei , die aus Russland hatten fliehen mussen. Er schloss sich dieser Partei an und reiste bald durch ganz Europa, um andere Mitglieder zu treffen. 1899 kehrte er nach Russland zuruck und trat dort in die Sozialrevolutionare Partei ein. Innerhalb der Partei stieg er schnell auf und wurde Mitglied des Zentralkomitees. 1903 trat er schließlich die Nachfolge Grigori Gerschunis als Kopf des bewaffneten Arms der Partei an, dem auch Boris Sawinkow angehorte. Asef wurde so der Anfuhrer des terroristischen Ablegers der Sozialrevolutionaren Partei. In dieser Position war er an der Organisation von Mordanschlagen beteiligt. Die bekanntesten Attentate unter seiner Fuhrung sind die Ermordung des russischen Innenministers Wjatscheslaw von Plehwe im Jahre 1904 und das von Iwan Kaljajew verubte Attentat auf den Großfursten Sergei Romanow , einen Onkel des Zaren, im Jahre 1905.

Bis 1908 spielte Asef eine Doppelrolle als revolutionarer Morder auf der einen und als Polizeispitzel mit einem Gehalt von 1000 Rubel pro Monat auf der anderen Seite. Zwar wiesen Sympathisanten innerhalb der Polizei die Genossen Asefs auf dessen Rolle hin, doch wurde diesen Informationen kein Glauben geschenkt; sie wurden als schadliche Propaganda abgetan.

Letztlich beschloss der Sozialrevolutionar Wladimir Burzew , der wahrscheinlich von einem abtrunnigen Polizisten misstrauisch gemacht wurde, der Sache auf den Grund zu gehen. Er begann eine eingehende Untersuchung, die am Ende zu einem Gesprach mit dem ehemaligen Leiter einer Abteilung der Polizei fuhrte. Dieser bestatigte, dass Asef bereits seit Jahren fur die Polizei tatig war.

Als Burzew das Ergebnis seiner Untersuchungen gegen Asef im Februar 1909 innerhalb der Partei bekannt machte, wurde in Paris ein Ehrengericht gegen Asef einberufen, um uber dessen Vergehen zu befinden. Man ließ ihn jedoch fur eine Nacht nach Hause gehen, nachdem er versprochen hatte, am nachsten Tage Beweise vorzulegen, die seine Unschuld belegen sollten. Statt am nachsten Morgen wieder vor dem Gericht zu erscheinen, entzog sich Asef der drohenden Rache seiner Genossen durch eine erneute Flucht nach Deutschland. Seine Ehefrau Ljuba Mankin , die nichts von seiner Arbeit fur die Polizei geahnt hatte, ließ sich daraufhin von ihm scheiden und reiste in die Vereinigten Staaten .

In Deutschland lebte Asef mit einer Sangerin zusammen und schlug sich als Miederwarenhandler und Borsenspekulant durch. Wahrend des Ersten Weltkrieges wurde er als feindlicher Auslander interniert. In der Gefangenschaft entwickelte sich bei ihm eine Nierenkrankheit und er wurde im Dezember 1917 aus der Haft entlassen.

Asef starb vollig verarmt am 24. April 1918 im Krankenhaus Westend . [2] Er wurde in einem unmarkierten Grab auf dem Friedhof Wilmersdorf bestattet.

Die Hintergrunde fur Asefs Handeln und seine wahren Absichten bleiben im Dunkeln. Zwar verriet er seine Parteigenossen gegen Geld, doch wirkte er auch bei der Ermordung hochrangiger Mitglieder des Zarenregimes mit. Selbst nach den Maßstaben der Ochrana durfte die Ermordung eines Onkels des Zaren fur eine verdeckte Operation zu weit gegangen sein. Dennoch hielt die Ochrana an Asef fest; vielleicht weil auch sie von Asef betrogen wurde. Bei einer Beurteilung ware wohl zu berucksichtigen, dass bei einem Leben im Untergrund auch Kontakte zur Gegenseite nutzlich sein konnen. So wurden auch Stalin und sogar Lenin Kontakte zur Ochrana nachgesagt. Nach seiner Enttarnung als Polizeispitzel soll Asef sich gegenuber einem Komplizen dahingehend geaußert haben, dass er auch den Zaren getotet haben wurde, wenn er auch nur den Hauch einer Chance dazu gehabt hatte. Ein ahnlicher Erfolg gelang der Ochrana mit der Anwerbung Roman Malinowskis , der die Bolschewiki unterwanderte.

Hannah Arendt fuhrt Asef in ihrem Buch Element und Ursprunge totaler Herrschaft als beispielhaft fur die Karriere von Doppelagenten an: Diese benutzten ihre Stellung in illegalen Organisationen und andererseits im Polizeiapparat, um mithilfe der einen Seite Rivalen auf der jeweiligen gegnerischen Seite auszuschalten. [3]

  • Leo Deutsch : Der Lockspitzel Asew und die terroristische Taktik. Deutsch von S. Grumbach . Verlag der Buchhandlung Volksstimme, Maier, Frankfurt am Main 1909.
  • G. Pevsner: La Doppia Vita di Evno Azev (1869?1918). Milano: Mondadori. 1936. 315 S.
  • Anna Geifman: Entangled in Terror. The Azef Affair and the Russian Revolution. Scholarly Resources, Wilmington DE 1999, ISBN 0-8420-2650-9 .
  • Harald Harden: Lockspitzel Asew. Geschichte eines Verraters. Verlag der Freizeit-Bibliothek, Hamburg 1962.
  • Jean Longuet , Georgi Silber: Die Bombe totete den Grossfursten auf der Stelle. Terroristen und Geheimpolizei im alten Russland (= AtV 8019)Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Hans-Jurgen Lehnert. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-7466-8019-0 .
  • Boris Nikolajewski : Asew. Die Geschichte eines Verrats. Der Bucherkreis GmbH, Berlin 1932.
  • Richard E. Rubenstein: Comrade Valentine. Harcourt Brace and Company, New York NY 1994, ISBN 0-15-152895-0 .
  • Boris Sawinkow : Erinnerungen eines Terroristen . bahoe books, Wien 2017, ISBN 978-3-903022-42-3

Einzelnachweise

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  1. Leo Deutsch: Der Lockspitzel Asew und die terroristische Taktik. 1909.
  2. a b c StA Charlottenburg III, Sterbeurkunde Nr. 855/1918
  3. Hannah Arendt: Elemente und Ursprunge totaler Herrschaft . Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. 10. Auflage. Piper Verlag Munchen GmbH, Munchen 2005, ISBN 3-492-21032-5 , Kap.   12 , S.   894 (englisch: The Origins of Totalitarianism . New York 1951. Erstausgabe: Harcourt Brace Jovanovic, New York 1951).
Commons : Jewno Asef  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien