Jenny Stucke

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Jenny Stucke (geb. Gusyk; * 29. Mai 1897 in Wilkowischky, heute Vilkavi?kis , Litauen ; † 2. Januar 1944 im KZ Auschwitz ) war eine judische und politisch links eingestellte Frau mit turkischer Staatsangehorigkeit, die als erste Studentin und Auslanderin an der Universitat zu Koln immatrikuliert wurde. Sie wurde in Auschwitz ermordet.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Jenny war das erste Kind der Eheleute Leon und Diana Gusyk, geb. Kawan, die damals in der Kleinstadt Wilkowischky im zaristischen Gouvernement Suwałki des russisch besetzten Kongresspolen lebten. Wegen der Pogrome , die seit dem Attentat auf Alexander II. verstarkt erfolgten, zog die Familie 1911 in den Westen nach Grafrath bei Solingen , wo ihr Vater eine Stahlwarenfabrik kaufte und mit Bestecken handelte. Da er in Konstantinopel geboren war, was in seinem Pass vermerkt war, konnte er 1913 fur sich und seine Familie die osmanische/turkische Staatsangehorigkeit reklamieren, um so anti-judisch-russischen Ressentiments zu entgehen.

Im Oktober 1918 starben ihre Mutter und einen Tag spater ihr 16-jahriger Bruder Paul an der weltweit grassierenden Epidemie der Spanischen Grippe . Ihre beiden verbliebenen Geschwister zogen daraufhin zur Schwester nach Koln. Ihr Vater gab die Fabrik auf, die seine Tochter nun abwickeln musste. Er zog nach Berlin.

Ausbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach dem Abschluss der Mittleren Reife am Lyzeum an der Friedrichstraße, der spateren August-Dicke-Schule , und einer anschließenden kaufmannischen Lehre mit Kaufmannsgehilfenprufung beim Barmer Bankverein besuchte Jenny Gusyk ab Sommer 1917 die Handelshochschule Koln . Mit deren Einbeziehung in die neugegrundete Universitat war sie dort an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultat die erste Studentin und Auslanderin. Sie schloss nach sieben Semestern im Wintersemester 1920/21 ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Wirtschaftsgeschichte als Nebenfach und einer Diplomarbeit uber den Sozialisten und Pazifisten Jean Jaures als Diplom-Kaufmann mit Auszeichnung ab, als einzige Frau unter 51 Absolventen. Wahrend des Studiums nannte sie sich in Verehrung fur die feministischen Ideen der russischen Schriftstellerin und spateren weltweit ersten Diplomatin Alexandra Michailowna Kollontai ?Genia“. Ihre Dissertation wurde von dem konservativen Doktorvater Christian Eckert nicht akzeptiert, da sie ?zu sehr kommunistisch durchdrungen“ sei.

Verfolgung und Tod [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Jenny Gusyk zog nun zu ihrem Vater nach Berlin, arbeitete dort als Buchhalterin und heiratete den linken Journalisten Karl Stucke , der vor allem fur die kommunistische Parteizeitung Die Rote Fahne schrieb. Am 27. November 1927 wurde ihr einziger Sohn (Hans) Thomas geboren. 1933 wurde Karl Stucke in Schutzhaft genommen und in ein Konzentrationslager gebracht; 1939 erneut verhaftet und ins KZ Sachsenhausen eingewiesen, starb er dort am 14. Januar 1940. Damit verlor Jenny alle etwa noch moglichen Rechte aus dieser Mischehe . So gefahrdet, tauchte sie unter, blieb aber in Berlin, wahrscheinlich aus Sorge um den alten Vater, der im Januar 1943 im Altersheim der Judischen Gemeinde zu Berlin starb, wahrend ihre Schwester Rebekka noch 1942 mit einem Ausreise-Visum uber Frankreich und Portugal in die USA ausreisen konnte. Ihr eigenes Visum, das sie seit dem Fruhjahr 1940 fur sich und ihren Sohn besaß, konnte sie 1943 nicht mehr nutzen. Nach einer Denunziation wurde sie im Juni 1943 in das Gestapo-Gefangnis in der Prinz-Albrecht-Straße verbracht. Nach einigen Verlegungen wurde sie, wie vorher ihr Bruder Max und dessen Frau Lydia, nach Auschwitz deportiert , wo sie am Sonntag, dem 2. Januar 1944 ermordet wurde. Ihr Sohn Thomas uberlebte in Berlin dank der Hilfe der Freunde seines Vaters und reiste im Oktober 1946 zu seiner Tante nach New York aus; er starb 2013. [1]

Ehrungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Stolperstein fur Jenny Stucke geb. Gusyk

Das Lese- und Handbuch fur Studentinnen, herausgegeben von der Gleichstellungsbeauftragte der Universitat zu Koln, tragt zu Ehren von Jenny deren Nickname Genia als Titel .

Die Universitat zu Koln schreibt seit 2009 einen mit jahrlich 5000 Euro dotierten Gleichstellungspreis fur Projekte innerhalb der Hochschule zur Forderung der Chancengleichheit von Frauen und Mannern aus, der mit der Zustimmung ihres im US-Bundesstaat New York lebenden Sohnes den Namen ?Jenny-Gusyk-Preis“ erhielt.

Die Stadt Solingen hat durch den Kunstler Gunter Demnig in der Wuppertaler Straße 36, ihrem dortigen letzten Wohnsitz, einen Stolperstein verlegen lassen. Stolpersteine fur Max und Lydia Gusyk befinden sich in Berlin-Kopenick , Hirschgartenstraße 2.

Der Solinger Schriftsteller und ehemalige Realschullehrer Wilhelm Rosenbaum, Trager des Rheinlandtalers , schrieb 2003 ihre Biographie, basierend auf der 1995 erschienenen Publikation von Marina Wittka.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Marina Wittka: Geschichte des Frauenstudiums . In: Frauenbeauftragte der Universitat zu Koln (Hrsg.): Genia ? Nur fur Frauen . m&t Verlag, Koln 1995, ISBN 3-9804489-0-8 , S.   13–96 .
  • Wilhelm Rosenbaum: Jenny Gusyk. Judin, Turkin, Solingerin. Die Biografie der ersten Studentin an der Universitat zu Koln. Solingen (Stadtarchiv), 2003, ISBN 3-928956-13-2 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Jenny Gusyk  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Thomas Stucke Todesanzeige