Jean Lannes
(*
11. April
1769
in
Lectoure
,
Gascogne
, heute
Departement Gers
; †
31. Mai
1809
in
Kaiserebersdorf
bei
Wien
) war ein
franzosischer
Offizier in der Zeit der
Revolutionskriege
, der durch
Napoleon
zum
Prince
de
Sievers
(Furst von Sievers) und
Duc
de
Montebello
(Herzog von Montebello) erhoben und zum
Marechal d’Empire
ernannt wurde. Er galt als einer der engsten Freunde Napoleons, nahm seit 1796 an allen Feldzugen Napoleons teil und galt neben
Louis-Nicolas Davout
und
Andre Massena
als fahigster General der
Grande Armee
. Lannes wurde in der
Schlacht bei Aspern
todlich verwundet.
Geburtshaus Lannes’ in Lectoure
Lannes im Jahr 1792
Jean Lannes war der Sohn eines Stallknechts in Lectoure im
Departement Gers
und arbeitete zunachst als Farber. Ab Juni 1792 stromten nach einem Aufruf der Regierung zehntausende Freiwillige zur Revolutionsarmee. Lannes wurde hierbei von den
Volontaires
(Freiwilligen) des
Bataillons
Gers zum Unteroffizier gewahlt. Lannes Einheit kampfte im
Ersten Koalitionskrieg
gegen das Konigreich Spanien in den Pyrenaenfeldzugen 1793/94 und 1794 erhielt er aufgrund personlicher Tapferkeit und militarischen Erfolgs das Kommando uber eine
Brigade
. Nach dem
Sturz der Radikalen
im Sommer 1794 wie viele weitere schnell aufgestiegene Offiziere seines Kommandos enthoben wurde er 1795 zum
Chef de bataillon
befordert und nahm 1796 am
Italienfeldzug
des jungen Generals
Bonaparte
teil. Hier wurde er schnell in den Rang eines
Colonel
befordert.
Durch seine Tapferkeit tat er sich beim Ubergang uber den
Po
und die
Brucke von Lodi
ebenso hervor wie im
Gefecht bei Bassano
und beim Sturm von Pavia, wo er zum
General de brigade
befordert wurde. Er kampfte mit Auszeichnung bei der
Belagerung von Mantua
und in der
Schlacht bei Arcole
mit.
1798 folgte er Bonaparte nach
Agypten
. Bei den Ereignissen des
18. Brumaire
leistete er Bonaparte wesentliche Dienste, folgte ihm 1800 nach Italien und schlug hier den Feind am 9. Juni bei
Montebello
. 1801 ernannte ihn Bonaparte zum bevollmachtigten Minister in
Lissabon
, 1804 zum
Marschall
(19. Mai), 1807 zum
Herzog von Siewierz
in Schlesien (30. Juni) und 1808 zum Herzog von Montebello (15. Juni) im napoleonischen Adel (
noblesse imperiale
).
Wappen von Jean Lannes als Herzog von Montebello
Im Feldzug gegen
Osterreich
von 1805 erhielt Lannes den Befehl uber die Vorhut der
Grande Armee
und lieferte der
russischen Armee
am 16. November das Treffen
bei Hollabrunn
. Bei
Austerlitz
trug er an der Spitze des linken Flugels viel zum Sieg bei. Am 14. Oktober 1806 befehligte er in der
Schlacht bei Jena
mit seinem 20.900 Mann starken 5. Korps die Schlusselposition im Zentrum. Am 26. Dezember des gleichen Jahres wurde Lannes im Kampf gegen
russische Truppen
in
Pultusk
schwer verwundet. Im Mai 1807 ubernahm der wiedergenesene Marschall das Kommando uber das Reservekorps und nahm an der
Schlacht bei Heilsberg
und dem entscheidenden Treffen bei
Friedland
in Ostpreußen teil.
Er wurde zum
Colonel general
der Schweizer ernannt und begleitete 1808 den Kaiser nach
Spanien
, wo er am 22. November den
General Castanos
bei
Tudela
schlug und danach die beruhmte
Belagerung von Saragossa
leitete. Im Feldzug von 1809 gegen Osterreich befehligte er zwei Divisionen in dem Treffen bei
Eggmuhl
und bei der Einnahme von
Regensburg
und zog am 13. Mai nach zweitagiger Beschießung an der Spitze des Vortrabs in Wien ein.
A.P. Bougeois: Der Tod von Marechal Lannes
Gedenktafel fur Jean Lannes in Wien-Simmering (Mailergasse 12)
Bei
Aspern-Eßling
befehligte er das Zentrum. Als er am zweiten Schlachttag, 22. Mai, die Linien durchritt, um den Soldaten Mut zuzusprechen, verletzte ihn eine Kanonenkugel an beiden Beinen schwer. Ein Bein wurde noch notdurftig amputiert, jedoch erlag er dem nachfolgenden Wundbrand am 31. Mai in Kaiserebersdorf bei Wien. Seine Leiche wurde nach
Straßburg
gebracht, 1810 in Paris im
Pantheon
beigesetzt und spater auf dem Friedhof
Pere Lachaise
beerdigt.
Grab Lannes’ im Pantheon
Lannes stammte aus einfachen Verhaltnissen und hatte nur eine geringe Schulbildung. Die Englander bezeichneten ihn als Emporkommling aus dem Bodensatz der
Revolution
. Dennoch gilt Lannes neben
Davout
und
Massena
als einer der fahigsten Generale Napoleons. Charakterisiert wird er als tapfer und couragiert, man konnte auch sagen draufgangerisch; ebenfalls Erwahnung finden seine Fuhrungsqualitaten.
Bewusst oder unbewusst passten sein Charakter und seine Fahigkeiten genau zu Napoleons Art, eine Schlacht zu schlagen. Darin besteht eine Erklarung dafur, dass er bestandig fur Aufgaben eingesetzt wurde, die außerste Entschlossenheit und Wagemut erforderten, besonders dann, wenn Napoleons Taktik von der Schlagkraft und der Aufopferung eines bestimmten Truppenteils abhing. Wie Napoleon die Fahigkeiten seiner Untergebenen einschatzte, kann fast exakt an der Haufigkeit abgelesen werden, mit der er sie zur Vorbereitung seines eigenen Entscheidungsschlags einsetzte.
Weniger herausragende Generale oder vorsichtige und genau planende Truppenfuhrer wie
Soult
oder
MacDonald
hielt er fur den letzten, entscheidenden Angriff zuruck, den er selbst fuhrte. Aber die langen Stunden der vorbereitenden Gefechte mit ungewissem Ausgang, die den Entscheidungsschlag erst moglich machten, vertraute er nur Mannern an, von deren außerordentlicher Courage und hohen Fuhrungsqualitaten er uberzeugt war. Ein solcher Mann war Davout bei der
Schlacht bei Austerlitz
und
Auerstedt
und Lannes bei
Friedland
,
Jena
und
Aspern
.
Mit diesen Fahigkeiten erreichte Lannes den Aufstieg vom Bauernsohn und einfachen Soldaten bis zum Marschall. Napoleon sagte uber ihn:
Chez Lannes, le courage l’emportait d’abord sur l’esprit; mais l’esprit montait chaque jour pour se mettre en equilibre; je l’avais pris pygmee, je l’ai perdu geant
. (?Bei Lannes war der Mut großer als der Intellekt; aber der Intellekt wuchs jeden Tag, um sich dem Mut anzugleichen; ich traf einen Zwerg, aber ich verlor einen Riesen.“)
Lannes Tod traf Napoleon tief. Er verlor nicht nur einen seiner besten Generale, sondern auch einen langjahrigen engen Freund und soll lange tranenuberstromt am Sterbelager seines Freundes gesessen haben. Der Witwe schrieb er noch am Todestag aus Kaiserebersdorf:
Ma cousine, le marechal est mort ce matin des blessures qu’il a recues sur le champ d'honneur. Ma peine egale la votre. Je perds le general le plus distingue de mes armees, mon compagnon d’armes depuis seize ans, celui que je considerais comme mon meilleur ami. Sa famille et ses enfants auront toujours des droits particuliers a ma protection. C’est pour vous en donner l’assurance que j’ai voulu vous ecrire cette lettre, car je sens que rien ne peut alterer la juste peine que vous ressentirez.
(?Meine Cousine, der Marschall ist heute morgen den Verletzungen erlegen, die er auf dem Feld der Ehre erlitten hat. Mein Schmerz ist Eurem gleich. Ich verliere den hervorragendsten General meiner Armeen, meinen Waffengefahrten seit sechzehn Jahren, den ich als meinen besten Freund betrachtet habe. Seine Familie und seine Kinder werden immer besonderen Anspruch auf meinen Schutz genießen. Um Euch das zu versichern, wollte ich Euch diesen Brief schreiben, denn mir ist bewusst, dass nichts Euren berechtigten Schmerz lindern kann.“)
Lannes war der einzige Offizier, der Napoleon mit ?Du“ anreden durfte und ihm wurde vom Kaiser als Einzigem das Recht eingeraumt, sich in Anwesenheit Napoleons unaufgefordert zu setzen, was der
Etikette
bei Hofe nicht entsprach.
Inschrift mit dem Namen
Lannes’ auf dem
Pariser Triumphbogen
(ostlicher Pfeiler, Spalte 13)
Buste in der Schlachtengalerie des Schloss Versailles
Wegweiser eines nach Marschall Lannes benannten Wanderweges in
Jena
Lannes war
Colonel general des Suisses
unter Napoleon Bonaparte.
Jean Lannes war seit 1800 in zweiter Ehe mit Louise-Antoinette Gueheneuc (1782?1856) verheiratet, nachdem seine 1795 geschlossene Ehe mit Jeanne-Josephe-Barbe ?Paulette“ Meric drei Monate zuvor wegen angeblicher Untreue Paulettes geschieden worden war. Paulettes Sohn, Jean Claude Lannes de Montebello, wurde von Lannes nicht anerkannt. Er weilte in der Zeit vor Jean Claudes Geburt in Agypten.
Aus der zweiten Ehe gingen funf Kinder hervor:
- Louis Napoleon Auguste
Lannes, 2. duc de Montebello (1801?1874), wurde Staatsmann und Minister.
- Alfred Lannes, comte de Montebello (1802?1861)
- Jean-Ernest Lannes, comte de Montebello (1803?1882)
- Gustave-Olivier
Lannes, comte de Montebello (1804?1875), wurde General wie sein Vater.
- Josephine (1806?1889)
- Karl Bleibtreu
:
Marschalle, Generale, Soldaten Napoleons I.
VRZ-Verlag, Hamburg 1999,
ISBN 3-931482-63-4
(unveranderter Nachdr. d. Ausg. Berlin 1899).
- Jean-Claude Damamme:
Lannes. Marechal d’Empire.
(Bibliotheque historique). Payot, Paris 1987,
ISBN 2-228-14300-6
.
- Desire Lacroix:
Les marechaux de Napoleon.
Garnier, Paris 1896.
- deutsche Ubersetzung:
Die Marschalle Napoleons I.
Verlag Schmidt & Gunther, Leipzig 1898 (ubersetzt von Oskar Marschall von Bieberstein)
- Charles Mullie:
Biographie des celebrites militaires des armees de terre et de mer de 1789 a 1850.
Poignavant, Paris 1851 (2 Bde.).