Jean Casimir-Perier
Jean Paul Pierre Casimir-Perier
(*
8. November
1847
in
Paris
; †
11. Marz
1907
ebenda) war vom 27. Juni 1894 bis zum 16. Januar 1895 der funfte Staatsprasident der
Dritten Franzosischen Republik
.
[1]
Der Sohn von
Auguste Casimir-Perier
(Innenminister unter
Adolphe Thiers
) und Enkel von
Casimir Pierre Perier
(Ministerprasident unter
Louis-Philippe
) wurde am 8. November 1847 in Paris geboren. Er zeichnete sich 1870 wahrend des
Deutsch-Franzosischen Kriegs
als Kapitan der
Mobilgarde
bei der
Verteidigung von Paris
aus. Sein politisches Wirken begann 1871 als Kabinettschef seines Vaters im Innenministerium. Hatte er bisher den Familiennamen Perier gefuhrt, so erhielt er im April 1874 mit seinem Vater die Erlaubnis, seinen Namen in Casimir-Perier umzuwandeln.
1874 war Casimir-Perier Generalrat des
Departements Aube
. 1876 wurde er vom gleichen Departement als republikanischer Kandidat in die
Deputiertenkammer
gewahlt. Trotz der Tradition seiner Familie schloss er sich in der Deputiertenkammer dem linken Zentrum an. Als der Prasident
Patrice de Mac-Mahon
am 16. Mai 1877 den Regierungschef
Jules Simon
entließ und ein reaktionares Kabinett unter der Fuhrung von
Albert de Broglie
einsetzte, gehorte Casimir-Perier zu den 363 Abgeordneten, die ein
Misstrauensvotum
gegen die neue Regierung unterzeichneten. Am 20. Dezember 1877 wurde er unter
Agenor Bardoux
Unterstaatssekretar im Ministerium fur offentlichen Unterricht, schone Kunste und Kultus und bekleidete dieses Amt bis zum Rucktritt des Ministeriums am 30. Januar 1879.
Als 1883 das Gesetz uber die Ausweisung der franzosischen Herrscherfamilie zur Beratung stand, legte Casimir-Perier sein Abgeordnetenmandat nieder, weil er seine eigene republikanische Uberzeugung nicht mit seinen orleanistischen Familientraditionen in Einklang zu bringen vermochte. Er wurde jedoch noch in demselben Jahr wiedergewahlt und am 17. Oktober 1883 zum Unterstaatssekretar des Kriegsministeriums ernannt, was er bis zum Rucktritt des Kabinetts von
Jules Ferry
am 30. Marz 1885 blieb. Von 1890 bis 1892 fungierte er als Vizeprasident der Deputiertenkammer, bevor er am 10. Januar 1893 deren
Prasident
wurde. Nach dem Rucktritt von
Charles Dupuy
am 3. Dezember 1893 mit der Bildung eines neuen Kabinetts betraut, wurde er
Ministerprasident
und ubernahm gleichzeitig die Fuhrung des Auswartigen Amtes. Schon am 22. Mai 1894 zwang ihn jedoch die Verbindung der Rechten mit der extremen Linken zum Rucktritt, indem sie im Gegensatz zur Regierung verlangten, dass das Gesetz uber die Bildung von Arbeitersyndikaten auch fur die im Staatsdienst beschaftigten Arbeiter gelten sollte. Da ihm Dupuy als Ministerprasident folgte, wurde Casimir-Perier am 2. Juni 1894 an dessen Stelle wieder Kammerprasident.
Nach der Ermordung des Staatsprasidenten
Marie Francois Sadi Carnot
(25. Juni 1894) wurde Casimir-Perier am folgenden 27. Juni im ersten Wahlgang von den Rechten und den gemaßigten Republikanern mit 451 von 853 abgegebenen Stimmen zum funften Prasidenten der
Dritten Franzosischen Republik
gewahlt, wahrend auf die Gegenkandidaten
Henri Brisson
195 Stimmen und Charles Dupuy 97 Stimmen entfielen. Das sofort eingereichte Abschiedsgesuch Dupuys nahm er nicht an. In der Antrittsbotschaft, die er am 3. Juli an den
Senat
und an die Deputiertenkammer richtete, bekundete er die Absicht, wieder einen entscheidenderen Einfluss auf die Regierung auszuuben, als es seine Vorganger getan hatten. Zur allgemeinen Uberraschung verkundete Casimir-Perier jedoch bereits einen Tag nach der am 15. Januar 1895 erfolgten Demission des Kabinetts Dupuy auch seinen eigenen Rucktritt. Er erklarte diesen Schritt damit, dass er von den Ministern nicht in deren Entscheidungsprozesse eingebunden und von ihnen auch nicht uber politische Ereignisse, insbesondere der Außenpolitik, informiert worden sei.
[2]
Dies bedeutete fur Casimir-Perier, der sich hiernach in erster Linie um sein Geschaft kummerte, zugleich den Ruckzug aus der Politik. Im Revisionsprozess um
Alfred Dreyfus
vor dem Kriegsgericht in
Rennes
(7. August ? 9. September 1899) waren die Aussagen Casimir-Periers gegensatzlich zu denen des Belastungszeugen, dem fruheren Kriegsminister General
Auguste Mercier
.
[3]
Grab Jean Casimir-Periers
Casimir-Perier war Trager des Großkreuzes der
Ehrenlegion
. Er starb am 11. Marz 1907 im Alter von 59 Jahren in Paris. Er ruht in der Familienkapelle auf dem Friedhof von
Pont-sur-Seine
.
- Perier, Jean Paul Pierre
, in:
Brockhaus’ Konversations-Lexikon
, 14. Auflage, 1892?96, Bd. 12, S. 1015 f.
- Casimir-Perier, Jean Paul Pierre
, in:
Encyclopædia Britannica
, 11. Auflage, 1910?11, Bd. 5, S. 448.
- ↑
Jean Casimir-Perier 1894 - 1895.
In:
Elysee.fr.
Abgerufen am 9. Oktober 2022
(franzosisch).
- ↑
Lettre de demission de Jean Casimir-Perier, 15 janvier 1895.
In:
Digitheque, Jean-Pierre Maury.
Abgerufen am 9. Oktober 2022
(franzosisch).
- ↑
George R. Whyte:
Die Dreyfus Affare ? Die Macht des Vorurteils
. Lang, Frankfurt 2010,
ISBN 978-3-631-60218-8
.