Jorge Jamil Mahuad Witt
(*
29. Juli
1949
in
Loja
,
Ecuador
) ist ein ecuadorianischer
Rechtsanwalt
und
Politiker
. Er war vom 10. August 1998 bis zum 21. Januar 2000 Prasident seines Landes, bis er durch einen
Putsch
gesturzt wurde. Er war politischer Fuhrer der christlich-demokratischen Partei
Democracia Popular
und vor seiner Prasidentschaft unter anderem Parlamentsabgeordneter und Burgermeister der Hauptstadt
Quito
.
Jamil Mahuads Vater Antonio Mahuad Chalela hatte
libanesische
, seine Mutter Rosa Witt Garcia deutsche Vorfahren. Er besuchte Schulen der
Salesianer Don Boscos
und der
Jesuiten
in Loja und Quito und studierte Rechtswissenschaft an der
Papstlichen Universitat Quito
, wo er 1978 zum Doktor der Rechtswissenschaften promovierte.
Mahuad arbeitete als Lehrer und Manager eines Staatsunternehmens, bevor ihn Prasident
Osvaldo Hurtado
1983 zum Arbeitsminister ernannte. Mit der Amtsubernahme des neuen Prasidenten
Leon Febres Cordero
verlor er dieses Amt.
1986 wurde Mahuad erstmals fur Hurtados Partei
Democracia Popular
in den
Nationalkongress
gewahlt. 1988 trat er bei den Prasidentschaftswahlen an, belegte aber lediglich den funften Platz hinter
Rodrigo Borja
(
ID
),
Abdala Bucaram
(
PRE
),
Sixto Duran Ballen
(
PSC
) und dem Militar
Frank Vargas
. Wahrend seiner anschließenden politischen Auszeit erwarb er einen
Master
in Offentlicher Verwaltung an der
John F. Kennedy School of Government
der
Harvard University
.
1990 wurde er erneut in den Nationalkongress gewahlt und 1992 zum Burgermeister der Hauptstadt Quito. Wahrend seiner Amtszeit erhielt Quito als neues offentliches Verkehrsmittel eine
Trolebus
genannte
Oberleitungsbuslinie
. Mahuad wurde durch die Verbesserung der offentlichen Dienstleistungen zu einem auch auf nationaler Ebene geachteten Politiker. 1997 war er einer der Anfuhrer des offentlichen Widerstandes gegen den Prasidenten
Abdala Bucaram
, der schließlich gesturzt wurde.
Mahuad gewann die Stichwahl der Prasidentschaftswahlen des Jahres 1998 gegen den fur die Partei Bucarams antretenden
Alvaro Noboa
knapp mit offiziell 51,16 zu 48,86 Prozent der Stimmen. Der unterlegene Noboa verlangte angesichts des knappen Ergebnisses eine Neuauszahlung der Stimmen, die das Oberste Wahlgericht jedoch verweigerte. Daraufhin sprach Noboa von Wahlbetrug, ein Vorwurf der seither weder bewiesen noch widerlegt wurde.
[1]
Mahuads Amtszeit begann am 10. August 1998. Eine seiner ersten bedeutenden Amtshandlungen war die Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit dem Nachbarland Peru am 26. Oktober 1998, der jahrzehntelangen latenten Konflikten ein Ende setzte, die zuletzt 1995 zum
Cenepa-Krieg
gefuhrt hatten.
Bald darauf geriet Mahuad jedoch zunehmend in die Kritik, insbesondere aufgrund seiner
Wahrungspolitik
. Das Land befand sich 1998 nach politischer Instabilitat und durch
El Nino
verursachte Naturkatastrophen in einer Rezession. Der Staatshaushalt wies ein hohes
Defizit
auf.
Die Moglichkeit der Steuererhohung war Mahuad zunachst verstellt, da sein Koalitionspartner, die
Sozialchristliche Partei
(PSC), diese kategorisch ablehnte. Angestrebte und unternommene Reformen in der Struktur der Staatsausgaben und zu deren finanzieller Konsolidierung zeigten erwarteterweise keine kurzfristigen Wirkungen.
[2]
Stattdessen wurde eine Steuer von 1 % auf Finanztransaktionen eingefuhrt.
Dies hatte eine Tendenz zur
Kapitalflucht
insbesondere von Dollaranlagen zufolge. Die Tendenz, Geldanlagen in US-Dollar zu tatigen, verstarkte sich zusatzlich und trug zu einem dauerhaften
Abwertungsdruck
auf die ecuadorianische Wahrung, den
Sucre
, bei, den die Zentralbank durch den Verkauf von Devisenreserven zu lindern versuchte. Die Zentralbank gab angesichts des Inflationsdrucks und der Gefahr wirtschaftlicher Destabilisierung am 11. Februar die bisher verfolgte Anbindung des Sucre vor allem an den US-Dollar auf und ermoglichte die Abwertung. Im Marz 1999 jedoch waren die Wahrungsreserven auf historischem Tiefstand, wodurch gleichzeitig die Ausgabe neuer Sucres und damit die Moglichkeit, Geschaftsbanken Kredite zu ermoglichen, paralysiert war.
Wahrend dieser Zeit kam es im Zusammenhang der Wahrungsdestabilisierung und der Kapitalflucht zum Bankrott einiger Großbanken, weitere Banken und Finanzdienstleister gerieten in finanzielle Probleme. Die Regierung Mahuad griff zu dem Mittel, alle Bankguthaben im Gegenwert von mehr als 500 US-Dollar fur ein Jahr einzufrieren, um zu verhindern, dass Sparer in hohem Maße ihre Guthaben auflosten; zudem wurden
Bankfeiertage
dekretiert. Um in finanzielle Probleme geratene Banken und die bei ihnen bestehenden Einlagen zu retten, erhielten diese weitere Kredite aus offentlichen Mitteln, mit denen sie insbesondere Dollars kauften, um ihre Kredite im Ausland zu decken.
Dennoch brachen weitere Banken zusammen. Die Regierung richtete eine Bankguthaben-Garantieagentur ein, die jedoch nur unzureichend funktionierte. Die Kunden erhielten von Finanzministerium und Garantieagentur Guthaben-Bons, die in Sucre ausgestellt waren, und letztlich zu einer Zunahme der Geldmenge und weiter steigenden Inflationsraten beitrugen, wodurch die Krise des Finanzsystems sich zu einer realwirtschaftlichen Depression ausweitete. Viele insbesondere kleine Sparer verloren hierbei große Teile ihres Vermogens, das durch Bankenpleite, Inflation und Abwertung des Sucre wertlos wurde. Analysten kamen anschließend zu dem Ergebnis, die auf die Bankenrettung ausgerichteten Maßnahmen hatten schließlich die allgemeine Wirtschaftskrise und die Bankenkrise noch verstarkt.
Ende Dezember 1999 hatte die Inflation ein solches Ausmaß erreicht, dass Mahuad am 9. Januar 2000 die Abschaffung des Sucre und die Einfuhrung des
US-Dollar
als Wahrung in Ecuador ankundigte. Der Wechselkurs zum US-Dollar war innerhalb eines Jahres von 4.500 auf 25.000 Sucre pro Dollar gefallen. Zu letzterem Kurs wurde letztlich der Dollar eingefuhrt.
Mahuad wurde am 21. Januar 2000 durch einen
Putsch
gesturzt, dem Massendemonstrationen insbesondere von
Indigena-Verbanden
vorausgegangen waren. Hierzu trug auch bei, dass die Regierung Mahuad bereits zu Beginn ihrer Amtszeit einen Teil der Energiesubventionen abgeschafft hatte, die vor allem unteren und mittleren Bevolkerungsschichten zugutegekommen waren. Zunachst nahm ein Triumvirat aus dem Oberst
Lucio Gutierrez
, dem Vorsitzenden des Indigena-Verbandes
CONAIE
Antonio Vargas
und dem ehemaligen Obersten Richter
Carlos Solorzano
die Macht, die schließlich an den bisherigen Vizeprasidenten
Gustavo Noboa
ubertragen wurde.
Mahuad verließ das Land und ließ sich in
Boston
nieder. Von April bis Dezember 2000 war er dort
Fellow
am
Institute of Politics
der
Harvard University
. Seit Januar 2001 hat er dieselbe Position am
Center for Public Leadership
der
Kennedy School of Government
an derselben Universitat inne, seit Juli 2002 ist er gleichzeitig Fellow des Verhandlungsprogramms der
Harvard Law School
.
Er war ferner Gastprofessor oder Gastdozent und hielt Vortrage uber
Politische Ethik
und Regierungsstudien an verschiedenen Universitaten in der Umgebung von Boston (
MIT
,
Boston University
,
Tufts University
,
Northeastern University
) und in den Vereinigten Staaten (u. a.
Yale University
,
University of Pennsylvania
,
University of Notre Dame
,
Santa Clara University
). In den Jahren 2004/05 war er Lehrbeauftragter fur
Handlungskompetenz
an der
Universitat St. Gallen
.
[3]
In Ecuador waren gegen ihn einige Verfahren anhangig, die vor allem mit dem Einfrieren der Bankguthaben zusammenhingen. Die zweite Strafkammer des Obersten Gerichtshofs stellte die Verfahren gegen ihn am 6. Juni 2006 vorlaufig ein. Daraufhin erstatteten am 20. Juli 2006 unabhangig voneinander, aber beinahe zeitgleich Vertreter der Burgerorganisation
Ciudadanos Pro Pais
und der damalige Prasidentschaftskandidat
Rafael Correa
Anzeige wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
nach Artikel 7.1. des
Rom-Statuts
, da das Einfrieren und die Wertverluste der Bankguthaben hohes menschliches Leid verursacht hatten. Im Fall Correas deutete die Presse die Anzeige als Wahlkampfmanover.
[4]
Dennoch wurde der Prozess wieder aufgenommen, wird allerdings nicht vor der Strafkammer, sondern vor der Kammer fur Verwaltungsstreitigkeiten verhandelt. Am 21. Oktober 2008 klagte der ecuadorianische Generalstaatsanwalt
Washington Pesantez
Mahuad dort wegen Missbrauchs offentlicher Gelder (span.
abuso de fondos publicos
) an.
[5]
2014 wurde er in Abwesenheit zu einer Gefangnisstrafe von 12 Jahren wegen Unterschlagung verurteilt.
[6]
- ↑
Ciudadania Informada
:
En 1998, la diferencia en segunda vuelta fue de apenas 2.33 puntos
(
Memento
vom 27. September 2007 im
Internet Archive
) (spanisch), 24. November 2006; abgerufen am 4. Dezember 2006.
- ↑
Gonzalo Giraldo:
Monatsbericht September 1999
(
Memento
vom 12. Dezember 2006 im
Internet Archive
) der
Interamerikanischen Entwicklungsbank
(spanisch).
- ↑
Kennedy School of Government, Center for Public Leadership,
Fellows
(
Memento
vom 2. November 2006 im
Internet Archive
), abgerufen am 3. Dezember 2006;
Tabellarischer Lebenslauf
(
Memento
vom 18. Oktober 2006 im
Internet Archive
) der
Geneva School of Diplomacy and International Relations
; siehe auch Jamil Mahuad,
The Ethics of Governance
(
Memento
vom 20. November 2006 im
Internet Archive
),
William P. Laughlin Lecture
am 12. Januar 2005 am
Markkula
Center for Applied Ethics der
Santa Clara University
.
- ↑
La campana de Correa y Damerval se traslado ayer a las oficinas de la Fiscal
(
Memento
vom 26. September 2007 im
Internet Archive
),
El Universo
(Guayaquil) vom 21. Juni 2006 (spanisch).
- ↑
J. Mahuad es acusado de peculado
(
Memento
vom 25. Oktober 2008 im
Internet Archive
),
El Comercio
, 22. Oktober 2008 (spanisch).
- ↑
Former Ecuador president sentenced
. 30. Mai 2014 (
bbc.com
[abgerufen am 20. Januar 2020]).