Die
Jagiellonen
(auch
Jagellonen
) waren eine im
Mannesstamm
aus
Litauen
stammende Nebenlinie des
Hauses Gediminas
und eine europaische
Dynastie
, die von 1386 bis 1572 die
polnischen Konige
und die
Großfursten von Litauen
stellte. Auch waren sie ab dem 15. Jahrhundert
ungarische
,
kroatische
und
bohmische
Konige.
Als Grunder dieser Dynastie gilt der litauische Großfurst Jogaila (polnisch
Jagiełło
), der als
Władysław II. Jagiełło
im Jahr 1386 durch Heirat mit der polnischen Konigin
Hedwig von Anjou
den polnischen Thron zu
Krakau
bestieg.
Jogaila war viermal verheiratet, zuletzt seit 1422 mit
Sofia
aus dem litauisch-ruthenischen Furstenhaus
Holsza?ski
. Gemeinsam hatten sie zwei Sohne,
Władysław III.
und
Kasimir IV.
Den polnischen Thron erbte Władysław, der nach seiner Wahl zum ungarischen Konig 1444 bei der Rettung von
Konstantinopel
in der
Schlacht bei Varna
fiel. Kasimir (IV.), seit 1440 Großfurst von Litauen, wurde 1447 als Konig Kasimir II. auf den polnischen Thron berufen. Seiner Ehe mit
Elisabeth von Habsburg
, Tochter des romisch-deutschen Konigs
Albrecht II.
, entstammten dreizehn Kinder. Er knupfte mit vielen europaischen Dynastien Heiratsverbindungen.
Auch in Ungarn, Kroatien und Bohmen konnten sich jagiellonische Prinzen als Konige etablieren, zuerst in Konkurrenz, dann (nach dem Zwischenspiel
Matthias Corvinus
) in
Zusammenarbeit mit den Habsburgern
.
Vladislav II.
von Bohmen, Ungarn und Kroatien herrschte in drei Landern, ebenso sein Sohn
Ludwig II.
Nach dessen unglucklichem Tod 1526 in der
Schlacht bei Mohacs
wurde er vom Habsburger
Ferdinand I.
und vom Magnaten
Johann Zapolya
(Schwager
Sigismunds I.
und Vladislavs II., sowie Onkel und Regent Ludwigs II.) beerbt. Zapolya heiratete 1539 zudem Sigismunds Tochter
Isabella
und vermachte beider Sohn die ungarische Krone mit dem
Furstentum Siebenburgen
.
Mit
Sigismund II. August
, dem Konig von Polen und Großfurst von Litauen, starb das Geschlecht der Jagiellonen 1572 im Mannesstamm aus, worauf in Polen und Litauen das
Erbkonigtum
durch ein
Wahlkonigtum
abgelost wurde. Beide Lander verschmolzen zur
Rzeczpospolita
, einer
Aristokratischen Republik
unter der ?
Prasidentschaft
“ eines Wahlkonigs bzw. Wahlgroßfursten an der Staatsspitze.
Die Jagiellonen beherrschten dank ihrer vielfaltigen Verbindungen mit den Adelsfamilien
Europas
um 1500 das Konigreich Polen, das Großfurstentum Litauen, das Konigreich Bohmen, das Konigreich Ungarn und das Konigreich Kroatien. Sie strebten nach der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts mit dem
romisch-deutschen Kaisertum
, dem
Osmanischen Reich
und der Festigung des Besitzstandes an der Ostflanke auf dem Gebiet der ehemaligen
Kiewer Rus
gegen das
Großfurstentum Moskau
. Deshalb uberließ 1515
Sigismund I.
im Wiener Vertrag die Kronen Ungarns, Kroatiens und Bohmens den Nachkommen aus der Eheverbindung Ludwigs II. mit dem
Haus Habsburg
. In der Ostpolitik konnten die Jagiellonen das Kraftegleichgewicht angesichts der wachsenden Macht des Großfurstentums Moskau bewahren. Dieser Konflikt, in den sich auch das Konigreich Polen infolge der Moskowitisch-Litauischen Kriege und der
Lubliner Union
von 1569 hineingezogen sah, wurde erst nach langdauernden Kriegen unter der Herrschaft Konig
Stephan Bathorys
gelost. Die Nachkommen Jagiełłos, die den großten Staat in Mitteleuropa wahrend des 14., 15. und 16. Jahrhunderts schufen, legten auch den Grund der jagiellonischen Idee, die noch im 20. Jahrhundert in der Vorstellung von ?Polen von Meer zu Meer‘, das heißt von der
Ostsee
bis zum
Schwarzen Meer
, weiterlebte.
Als ?Jagiellonen“ bezeichneten sich auch die Anhanger des polnischen Politikers
Jozef Piłsudski
, die nach der Wiederherstellung Polens 1918 unter Ruckgriff auf die Geschichte im Osten den Anschluss Litauens sowie weiterer vor 1772 an Russland verlorener Gebiete anstrebten. Dieser Richtung der polnischen
Zwischenkriegszeit
standen die Anhanger
Roman Dmowskis
entgegen, die Gebietsanspruche im Westen unter Ruckgriff auf die fruhere polnische Dynastie der
Piasten
erhoben.
- Almut Bues:
Die Jagiellonen. Herrscher zwischen Ostsee und Adria
(=
Kohlhammer-Urban-Taschenbucher.
646). Kohlhammer, Stuttgart 2010,
ISBN 978-3-17-020027-2
.
- Jiri Fajt:
Jagiellonen
In:
Handbuch Hofe und Residenzen im spatmittelalterlichen Reich
? Band 15.I, 2003,
ISBN 978-3-7995-4515-0
, S. 127?134.
- Paul Srodecki: In Search of a Jagiellonian Europe. Internal and External Perceptions of the Dynasty and Its Legacy in East-Central and Eastern Europe. In: Paul Srodecki, Norbert Kersken und Rimvydas Petrauskas (Hrsg.): Unions and Divisions. New Forms of Rule in Medieval and Renaissance Europe (= Themes in Medieval and Early Modern History). Routledge, London und New York 2023,
ISBN 978-1-03-205752-1
, S. 320?340.