Jacques de Molay
, auch
Jacob de Molay
und
Jacobus von Molay
(* zwischen 1240 und 1250 in
Molay
, heutiges Departement Haute-Saone in der
Freigrafschaft Burgund
(Franche-Comte); †
11.
oder
18. Marz
1314
in
Paris
) war der dreiundzwanzigste und letzte
Großmeister
des
Templerordens
. In seine Zeit als Großmeister fallt die Zerschlagung des Templerordens durch Konig
Philipp IV.
von Frankreich und die offizielle Auflosung des Ordens durch Papst
Clemens V.
beim
Konzil von Vienne
(1312). Zwei Jahre spater wurde Jacques de Molay zusammen mit
Geoffroy de Charnay
auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
Uber das Leben Jacques de Molays vor seiner Zeit als Großmeister des Templerordens ist nur weniges zweifelsfrei belegt. Schon das Geburtsjahr lasst sich nicht mit Bestimmtheit feststellen. Man kann jedoch annehmen, dass de Molay um 1244 geboren wurde. Dies ergibt sich ausgehend von 1265 (Eintritt in den Templerorden) daraus, dass die Ordensregel die Aufnahme Erwachsener vorsah, d. h. die Aufnahme nach dem
Ritterschlag
, der ublicherweise im Alter von 20 Jahren erfolgte. Da jedoch auch Falle belegt sind, in denen die Aufnahme in den Orden schon fruher erfolgte, ist dies auch bei de Molay moglich und ein um wenige Jahre spateres Geburtsjahr nicht auszuschließen.
Bei der Herkunft ist gesichert, dass er aus der
Freigrafschaft
Burgund, der heutigen
Region Bourgogne-Franche-Comte
stammte. Da de Molay adelig sein musste, um Tempelritter zu werden, lasst sich die Herkunft auf zwei Gemeinden einschranken: Jacques de Molay stammte entweder aus der Ortschaft
Molay
im Bezirk
Chemin
, die damals zum
Lehen
von
Rahon
gehorte, oder aus
Molay
in der
Haute-Saone
im Bezirk
Vitrey
, das damals zum
Dekanat
Traves
in der
Diozese
Besancon
ressortierte. Aufgrund einiger Indizien kann angenommen werden, dass de Molay aus dem Ort Molay in Vitrey stammt. Ein Geschlecht de Molay aus dem landlichen, niederen Adel ist dort seit dem Jahr 1138 urkundlich belegt. Jacques ist moglicherweise ein Sohn des Gerard de Molay, der als
Vasall
des Seigneurs von
La Rochelle
1233 urkundlich erwahnt wird.
Die Freigrafschaft Burgund gehorte damals zum
Heiligen Romischen Reich
, die de Molays waren also Untertanen des romisch-deutschen Kaisers. Jacques de Molay wuchs in der Zeit der
Kreuzzuge
des Konigs
Ludwig IX.
von Frankreich auf. Uber seine Kindheit und Jugend ist sonst nichts bekannt. Man kann annehmen, dass die Berichte und Erzahlungen der heimkehrenden Kreuzritter aus dem benachbarten Frankreich auch den jugendlichen de Molay beeinflussten.
Im Jahre 1265 wurde Jacques (nach eigenen Angaben) von
Humbert de Pairud
, General
visitator
des Ordens in Frankreich und England, sowie von
Amaury de la Roche
, dem Ordensmeister der Provinz Frankreich, in der Ordenskapelle der
Komturei
Beaune
in den
Templerorden
aufgenommen. Uber die Beweggrunde seines Eintritts ist nichts bekannt. Entsprechend dem damals Ublichen kann man annehmen, dass sozialer oder wirtschaftlicher Druck den jungen Adeligen in die Reihen der Kreuzritter fuhrte oder dass er von seinem Vater fur die kirchliche Laufbahn pradestiniert worden war (der Templerorden galt als geistlicher Orden). Es ware aber auch moglich, dass der
Lehnsherr
sich dem Kreuzzug anschloss und alle
Vasallen
ihm folgen mussten.
De Molay gab spater an, als junger Ritter unter dem Großmeister
Guillaume de Beaujeu
im Orient gewesen zu sein. Beaujeu wurde 1273 zum Großmeister gewahlt. Daraus kann man schließen, dass de Molay irgendwann zwischen 1270 und 1282 ins
Heilige Land
kam. Zu dieser Zeit naherte sich die Herrschaft der Kreuzfahrer in der Region bereits ihrem Ende. Den
Grandes Chroniques de France
ist zu entnehmen, dass sich der kampfbegierige junge Ritter gegen den Großmeister aufgelehnt zu haben scheint, weil er dessen Linie, in der Zeit des Waffenstillstandes mit dem
Sultan
der
Mameluken
einen friedlichen Ausgleich zu suchen, anfangs nicht mittragen wollte.
Im September 1291 ? nach dem
Fall von Akkon
und damit dem Ende der
Kreuzfahrerstaaten
? nahm de Molay am
Generalkapitel
des Ordens in
Zypern
teil und wurde als Nachfolger von
Pierre de Sevry
, der in Akkon gefallen war, zum Marschall des Ordens gewahlt. 1292, vermutlich im Februar, starb der Großmeister
Thibaud Gaudin
. Jacques de Molay wurde daraufhin zum Großmeister des Ordens gewahlt. Dies muss vor dem 20. April 1292 gewesen sein: Ein Brief an den Meister der Provinz
Aragon
mit diesem Datum, den de Molay als Großmeister unterzeichnet hat, liegt im
Archivo General de la Corona de Aragon
in
Barcelona
vor.
1293 brach er zu einer ausgedehnten Reise in den Okzident auf, die ihn zunachst in die
Provence
fuhrte. Im August 1293 nahm er am
Generalkapitel
des Ordens in
Montpellier
teil. 1294 reiste er nach England und anlasslich der Wahl von Papst
Bonifaz VIII.
nach Italien. Anfang 1296 kam er zu einem weiteren Generalkapitel des Ordens nach
Arles
. Im Herbst kehrte er nach Zypern zuruck. Diese Reise hatte zunachst den Zweck, mit den europaischen Herrschern Ubereinkommen zu erzielen, um die angestrebte Rucknahme der Privilegien der Templer zu verhindern (die Templer waren von samtlichen Abgaben, Steuern und Lehnspflichten befreit). Auch wurden zwischen den Templern und dem Konigshaus von Aragon intensive Verhandlungen einen Tausch von Landereien betreffend gefuhrt. In England erreichte er die Herabsetzung einer Strafzahlung, die uber den ortlichen Ordensmeister verhangt worden war. Mit Konig
Karl II.
von
Neapel
verhandelte er uber die Aufhebung von besonderen Kontrollen der Templerschiffe. Vor allem ging es aber darum, Unterstutzung fur das Heilige Land zu erhalten. Nach dem Fall
Akkons
1291 bedeutete das die Verteidigung der verbliebenen christlichen Staaten auf
Zypern
(wohin sich auch die Templer zuruckgezogen hatten) und in Armenien. Außerdem mussten die stark geschrumpften Reserven des Ordens an Kampfern und Material wieder erganzt werden. So setzte sich de Molay in seinen Verhandlungen mit den einzelnen Herrschern dafur ein, dass samtliche Exporte von den einzelnen Tempelgutern nach Zypern von allen Zollen befreit werden sollten. Letztlich sollte der Boden bereitet werden fur die angestrebte Ruckeroberung des Heiligen Landes, denn diese blieb das Hauptanliegen der Ritterorden.
In
Limassol
auf Zypern befand sich der Hauptsitz der Templer. De Molay suchte einen Ausgleich mit Konig
Heinrich II.
von Zypern. Dieser wollte die Einkunfte der Orden ? das betraf neben den Templern auch die
Johanniter
und
Zisterzienser
? beschranken und ihnen den weiteren Landerwerb untersagen. In den Verhandlungen daruber ersuchte de Molay auch Papst Bonifaz VIII. um Vermittlung.
Ab 1299 setzte sich de Molay massiv dafur ein, zusammen mit anderen christlichen Streitkraften und im Bundnis mit den Mongolen das Heilige Land zuruckzuerobern. Ein erster Angriff des
persischen Khans
Ghazan
Ende 1299 erfolgte unter der Teilnahme armenischer Truppen sowie armenischer Templer- und Johanniter-Kontingente. Ghazan richtete zwei Schreiben an die Ritterorden auf Zypern, in der er um Unterstutzung ersuchte. Er schickte diese Schreiben aber erst ab, als er schon wochenlang im Feld stand. Die auf Zypern ansassigen Kontingente konnten nicht mehr eingreifen. Ghazan eroberte im Dezember zunachst
Aleppo
. Am 24. Dezember 1299 errang der Khan mit seinen armenischen Verbundeten einen glanzvollen Sieg uber die Mameluken bei
Homs
; wegen der schlechten Versorgungslage der mongolischen Reiterei musste man aber die Verfolgung der fluchtenden Feinde bald einstellen und vergab so die Chance auf einen nachhaltigen Erfolg. Dennoch gelang es ihnen, in den ersten Monaten des Jahres 1300
Syrien
fast vollstandig zu erobern. Zugleich verstarkte der Khan seine diplomatischen Bemuhungen. Fur den November 1300 kundigte er einen neuen Feldzug an.
Im Fruhjahr 1300 griff eine kleine Flotte, die aus Abordnungen der Templer, der Johanniter, des Konigs von Zypern und des Khans bestanden,
Agypten
an;
Rosette
und
Alexandria
wurden geplundert. Daraufhin wandte man sich nach Norden gegen
Akkon
und
Tartus
; ein Versuch, die Hafenstadt
Maraclea
einzunehmen, scheiterte aber. Molay betrieb die Koordination mit den Verbundeten und die Leitung der templerischen Beteiligung an den Unternehmungen von Zypern aus. Ende September brach Ghazan von
Tabris
auf, wahrend Templer und Johanniter und der Konig von Zypern ihre Truppen auf der Insel
Ruad
vor Tartus in Stellung brachten. Doch ein ungewohnlich strenger Winter brachte den Vormarsch der Mongolen zum Erliegen, und Ghazan musste den Angriff auf die Mameluken auf einen spateren Zeitpunkt verschieben. Einstweilen hielten die Templer die Insel und unternahmen von dort immer wieder Streifzuge auf das Festland. 1302 wurden sie von der Insel vertrieben und erlitten dabei schwere Verluste (siehe
Belagerung von Aruad
). Die mongolischen Angriffe scheiterten im Jahr 1303 endgultig und Ghazan starb im darauffolgenden Jahr. Dies bedeutete das Ende der christlichen Bemuhungen, uber Bundnisse mit den Mongolen zum Erfolg zu gelangen.
De Molay blieb in den folgenden Jahren auf Zypern. Im Jahr 1306 kam es auf Zypern zu einer Revolte, in der der Bruder des Konigs,
Amalrich von Tyrus
, die Macht auf der Insel ubernahm. In die Revolte, die von Teilen des ortlichen Adels unterstutzt wurde, hatten sich de Molay und
Foulques de Villaret
, der
Großmeister
der Johanniter, nicht eingemischt, waren aber im Folgenden bemuht, einen Ausgleich zwischen den verfeindeten Brudern zu erzielen.
Im Oktober 1306 brach de Molay nach Frankreich auf. Papst
Clemens V.
residierte zu dieser Zeit in
Poitiers
. Er hatte die Fuhrer der Ritterorden eingeladen, um mit ihnen zwei Anliegen zu besprechen: die Vereinigung der Ritterorden und die Vorbereitung eines neuen Kreuzzuges. Beide Ordensmeister hatten dazu Denkschriften vorgelegt, uber die nun beraten werden sollte (die de Molays sind erhalten). Aufgrund einer Erkrankung des Papstes wurde der Termin der Zusammenkunft aber von November 1306 auf das kommende Jahr verschoben.
Zwischen dem franzosischen Konig
Philipp IV.
und de Molay soll es zu Verstimmungen gekommen sein. Ein Grund war, dass der Schatzmeister des Ordens (siehe auch
Templerschatz
) gleichzeitig der Schatzmeister des Konigs war, da die Templer die Staatsfinanzen in Frankreich verwalteten. Der Schatzmeister des Ordens hatte an Philipp IV. eine enorme Summe Geld verliehen, was aber der Zustimmung des Großmeisters bedurft hatte. Dazu kam nun, dass sich de Molay einer Vereinigung der Kreuzfahrer-Orden heftig widersetzte, von der Philipp IV. jedenfalls profitiert hatte, denn er rechnete sich gute Chancen aus, zum Großmeister eines vereinigten Ordens aufzusteigen.
In Frankreich, England und Spanien kursierten allerhand Geruchte uber angebliche Verfehlungen der Templer. Die Vorwurfe betrafen
haretische
Praktiken wie Gotzendienst, Verleugnung Christi im Aufnahmezeremoniell und
Laienabsolution
sowie mangelnde Wohltatigkeit, Habsucht und Anmaßung.
Guillaume de Nogaret
, ein Vertrauter des franzosischen Konigs, hatte bereits 1305 Ermittlungen gegen die Templer eingeleitet, um belastendes Material zu sammeln. Dieses sollte in erster Linie dazu dienen, den Papst, dem der Templerorden unterstand, zu erpressen. Bei einer Unterredung mit dem Konig versuchte de Molay, einige Praktiken des Templerordens wie die Laienabsolution zu entschuldigen. De Molay ersuchte den Papst selbst um eine Untersuchung der Vorwurfe. Der Papst stimmte zu und behielt sich die Leitung der Untersuchungen vor. Er kundigte an, diese Untersuchungen in der zweiten Oktoberhalfte 1307 zu beginnen.
Am 24. Juni 1307 nahm de Molay am Generalkapitel des Ordens teil, das er nach Paris einberufen hatte. Anschließend begab er sich wieder nach Poitiers. Am 24. August informierte Papst Clemens V. den Konig uber die Einleitung von Untersuchungen gegen den Templerorden. Vorgeblich wegen der Schwere der Beschuldigungen beschloss Philipp, die Untersuchungen rechtswidrig an sich zu ziehen, und schob zunachst den
Inquisitor
von Frankreich vor,
Guillaume de Paris
. Im September trat daraufhin
Gilles I. Aycelin de Montaigut
, der Erzbischof von
Narbonne
, aus Protest gegen die Verletzung des Kirchenrechts von seinem Amt als Kanzler des Konigs zuruck. Sein Nachfolger wurde Guillaume de Nogaret. Anfang Oktober kehrte de Molay nach Paris zuruck. Am 12. Oktober nahm er dort als Mitglied des Ehrengeleits an den Trauerfeierlichkeiten fur
Catherine de Courtenay
teil.
Am nachsten Tag, Freitag, dem 13. Oktober 1307, wurden auf Befehl des Konigs die Templer verhaftet. Unter den Festgenommenen in der Pariser Templerburg (dem ?
Temple
“) war auch der Großmeister Jacques de Molay. Nur wenigen Templern gelang die Flucht.
Am 24. Oktober wurde de Molay zum ersten Mal von den
Inquisitoren
vernommen. Er gab zu, bei seiner Aufnahme in den Orden aufgefordert worden zu sein, Christus zu verleugnen und auf das Kreuz zu spucken. Er habe dies widerwillig befolgt und auch nur neben das Kreuz gespuckt. Er bestritt entschieden, dass die Ritter bei der Aufnahme aufgefordert wurden, im Falle sexueller Begierden zu homosexuellen Handlungen Zuflucht zu nehmen. Auch Gestandnisse anderer Templer in den ersten Verhoren im Oktober und November lieferten die gewunschte Bestatigung der vermuteten
Haresie
. Nogaret verwendete die Gestandnisse sogleich fur einen Propagandaschlag, mit dem nicht nur die Templer, sondern auch der Papst diskreditiert werden sollte. Philipp IV. forderte die Herrscher in Europa auf, gegen die Templer vorzugehen, sein Aufruf blieb aber zunachst folgenlos. Erst als der Papst die Verhaftung der Templer in der
Bulle
Pastoralis praeeminentiae
vom 22. November 1307 anordnete, wurden die Templer auch in England, Zypern, Italien oder Aragon festgesetzt. Allerdings nahm die Verfolgung der Templer nirgendwo solche Ausmaße an wie in Frankreich. Der Papst versuchte, die Uberstellung der verhafteten Templer in die Obhut der Kirche zu erreichen, was von Nogaret mit allen Mitteln hintertrieben wurde.
Der Konig drangte den Papst, nun auch die Aufhebung des Templerordens zu verfugen, aber dieser wollte sich selbst ein Bild machen. Er sandte zwei Kardinale zu de Molay. Erst als der Papst dem Konig die
Exkommunikation
androhte, wurden diese zu de Molay vorgelassen. De Molay widerrief sein Gestandnis und beklagte sich uber die schlechte Behandlung. Wahrscheinlich war er gefoltert worden. Er verließ sich in der Folge auf die Unterstutzung des Papstes, da er davon uberzeugt war, dass dem Orden keinerlei haretische Verfehlungen vorzuwerfen waren. Dem Papst wurden sorgfaltig ausgewahlte Gefangene zur Weiterfuhrung der Untersuchungen nach
Poitiers
uberstellt. Ausgerechnet die Wurdentrager des Ordens, unter ihnen de Molay, waren aber nach Auskunft der koniglichen Untersuchungsbehorden zu schwach fur eine Reise nach Poitiers. Angeblich wegen ihrer Erschopfung wurden sie vom Konig in der
Burg Chinon
aufgenommen. Dort wurde de Molay im August 1308 neuerlich verhort, auch in Anwesenheit von Kardinalen. Er wiederholte dort sein erstes Gestandnis.
Der Papst musste schließlich einem zweigleisigen Verfahren zustimmen. Die Ermittlungen gegen einzelne Ritter blieben in der Hand der koniglichen franzosischen Verwaltung, nur das Verfahren gegen den Orden sollte der Kurie unterstellt bleiben. Die Urteilsfindung uber die Ordensleitung behielt sich der Papst personlich vor. Am 26. November 1309 wurde de Molay der papstlichen Untersuchungskommission in Paris vorgefuhrt. Er verweigerte weitere Aussagen und verlangte, sich und den Orden vor dem Papst personlich zu verteidigen. Auch bei seiner letzten Einvernahme im Marz 1310 beharrte er auf seiner Position. Zu einer Begegnung zwischen dem Papst und de Molay kam es jedoch nicht mehr.
Die papstliche Untersuchungskommission war bald zu teilweise anderen Ergebnissen gelangt als die Kommissionen des Konigs. Damit drohte die Angelegenheit dem Konig neuerlich zu entgleiten. Nogaret und Philipp verwendeten daraufhin den
Erzbischof von Sens
,
Philippe de Marigny
, als ihr Werkzeug. Marigny war ein Bruder von
Enguerrand de Marigny
, einem der engsten Vertrauten des Konigs. Er fuhrte nun den Vorsitz uber das Richterkollegium von Paris, dem die Aburteilung der Templer in dieser
Diozese
oblag (das
Bistum Paris
war damals dem Erzbischof von Sens unterstellt). Die Templer, die vor der papstlichen Kommission aussagten, um den Orden zu verteidigen, wurden von Marigny als ruckfallige Ketzer neuerlich angeklagt und unverzuglich auf den Scheiterhaufen geschickt: Am 12. Mai 1310 wurden 54 Templer in Paris verbrannt. Damit wurde der langsam aufkeimende Widerstand der Templer in den Verfahren endgultig gebrochen.
Am 22. Marz 1312 erklarte der Papst den Templerorden auf dem
Konzil von Vienne
fur aufgelost. Ein von der Historikerin
Barbara Frale
im
Geheimarchiv des Vatikans
aufgefundenes Handschreiben Papst Clemens’ aus jener Zeit belegt, dass dieser von der Schuld des Ordens nicht uberzeugt war. Als er die Aufhebung des Ordens verfugte, tat er dies nicht wegen nachgewiesener Verfehlungen des Ordens, sondern weil der Ruf des Ordens so stark beschadigt worden war, dass an eine Wiedererrichtung nicht zu denken war.
Als der Papst endlich eine Kommission zu Verurteilung der verbliebenen Ordensoberen einsetzte, waren diese seit rund vier Jahren in der
Burg Gisors
inhaftiert: Neben Jacques de Molay waren dies der Meister der Normandie
Geoffroy de Charnay
sowie
Hugues de Pairaud
und
Geoffroy de Gonneville
. Die drei vom Papst eingesetzten Kardinale Nicolas Caignet de Freauville, Arnaud d’Auch und Arnaud Novelli traten im Marz 1314 in Paris zusammen. Am 18. Marz 1314 wurde das Urteil auf dem Platz vor der Kirche
Notre Dame
offentlich verkundet, das auf
lebenslange Haft
lautete. Als de Molay und de Charnay das Urteil vernommen hatten, fuhlten sie sich vom Papst verraten. Sie protestierten heftig und widerriefen alle ihre fruheren Gestandnisse. Die beiden anderen schwiegen. Wahrend sich die papstliche Gerichtskommission zu einer weiteren Beratung zuruckzog, beschloss Philipp, der bei der Urteilsverkundung nicht anwesend war, die sofortige Hinrichtung von Jacques de Molay und Geoffroy de Charnay: ein neuerlicher Rechtsbruch des Konigs, da er handelte, ohne das Urteil der Kirche abzuwarten, was auch der anwesende Inquisitor
Bernard Gui
feststellte. Am Abend desselben Tages wurden Jacques de Molay und Geoffroy de Charnay auf dem
Scheiterhaufen
verbrannt.
Auf den Ort der
Hinrichtung
weist heute eine kleine Gedenktafel hin an der Westseite des
Pont Neuf
auf der
Ile de la Cite
in
Paris
. Die Plakette befindet sich am Fuß der Brucke, an der Mauer gegenuber dem Eingang zum Park an der Westspitze der Insel.
Die Lage der
Kreuzfahrerstaaten
im Heiligen Land war seit 1258 von den Einfallen der
Mongolen
und den Auseinandersetzungen mit dem agyptischen Sultanat der
Mameluken
gepragt.
Bohemund VI.
, der
Graf von Tripolis
und
Furst von Antiochia
, und
Hethum I.
, der Konig von
Kleinarmenien
, arrangierten sich mit den Mongolen und leisteten ab 1247 Tributzahlungen. Sie setzten auf die Mongolen als Unterstutzer gegen die Mameluken. Das
Konigreich Jerusalem
schwankte, ob es eher den Mameluken oder den Mongolen zuneigen sollte. Obwohl sich das Konigreich Jerusalem anfangs neutral verhielt und den Mameluken den Durchzug durch sein Territorium gestattete, konnte es nicht verhindern, dass sich die Angriffe des Sultans
Baibars I.
auch gegen die Kreuzfahrerstaaten richteten. 1268 fiel neben anderen Festungen auch
Antiochia
. Als
Ludwig IX.
, der das Sultanat vom Westen angreifen wollte, 1270 in
Tunis
starb, fiel Baibars in die Grafschaft Tripolis ein und nahm zahlreiche Festungen der Templer, Johanniter und des
Deutschen Ordens
ein. Im April 1272 konnte der englische Thronfolger
Eduard
einen Waffenstillstand mit den Mameluken schließen. Die Mameluken aber brachen die Waffenstillstande nach Belieben.
Angriffe der Mameluken fuhrten 1289 zum Fall von
Tripolis
und 1291 zum Fall von
Akkon
. Danach brachen die Kreuzfahrerstaaten endgultig zusammen. Der Papst und die nach Zypern zuruckgedrangten Kreuzfahrerbarone sowie die Ritterorden bemuhten sich nun verstarkt um eine Kooperation mit dem
persischen Mongolenkhanat
, mit dem Ziel, die von den Mameluken zuruckzuerobernden Gebiete untereinander aufzuteilen. Khan
Ghazan
konnte im Jahr 1300 Syrien großteils erobern. Er wurde jedoch schließlich von den Mameluken besiegt. Als er 1304 starb, bemuhte sich sein Nachfolger um eine Losung am Verhandlungstisch. Die Taktik des Abendlandes, sich mit den Mongolen zu verbunden, war damit gescheitert.
Die beiden großen Kreuzfahrerorden, die Templer und die Johanniter, aber auch die kleineren Orden nahmen nach dem Fall der Kreuzfahrerstaaten Quartier auf der Insel Zypern, auf der sie bereits Guter besaßen. Die unabhangigen Orden mit ihren kampferprobten Truppen und ihren umfangreichen Besitzungen beschrankten de facto die Verfugungsgewalt des Konigs von Zypern uber die Insel. Andererseits aber benotigte der Konig die Ritter zum Schutz gegen eventuelle Angriffe der islamischen Streiter. De Molay hatte also den Konig von Zypern davon abzubringen, die Templer zu besteuern und den weiteren Erwerb von Gutern zu verbieten. Dieses Problem stellte sich auch den anderen Orden auf der Insel.
De Molay ging es auch um eine Reform des Ordens. Als sich die Templer nach dem Ruckzug nach Zypern nicht mehr standig im Krieg befanden, wollte er die Ordensregeln in einigen Punkten verscharfen. Das Ansehen der Ritterorden war gesunken, da man sie fur den Verlust des Konigreich Jerusalems verantwortlich machte. Man warf etwa den Templern vor, sie hatten lieber Waffenstillstandsvertrage abgeschlossen, anstatt die Feinde zu bekampfen. Auch dass die einzelnen Orden oftmals untereinander zerstritten waren, hatte dem Ruf der Ritterorden nachhaltig geschadet.
De Molay bemuhte sich darum, dass sein Orden die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafur erhielt, seiner Verpflichtung zur Wohltatigkeit nachkommen zu konnen. Bereits beim
Zweiten Konzil von Lyon
1274 hatten sich die Templer gegen den Vorwurf mangelnder Wohltatigkeit verteidigen mussen. Schon damals war auch die Forderung geaußert worden, die Ritterorden zu vereinigen. Diese Forderung wurde nach dem Verlust der Kreuzfahrerstaaten lauter. Von einer Zusammenlegung der Orden versprach man sich eine großere Effizienz bei weiteren Kreuzzugen zur Wiedergewinnung des Heiligen Landes. De Molay wollte dagegen das Weiterbestehen und die Unabhangigkeit seines Ordens sicherstellen.
Ein wesentlicher Faktor waren ab 1305 die Ambitionen des franzosischen Konigs
Philipp IV.
Von verschiedenen Seiten war der Vorschlag gemacht worden, dass an der Spitze eines vereinigten Kreuzritter-Ordens ein Konig stehen sollte. Der Konig von Sizilien schlug den franzosischen Konig vor, wahrend sich etwa die Aragonesen den Vorschlagen widersetzten. Philipp IV. war schon wegen des finanziellen Aufwandes nicht an einem Kreuzzug interessiert, aber die Verfugungsgewalt uber die bestens trainierten und kampferfahrenen Kreuzrittertruppen und der Zugriff auf ihr Vermogen erschienen ihm verlockend. Philipp beabsichtigte nicht von vornherein die Zerschlagung des Templerordens, vielmehr wollte er dessen Erbe antreten. Die geistlichen Ritterorden unterstanden ausschließlich dem Papst, sie waren von allen weltlichen und kirchlichen Abgaben befreit. Ihre Guter, die sie in großer Zahl in allen europaischen Konigreichen besaßen, waren de facto exterritoriale Gebiete. Man sagte den Ritterorden gewaltige Reichtumer nach. Ihre starken Kampfverbande wurden von einigen Herrschern als eine Bedrohung ihrer Macht gesehen.
Philipp IV. versuchte bestandig, die Papste unter Druck zu setzen. Mit
Bonifaz VIII.
geriet er in Streit, weil er die Steuereinnahmen der franzosischen Kirche fur sich beanspruchte. Nachdem von seinem Vertrauten
Guillaume de Nogaret
und zwei Kardinalen aus dem romischen Adelsgeschlechts der
Colonna
ein Attentat durchgefuhrt wurde, an dessen Folgen der Papst verstarb, verlangte er von dessen Nachfolger
Clemens V.
mit allem Nachdruck eine Verurteilung Bonifaz’.
Die spektakulare Zerschlagung des Templerordens und die Hinrichtung des Großmeisters, dazu die zahlreichen Geheimnisse, die den Ritterorden zu umgeben schienen, fuhrten zu einer Unzahl von Legenden. In den zeitgenossischen Berichten und Chroniken jener Zeit wird jedoch kaum auf die Person de Molays eingegangen. Lediglich die in zahlreichen Abschriften verbreitete Schrift
De casibus virorum illustrium
des Italieners
Giovanni Boccaccio
widmet dem Großmeister breiten Raum, ohne jedoch Anhaltspunkte fur eine legendarische Ausschmuckung zu bieten. Boccaccios Vater, ein florentinischer Handler, war Augenzeuge des Geschehens in Paris geworden. In den Chroniken des 14. und 15. Jahrhunderts finden andere Ereignisse um die Templer mehr Aufmerksamkeit als der Tod des Großmeisters: vor allem die Verbrennungen der Templer im Jahr 1310, der Prozess insgesamt und die Zuweisung des Ordensvermogens an die
Johanniter
. Nur drei Chronisten des 15. Jahrhunderts erwahnen die Hinrichtung de Molays, wobei in einer Chronik aus Flandern de Molay mit
Guillaume de Beaujeu
verwechselt wird, in der
Chronographia Regum Francorum
wird zudem die Hinrichtung von 1314 mit der Templerverbrennung von 1310 verwechselt.
Einen besonderen Rang nimmt in der Legendenbildung der Fluch Jacques de Molays ein, den er gegen den Konig und den Papst ausgestoßen haben soll. Folgt man den zeitnahen Berichten ? also der durch einen Anonymus verfassten Fortsetzung der Chronik von Nangis ? und dem Chronisten
Geoffroy de Paris
sowie dem Bericht
Giovanni Villanis
, ergriff Molay das Wort erst, als er vor den Kardinalen stand, wo er die Reinheit des Ordens beteuerte, und dann auf dem Scheiterhaufen. Ehe dieser in Brand gesteckt wurde, bezeichnete er sich als guten Christen und rief Gott um seinen Beistand an. In all diesen Berichten wird weder von einem Fluch noch von ausfuhrlichen Reden berichtet. Dennoch begleitet die Geschichtsschreibung der Templer seit jeher das Gerucht, de Molay habe auf dem Scheiterhaufen eine wohlformulierte Rede gehalten, in der er den Konig
Philipp IV.
und den Papst
Clemens V.
binnen Jahresfrist vor den Richtstuhl Gottes lud, und er habe das baldige Aussterben der
Kapetinger
angekundigt. Papst Clemens V. starb dann tatsachlich auch bereits am 20. April 1314, vermutlich an Krebs. Philipps Tod am 29. November 1314 nach einem Jagdunfall wurde von seinen Untertanen als Befreiung von einer Gewaltherrschaft angesehen.
Wie die Historikerin
Colette Beaune
untersuchte, galten die Kapetinger unabhangig von de Molay als verfluchtes Geschlecht. Ein Fluch galt damals als Hilferuf um himmlische Gerechtigkeit, und der Hilferuf galt als erhort, wenn ein gewaltsamer Tod denjenigen ereilte, auf dem er lastete. Die Sunden des Konigshauses, die von den Zeitgenossen Philipps IV. als Grunde fur einen Fluch angefuhrt wurden, waren: Ehebruch bei den Schwiegertochtern des Konigs, hohe Steuerlasten und eine Wirtschaftskrise, hervorgerufen durch Munzverschlechterung, die viele Menschen ins Elend gebracht hatte, dazu die Verfolgung Papst
Bonifaz’ VIII.
und der
Anschlag von Anagni
. Bei Villani ist es ein Bischof, der nach dem Attentat auf den Papst den Fluch ausspricht. Andere Chronisten schreiben sogar Bonifaz selbst den Fluch zu.
Der Fluch wurde schließlich auf Clemens V. ausgedehnt, und zwar zur Zeit der Templerprozesse. Ein Chronist aus Vicenza,
Ferreto de Ferretis
, berichtet im Jahr 1330 im Anschluss an seine Darstellung des
Konzils von Vienne
von einem unbekannten Templer, der vor dem Papst erschien und erfolglos gegen sein Todesurteil protestierte. Dieser Templer soll auf dem Scheiterhaufen den Papst und den Konig verflucht und beiden den Tod binnen Jahresfrist angekundigt haben.
Erst im 16. Jahrhundert wird die Geschichte de Molays immer weiter ausgeschmuckt und schließlich seine Einlassung vor den Kardinalen zu einer einzigen Rede zusammengefasst.
Paolo Emili
aus Verona (1460?1529) legt in seiner von Konig
Franz I.
in Auftrag gegebenen Chronik
De rebus gestis Francorum
von 1517 Jacques de Molay den beruhmten Fluch in den Mund ? hier noch, bevor er den Scheiterhaufen besteigt. Alle nachfolgenden Geschichtsschreiber haben den Fluch ubernommen, der bei ihnen nun vom Scheiterhaufen herab verkundet wird.
- Bernhard Duhr
:
Der letzte Großmeister des Templerordens.
In:
Stimmen der Zeit
.
60. Jg., 3. Heft, 118. Band, Dezember 1929, S. 182?195.
- Jules Viard (Hrsg.):
Les Grandes Chroniques de France.
Band 8:
Philippe III. le Hardi, Philippe IV le Bel, Louis X. le Hutin, Philippe V le Long.
Champion/Societe de l’histoire de France, 1934.
- Sabine Delmarti:
Jacques de Molay: son histoire, sa personnalite, son role au sein de l’ordre des Templiers, son heritage.
Paris 1999,
ISBN 2-7328-3442-4
.
- Alain Demurger:
Die Verfolgung der Templer. Chronik einer Vernichtung.
C. H. Beck, Munchen 2017,
ISBN 978-3-406-70665-3
(Originaltitel:
La persecution des Templiers. Journal (1307?1314),
ubersetzt von Anne und Wolf Leube).
- Alain Demurger:
Der letzte Templer. Leben und Sterben des Großmeisters Jacques de Molay.
Munchen 2004,
ISBN 3-406-52202-5
.
- Alain Demurger:
Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120?1314.
Munchen 1991,
ISBN 3-406-38553-2
.
- Barbara Frale:
The Chinon Chart. Papal absolution to the last Templar, Master Jacques de Molay.
In:
Journal of Medieval History.
30, 2004, S. 109?134.
- Barbara Frale:
L’ultima battaglia dei Templari: dal codice ombra d’obbedienza militare alla costruzione del processo per eresia.
Viella, Rom 2001,
ISBN 88-8334-037-X
.
- Barbara Frale:
Strategia di un delitto: Filippo il Bello e il cerimoniale segreto dei Templari.
Giunti, Florenz 2001,
ISBN 88-09-02052-9
.
- Barbara Frale:
Il papato e il processo ai templari: l’inedita assoluzione di Chinon alla luce della diplomatica pontificia
(=
La corte dei papi.
12). Viella, Rom 2003,
ISBN 88-8334-098-1
(
Digitalisat der Seiten 9-48
, PDF).
- Barbara Frale:
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