Jurgen Moltmann
(*
8. April
1926
in
Hamburg
; †
3. Juni
2024
in
Tubingen
[1]
) war ein
deutscher
evangelischer
Theologe
.
Moltmann, der in einer unkirchlichen Familie aufwuchs, geriet als
Luftwaffenhelfer
am Ende des
Zweiten Weltkriegs
in britische
Kriegsgefangenschaft
. Dort ist er nach eigenen Angaben ?zum christlichen Glauben gekommen“
[2]
und begann noch in Kriegsgefangenschaft ein Studium der
Evangelischen Theologie
, das er 1948 an der
Universitat Gottingen
fortsetzte. Dort wurde er von
Hans Joachim Iwand
,
Gerhard von Rad
und vor allem von
Otto Weber
beeinflusst, bei dem er eine Dissertation uber die Pradestinationslehre des franzosischen reformierten Theologen
Moyse Amyraut
schrieb. Er hat sich zeit seines Lebens selbst als reformierter Theologe verstanden.
[3]
Ab 1952 war er Pastor in
Bremen
-
Wasserhorst
sowie
Studentenpfarrer
, bis er 1957, fast zeitgleich mit der
Habilitation
uber
Christoph Pezel
, einen
Ruf
auf eine Professur an der
Kirchlichen Hochschule Wuppertal
erhielt. 1963 wechselte er an die
Universitat Bonn
. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 arbeitete er als
Professor
fur
Systematische Theologie
an der
Eberhard-Karls-Universitat Tubingen
.
Moltmann war seit 1952 mit der 2016 verstorbenen feministischen Theologin
Elisabeth Moltmann-Wendel
verheiratet.
Der Theologe verstand sich als linksprogressiv: ?Als in der Nachkriegszeit
Adenauer
und
Dibelius
die alten Verhaltnisse von Staat und Kirche von 1933, die Hitler doch nicht verhindert hatten, restaurierten, schloß ich mich den politik- und kirchenkritischen Nachfolgegruppen der Bekennenden Kirche an.“
[2]
Seit 1978 war er Mitglied der
Christlichen Friedenskonferenz
. Von 1963 bis 1983 war er Mitglied der
Kommission fur Glauben und Kirchenverfassung
und von 1977 bis 1993 Vorsitzender der
Gesellschaft fur Evangelische Theologie
.
Moltmann war langjahriger Mitherausgeber der Zeitschriften
Verkundigung und Forschung
,
Evangelische Kommentare
und
Evangelische Theologie
sowie der Buchreihe
Beitrage zur Geschichte und Lehre der reformierten Kirche.
1964 erschien mit
Theologie der Hoffnung
das Werk, das ihm internationale Anerkennung verschaffte; 1972
Der gekreuzigte Gott
, seine stark
trinitarisch
gepragte
Christologie
; 1975
Kirche in der Kraft des Geistes
, eine Kirchenlehre, welche die christliche Kirche als Gemeinschaft im
Geiste
Jesu auffasst. Die drei Bucher, obwohl unabhangig voneinander entstanden, wurden spater meist als Trilogie angesehen, die jeweils von einem Thema aus (Ostern ? Karfreitag ? Pfingsten) das Ganze der christlichen Theologie in den Blick nehmen.
Gemeinsam mit
Pinchas Lapide
veroffentlichte er zwei Dialoge zum Verhaltnis von
Monotheismus
und Trinitatslehre (1979) und von Israel und Kirche (1980).
Zwischen 1980 und 1995 erschienen in funf Banden seine
Systematischen Beitrage zur Theologie
, in denen er das gesamte Gebiet der
Dogmatik
neu bearbeitete:
- Trinitat und Reich Gottes. Zur Gotteslehre
, Munchen 1980
- Gott in der Schopfung. Okologische Schopfungslehre
, Munchen 1985
- Der Weg Jesu Christi. Christologie in messianischen Dimensionen
, Munchen 1989
- Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche Pneumatologie
, Munchen 1991
- Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie
, Munchen 1995
Wie nachgeholte
Prolegomena
zu diesem dogmatischen Entwurf veroffentlichte Moltmann 1999 seine
Erfahrungen theologischen Denkens. Wege und Formen christlicher Theologie
, eine stark autobiographisch gepragte Rechenschaft uber die Grundlagen und Methoden seines theologischen Denkens. 2006 ließ er ihr seine Autobiographie
Weiter Raum. Eine Lebensgeschichte
folgen.
Die ?Okologische Schopfungslehre“ geht von dem Bild der ?Shechina“, der ?Einwohnung“ Gottes in seiner Schopfung aus. Es ist ein Standardwerk der
Schopfungstheologie
und der nachfolgenden
Okotheologie
vorwiegend im englischen Raum (
Celia Deane-Drummond
). ?Schopfung“ interpretiert Moltmann als messianisches Einwohnen Gottes in seinem eigenen Haus (oikos). Es geht fur den glaubigen Menschen um Gemeinschaft und Partizipation an den guten Gaben der Schopfung.
Neben diesen und weiteren Monographien schrieb Moltmann zahlreiche Aufsatze, gesammelt in
Perspektiven der Theologie
(1968),
Umkehr zur Zukunft
(1970),
Neuer Lebensstil. Schritte zur Gemeinde
(1986),
Gott im Projekt der modernen Welt
(1997),
Wissenschaft und Weisheit. Zum Gesprach zwischen Naturwissenschaft und Theologie
(2002),
?Sein Name ist Gerechtigkeit“. Neue Beitrage zur christlichen Gotteslehre
(2008) und
In der Geschichte des dreieinigen Gottes. Beitrage zur trinitarischen Theologie
(2010). Viele seiner Bucher wurden ubersetzt, u. a. ins Englische, Franzosische, Spanische, Portugiesische, Polnische, Niederlandische, Italienische, Japanische und Koreanische.
Moltmann begriff seine Theologie immer auch als politisch verantwortlich (im Sinne der
politischen Theologie
von
Johann Baptist Metz
, dessen Entwurf von Moltmanns
Theologie der Hoffnung
beeinflusst wurde). Wer hoffe, konne nicht schlafen, der musse anpacken, war seine Grundeinstellung. Hoffnung mache aktiv und wach.
1987 wurde Moltmann mit dem
Sexauer Gemeindepreis fur Theologie
, 1994 mit dem
Ernst-Bloch-Preis
und 2000 mit dem
Grawemeyer Award
fur Religion
[4]
geehrt. 1984/85 durfte er die
Gifford Lectures
in Edinburgh halten. 2001 erhielt er von Ministerprasident
Erwin Teufel
die
Verdienstmedaille des Landes Baden-Wurttemberg
.
[5]
Zu seinem 80. Geburtstag wurde er vom damaligen orthodoxen Erzbischof und Metropoliten von
Moldau
und
Bukowina
,
Daniel Ciobotea
, mit dem ?Moldawischen Kreuz“ ausgezeichnet.
Von insgesamt 16 Universitaten (darunter
University of St Andrews
,
Katholieke Universiteit Leuven
,
University of Nottingham
,
Universitat Alexandru Ioan Cuza Ia?i
,
Duke University
,
Emory University
,
Kirchliche Hochschule Wuppertal
[6]
und
Universitat Pretoria
[7]
) erhielt er die
Ehrendoktorwurde
.
[8]
Jurgen Moltmann hat zahlreiche Dissertationen und Habilitationen betreut. Zu seinem Schulerkreis gehoren:
Zu seinen Assistenten in Tubingen gehorten
Karl-Adolf Bauer
,
Gerhard Marcel Martin
,
Konrad Stock
,
Reiner Strunk
und
Rudolf Weth
.
- Gnadenbund und Gnadenwahl: Die Pradestinationslehre des Moyse Amyraut, dargestellt im Zusammenhang der heilsgeschichtlichen-foderaltheologischen Tradition der Akademie von Saumur.
Gottingen 1951,
DNB
480287031
(
Dissertation
Georg-August-Universitat Gottingen
, Theologische Fakultat, 14. April 1952).
- Christoph Pezel
(1539?1604) und der Calvinismus in Bremen
(=
Hospitium ecclesiae
. Band 2). Einkehr, Bremen 1958,
DNB
480673896
(
Habilitationsschrift
Georg-August-Universitat Gottingen
27. Februar 1957).
- Die Gemeinde im Horizont der Herrschaft Christi.
Neukirchen-Vluyn 1959.
- Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begrundung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2005 (Erstausgabe 1964).
- Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2002 (Erstausgabe 1972).
- Kirche in der Kraft des Geistes. Ein Beitrag zur messianischen Ekklesiologie.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2010 (Erstausgabe 1975).
- Trinitat und Reich Gottes. Zur Gotteslehre.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 1986 (Erstausgabe 1980).
- Gott in der Schopfung. Okologische Schopfungslehre.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2015 (Erstausgabe 1985).
- Der Weg Jesu Christi. Christologie in messianischen Dimensionen.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 1989.
- Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche Pneumatologie.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2010 (Erstausgabe 1991).
- Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 1995.
- Wissenschaft und Weisheit. Zum Gesprach zwischen Naturwissenschaft und Theologie.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2002.
- Weiter Raum. Eine Lebensgeschichte.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2006.
- Ethik der Hoffnung.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2010.
- Der lebendige Gott und die Fulle des Lebens. Auch ein Beitrag zur Atheismusdebatte unserer Zeit.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2014.
- Uber Geduld, Barmherzigkeit und Solidaritat.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2018.
- Christliche Erneuerungen in schwierigen Zeiten.
Claudius, Munchen 2019.
- Auferstanden in das ewige Leben.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2020.
- Richard Bauckham
:
The Theology of Jurgen Moltmann.
T&T Clark, Edinburgh 1995.
- Miroslav Volf (Hrsg.):
The Future of Theology: Essays in Honour of Jurgen Moltmann.
Eerdmans, Grand Rapids (MI) 1996.
- Geiko Muller-Fahrenholz:
Phantasie fur das Reich Gottes: die Theologie Jurgen Moltmanns, eine Einfuhrung.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2000.
- Geiko Muller-Fahrenholz:
Jurgen Moltmann. In der Befreiungsgeschichte Gottes.
In: Carsten Barwasser (Hrsg.):
Theologien der Gegenwart. Eine Einfuhrung.
Darmstadt 2006, S. 159?178.
- Michael Welker, Miroslav Volf (Hrsg.):
Der lebendige Gott als Trinitat: Jurgen Moltmann zum 80. Geburtstag.
Gutersloher Verlagshaus, Gutersloh 2006,
ISBN 978-3-579-05229-8
.
- Jurgen Moltmann, Eckart Lohr:
Hoffnung fur eine unfertige Welt. Jurgen Moltmann im Gesprach mit Eckart Lohr.
Patmos Verlag, Ostfildern 2016,
ISBN 978-3-8436-0755-1
.
- ↑
Theologe Jurgen Moltmann gestorben.
In:
katholisch.de.
Allgemeine gemeinnutzige Programmgesellschaft mbH (APG), 4. Juni 2024,
abgerufen am 5. Juni 2024
.
- ↑
a
b
Jurgen Moltmann:
Was heißt heute ?evangelisch“? Von der Rechtfertigungslehre zur Reich-Gottes-Theologie.
In:
Evangelische Theologie
57 (1997), S. 41?46, hier 41.
- ↑
Eine Theologe im Gesprach Calvin von Kapitalisten missbraucht
auf der Website von
n-tv
, 10. Juli 2009.
- ↑
Meldung in
Uni-Protokolle
vom 3. Dezember 1999
- ↑
Verdienstorden des Landes Baden-Wurttemberg - Liste der Ordenstragerinnen und Ordenstrager 1975–2023
(PDF; 307 KB).
Staatsministerium Baden-Wurttemberg
, 19. April 2024, S. 46
- ↑
Kiho-Admin:
KiHo Wuppertal: Kirchliche Hochschule Wuppertal verleiht Ehrendoktorwurde an Prof. Dr. Jurgen Moltmann.
In:
KiHomepage.
7. November 2022,
abgerufen am 4. Juni 2024
(deutsch).
- ↑
Meldung auf der ORK-Website (englisch), abgerufen am 6. April 2017
- ↑
Theologe feiert 90. Geburtstag. Ein Fest fur Jurgen Moltmann
, Weser Kurier 14. April 2016