Judisches Museum Berlin
Kollegienhaus (links) und
Libeskind-Bau
(rechts)
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Daten
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Ort
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Lindenstraße 9?14, 10969 Berlin
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Art
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Museum fur Kulturgeschichte und Geschichte
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Architekt
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Daniel Libeskind
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Eroffnung
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2001
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Leitung
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Website
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ISIL
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DE-MUS-975919
|
Das
Judische Museum Berlin
(JMB) im
Berliner
Ortsteil
Kreuzberg
ist das großte
judische Museum
Europas. Es wurde im September 2001 als
Stiftung offentlichen Rechts
eroffnet. Mit seinen Ausstellungen und weiteren Angeboten vermittelt es die
Geschichte der Juden in Deutschland
und judische Kultur bis zur Gegenwart.
Das Museum besteht heute aus einem Ensemble von drei Gebauden. In der
Lindenstraße
stehen das
barocke
Kollegienhaus sowie ein zickzackformiger Neubau des Architekten
Daniel Libeskind
. Auf der gegenuberliegenden Seite der Lindenstraße befindet sich seit 2012 die ?W. Michael Blumenthal Akademie“ in der ehemaligen
Blumengroßmarkthalle
. In der Akademie befinden sich das Archiv, die Bibliothek, die Museumspadagogik
[1]
sowie ANOHA, die 2021 eroffnete ?Kinderwelt des Judischen Museums Berlin“.
[2]
Das Museum zahlt zu den meistbesuchten Museen Deutschlands. Ab der Eroffnung 2001 bis 2015 kamen 10 Millionen Besucher. Taglich sind es rund 2000 Besucher, jahrlich etwa 700.000.
[3]
Seit 2021 ist der Eintritt in die Dauerausstellung kostenlos.
[4]
Die Dauerausstellung
Judische Geschichte und Gegenwart in Deutschland
wurde 2020 geoffnet. Sie vermittelt einen Uberblick uber 1700 Jahre deutsch-judischer Geschichte, Kultur und Gegenwart in Deutschland.
[5]
Am 24. Januar 1933,
[6]
sechs Tage vor der ?
Machtergreifung
“ des
NS-Regimes
, wurde Berlins erstes
Judisches Museum
in der
Oranienburger Straße
31 in
Berlin-Mitte
eroffnet. Unter der Leitung von
Karl Schwarz
entstand damit direkt neben der
Neuen Synagoge
das weltweit erste Judische Museum, das neben Kunstwerken und historischen Zeugnissen der judischen Vergangenheit auch judische
Kunst der Moderne
sammelte und ausstellte.
[7]
Die Kunstsammlung wurde als Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte verstanden. Als eine der letzten Ausstellungen wurde eine Retrospektive uber
Alexander
und
Ernst Oppler
gezeigt.
[8]
Am 10. November 1938 (wahrend der
Novemberpogrome
) wurden das Museum durch die
Geheime Staatspolizei
geschlossen und das Museumsinventar beschlagnahmt. Heute befinden sich Teile dieser Kunstsammlung im Skirball Cultural Center in
Los Angeles
und im
Israel-Museum
in
Jerusalem
.
[7]
Zum 300. Jahrestag der
Judischen Gemeinde
zu Berlin im Jahr 1971 entstand anlasslich der Ausstellung
Leistung und Schicksal
des
Berlin Museums
im Gebaude des alten Kammergerichts die Idee einer Neugrundung des Museums. Aus der
Judischen Abteilung
des ehemaligen
Berlin-Museums fur Berliner Geschichte
entstand das neue
Judische Museum
.
Daniel Libeskind gewann 1989 mit seinem Entwurf den ersten Preis eines
Architektenwettbewerbs
fur die Erweiterung des Berlin-Museums. 1992 wurde der Grundstein fur den Neubau gelegt. Wahrend der Bauphase gab es heftige Diskussionen uber die Nutzung des Neubaus und die Stellung der
Judischen Abteilung
. Am 1. Juni 1994 wurde Amnon Barzel zum Direktor des
Judischen Museums
, das zunachst weiter nur Teil des
Berlin Museums
war, berufen. Er setzte sich fur dessen rechtliche Eigenstandigkeit ein.
[9]
Im Dezember 1997 folgte ihm
W. Michael Blumenthal
, der ebenfalls auf der Grundung eines eigenstandigen judischen Museums im Altbau und im Neubau des Berlin-Museums bestand.
Am 1. Januar 1999 wurde das Judische Museum als Einrichtung des Landes Berlin gegrundet. Schon zu diesem Zeitpunkt war der noch leere Neubau fur Besucher geoffnet; er wurde mit dem
Deutschen Architekturpreis 1999
gewurdigt. Unter der Leitung des neuseelandischen Projektdirektors Ken Gorbey wurde die Dauerausstellung des Judischen Museums in achtzehn Monaten entwickelt. Nach der Gala-Eroffnung am 9. September 2001 war das Museum am 13. September 2001 fur das Publikum zuganglich. Wegen der
Terroranschlage am 11. September 2001
wurde der ursprunglich geplante Eroffnungstermin um zwei Tage verschoben.
Der
14. Deutsche Bundestag
verabschiedete 2001 das Gesetz zur Errichtung einer
Stiftung Judisches Museum Berlin
. Als bundesunmittelbare Stiftung ist das Museum eine eigenstandige juristische Person des offentlichen Rechts und Bestandteil der mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes.
[10]
[11]
Der Stiftungsrat des Judischen Museums Berlin besteht laut Stiftungsgesetz aus sieben bis zwolf Mitgliedern. Dies sind derzeit (Stand 2023):
[12]
Stellvertretende Mitglieder:
[12]
- Andreas Gorgen
? Amtschef bei der Beauftragten der Bundesregierung fur Kultur und Medien, Vertreter(in) des Bundes
- Falk Goworek ? Unterabteilungsleiter, Bundesministerium der Finanzen, Vertreter(in) des Bundes
- Daniel Botmann
? Geschaftsfuhrer des Zentralrats der Juden in Deutschland
- Herlind Gundelach
? Senatorin a. D.
- Volker Kauder
, Jurist
- Peter Raue
? Rechtsanwalt und Partner, Raue PartmbB
- Christine Regus ? Referatsleiterin, Senatsverwaltung fur Kultur und Europa des Landes Berlin
- Michael Muller
? MdB, Regierender Burgermeister von Berlin a. D.
- Dorte Dinger
, Staatssekretarin, Chefin des Bundesprasidialamtes
Ehemalige Mitglieder des Stiftungsrats sind u. a.
Gotz Aly
,
Hella Dunger-Loper
,
Monika Grutters
,
Gerda Hasselfeldt
,
Salomon Korn
,
Hartmut Koschyk
,
Bernd Neumann
,
Andre Schmitz
,
Stephan Steinlein
und
Johanna Wanka
.
Zur Leitung des Museums gehoren außerdem Organisationsdirektor Bulent Durmu?, der Verwaltungsdirektor Lars Bahners und die Sammlungs- und Ausstellungsdirektorin Julia Friedrich.
[16]
Das Judische Museum Berlin besteht im Wesentlichen aus zwei Gebauden, dem barocken Altbau des Kollegienhauses und dem Neubau im Stil des
Dekonstruktivismus
von
Daniel Libeskind
. Beide Hauser haben keine oberirdisch sichtbare Verbindung; sie sind durch das Untergeschoss miteinander verbunden. Oberirdisch an den Altbau ist ein weiterer Neubau angeschlossen, der als Gruppeneingang und Gruppengarderobe dient und auch einen Zugang zum Garten bietet. Von der Lindenstraße aus gesehen ist dieser Bau durch das große Hoftor verdeckt. Im September 2007 eroffnete das Museum den neuen Glashof, der nach einem Entwurf von Daniel Libeskind entstand. Das Glasdach uberspannt den Innenhof des barocken Altbaus. Seit Ende 2012 wird das Ensemble durch die gegenuberliegende Akademie des Judischen Museums Berlin in der ehemaligen Blumengroßmarkthalle erganzt. Hier sind Teile der Verwaltung und andere Abteilungen untergebracht.
Das Kollegienhaus wurde 1735 nach Planen von
Philipp Gerlach
gebaut und beherbergte fruher das preußische
Kammergericht
. Als dieses 1913 in den Neubau am
Kleistpark
verlegt wurde, brachte man hier das
Berliner Konsistorium
unter.
Im
Zweiten Weltkrieg
wurde es bis auf die Außenmauern zerstort. Zunachst war die vollstandige Niederlegung fur eine Autobahntangente (geplante
A 106
) vorgesehen. Erst 1963 bis 1969 erfolgte der Wiederaufbau. Bevor das Judische Museum das Haus bezog, war es bis 1993 Sitz des stadtgeschichtlichen
Berlin Museums
.
Heute sind im Altbau der Eingangsbereich mit Sicherheitskontrolle, Kasse, Information, Garderobe, Museumsshop und Restaurant sowie Sonderausstellungsraume, ein Auditorium und Buros untergebracht.
Der Garten hinter dem Altbau wurde 1986?1988 nach einem Entwurf von
Hans Kollhoff
und Arthur A. Ovaska angelegt.
[17]
Er wurde als
Gartendenkmal
in die Denkmalliste des
Berliner Landesdenkmalamtes
aufgenommen.
[18]
Nach einem 2005 errichteten Gruppeneingang bildet der
Glashof
nach dem Entwurf
Sukkah
(
hebraisch
fur ?Laubhutte‘) von Daniel Libeskind seit September 2007 die zweite bauliche Erweiterung des Museums. Ein Glasdach uberspannt den 670 m
2
großen Innenhof des U-formigen barocken Altbaus, dem ehemaligen Kollegienhaus, und wird von vier freistehenden Stutzenbundeln aus Stahl getragen. Mit diesem Entwurf bezieht sich Libeskind auf das judische
Laubhuttenfest Sukkot
, einem fruhen Erntedankfest, das seit der Zeit des Exils in Erinnerung daran gefeiert wird, dass die Israeliten wahrend der Wustenwanderung in Hutten gelebt haben. Das Glasdach ist nur an wenigen Punkten mit dem Altbau konstruktiv verbunden, der Anschluss erfolgt durch eine abgesetzte, niedrigere glaserne Fuge. Neun Scheibentypen, die je zweimal gespiegelt zueinander in die Fronten eingebaut sind, erzeugen ein lebhaftes Relief der großen Oberflache. Mit dem Glashof verfugt das Museum uber einen Aufenthaltsbereich und Veranstaltungsraum fur rund 500 Personen.
Die Architektur des zickzackformigen Neubaus, dessen Eroffnung am 23. Januar 1999 erfolgte,
[19]
zeichnet sich durch eine
Titan
-
Zink
-Fassade, ungewohnlich geformte Fenster, viele spitze Winkel in den Wanden, geneigte Boden und grauen
Sichtbeton
aus. Durch den Eingangsbereich im Altbau gelangen Besucher uber eine schwarze Schiefertreppe ins Untergeschoss des Neubaus und von dort aus zur Hauptausstellung des Museums sowie kleineren temporaren Ausstellungen.
Nach dem Betreten des Neubaus trifft man zunachst auf drei sich kreuzende schiefe ?Achsen“: die ?Achse der Kontinuitat“, die an einer hohen, zur Dauerausstellung fuhrenden Treppe endet, die ?Achse des Exils“ und die ?Achse des
Holocaust
“.
Die ?Achse des
Exils
“ fuhrt aus dem Gebaude hinaus in den ?Garten des Exils“, eine tiefer liegende quadratische Flache, deren begrenzende Betonmauern die Sicht in die Umgebung verhindern. Dort stehen 49 sechs Meter hohe
Betonstelen
auf einem schiefen Grund, auf denen
Olweiden
gepflanzt sind, da
Olbaume
, die in der judischen Tradition Frieden und Hoffnung symbolisieren, das Klima nicht vertragen wurden. Die Zahl 49 nimmt Bezug auf das Grundungsjahr des Staates
Israel
, 1948, wahrend die 49. Stele in der Mitte fur Berlin steht. 48 Stelen sind mit Erde aus Berlin gefullt, die 49. Stele in der Mitte enthalt Erde aus Jerusalem.
[20]
Des Weiteren ist die Zahl
Sieben im Judentum
(7 × 7 = 49) eine heilige Zahl.
Man soll im Garten die Erfahrung des Exils hautnah erfahren. Der Besucher fuhlt sich erst fremd, dann ist der Gang durch den Garten gepragt von Unsicherheit, denn aufgrund des schiefen Bodens gerat man leicht ins Taumeln und die Betonsaulen beschranken die Sicht. Im Fruhsommer, wahrend der Blutezeit der Olweiden, wirkt der Garten aufgrund des starken unbekannten Duftes noch fremder.
Die Ahnlichkeit des ?Gartens des Exils“ mit dem Stelenfeld des
Denkmals fur die ermordeten Juden Europas
war 1999 Anlass fur
Plagiatsvorwurfe
von Libeskind gegen dessen Architekten
Peter Eisenman
; der Streit konnte beigelegt werden.
Die ?Achse des
Holocaust
“ endet am ?Holocaust-Turm“. Dies ist ein dunkler, kalter, hoher Gedenkraum, in den nur durch eine Spalte in der Decke Tageslicht eindringt. Auf die meisten Menschen wirkt dieser Raum beklemmend und unfassbar. Der Raum hat jedoch nur symbolische Bedeutung und ist nicht etwa der Nachbau einer
Gaskammer
, wie viele Besucher denken. In etwa zweieinhalb Metern Hohe gibt es eine fur Wartungsarbeiten angebrachte Leiter im Turm, die bis zur Decke fuhrt. Nach Meinung mancher Besucher dient diese als Rettungsweg oder als Symbol fur das Unerreichbare.
Im Museumsneubau gibt es mehrere sogenannte ?Voids“, die sich auf einer geraden Linie angeordnet durch den Zickzackbau ziehen. Sie sind ganzlich leere Raume, die sich vom Keller bis zum obersten Geschoss erstrecken. Sie sind mit Ausnahme des ?Memory Voids“ von der Dauerausstellung aus nicht begehbar, von manchen Stellen aus aber einsehbar. Sie sollen an die Leerstellen erinnern, die der Holocaust, aber auch die Vertreibungen und
Pogrome
, denen Juden in den Jahrhunderten zuvor in Deutschland zum Opfer fielen, hinterlassen haben.
Die Gestaltung der Freiflachen um den Libeskind-Bau herum stammt von den Berliner Garten- und Landschaftsarchitekten Cornelia Muller und Jan Wehberg.
[21]
Dafur nahmen sie Elemente des Libeskind-Baus ? wie etwa die ?Voids“ ? auf und schufen unterschiedliche Bedeutung tragende Bereiche, wie beispielsweise einen
Rosenhain
, der fur das historische
Jerusalem
steht.
[22]
Ein aus verschiedenfarbigen
Natursteinen
gebildetes Bodenrelief umspielt Teile des Gebaudes; insbesondere der von der Zickzack-Form dreiseitig begrenzte ?
Paul-Celan
-Hof“ wird von dem Relief asthetisch gepragt. Eine Grafik von
Gisele Celan-Lestrange
diente dafur als Vorlage.
- Bildergalerie
-
Laubengang
im Park des Judischen Museums
-
Platanenwaldchen
im Park des Judischen Museums
-
Straßenfront, Teilansicht
-
Detail der Fassade
-
Kreuzformige Fenster in der Fassade
-
Bodenrelief im ?
Paul-Celan
-Hof“
-
Blick von Suden auf das Judische Museum, im Vordergrund der ?Garten des Exils“
-
Betonstelen im ?Garten des Exils“
-
Innenansicht des ?Holocaust-Turms“: Es fallt nur wenig Tageslicht durch eine einzige Offnung.
Daniel Libeskind entwarf auch den zweiten Erweiterungsbau in der ehemaligen
Blumengroßmarkthalle
von
Bruno Grimmek
auf der Westseite der Lindenstraße. Die Umbaukosten von knapp zwolf Millionen Euro trug mehrheitlich der Bund.
[23]
Die feierliche Eroffnung und damalige Benennung in
Eric F. Ross Bau
nach dem Mazen
Eric F. Ross
fand am 17. November 2012 statt.
[24]
Die Akademie beherbergt einen Veranstaltungssaal, das Archiv, die Bibliothek sowie Raumlichkeiten fur diverse Bildungsangebote und wissenschaftliche Mitarbeiter.
Die Bauten sind um den ?Garten der
Diaspora
“ im Lichthof des Gebaudes herum gruppiert. Die Pflanzen aus unterschiedlichen Klimazonen sind auf stahlernen Podesten ohne direkten Kontakt zur Erde und mit nur wenig naturlichem Licht untergebracht.
Der Platz vor der Akademie heißt seit April 2013
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz
. Der Benennung ging eine langere Diskussion auf Bezirksebene voraus, an der sich das Judische Museum beteiligte.
[25]
Mit der Eroffnung der Akademie 2012 wurde das Spektrum der bisherigen Museumsaktivitaten um die Akademieprogramme erweitert. Ausgehend von der Aufgabe des Museums, sich der judischen Geschichte und Kultur in Deutschland zu widmen, geben die Akademieprogramme auch den Perspektiven anderer religioser und ethnischer Minderheiten Raum. Bereits dem Grundungsdirektor W. Michael Blumenthal, nach dem das Akademiegebaude jetzt benannt ist, war es ein Anliegen, das Judische Museum Berlin als Haus zu profilieren, das nicht nur die Aufgabe hat, historische, religiose und gesellschaftliche Themen in Ausstellungen zu prasentieren, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen aus einer judischen Perspektive heraus aufmerksam zu verfolgen und zu diskutieren. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf der Beziehung zwischen Mehrheitsbevolkerung und einzelnen Minderheiten, sondern auch auf dem Austausch und der Vernetzung von Minderheiten untereinander.
Entstanden ist ein Veranstaltungsprogramm, das theologische, politische und sakulare Gemeinsamkeiten, Gegensatze und Differenzen zwischen dem Judentum und anderen Religionen und Kulturen auslotet: Mit einem vielfaltigen Programm aus Lesungen, Konferenzen, Workshops und Podiumsdiskussionen bietet die Akademie eine Plattform fur die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitisch aktuellen Themen.
Mit dem
Lars Day Preis ? Zukunft der Erinnerung
zeichnen die Akademieprogramme seit 2016 zusammen mit der Lars Day Stiftung Projekte und Initiativen aus, ?die in kreativer und zukunftsweisender Form das Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen weitertragen und Verantwortung fur eine Gegenwart und Zukunft ohne Hass und Ausgrenzung ubernehmen“.
[26]
Die neue Dauerausstellung mit dem Titel
Judische Geschichte und Gegenwart in Deutschland
wurde am 23. August 2020 eroffnet. Sie erzahlt auf mehr als 3500 Quadratmetern aus judischer Perspektive die Geschichte der Juden in Deutschland von den Anfangen bis in die Gegenwart.
Die Ausstellung gliedert sich in funf historische Kapitel, die von den Anfangen judischen Lebens in Aschkenas uber die Emanzipationsbewegung der Aufklarung und deren Scheitern bis in die Gegenwart reichen. Der
Nationalsozialismus
und das Kapitel ?Nach 1945“ nehmen dabei den großten Raum ein. Hier stehen Themen wie Restitution und Wiedergutmachung, das Verhaltnis zu Israel und die russischsprachige Einwanderung ab 1990 im Mittelpunkt. Die
Videoinstallation
Mesubin
(?Die Versammelten“) macht als ?Schlusschor“ die Vielstimmigkeit gegenwartigen judischen Lebens sichtbar.
Acht Themenraume beschaftigen sich mit religiosen Aspekten des Judentums und seiner gelebten Praxis, mit den Familiensammlungen des Museums sowie mit Kunst und Musik. ?Was ist im Judentum heilig?“ ?Wie feiert man
Schabbat
?“ ?Welchen Klang hat das Judentum?“ Neben Original-Objekten prasentiert die Ausstellung eine große Vielfalt an audio-visuellen Medien,
Virtual Reality
, an Kunst und interaktiven Spielen.
[5]
Eine Videoinstallation im Libeskind-Bau, die eigens fur die Ausstellung produzierte Arbeit
Drummerrsss
des israelischen Kunstlers Gilad Ratman, bildet den Auftakt, bevor es durch die ?Achsen“ und uber die markante Treppe in die Ausstellungsraume geht. Dort ladt ein skulptural gestalteter Willkommenspunkt die Besucher zum Ankommen und Mitmachen ein.
Im anschließenden Ausstellungsrundgang wechseln sich historische Erzahlung mit Einblicken in judische Kultur und Religion ab. Neben klassischen Objektprasentationen erwarten die Besucher auf zwei Etagen außerdem Kunstinstallationen, Hands-on Stationen und Virtual Reality. Von mehr als 1000 gezeigten Objekten stammen uber 70 Prozent aus dem eigenen Depot.
Seit 1700 Jahren ist die judische Kultur in Deutschland eng mit ihrer Umgebung verwoben. Phasen der Zugehorigkeit und enger Nachbarschaft pragten die deutsch-judischen Beziehungen ebenso wie Ausgrenzung, Willkur und Gewalt. Ihre religiosen wie weltlichen Traditionen entwickelten Juden zu allen Zeiten aus diesem Zusammenspiel heraus; aus der permanenten Wechselbeziehung mit der Umwelt entstand das aschkenasische, spater das deutsche Judentum.
Dieser historische Prozess, die Vernichtung der europaischen Judinnen und Juden im Holocaust, der Neubeginn judischen Lebens in Deutschland nach 1945 und die Themen der Gegenwart werden in unserer Dauerausstellung prasentiert. Personliche Schicksale veranschaulichen die unterschiedlichen Reaktionen auf historische und politische Herausforderungen.
Gestaltet wurde die Ausstellung von der Arbeitsgemeinschaft chezweitz GmbH / Hella Rolfes Architekten BDA.
Die erste Dauerausstellung
Zwei Jahrtausende deutsch-judischer Geschichte
war von September 2001 bis Dezember 2017 zu sehen. Sie vermittelte einen Blick auf Deutschland aus der Sicht seiner judischen Minderheit. Sie begann mit den mittelalterlichen
SchUM-Stadten
am Rhein,
Speyer
,
Worms
und
Mainz
.
Den
Barock
erlebten die Besucher durch
Glikl bas Judah Leib
(1646?1724,
alias
Gluckl von Hameln
) und deren Tagebuch, das ihr Leben als judische Kauffrau in Hamburg veranschaulichte. Das 18. Jahrhundert wurde durch das intellektuelle und personliche Erbe des Philosophen
Moses Mendelssohn
(1729?1786) erfahren. Erganzt wurden diese Sichtweisen durch die Beschreibung judischen Lebens am Hof und auf dem Land. Das Bild der Emanzipation des 19. Jahrhunderts war von Optimismus, sozialen und politischen Errungenschaften und zunehmendem Wohlstand gepragt. Doch auch die Ruckschlage und Enttauschungen fur die judischen Gemeinden jener Zeit wurden thematisiert. Die Erlebnisse deutsch-judischer Soldaten des
Ersten Weltkriegs
standen am Anfang der Darstellung des 20. Jahrhunderts.
In der Sektion uber den Nationalsozialismus sahen Besucher, wie deutsche Juden auf ihre zunehmende Diskriminierung reagierten und wie dies beispielsweise zu Neugrundungen judischer Schulen und Sozialdienste fuhrte. Die Ausgrenzung und Vernichtung der Juden setzte diesen Initiativen jedoch ein baldiges Ende. Nach der Schoa fanden sich 250 000 Uberlebende in Lagern fur
Displaced Persons
wieder, wo sie auf eine Emigrationschance warteten. Zugleich entstanden neue kleine judische Gemeinden in Ost und West. Am Ende der Ausstellung wurden zwei große NS-Prozesse der Nachkriegszeit thematisiert: der Frankfurter
Auschwitz-Prozess
(1963?1965) und der
Majdanek-Prozess
in Dusseldorf (1975?1981). Den Schluss des Ausstellungsrundgangs bildete eine Audioinstallation, in der in Deutschland aufgewachsene Juden uber ihre Kindheit und Jugend nach 1945 berichten. Mit ihnen begann ein neues Kapitel des judischen Lebens in Deutschland.
Durch die ehemalige Dauerausstellung wurden Fuhrungen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten und in verschiedenen Sprachen inklusive Gebardensprache angeboten. Themen waren beispielsweise das Mittelalter, Musik, judische Traditionen,
Emanzipation
, Architekturbetrachtungen und die judische Frauenbewegung. Fur blinde Besucher werden weiterhin Architekturfuhrungen angeboten (?Architektur fur alle Sinne“).
Die Sonderausstellungen beschaftigen sich mit Themen aus unterschiedlichen Epochen, prasentiert in verschiedenen Genres.
2024
|
Sex. Judische Positionen
|
2024
|
?Mein Dichten ist wie Dynamit“ ?
Curt Blochs
Het Onderwater Cabaret
|
2023?2024
|
Ein anderes Land. Judisch in der DDR
[28]
[29]
|
2023
|
Paris Magnetique. 1905?1940
|
2022?2023
|
Inside Out
?
Etgar Keret
[30]
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2022
|
?Wir traumten von nichts als Aufklarung“ ?
Moses Mendelssohn
|
2021?2022
|
Frederic Brenner
?
ZERHEILT
|
2021
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Yael Bartana
. Redemption Now
|
2019?2020
|
This Place
|
2018?2020
|
A wie Judisch. In 22 Buchstaben durch die Gegenwart
|
2018?2019
|
James Turell: Ganzfeld ?Aural“
|
2017?2019
|
Welcome to Jerusalem
[31]
|
2017
|
Cherchez la femme. Perucke,
Burka
, Ordenstracht
[32]
|
2016?2017
|
Golem
|
2014?2015
|
Haut ab! Haltungen zur rituellen Beschneidung
|
2013?2014
|
Alles hat seine Zeit. Rituale gegen das Vergessen
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2013
|
Die ganze Wahrheit … was Sie schon immer uber Juden wissen wollten
(aufgrund von 32 ausgewahlten Fragen von Museumsbesuchern gestaltet)
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2012?2013
|
R. B. Kitaj
(1932?2007). Obsessionen
|
2011?2012
|
Heimatkunde. 30 Kunstler blicken auf Deutschland
|
2009?2010
|
Koscher & Co. Eine Ausstellung uber Essen und Religion
|
2008?2009
|
Raub und
Restitution
. Kulturgut aus judischem Besitz von 1933 bis heute
|
2008
|
typisch! Klischees von Juden und Anderen
|
2006?2007
|
Heimat und Exil
|
2005?2006
|
Weihnukka
. Geschichten von Weihnachten und
Chanukka
|
2004
|
10 + 5 = Gott
[33]
|
2003
|
Kontrapunkt. Die Architektur von Daniel Libeskind
|
Das ?
Rafael Roth
Learning Center“ befand sich zwischen 2001 und 2017
[34]
im Untergeschoss des Judischen Museums Berlin. Hier wurde an 17 Computerstationen fur Einzelbesucher und Gruppen judische Geschichte multimedial und interaktiv prasentiert. Unter den Stichworten ?Dinge“, ?Geschichten“, ?Gesichter“ lernten die Besucher besondere Hohepunkte der Sammlung kennen und konnten sich in großer angelegte virtuelle Ausstellungen vertiefen ? beispielsweise zur Lebensgeschichte von
Albert Einstein
oder zur osteuropaischen Einwanderung zwischen 1880 und 1924.
Die Installation
Schalechet ? Gefallenes Laub
von
Menashe Kadishman
befindet sich im ?Memory Void“, einem der ?Voids“, der Leerstellen oder Hohlraume, die das Gebaude durchziehen. Es befindet sich im Erdgeschoss des Neubaus. Im Raum sind uber 10.000 Gesichter aus Stahlblech unterschiedlicher Ausfuhrungen auf dem Boden verteilt, die nicht nur an die im Holocaust ermordeten Juden erinnern sollen, sondern allen Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet sind. Dem Besucher steht es dabei frei, daruber zu gehen. Wenn man sich dafur entscheidet, uber die Gesichter zu laufen, so erzeugt dies metallische Klange. Es ist nicht moglich, sich leise fortzubewegen. Dies ist die Absicht des Kunstlers: Dadurch, dass man daruber geht, gibt man den Menschen ihre Stimmen zuruck.
Die
Galerie der verschwundenen Dinge
(?Gallery of the Missing‘) ist ein Projekt des Kunstlers
Via Lewandowsky
. Es handelt sich dabei um drei
Klanginstallationen
unter dem Titel ?Ordnung des Verschwindens“ in schwarz verspiegelten, nicht einsehbaren Glasvitrinen (Glaskorper) in der Dauerausstellung. Dargestellt werden zerstorte Gegenstande judischer Kultur: die
Encyclopaedia Judaica
, das judische Krankenhaus in Frankfurt und die Skulptur
Großer Kopf
von
Otto Freundlich
. Die Form der schwarzen Glaskorper bezieht sich auf die ?Voids“, die Leerraume aus Beton in Daniel Libeskinds Museumsarchitektur. Uber Infrarotkopfhorer konnen Besucher zu dem jeweils vorgestellten Objekt bis zu 40 Tonaufzeichnungen mit Beschreibungen, Erlauterungen und Hintergrunden, Gerauschen und Musik horen, wenn sie sich entlang der schwarzen Glaswande bewegen.
[35]
Die Besucher im Judischen Museum werden durch ?Hosts“ (
englisch
?Gastgeber‘) betreut, deren Aufgabe neben dem Schutz der Objekte vor allem darin besteht, den Besuchern als erste Ansprechpartner zur Seite zu stehen.
[36]
Im Jahr 2006 entstand uber den Besucherdienst im Judischen Museum eine Reportage von
Gunther B. Ginzel
mit dem Titel
Die Vermittler,
die unter anderem auf
Arte
und im
Ersten
ausgestrahlt wurde. Die ?Hosts“ konnen an ihren roten Schals erkannt werden.
[37]
Seit September 2001 gibt es in Berlin eine Außenstelle des Archivs des
New Yorker
Leo Baeck Institutes
. Sie erschließt in Deutschland fast die gesamten Bestande dieses weltweit bedeutendsten Archivs zur deutsch-judischen Geschichte. Das Leo Baeck Institute in New York wurde 1955 mit Zweigstellen in Jerusalem und London vom
Council of Jews from Germany
mit dem Ziel gegrundet, wissenschaftliche Forschung zur Geschichte der Juden im deutschsprachigen Raum seit der Zeit der Aufklarung zu betreiben, das dazu notige Material zu sammeln und entsprechende Veroffentlichungen zu fordern. Das Archiv besitzt die umfassendste Sammlung von Materialien zur Geschichte der Juden in Deutschland, Osterreich und anderen deutschsprachigen Gebieten in Mitteleuropa wahrend der letzten 300 Jahre ? darunter etwa eine Million Dokumente wie Gemeindeakten, personliche Unterlagen, Briefwechsel, ein Fotoarchiv sowie vielfaltige Zeugnisse aus dem religiosen, sozialen, kulturellen, intellektuellen, politischen und wirtschaftlichen Leben. Einmalig ist die Sammlung von mehr als 1200 Memoiren deutschsprachiger Juden (auch und besonders aus der Nach-NS-Zeit).
Das Projekt ?on.tour ? Das JMB macht Schule“, war ein mobiles Bildungsprogramm, das von 2007 bis 2018 bundesweit weiterfuhrende Schulen und andere Orte anfuhr. Damit erreichte das Judische Museum Berlin Kinder und Jugendliche, die nicht ohne weiteres das Museum Berlin besuchen konnen.
Das Judische Museum Berlin eroffnete 2021 ein zusatzliches Kindermuseum, die Kinderwelt ANOHA. Aufbauend auf der programmatischen Neuausrichtung, die auch mit der gegenwartigen Dauerausstellung verbunden ist, wird seit 2019 auch das Programm JMB on.tour weiterentwickelt.
Mit dem Projekt ?on.tour ? Das JMB macht Schule“ erreichte das Judische Museum Berlin Jugendliche. 16 Bundeslander nahmen teil. 430 Schulen auch die
Jugendstrafanstalt Berlin
hatten das JMB bis 2014 besucht.
[38]
Im direkten Kontakt mit den Schulern sollten das Interesse und die Begeisterung fur deutsch-judische Geschichte geweckt und die Fahigkeit zu vorurteilsfreiem und kritischem Denken gestarkt werden. Indem das Museum zu den Schulen gefahren ist, wollte es Lehrer darin bestarken, sich im Unterricht mit der deutsch-judischen Geschichte zu beschaftigen ? uber die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hinaus. Ein weiteres Ziel von ?on.tour ? Das JMB macht Schule“ formulierte
W. Michael Blumenthal
, Grundungsdirektor des Judischen Museums Berlin: ?Jeder Schuler und jede Schulerin in Deutschland sollte das Judische Museum Berlin mindestens einmal besucht haben, bevor sie die Schule beenden.“
[38]
Die mobile Ausstellung wurde auf dem Schulhof oder im Schulgebaude aufgebaut. Funf robuste und flexibel einsetzbare Ausstellungswurfel mit 16 Vitrinen und leicht verstandlichen Texttafeln gaben Einblick in die judische Geschichte und Lebenswelt. Anhand von Alltagsgegenstanden und Zeremonialobjekten wurden die Themen ?Judischer Alltag“, ?Leben und Uberleben“, ?Chancen und Diskriminierung“ und ?Feste feiern“ vorgestellt. So verwiesen beispielsweise koschere Gummibarchen, die mit dem Stempel des Rabbinats versehen sind, auf die judischen Speisegesetze. Das Spannungsfeld im 19. Jahrhundert zwischen dem Wunsch nach Anerkennung und Chancengleichheit einerseits, Berufsverboten und Diskriminierungen andererseits wurde beispielhaft an den Lebensgeschichten des Kondomfabrikanten
Julius Fromm
und des beruhmten Physikers und Weltburgers
Albert Einstein
deutlich. Die Verknupfung der deutsch-judischen Geschichte mit der Lebenswelt der Schuler sollte auch Lust auf einen Besuch des Judischen Museums Berlin machen.
Die ANOHA Kinderwelt ist in diesem Rahmen bundesweit aktiv.
[39]
ANOHA fokussiert insbesondere auf die Anbindung an die Nachbarschaft, den Kiez und die Berliner Bezirke.
[40]
Hierfur zeichnen spezielle Programme zur kulturellen Vielfalt unter der Uberschrift ?Auf die Arche und zuruck“ verantwortlich.
ANOHA, die Kinderwelt des Judischen Museums Berlin, zeigt als Dauerausstellung die Geschichte der
Arche Noah
aus der
Tora
fur Kinder im Kita- und Grundschulalter.
[41]
[42]
[43]
[44]
Damit erweitert das Judische Museum Berlin sein Angebot. Der Eintritt ins ANOHA ist kostenfrei.
[45]
Die ?Kinderwelt“ befindet sich gegenuber dem Judischen Museum Berlin in der ehemaligen
Blumengroßmarkthalle (Berlin-Kreuzberg)
hinter der ?W. Michael Blumenthal Akademie“. Der Eingang liegt auf der Nordseite dieses Gebaudes. An der Fassade weist ein vier Meter großes
Faultier
aus Fahrradschutzblechen und anderen recycelten Gegenstanden auf das
Kindermuseum
hin.
[46]
[47]
Die ?Kinderwelt“ entstand zwischen 2018 und 2020 nach einem Entwurf des Architektur- und Ausstellungsburos Olson Kundig Architecture and Exhibit Design Seattle/WA, USA.
[48]
[49]
Bei der Umsetzung verpflichtete sich das Judische Museum Berlin zu nachhaltigem Bauen.
[50]
Statt eines Neubaus wurde ANOHA auf 2695 m
2
Bruttogeschossflache in einen bestehenden Gebaudekomplex, die ehemalige Blumengroßmarkthalle Kreuzberg hineingesetzt. Die Eroffnung fand am 23. Juni 2021 statt.
[51]
Das nachhaltige Klimakonzept nutzt ein eigens fur diese Ausstellung entwickeltes Luftungs- und Energiesystem. Es basiert auf einer naturlichen Be- und Entluftung. Fur den Luftaustausch sind große Deckenventilatoren sowie RWA-Fenster (Fenster mit Rauch- und Warmeabzugsfunktion) in der Halle sowie im Ausstellungskorpus zustandig und machen energieaufwandige
Vollklimaanlagen
uberflussig.
[52]
Mittelpunkt der Ausstellung ist eine Arche aus unbehandeltem, einheimischem, nachwachsendem Holz mit einer Flache von 585 m
2
. Der Fichtenkorpus in der Anmutung eines Schiffs, ist dabei ? einer mesopotamischen Uberlieferung angelehnt ? rund
[53]
und nimmt unterhalb der gewolbten Decke der Blumengroßmarkthalle 7 Meter Hohe und einen Durchmesser von 28 Metern ein.
[54]
Auf der Arche selbst befinden sich 150 Tierskulpturen:
[55]
[56]
Schlusselobjekte fur verschiedene Themen und Gesprachsanlasse. Jede Tierskulptur wurde aus Fundstucken, gebrauchten Alltagsgegenstanden und recycelten Materialien von Kunstlern gestaltet.
[42]
Die lebensgroße Eselin besteht zum Beispiel aus 71 verschiedenen Teilen und Gegenstanden.
[54]
Verantwortlich fur den Tierbau war kubix GmbH.
[57]
Als Ort des freien Spiels und Entdeckens setzt ANOHA auf das innovative Konzept der
Immersion
,
[58]
[59]
[60]
das Eintauchen in das Geschehen, und auf den Einsatz von padagogisch geschulten Vermittlerinnen und Vermittlern vor Ort. Dies ermoglicht den Besuchern, sich interaktiv und spielerisch in einen Erkenntnisprozess zu begeben.
[53]
Ausgehend von der Erzahlung der Arche Noah aus der Tora fuhrt ANOHA so an wichtige religiose und gesellschaftliche Fragestellungen heran. Durch Installationen, angeleitete Aktivitaten und die
Erzahlung
vor Ort sind die Besucher Teil der Geschichte.
Im Eingangsbereich wird die
Illusion
von Regen erzeugt und Pfutzen-Installationen lassen Platschgerausche horen, wenn man in sie hineinspringt.
[61]
An Hands on-Stationen konnen die Kinder Wassergerausche hervorbringen und ?Wasserkonzerte“ veranstalten. An einer Werkbank lassen sich eigene Schiffe bauen,
[62]
die im Sintflutsimulator, einer 14 Meter langen Wasserstrecke,
[49]
getestet werden konnen. Zahlreiche der Tierskulpturen sind mobil und konnen von den Kindern an Bord der Arche gebracht werden. Sowohl das Personal als auch die Kinder konnen die Geschichte der Arche Noah an verschiedenen Orten im Haus weitererzahlen.
Das immersive Erlebnis wird intensiviert durch physische Aktionen. Durch die Riesenschlange
Anakonda
klettern, die
Giraffe
herunterrutschen, in der Werft Boote bauen oder im Zentrum der Arche uber die Zukunft diskutieren, bietet die Ausstellung eine Fulle von Themen, die durch die judische Geschichte, Erfahrungen und Kultur neue Perspektiven auf den Umgang mit
Migration
und
Identitat
in einer vielfaltigen Gesellschaft eroffnen. Die Themenvermittlung gliedert sich in drei Vermittlungssaulen, die sich aus der aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte der Arche Noah ergeben:
- Nachdenken uber Gott und die Welt,
[55]
- Natur- und Artenschutz,
[61]
- Zusammenleben und Forderung der Teilhabe; Pravention von Antisemitismus, Rassismus, Ausgrenzung.
[53]
Diese Themen werden erganzt durch Workshops, Ferienprogramme, Veranstaltungen und mobile Formate. Hierfur stehen im ANOHA zwei Atelierraume und ein Performance-Raum mit einer Buhne zur Verfugung.
Im Vermittlungs- und Bildungskonzept von ANOHA wurde der
Early Excellence Ansatz
ins Museum geholt. Weitere Methoden sind das
Hands on-Minds on-Prinzip
, die in Amsterdam entwickelte Methode ?I ASK“.
[63]
Zur Inklusion wurde ANOHA barrierearm gebaut und entwickelt u. a. zusammen mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. und einer Arbeitsgruppe Inklusion spezielle Angebote zur Teilhabe.
Ein eigens initiierter Kinderbeirat
[64]
arbeitet seit 2017 an der Entwicklung der neuen ?Kinderwelt“ mit. Die Kinder im Beirat sind zwischen 8 und 12 Jahre alt und kommen aus unterschiedlichen Berliner Schulen zusammen. Beteiligte Schulen sind: Galilei-Grundschule, Heinz-Galinski-Schule, Evangelische Schule Berlin-Friedrichshain, Wilhelm-von-Humboldt Gemeinschaftsschule, Friedenauer Gemeinschaftsschule, Kurt-Schumacher Grundschule.
[49]
In regelmaßigen Treffen bringen die Kinder ihre Wunsche ein und entwickeln neue Ideen, die in Workshops getestet werden.
Anfang des Jahres 2019 forderte der israelische Ministerprasident
Benjamin Netanjahu
in einem Brief an Bundeskanzlerin
Angela Merkel
dazu auf, die von
Cilly Kugelmann
und Margret Kampmeyer
kuratierte
Ausstellung
Welcome to Jerusalem
, die bis Ende April 2019 im Judischen Museum Berlin zu sehen war, zu schließen, weil sie eine einseitige, ?palastinensisch-muslimische Sicht“ auf die Stadt prasentiere. Netanjahu gefiel die
BDS
-tolerante Haltung des Hauses schon lange nicht. Museumsdirektor
Peter Schafer
und die Kulturministerin
Grutters
wiesen Netanjahus Vorwurfe als politische Einmischung zuruck.
Die Sonderausstellung wurde auch von der
Judischen Gemeinde zu Berlin
als einseitig kritisiert. Der Antisemitismusbeauftragte der Judischen Gemeinde zu Berlin,
Sigmount A. Konigsberg
, sagte, dass in der (sehr umfanglichen) Ausstellung ?durch systematisches Weglassen das Bild verzerrt“ wurde. So wurden demnach Israel einseitig als
Aggressor
und die
Palastinenser
als sich auf legitime Weise (im Befreiungskampf) wehrende Opfer dargestellt.
[65]
Der
Grunen
-Politiker
Volker Beck
schloss sich der Kritik an: ?Es wird behauptet, Israel hatte 1967 anlasslos
Ost-Jerusalem
erobert“, sagte er. Jedoch wurde der Vormarsch der
agyptischen Armee
, der
jordanische
Beschuss
West-Jerusalems
und Israels Warnung an Jordanien vor dem Kriegseintritt ?mehr oder minder unter den Tisch“ fallen.
[65]
Die
Vertreibung von hunderttausenden Juden aus arabischen Staaten
nach der Staatsgrundung Israels und die Zusammenarbeit des ehemaligen Jerusalemer Großmuftis
Mohammed Amin al-Husseini
mit deutschen Nationalsozialisten wurden verschwiegen.
[66]
Auf Kritik am Museum stieß ebenso, dass Museumsdirektor Peter Schafer im Marz 2019 den Botschafter des Kulturrats der
Islamischen Republik Iran
, Seyed Ali Moujani, empfangen hatte,
[67]
der
Judaica
aus iranischem Besitz ubergeben wollte. Das Treffen war mit Fotos auf der Website der iranischen Botschaft dokumentiert worden.
[68]
[69]
Im Juni 2019 trat Schafer von seinem Amt zuruck. Anlass war ein
Tweet
der Pressestelle des Museums mit der Empfehlung eines Artikels, in dem judische und israelische Wissenschaftler den Beschluss des Bundestages kritisierten, die BDS-Bewegung als antisemitisch einzustufen. Dieser Tweet sei gegen den ausdrucklichen Willen von Peter Schafer formuliert worden, so
Michael Wolffsohn
im
Tagesspiegel
. Der
Zentralrat der Juden in Deutschland
brach daraufhin den Kontakt zu dem Museum ab. Zentralratsprasident
Josef Schuster
schrieb: ?Unter diesen Umstanden muss man daruber nachdenken, ob die Bezeichnung ?judisch‘ noch angemessen ist.“
[68]
Der fruhere israelische Botschafter
Schimon Stein
und der israelische Historiker
Moshe Zimmermann
warnten vor diesem Hintergrund in einem Gastbeitrag im
Tagesspiegel
vor einer Beschneidung der Meinungsfreiheit in Deutschland.
[70]
Der Stiftungsrat beschloss am 22. Juni 2019, dass das Museum ein Jahr lang kommissarisch geleitet werden solle, bis ein Nachfolger fur Schafer gefunden worden sei.
[71]
- Seit 1999 ist es uber den
Auslandsdienst Osterreichs
moglich, am Judischen Museum Berlin einen
Gedenkdienst
zu leisten.
- Seit 2002 ehrt das Judische Museum Berlin mit dem
Preis fur Verstandigung und Toleranz
Personlichkeiten, die sich in diesem Sinne auf herausragende Weise verdient gemacht haben.
- Im Jahr 2013 wurde das Judische Museum Berlin mit dem Ehrenpreis des
Roland Berger Preises fur Menschenwurde
ausgezeichnet.
[72]
- Besucher mussen sich auf umfangreichere Sicherheitskontrollen einstellen als bei anderen Museen ublich.
- Der Entwurf fur den Anbau an das
Landesmuseum Zurich
von 2002 mit seinen spitzen Winkeln, dem zickzackformigen Grundriss, der langen Treppe und seiner zum Altbau kontrastierenden geschlossenen Fassade zeigt Parallelen zum Libeskind-Anbau.
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Koordinaten:
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,
13° 23′ 44″
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